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Der Bonner Karl Simrock erhielt den ersten germanistischen Lehrstuhl der Universität Bonn. Seine Übersetzungen und Nachdichtungen mittelhochdeutscher sowie anderer mittelalterlicher Texte erfreuten sich großer Beliebtheit. Seiner Vaterstadt und dem Rheinland widmete er zahlreiche populäre Veröffentlichungen.
Der aus Mainz stammende Vater Nicolaus Simrock (1751-1832) war kurkölnischer Hof- und Kammermusiker, bevor er sich als Musikverleger unter anderem des befreundeten Ludwig van Beethoven einen Namen machte (Musikverlag N. Simrock seit 1793). Die Mutter Ottilie Franzisca, geborene Blascheck (1756-1829) stammte ebenfalls aus Mainz. Der am 28.8.1802 in Bonn geborene Karl war das 13. und jüngste Kind des Paares.
Seit 1834 war Simrock mit Gertrud Antoinette Ostler (1804-1872) verheiratet, der Tochter des verstorbenen Forstmeisters Max Friedrich Ostler (1770-1827) aus Röttgen. Das Paar hatte vier Kinder: Agnes (1835-1904), Dorothea (1836-1911), Caspar (1842-1897), der Arzt in Frankfurt am Main wurde, und Anna Maria (1846-1905), die sich verheiratete mit August Reifferscheid (1835-1887), Professor für klassische Philologie; ihr Sohn Heinrich Reifferscheid (1872-1945) war Maler und Akademieprofessor in Berlin und Düsseldorf. Ein Urenkel Simrocks war Walther Ottendorff-Simrock (1902-1985), Jurist und Schriftsteller.
Nach Privatunterricht und Besuch des Lycée beziehungsweise Gymnasiums begann Simrock 1818 mit dem Studium der Rechte an der neugegründeten Universität Bonn. Er interessierte sich jedoch auch für die Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Darum hörte er Vorlesungen August Wilhelm von Schlegels über Literatur und Ernst Moritz Arndts über Geschichte. Er freundete sich unter anderem mit Heinrich Heine und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) an.
1822 setzte Simrock sein Studium in Berlin fort, wo er die erste (1823) und zweite Juristische Staatsprüfung (1825) ablegte. Auch dort widmete er sich der altdeutschen Literatur, was der Besuch altgermanistischer Vorlesungen bei Friedrich von der Hagen (1780-1856) und Carl Lachmann (1793-1851) verdeutlicht. Während seiner Dienstzeit als Referendar beim Königlichen Kammergericht veröffentlichte er eine Übertragung des Nibelungenliedes ins Neuhochdeutsche (1827), die Goethes Wohlwollen weckte und bis ins 20. Jahrhundert populär war. Simrocks literarische Interessen schlugen sich im Besuch literarischer Zirkel wie der „Mittwochs-Gesellschaft“ nieder und in der Veröffentlichung literarischer Beiträge. Dort lernte er Romantiker wie Adalbert von Chamisso (1781-1838) und Friedrich de la Motte-Fouqué (1777-1843) kennen. Damals entwickelte sich auch eine Brieffreundschaft mit Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) sowie mit der Familie des letzteren. 1829 lernte Simrock während einer Reise nach Süddeutschland Ludwig Uhland (1787-1862) und Justinus Kerner (1786-1862) kennen, die Hauptvertreter der Schwäbischen Dichterschule.
1830 wurde Simrock überraschend aus dem preußischen Staatsdienst entlassen. Grund dafür bot sein Gedicht „Drei Tage und drei Farben“, in dem er die zum Sturz der Bourbonen führende Pariser Juli-Revolution begeistert begrüßte. Davon abgesehen tendierten seine politischen Einstellungen zum Konservativismus und waren gegenüber Preußen durchweg positiv gestimmt. 1832 kehrte Simrock endgültig nach Bonn zurück. Das Erbe seines verstorbenen Vaters, darunter auch Weingüter in Menzenberg bei Honnef (heute Stadt Bad Honnef), erlaubte es ihm, das Leben eines vermögenden Privatgelehrten zu führen. Die Heirat der wohlhabenden Gertrud Antoinette Ostler führte zum Besitz eines Hauses in der Acherstraße 13 in Bonn, in dem das Paar seit 1834 wohnte. 1840 wurde der Bau des Hauses „Parzival“ in Menzenberg fertig gestellt, wo Simrock fortan die Sommermonate verbrachte, seinen eigenen Rotwein „Eckenblut“ kelterte und Gäste aus nah und fern empfing.
Simrock nahm am Gesellschafts- und Vereinsleben Bonns sowie des Rheinlands regen Anteil – unter anderem am Karneval (er war Ehrenmitglied des Allgemeinen Vereins der Carnevalsfreunde zu Düsseldorf); dem Bonner Stadtrat gehörte er 1842-1846 an. Vor allem pflegte er regen Umgang mit jüngeren Dozenten der Universität, mit Studenten und Literaten, darunter Gottfried Kinkel, Ferdinand Freiligrath, Karl Immermann, Emanuel Geibel (1815-1884), Wolfgang Müller von Königswinter, Jacob Burckhardt (1818-1897) und Levin Schücking (1814-1883). Besonders nahe stand er dem 1840 gegründeten „Maikäferbund“, einem Dichterkreis um Kinkel und dessen spätere Frau Johanna Mockel. Von 1844 war er bis zum Ende des Kreises 1847 Mitglied und schrieb Beiträge in der handschriftlichen Vereinszeitung „Der Maikäfer“.
