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Leo Breuer war ein Bonner Maler, der – in Bonn und Paris arbeitend – heute zu den wichtigsten Vertretern des geometrisch-konstruktivistischen Kunststils nach 1945 gezählt wird.
Am 21.9.1893 wurde Leonard (Leo) Breuer als ältester Sohn des Maurermeisters Josef Breuer (1858–1932) und dessen Ehefrau Katharina (1870–1937) in der Thalstraße 4 (heute Alfred-Bucherer-Straße) in Endenich (heute Stadt Bonn) geboren. Nachdem er am 13.3.1907 den Realschulabschluss erlangt hatte, absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Kaufmann und Reklamezeichner, während die Familie in die Thalstraße 42 umzog, wo der Vater 1908 eine Kolonialwarenhandlung eröffnete und 1909 die Geschäftsstelle des Endenicher Spar- und Darlehenskassen-Vereins einrichtete. 1912 begann Breuer ein Studium an der Kölner Kunstgewerbeschule, um akademisches Zeichnen und freies Komponieren zu erlernen, dass er jedoch wegen seiner Einberufung zum Kriegsdienst 1915 unterbrechen musste. Nach seiner Teilnahme am Russlandfeldzug und Jahren als Kriegsgefangener in einem Lager in Kasan an der Wolga kehrte er 1918 in seine Heimat zurück und konnte 1919 sein Studium in Köln wieder aufnehmen. Zugleich half er dem Bonner Maler Willy Stucke (1880–1952), dem Vater des Rheinischen Expressionisten Willy Maria Stucke (1909–1987), bei der Ausmalung der Kirche St. Familia in Kassel. 1920/1921 studierte Breuer an der Kunstakademie in Kassel, richtete ein erstes Atelier in seinem Elternhaus ein, trat 1923 dem Bonner Künstlerbund bei und nahm bis 1924 regelmäßig an Bonner Ausstellungen teil.
Stilistisch waren seine frühen Bilder an einen expressiven Impressionismus angelehnt, wie etwa Max Liebermann (1847–1935) ihn pflegte, der sich in den späten 1920er Jahren – besonders bei seinen Personendarstellungen – hin zur neusachlichen Malerei änderte. Sein 1924 gestalteter Sieger-Entwurf zu einem Plakatwettbewerb, den die Stadt Bonn zur Rheinischen Jahrtausendfeier ausgeschrieben hatte, wies jedoch schon deutlich in Richtung des Konstruktivismus. In der 1925 lithographierten Arbeit nimmt Breuer schon sein späteres Kompositionsprinzip vorweg: vor einer romanischen Säule, die sicherlich nicht zufällig stark an die vor der Bonner Münsterkirche stehenden Prangersäule erinnert und die das Jahrtausend symbolisieren soll, sind drei gestaffelt stehende Trompeter eingefügt, jeweils mit erhobenem, eine schlanke Fanfare haltendem linken Arm. Die stilisierten und vollkommen gleichförmigen Musiker bilden mit ihren Köpfen, Armen und Instrumenten jeweils ein Dreieck. Mit der auf geometrische Grundmuster wie Kreis, Dreieck und Trapez reduzierten Komposition gelingt Breuer eine starke Rhythmisierung und Strukturierung des ganzen Blatts. Ordnung und Rhythmus werden auch in seinem späteren Werk zu wichtigen Eckpfeilern seiner Kunst.
Auch in späteren Jahren griff die Stadt Bonn gerne auf Breuers Entwürfe zurück, der zwischenzeitlich bei der Schokoladenfabrik Stollwerck als freier Werbegrafiker unter Vertrag stand.
1924 heiratete er Helene Elsler (Lebensdaten unbekannt) und nahm, nach einem mehrmonatigem Studienaufenthalt in Italien, 1925 eine Stelle als Bühnenbildner beim Ensemble von Theo Haerten (1898-1968) in der Bad Godesberger Redoute an. Sein Atelier verlegte er nun, nach einer kurzen Zwischenstation in der Nähe des Botanischen Gartens, nach Beuel (heute Stadt Bonn). Als Haertens Truppe nach Neuss übersiedelte, zog Breuer 1927 mit Atelier und Wohnung nach Düsseldorf, doch wechselte er bereits zwei Jahre später als künstlerischer Beirat für die Spielzeit 1929/1930 an das Stadttheater Koblenz. Im Herbst 1930 übernahm er die Leitung der Zeichen- und Malklasse an der Städtischen Diesterweg-Hochschule in Berlin und gestaltete die Illustrationen für den „Querschnitt“, einer bei Ullstein erscheinenden Monatsschrift. In Berlin fand im Mai 1933 Breuers erste Einzelausstellung in der Galerie Gurlitt statt, doch sah der Maler durch die radikal geänderten politischen Verhältnisse für sich keine Zukunft mehr in Deutschland. Er emigrierte 1934 nach Den Haag, wo er in der Galerie Het Center erfolgreich ausstellte, und reiste 1935 zu Ausstellungszwecken nach Belgien. Als ihm die Mitarbeit als Restaurator im seinerzeit sehr bekannten Institut Roeder angeboten wurde, nahm Breuer an und ließ sich bis 1938 in Brüssel nieder.
