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Johannes Giesberts wurde im Oktober 1918 als einer der ersten Parlamentarier zum Unterstaatssekretär ernannt und somit in eine politisch verantwortliche Stellung berufen. Diese Personalie ist auch vor dem Hintergrund seiner Reputation als christlicher Arbeiterfunktionär zu sehen, die er sich vor allem während des Weltkrieges erworben hatte. Dass er somit als ministrabel galt, zeigte sich einige Monate später, als ihm in der Regierung Scheidemann das Amt des Reichspostministers übertragen wurde.
Familie Johannes Giesberts wurde am 3.2.1865 als Sohn des Bäckers Jacob Giesberts (1837–1889) und seiner Frau Hubertine (1836–1874) in Straelen am Niederrhein geboren. Nach dem Besuch der Volksschule (1871–1879) absolvierte er von 1880 bis 1882 eine Bäckerlehre in Wachtendonk, die er aber abbrach, weil er zum Unterhalt der Familie beitragen musste.
Er arbeitete dann in verschiedenen Betrieben (Landwirtschaft, Ziegelei, Ölmühle), leistete von 1885-1888 seinen Militärdienst und war als Brauereiarbeiter, 1891-1899 als Kesselheizer in der Eisenbahnwerkstätte in Köln-Nippes und als Maschinist bei der Firma Bachem in Köln tätig. Seit 1893 war er in der Christlichen Gewerkschaftsbewegung aktiv, absolvierte 1895 den 1. sozialpolitischen Kursus des Volksvereins für das katholische Deutschland, betätigte sich als Arbeitersekretär sowie als Mitgründer und Vorstandsmitglied im Christlichen Metallarbeiterverband, war 1897 Delegierter bei der 1. Arbeiterschutzkonferenz in Zürich und 1900 Mitgründer der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeitsschutz.
Ab 1899 war er hauptberuflich in der Arbeitnehmerbewegung tätig, so bis 1914 als Diözesansekretär der katholischen Arbeitervereine der Erzdiözese Köln, bis 1905 auch als Redakteur der „Westdeutschen Arbeiterzeitung“, des Verbandsorgans für katholische Arbeitervereine; später übernahm er andere Redaktionstätigkeiten im Rahmen der christlichen Gewerkschaftsbewegung. Weitere Arbeitsbereiche kamen im Laufe der Zeit hinzu: 1903 wurde er (als Verbindungsmann zur Christlichen Arbeiterbewegung) Mitglied der Zentralstelle des Volksvereins für das katholische Deutschland, nach dem Ersten Weltkrieg auch Mitglied des Gesamtvorstands und 1929 des Engeren Vorstands des Zentralvereins.
Zeitgleich mit seiner Tätigkeit in der Arbeitnehmerbewegung betätigte sich Giesberts zunehmend parteipolitisch und parlamentarisch: 1892 war er bereits in Mönchengladbach als Stadtverordneter gewählt worden (bis 1918, dann wieder 1920-1933), ab 1898 war er als Wahlkampfredner im Reich unterwegs, 1903 wurde er Mitglied des Provinzialausschusses der Rheinischen Zentrumspartei, am 28.9.1905 wurde er in einer Nachwahl im Reichstagswahlkreis Düsseldorf 5 (Essen) in den Reichstag gewählt, dem er bis November 1918 und dann erneut von Januar 1919 bis März 1933 (1919 Wahlkreis 22 Regierungsbezirk Düsseldorf, 1920 bis 1933 Wahlkreis 25 beziehungsweise 22 Düsseldorf-Ost) angehört. In Essen (Wahlkreis Düsseldorf 14: Essen) wurde Giesberts 1908 auch in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt, dem er bis 1918 angehörte.
Während des Ersten Weltkrieges bekleidete er eine Stelle als Verwaltungsinspektor, unter anderem beim Kriegspresseamt und beim 1916 errichteten Kriegsernährungsamt, als Sachverständiger für Sozialfragen beim Generalgouverneur in Belgien und als Vortragsredner an der Front.
