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Heinrich Kost hat als Generaldirektor der Gewerkschaft Rheinpreußen, als führendes Mitglied der bergbaulichen Verbände und als Generaldirektor der Deutschen Kohlenbergbau-Leitung (DKBL) die Entwicklung des westdeutschen Bergbaus vor allem in der Nachkriegszeit maßgeblich geprägt.
Seine westdeutsche Mit- und Nachwelt würdigte Heinrich Kost als einen der „Großen des deutschen Bergbaus“ (Erwin Gärtner), der sich hohe Verdienste um dessen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg erworben habe. Dabei ist Kost als fleißige, fachlich kompetente, selbst- und standesbewusste, charakterstarke, pflicht- und verantwortungsbewusste und dem Gemeinwohl verpflichtete Persönlichkeit beschrieben worden, deren Offenheit, Humor und verbindliches Auftreten bei aller Härte in der Sache doch manche Interessengegensätze hätte überbrücken können. Diese Charakterisierung entsprach beinahe idealtypisch dem Selbstbild der bergbaulichen Führungselite, für die der Sozialtypus des Bergassessors a.D. prägend gewesen war und die – wie Evelyn Kroker 1998 urteilte – Kost „aufgrund seiner Herkunft, Karriere und Persönlichkeitsstruktur beinahe exemplarisch“ repräsentierte. Obgleich solche generalisierenden Typisierungen das Verständnis für historische Prozesse und Strukturen schärfen, so dürfen sie doch nicht den Blick auf die individuell unterschiedlichen Biographien, Charaktere und Handlungskontexte verstellen, die für Kost an dieser Stelle aber kaum detailliert nachzuzeichnen sind.
Heinrich Kost ist am 11.7.1890 in Betzdorf im Siegerland zur Welt gekommen. Er war das zweite von sechs Kindern. Sein Vater Heinrich Kost (1855-1930) leitete als königlich-preußischer Bergmeister das dortige Bergrevier. Seine streng protestantische Mutter Helene geborene Fünfstück stammte von einem schlesischen Rittergut. Die Familie war evangelisch. Kurz nach Heinrichs Geburt wurde der Vater an das Bergamt Recklinghausen versetzt. 1896 wechselte er wie so viele Bergassessoren als Generaldirektor der Bergwerks-AG Nordstern 1896 in die Privatwirtschaft. Bedingt durch sein Elternhaus kam Heinrich Kost schon früh mit der spezifischen Lebens- und Berufswelt der bergbaulichen Funktionselite in Berührung. Seine erste Grubenfahrt machte er bereits als Schüler. Nach dem Besuch der Volksschule, dem Abitur im Jahre 1910 und dem Jahr als Bergbaubeflissener im Blei-Zink-Bergbau des Lahn-Dill-Reviers nahm er im Sommersemester 1911 – wie später übrigens auch sein jüngerer Bruder Hellmuth – das Studium des Bergfachs in München auf und wechselte dann an die Bergakademie Berlin. Bald trat er einer studentischen Verbindung der Bergleute, dem Berg- und Hüttenmännischen Verein bei, der als wichtiger Knotenpunkt der personalen Netzwerke der Bergbauelite fungierte. Am Ersten Weltkrieg nahm er von Beginn bis zum Ende teil, so dass er erst 1919 die Prüfungen als Bergreferendar und als Diplom-Ingenieur ablegte. 1921 folgte schließlich das Bergassessorexamen.
Seine berufliche Karriere startete Kost 1922 als Direktionsassistent bei der zur Deutschen Erdöl-AG (DEA) gehörenden Braunkohlengrube Rostiz in Sachsen-Anhalt. 1923 wechselte er in gleicher Funktion zu der von der DEA neu erworbenen Zeche Graf Bismarck in Gelsenkirchen, bevor er 1925 die Leitung der DEA-Zeche Königsgrube in Wanne-Eickel übernahm, die er in den Jahren der Rationalisierung im Ruhrbergbau bis 1931 zu einer modernen Schachtanlage ausbaute. Ebenfalls im Sommer 1925 hatte Kost standesgemäß geheiratet: Martha Pattberg eine Tochter von Heinrich Pattberg, dem Generaldirektor der Gewerkschaft Rheinpreußen in Homberg (Niederrhein).