In dieser Zeit beschäftigte er sich künstlerisch stark mit den theoretischen Schriften Wassily Kandinskys (1866–1944) und setzte sich mit dem holländischen Konstruktivismus auseinander. Seine neu gewonnenen Erkenntnisse flossen in seine eigenen Bilder ein, von denen leider jedoch nur sehr wenige erhalten sind. Während Breuer sich künstlerisch weiter entwickelte, verlief das Privatleben weniger glücklich. Kurz nach der Scheidung von seiner Frau besetzten deutsche Truppen Holland und Belgien und machten Breuer damit zu einem „feindlichen Ausländer“. Der Aufforderung, sich bei der Polizei zu melden, folgte Breuers Gefangennahme und Inhaftierung in einem Lager nahe den Pyrenäen. Während seiner Internierungszeit unter schwierigsten Bedingungen in verschiedenen Lagern lernte Breuer die Bildhauerin Annie Wartenberger (1915–1995) kennen, die 1949 seine zweite Ehefrau werden sollte und mit der er, nach seiner Entlassung am 2.3.1945, nach Paris zog. Zunächst lebte das Paar vom Verkauf selbst hergestellter Keramiken, doch begann Breuer bald wieder zu malen. Inspiriert durch die Begegnung mit gleichgesinnten Künstlern wie Hans Hartung (1904–1989), Antoine Pevsner (1884–1962), Albert Gleizes (1881–1953) und vor allem Auguste Herbin (1882–1960), von dem er stark beeinflusst wurde, konzentrierte Breuer sich nun ganz auf den Konstruktivismus. 1946 – und von da an jährlich bis 1975 – nahm er am „Salon des Réalités Nouvelles“ teil, wo er mit seiner Malerei nachhaltige Erfolge erzielte. In seinen Bildern dominierte jetzt mehr und mehr die reine Farbe unter Verzicht gebrochener Töne; die Kompositionen wurden zunehmend harmonischer.
Nachdem Breuer 1951 seine Heimatstadt erstmals wieder besucht hatte, richtete er sich im folgenden Jahr in Bonn ein zweites Atelier ein – zunächst im Elternhaus, später am Fasanenweg in Ippendorf –, um von nun an zwischen Bonn und Paris zu pendeln. Sein Bezug zum Rheinland war so groß, dass er 1953 Mitglied der Künstlergruppe Bonn wurde und in den kommenden Jahren regelmäßig in Bonn ausstellte. Fanden seine Arbeiten zunächst durch den Gebrauch großformatiger Leinwände und geschlossener Kompositionen zu einer inneren Ruhe und würdevollen Abgeklärtheit, so änderte Breuer Anfang der 1950er Jahre seinen Stil durch kleinteilige Parzellierung der Farbfelder und gegenläufige Bewegungen zu einer spannungsreicheren Malerei, unterstrichen durch Tiefe suggerierende Hell-Dunkel-Effekte. Bildbeherrschend ist jetzt der Rhythmus und nicht die Form.
Seit 1953 Vorstandsmitglied im „Salon des Réalités Nouvelles“, nahm Breuer seit 1957 an den Ausstellungen des Deutschen Künstlerbundes teil, dem er 1960 beitrat. 1961 feierte er bei einer Ausstellung in der Pariser Galerie Hautefeulle große Erfolge mit seinen dort gezeigten Grafiken. Besonderes Augenmerk galt der „Pinselzeichnung I“ mit ihren gegen schwarze Keile geführten Linienflächen. Ein Ankauf des Pariser Musée National d'Art Moderne führte zu einem steilen Karriereanstieg mit einer Fülle von Folgeausstellungen. Sein aus dem Schwarz-Weiß entwickeltes Gestaltungsprinzip übernahm der Maler nun auch bei Farbbildern. Das Städtische Kunstmuseum Bonn, das bereits 1929 eine erste Arbeit Breuers (Porträt des Vaters) angekauft hatte, feierte den gebürtigen Bonner 1963 zu seinem 70. Geburtstag mit einer großen Werkschau, die anschließend auch in anderen Museen gezeigt wurde. Damit wurde Breuers Name erstmals einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht. 1964 gestaltete Breuer zum ersten Mal Fresken (für die Bonner Gottfried-Kinkel-Schule), 1965 folgte ein Relief in Zementputz für die Eingangshalle der Poliklinik der Universität Bonn. Mit diesen Arbeiten änderte Breuer seinen Stil nochmals radikal und gab die klassische Malerei zugunsten einer aus der Fläche tretenden Dreidimensionalität auf.