Der ausgewiesene Sozialpolitiker wurde Anfang 1918 in das Reichswirtschaftsamt berufen, das im Oktober 1917 als eine besondere, dem Reichskanzler unterstellte Zentralbehörde, also eine Oberste Reichsbehörde, für die bisher zum Reichsamt des Innern ressortierenden wirtschafts- und sozialpolitischen Angelegenheiten errichtet wurde. Eine politisch exponierte Stellung erhielt Giesberts dann im Zuge der Parlamentarisierung der Reichsregierung, als er zum parlamentarischen Unterstaatssekretär im am 4.10.1918 als besondere, dem Reichskanzler unterstellte Zentralbehörde errichteten Reichsarbeitsamt ernannt wurde. Das Reichsarbeitsamt war für die zuvor zum Reichswirtschaftsamt ressortierenden sozialpolitischen Angelegenheit zuständig. Die parlamentarischen Unterstaatssekretäre wurden in der Folge der Koalitionsverhandlungen nach der Bildung der Regierung des Prinzen Max von Baden (Reichskanzler 3. Oktober - 9. November 1918) berufen. Ihre Funktion war die eines „technischen“ oder - nach englischem Vorbild - parlamentarischen Unterstaatssekretärs. Aus rechtlichen Gründen, um ihr Reichstagsmandat behalten zu können, firmierten die Unterstaatssekretäre bis zur Aufhebung von Art. 21 Abs. 2 der Reichsverfassung am 28.10.1918 als „mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt“.
Diese parlamentarischen Staatssekretäre und die dann durch die Volksbeauftragten als Beigeordnete in den Reichsämtern Berufenen galten als ranggleich. Giesberts blieb in der Stellung eines parlamentarischen Unterstaatssekretärs im Reichsarbeitsamt bis zum 13.2.1919. Im Zuge der ersten Regierungsbildung durch Phlipp Scheidemann (SPD) am 13.2.1919 wurde ihm das Amt des Reichspostministers übertragen, das er auch in der Folgezeit in den Kabinetten Gustav Bauer, Hermann Müller, Konstantin Fehrenbach und Joseph Wirth innehatte. Beim Sturz der Regierung Wirth am 22.11.1922 schied er aus der Reichsregierung aus.
Schwerpunkte seiner Tätigkeit als Mitglied der Reichsregierung war die Teilnahme an den Friedensverhandlungen im Versailles und die Überführung der bisherigen Post- und Telegraphenverwaltung Bayerns auf das Reich gemäß Art. 170 der Weimarer Reichsverfassung, wodurch die Postangelegenheiten definitiv in die Zuständigkeit des Reichs überging und ein einheitliches Reichspostgebiet geschaffen wurde.
In der Folgezeit blieb Giesberts parlamentarisch tätig, so als Vorstandsmitglied der Zentrumsfraktion im Reichstag, als Vorsitzender des (15.) Verkehrsausschusses des Reichstags, ferner als Mitglied des Wasserstraßenbeirats des Reichsverkehsministeriums. Er war weiterhin Vorstandsmitglied des Gesamtverbands der christlichen Gewerkschaften, des christlichen Metallarbeiterverbandes und der Gesellschaft für soziale Reform. Ferner gehörte er dem Aufsichtsrat der Germania AG für Verlag und Druckerei, die das gleichnamige Presseorgan des Zentrums vertrieb, an.
Bei der Reichstagswahl im März 1933 nicht mehr gewählt, lebte Giesberts als Ruhegehaltsempfänger („Arbeitersekretär, Reichspostminister a.D.“) in Berlin-Grunewald. Nach 1933 wurde er wegen Verstoßes gegen das Genossenschaftsgesetz zu einer geringfügigen Haftstraße verurteilt. Am 10.9.1935 übersiedelte er von Berlin nach Mönchengladbach. Nach einem Bericht der Gestapo vom 12.1.1937 übte „er keine Tätigkeit mehr aus. Politisch ist er nicht mehr in Erscheinung getreten“.
Giesberts ist am 7.8.1938 in Mönchengladbach gestorben.
Literatur
Haunfelder, Bernd, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei. Biographisches Handbuch und historische Biographien, Düsseldorf 1999.
Matthias, Erich / Morsey, Rudolf, Die Regierung des Prinzen Max von Baden, Düsseldorf 1962.
Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19, eingeleitet von Erich Matthias, bearb. von Susanne Miller unter Mitwirkung von Heinrich Potthoff, 2 Halbbände, Düsseldorf 1969.
Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Band 1, Berlin 1930, S. 543-544.
Schreiber, Nicolas Peter, Vom Arbeiter zum Reichsminister: Johannes Giesberts (1865–1938). 40 Jahre Politik in der christlich-sozialen Arbeiterbewegung (Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Geldern und Umgebung 108), Geldern 2011.
Schumacher, Martin, M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Eine biographische Dokumentation, 3. erweiterte Auflage, Düsseldorf 1994.
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Lilla, Joachim, Johannes Giesberts, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-giesberts/DE-2086/lido/57c6c8625e7da9.61645575 (abgerufen am 04.10.2024)