Am 1.1.1932 folgte Heinrich Kost seinem Schwiegervater als Generaldirektor nach und setzte dessen Unternehmenspolitik konsequent fort. Bei der andauernden Rationalisierung und Mechanisierung des Grubenbetriebs behauptete Rheinpreußen seine bergtechnische Vorreiterrolle. Anfang 1941 wurde hier erstmals ein mit der Firma Eickhoff entwickelter Schrämlader erprobt. Darüber hinaus forcierte Kost die Mechanisierung der Förderung und der Elektrifizierung unter Tage weiter. Rheinpreußen blieb eine der leistungsfähigsten Zechen im Ruhrbergbau. Ebenso forcierte Kost die von Pattberg in den 1920er Jahren vorbereitete Diversifizierung des Unternehmens in den zukunftsträchtigen Bereich der chemischen Kohlenveredlung, etwa durch den Bau einer Fischer-Tropsch-Anlage zur Treibstoffgewinnung seit 1936. Letztere fügte sich in die Autarkiebestrebungen der NS-Wirtschaftspolitik ein, ist allerdings ohne staatliche Beihilfen errichtet worden, was als Beleg für Kosts „deutlichen Willen zur Selbstständigkeit gegenüber der NS-Wirtschaftspolitik“ gewertet worden ist.[1]
Gleichwohl war es für einen Spitzenunternehmer wie Kost zumindest schwierig, sich der Verstrickung in das NS-System zu entziehen. Die Mitwirkung in den einschlägigen Verbänden und Gemeinschaftsorganisationen galt in der Bergbauelite als selbstverständlich, und gerade Kost maß ihr hohe Bedeutung bei. Im wichtigsten Interessenverband des Ruhrbergbaus, dem Verein für die bergbaulichen Interessen, gehörte er als Vorstandsmitglied zwar nicht dem inneren Entscheidungszirkel an. Aber als Leiter des Bezirksausschusses für Leistungssteigerung für den westdeutschen Bergbau der Reichsvereinigung Kohle (1941-1945) und des „Russenausschusses“ der Bezirksgruppe Ruhr (1942-1945) sowie in weiteren Ausschüssen war er an der Organisation der Kriegswirtschaft beteiligt.
Die Mehrheit der Bergbauunternehmer begegnete dem Nationalsozialismus mit einer „Mischung aus Distanz und Akzeptanz“ [2] . Politisch stand sie der nationalistischen und antidemokratischen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) näher als der NSDAP. Das galt auch für Kost mit seiner ausgeprägt deutsch-nationalen Gesinnung. Aussagen von ihm zur NS-Ideologie sind nicht bekannt. 1932 schloss er sich dem ****Stahlhelm an, einem der DNVP nahe stehenden, paramilitärischen Sammelbecken rechtsnationaler und republikfeindlicher Kreise. Erst Ende 1934 trat er schließlich der NSDAP bei, vielleicht weil er sich davon erhoffte, Konflikten mit Parteistellen besser aus dem Weg gehen zu können. Ein halbes Jahr zuvor war er von der Gestapo für einige Tage in „Schutzhaft“ genommen worden, weil er die Wahl zweier NS-Kandidaten zu Vertrauensmänner auf Rheinpreußen hatte verhindern wollen. Wenn Kost zudem die jüdische Ehefrau des Bergrats Werner Lieber (1892-1956) und den Oppositionellen Alfred Waldersee auf seinem privaten Wohnsitz Agnetenhof versteckt hat und in den letzten Kriegsmonaten ein Erschießungsbefehl von Martin Bormann (1900-1945) gegen ihn vorlag, dann verweist das auf die vielschichtige Ambivalenz seiner Tätigkeit in der NS-Zeit, die einer differenzierten Betrachtung bedarf und sich Pauschalurteilen entzieht.
Nach Kriegsende galt Kost als politisch unbelastet, und auch wegen seiner fachlichen und unternehmerischen Leistungen sahen die Entscheidungsträger der Besatzungsmächte in der Bizone in ihm eine ideale Besetzung für die Spitze der Deutschen Kohlenbergbau-Leitung (DKBL). Am 19.11.1947 wurde Kost als Generaldirektor in sein Amt eingeführt. Auftrag der DKBL war die Lenkung des deutschen Braun- und Steinkohlenbergbaus, wofür sie mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet wurde. Schließlich war sie auch mit der Entflechtung und Neuordnung des deutschen Bergbaus befasst. Allerdings behielt sich die alliierte UK/US Coal Control Group grundlegende Entscheidungs- und Vetorechte vor. Bis Ende 1952 waren die Probleme soweit gelöst, dass die DKBL mit alliierter Verordnung vom 21.7.1953 aufgelöst werden konnte. Ihre wirtschafts- und sozialpolitischen Aufgaben gingen auf die zuvor neu gegründeten Unternehmensverbände mit der Wirtschaftsvereinigung Bergbau als zentralem Dachverband, die technisch-wissenschaftlichen Aufgaben auf den Steinkohlenbergbauverein über.