Seit 1967 entstanden ausschließlich Arbeiten in Kombination verschiedener Materialien wie Kork oder Holz mit teilweise kinetischem Ansatz, was ihn im selben Jahr zum Mitbegründer der Gruppe Construction et Mouvement (CO-MO) werden ließ. Letzte große Ehrungen Breuers fanden 1973 zum 80. Geburtstag des Künstlers mit einer Retrospektive des Rheinischen Landesmuseums Bonn (heute LVR-LandesMuseum Bonn), dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Bonn und der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse statt, bevor er am 14.3.1975 in seiner Heimatstadt verstarb. Sein Grab befindet sich im Ortsteil Küdinghoven, wo er sein letztes Atelier hatte (Erlenweg 15), auf dem Bergfriedhof (Abteilung IV, Grab Nr. 51). Große Teile seines Werks vermachte er dem LVR-LandesMuseum Bonn, das seit 1999 den Leo-Breuer-Förderpreis vergibt. Durch Ratsbeschluss vom 29.1.1985 wurde eine Straße in Bonn-Buschdorf in Leo-Breuer-Weg benannt.
Werke (Auswahl)
1919 - Blick auf Bonn, Öl auf Karton. 1928 - Sitzendes Mädchen, Öl auf Holz. 1924 - Plakat für die Jahrtausendfeier in Bonn, Lithographie. 1945 - Zwei Wesen, Öl auf Holz. 1946 - Rhythmisch Bewegt, Gouache. 1949 - Formes libres III, Gouache. 1951 - Räumlich I, Gouache. 1951 - Gare de l'est, Öl auf Holz. 1955 - Rhythmus bogenlinig, Kasein auf Leinwand. 1961 - Flächenräumlich diagonale Struktur, braun-blau, Mischtechnik auf Karton. 1961/1962 - Cours en diagonales – Vibration, Mischtechnik auf Leinwand. 1964 - Wandgestaltung in der Aula der Gottfried-Kinkel-Realschule, Bonn, Fresko. 1965 - Wandgestaltung in der Eingangshalle der Poliklinik der Universität Bonn, Relief. 1966/1967 - Kinetisches Relief auf Holz mit Korkl, Relief aus Acryl, Kork und Holz. 1972 - Structure virtuel cinétique vertical, Gouache. 1974 - L'Infini, Relief aus Acryl und Holz.
Ausstellungen
Leo Breuer. Gemälde und Gouachen 1919-1968, bearb. v. M. Velte, Katalog Mittelrhein Museum, Koblenz 1968.
Leo Breuer. Ausstellung zum 80. Geburtstag im Rheinischen Landesmuseum Bonn, Katalog Rheinisches Landesmuseum und Bonner Kunstverein, Köln/Bonn 1973.
Leo Breuer, Katalog Musée de Pontoise/Musée de Cholet/Centre culturel Thibaud de Champagne à Troyes, Pontoise 1982. Leo Breuer. Druckgraphik (Sonderheft der Zeitschrift Circular). Hg. Gesellschaft für Kunst und Gestaltung e.V. Bonn, Bonn 1985. Leo Breuer, Hans Steinbrenner, Katalog Galerie Reichard, Frankfurt am Main 1990. Leo Breuer, Katalog Galerie Orangerie-Reinz, Köln 1992. Leo Breuer, 1893–1975. Retrospektive , Katalog Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen/Rh. und Bonner Kunstverein, hg. v. Richard W. Gassen u. Bernhard Holeczek. Mit einem Werkverzzeichnis v. Andreas Pohlmann, Heidelberg 1992. Pohlmann, Andreas/Breuer, Jacques [Hg.], Begegnungen mit Leo Breuer. Hommage zum 100. Geburtstag, Bonn 1993. Leo Breuer im Arithmeum, Katalog Arithmeum, hg. v. Ina Prinz, Bonn 2000. Leo Breuer 1893 – 2003. 110 Intime Zeichnungen. Art Cologne 2002, Katalog Galerie Uwe Sacksofsky, Köln 2002.
Literatur
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011, S. 69.
Pohlmann, Andreas, Leo Breuer. Ein Konstruktivist im künstlerischen Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg, Bonn 1994.
Richter, Horst, Leo Breuer, Recklinghausen 1969.
Städtisches Kunstmuseum Bonn (Hg.), Bildende Kunst in Bonn 1945–1952, Bonn 1985, S. 99-101.
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Niesen, Josef, Leo Breuer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/leo-breuer-/DE-2086/lido/57c588def2abe8.74029658 (abgerufen am 06.10.2024)