Publizistisch trug Simrock erheblich zur Popularität der Rheinromantik bei. Dies gilt insbesondere für die Sammlung der „Rheinsagen aus dem Munde des Volkes und deutscher Dichter“ (1837, viele Auflagen), in die er auch eigene lyrische Sagengestaltungen und Balladen wie die berühmte „Warnung vor dem Rhein“ aufnahm. „Das malerische und romantische Rheinland“ (1838-1840, mehrere Auflagen) schrieb er als zeittypische Reisebeschreibung in Prosa und mit Gedichten, die auf Landschaft und Geschichte, auf Bräuche, Sagen und Anekdoten eingeht. Gemeinsam mit Freiligrath und Christian Josef Matzerath (1815-1876) gab Simrock das kurzlebige „Rheinische Jahrbuch für Kunst und Poesie“ heraus.
Von seinen volkskundlichen Interessen zeugen ferner die „Bonner Faschingslieder“ (1844), und das „Bonner Idioticon“, eine Sammlung von Wörtern, Wendungen und Redensarten der Bonner Mundart, die als Manuskript unvollständig blieb. Auch die „Deutschen Volkslieder“ (1851) beziehen sich überwiegend auf die Bonner Umgebung. Etliche Vorlagen übernahm Simrock von der „Heinemöhn“ Marie Cäcilie Heine, einer Weinbergarbeiterin aus Menzenberg.
1834 wurde Simrock auf Betreiben des damaligen Rektors der Universität Bonn, des Philosophen Christian August Brandis (1790-1867), und schwäbischer Freunde wie Ludwig Uhland von der Universität Tübingen der Doktortitel verliehen. Seit 1841 bekundete er Interesse an einer in Bonn neu einzurichtenden Professur für deutsche Literatur, wobei ihn der Kurator Philipp Joseph von Rehfues (1775-1843) unterstützte. Nachdem Simrock einen Teil seines Vermögens 1848 verloren hatte, verstärkte er die Bemühungen um ein Ordinariat. 1850 ernannte ihn die Universität Bonn schließlich zum außerordentlichen Professor für Geschichte der deutschen Literatur – allerdings ohne Gehalt. Zwei Jahre später wurde er zum ersten ordentlichen Professor für deutsche Sprache und Literatur der Universität Bonn ernannt. Einen erheblich attraktiveren Ruf nach München lehnte er ab. Seitdem wirkte Simrock überwiegend als Hochschullehrer und im akademischen Umfeld, so 1856/1857 als Dekan der Philosophischen Fakultät.
Sein Werk umfasst Ausgaben (etwa Walther von der Vogelweide 1870), Übersetzungen (Die Edda 1851), Bearbeitungen und Nachdichtungen mittelalterlicher Literatur (Das Amelungenlied 1843-1849) sowie Texte vermeintlicher Volksüberlieferungen (Die deutschen Volksbücher seit 1839), für die er unter den Zeitgenossen große Popularität genoss. Als Wissenschaftler tat sich Simrock kaum hervor, in seinen Editionen folgt er weniger strengen philologischen Grundsätzen als seinen poetischen Neigungen, die romantisch und patriotisch geprägt waren.
Als Gegner des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas schloss er sich 1871 der altkatholischen Bewegung an und trug zu deren Stärkung in Bonn bei. Drei Tage nach seinem Tod am 18.7.1876 wurde Simrock auf dem Alten Friedhof in Bonn beerdigt. Ein 1903 im Bonner Hofgarten eingeweihtes Simrock-Denkmal von Albert Hermann Küppers (1842-1929) wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges demontiert und teilweise eingeschmolzen.
Werke
Das Nibelungenlied (Übersetzung), 1827.
Rheinsagen aus dem Munde des Volkes und deutscher Dichter 1837.
Das malerische und romantische Rheinland, 1838-1840.
Die deutschen Volksbüche, 1839-1867.
Die Legende von den heiligen drei Königen, 1842.
Das Amelungenlied,1843-1849 (in: Das Heldenbuch 6, 1849).
Die Edda (Übersetzung), 1851.
Die deutsche Volkslieder (Hg.), 1851.
Handbuch der deutschen Mythologie mit Einschluß der nordischen, 1853.
Walther von der Vogelweide (Hg.), 1870.
Literatur
Barth, Johannes, Simrock, Karl Joseph, in: Neue Deutsche Biographie 24, 2010, S. 447-449.
Karl-Simrock-Forschung Bonn (Hg.), Karl Simrock 1802-1876. Einblicke in Leben und Werk, Bonn 2002.
Moser, Hugo, Karl Simrock. Universitätslehrer und Poet. Germanist und Erneuerer von „Volkspoesie“ und älterer „Nationalliteratur“. Ein Stück Literatur-, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bonn 1976.
Pinkwart, Doris, Karl Simrock (1802-1876). Bonner Bürger, Dichter und Professor. Dokumentation einer Ausstellung, Bonn 1979.
Online
Stadtmuseum Bonn. [Online]
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Krause, Arnulf, Karl Joseph Simrock, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-joseph-simrock/DE-2086/lido/57c95239dd2181.20455648 (abgerufen am 10.12.2024)