In den Nachkriegsjahren trat der überzeugte Christ Heinrich Kost, der schon vorher für einen stärker partnerschaftlich und kommunikativ ausgerichteten Führungsstil in den Zechen eingetreten war, als Verfechter einer neuen, sozial-konservativen und auf dem Gemeinschaftsgedanken beruhenden Sozialordnung im Bergbau sowie als Initiator der 1950 begründeten Gemeinsamen Sozialarbeit der Konfessionen im Bergbau (GSA) hervor. Sein Konzept war ein Gegenentwurf zu den Mitbestimmungsforderungen der Arbeiterorganisationen, die Kost entschieden ablehnte, die sich aber in der Montanindustrie bekanntlich durchgesetzt haben.
Neben der ehrenamtlichen Leitung der DKBL fungierte Kost weiter als Generaldirektor der Gewerkschaft Rheinpreußen bis er bei der Neugründung als Rheinpreußen AG für Bergbau und Chemie am 31.10.1951 den Aufsichtsratsvorsitz übernahm, den er bis 1961 innehatte. Darüber hinaus gehörte Kost den Aufsichtsgremien zahlreicher weiterer Unternehmen an und bekleidete in den bergbaulichen und industriellen Verbänden zahlreiche Spitzenfunktionen und Ehrenämter. Dabei wandte sich sein Engagement nunmehr überregionalen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen zu. Unter anderem war er von 1952 bis 1964 Präsident und anschließend Ehrenpräsident der Wirtschaftsvereinigung Bergbau, Vorstandsmitglied des Deutschen Industrie- und Handelstages oder Vorsitzender der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern des Landes Nordrhein-Westfalen. Sein besonderes Interesse galt der Förderung des bergmännischen und akademischen Nachwuchses, so zum Beispiel als Präsident des Kuratoriums des Deutschen Studentenwerks oder als Ehrensenator der Max-Planck-Gesellschaft ****zur Förderung der Wissenschaften. Sie verlieh ihm 1957 die Karmarsch-Denkmünze – nur eine der zahlreichen Ehrungen die Kost zu Lebzeiten erfuhr. Bereits 1953 war er mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband geehrt worden. Seit 1949 war Heinrich Kost Dr. hc. der RWTH Aachen. Die Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Ruhr-Universität Bochum verleiht seit 1975 den Dr. Heinrich-Kost-Preis.
Heinrich Kost starb am 3.7.1978 auf dem Agnetenhof bei Kapellen (Stadt Moers).
Werke (Auswahl)
Was mich bewegt. Gedanken zur Gesellschaft heute und morgen, Düsseldorf 1975.
Literatur
Baumann, Georg, Heinrich Kost. Hauptexponent der Steinkohlenmagnaten, in: ders.: Eine Handvoll Konzernherren, Berlin 1953, S. 79-83.
Ertel, Rainer, Die Träger der Karmarsch-Denkmünze 1925 bis 2011. Ein Streifzug durch die deutsche Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte, Hannover 2011. _
_ Fuchs, Konrad, Heinrich Kost (1890-1978) - Ein Industrieller und Wirtschaftsführer aus Betzdorf, in: Heimat-Jahrbuch des Kreises Altenkirchen 58 (2015), S. 288-290.
Gärtner, Erwin, Heinrich Kost zum Gedächtnis, in: Glückauf 114, 1978, S. 691-692.
Kroker, Evelyn, Heinrich Kost: Rationalisierung und Sozialbeziehungen im Bergbau, in: Erker, Paul/Pierenkemper, Toni (Hg.), Deutsche Unternehmer zwischen Kriegswirtschaft und Wiederaufbau. Studien zur Erfahrungsbildung von Industrie-Eliten, München 1998, S. 291-316.
Pritzkoleit, Kurt, Bergmann nach Tradition, Beruf und Berufung, in: Pritzkoleit, Kurt, Männer, Mächte, Monopole. Hinter den Türen der westdeutschen Wirtschaft, Düsseldorf 1953, S. 55-60.
Schmidt, Bernhard, Heinrich Kost: Symbiose eines deutsch-nationalen Spitzenunternehmers mit den Nazis – oder Widerständler?, in: Pritzkoleit, Kurt (Hg.), Moers unterm Hakenkreuz. Zeitzeugenberichte, Erinnerungsarbeit und Beiträge zur NS-Zeit im Altkreis Moers, Essen 2008, S. 650-680, 832-835.
Seidel, Hans-Christoph, Der Ruhrbergbau im Zweiten Weltkrieg. Zechen – Verbände – Bergarbeiter – Zwangsarbeiter, Essen 2010.
Trauerfeier für Bergassessor a.D. Dr.-Ing. E.h. Heinrich Kost am 7. Juli 1978 im großen Saal des Ruhrkohle-Hauses in Essen, o. O., 1978.
Online
Kroker, Evelyn, Kost, Heinrich, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 620. [Online]
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Przigoda, Stefan, Heinrich Kost, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-kost-/DE-2086/lido/5ca1fe6be76f24.30133588 (abgerufen am 10.12.2024)