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Der Regierungs- und Gewerberat Otto Wittgen wurde am 16.3.1933 zunächst kommissarisch in sein Amt als Oberbürgermeister der Stadt Koblenz eingeführt. Er trat an die Stelle des zwangsbeurlaubten Dr. Hugo Rosendahl. Unter der Ägide des Alten Kämpfers Wittgen fand die nationalsozialistische Ideologie insbesondere über die rigorose Gleichschaltung des Beamtenapparats Eingang in die tägliche Praxis der Stadtverwaltung. Obwohl sich Partei und Regierung schon bald unzufrieden mit ihm zeigten, konnte sich Wittgen mit erstaunlicher Zähigkeit bis Mitte 1939 auf seinem Posten halten.
Otto Wittgen wurde am 6.8.1881 in Neunkirchen (Oberwesterwald) als Sohn des Hauptlehrers Philipp Wittgen (1856-1926) und seiner Frau Charlotte geborene Deußer (geboren 1857) geboren. Er besuchte das Realgymnasium in Wiesbaden und nach einer Tätigkeit in der Eisenbahn-Hauptwerkstätte in Frankfurt am Main studierte er von 1900 bis 1902 Maschinenbau an der Technischen Hochschule Hannover. Dort wurde er aktives Mitglied des Studentenbundes Polytechniker-Gesang-Verein (P.G.V.) Hannover (heute Turnerschaft Hansea im Marburger Konvent; er blieb zeitlebens Alter Herr und Bundesbruder. Als Einjährig-Freiwilliger diente Wittgen 1902/1903 beim 2. Nassauischen Feld-Artillerie-Regiment Nr. 63 in Mainz und setzte dann von 1903 bis 1905 sein Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule Darmstadt fort. 1905 absolvierte er die Regierungsbauführer-Prüfung und arbeitete bis Ende des Jahres bei der Hessischen Dampfkessel-Inspektion Darmstadt. Anfang 1906 wurde Wittgen Gewerbereferendar beim Gewerbeaufsichtsamt Wiesbaden, 1909 bestand er seine Prüfung als Gewerbeassessor. Neben seiner beruflichen Tätigkeit nahm er von 1907 bis 1909 ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Frankfurt am Main und Berlin auf, das er jedoch nicht abschloss. 1909 bis 1912 arbeitete er als Hilfsarbeiter beim Gewerbeaufsichtsamt in Hirschberg (Schlesien).
Am 19.9.1910 heiratete Wittgen in Alt-Rahlstedt (heute Hamburg) Constanze Richter (1877-1957), die Tochter eines Hamburger Beamten.
1912 bis 1914 war Wittgen als Gewerbeassessor beim Gewerbeaufsichtsamt Hannover tätig, bevor er am 1.4.1914 als Gewerbeinspektor Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes in Itzehoe wurde. Von September 1914 bis August 1918 nahm Wittgen am Ersten Weltkrieg teil. Neben dem Eisernen Kreuz II. Klasse wurde er mit dem Mecklenburgisch-Schweriner Militärverdienstkreuz II. Klasse, dem Hamburger Hanseatenkreuz und dem Verdienstkreuz für Kriegshilfe ausgezeichnet. Nach Kriegsende kehrte er nach Itzehoe zurück. Am 1.10.1921 wurde er zum Regierungs- und Gewerberat befördert und arbeitete bei den Regierungen in Düsseldorf und Wiesbaden. Schließlich kam Wittgen am 1.6.1924 zur Regierung in Koblenz. Sein Privatvermögen hatte er zu diesem Zeitpunkt durch die Inflation restlos verloren, während er in Itzehoe noch als ziemlich vermögend gegolten hatte.
Von April 1919 bis April 1932 gehörte Wittgen der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei an. In Koblenz wurde er 1926 Mitglied der traditions- und einflussreichen Casino-Gesellschaft. Als Ende Juli 1932 das Verbot der Mitgliedschaft in der NSDAP für preußische Beamte aufgehoben wurde, trat Wittgen der Partei sofort zum 1.8.1932 bei. Seine Frau war bereits zwei Jahre zuvor Parteimitglied geworden.
Wittgen stand bei den Kommunalwahlen am 12.3.1933 nur auf Platz 9 der NSDAP-Liste. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfte er für weite Teile der Koblenzer Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt gewesen sein. Seine politische Zuverlässigkeit stand für die Partei aber außer Frage. Er verkehrte zusammen mit Alten Kämpfern regelmäßig an einem 1930 gegründeten Stammtisch, der sich „Tisch der deutschen Freiheitsbewegung“ nannte. Bald nach seinem Parteieintritt engagierte sich Wittgen aktiv für die Bewegung, indem er sich an der Gründung des „Vereins zur Umschulung freiwilliger Arbeitskräfte Koblenz e.V.“ beteiligte und als Vorsitzender zur Verfügung stellte. Später wurde Wittgen für seine Verdienste um den Verein, der im Reichsarbeitsdienst aufging, ehrenhalber der Rang eines Oberfeldführers verliehen. Auf offiziellen Fotos trägt er stets die RAD-Uniform mit der charakteristischen Mütze. Die Förderung des Reichsarbeitsdienstes blieb Wittgen stets ein besonderes Anliegen.
Wittgen war ein erfahrener Verwaltungsbeamter, er war in seiner neuen Position als Oberbürgermeister also kein reiner Parteibuchbeamter. Allerdings bewegte er sich in einem begrenzten technischen Fachgebiet. Wittgen selbst verstand sich als „altpreußischer“ Beamter, worauf er immer wieder verwies. Die 1933 vielerorts zu beobachtende Verjüngung an der Stadtspitze ist mit Wittgen nicht eingetreten. Er war bei seinem Amtsantritt bereits 51 Jahre alt. Eine Besonderheit stellte die Tatsache dar, dass Wittgen evangelischer Konfession war und damit der erste Nichtkatholik an der Spitze einer Stadt, deren Einwohner zu fast 80 Prozent katholisch waren.
Die Einführung Wittgens in sein Amt durch den Regierungspräsidenten vollzog sich am 16.3.1933 im Koblenzer Rathaus. Anschließend zeigte sich der neue kommissarische Oberbürgermeister den Schaulustigen auf dem Balkon, umgeben von NSDAP-Funktionären, darunter Gauleiter Gustav Simon. Noch am selben Nachmittag traf Wittgen die ersten personellen Entscheidungen und leitete damit die politische „Säuberung“ der Stadtverwaltung ein. Es gab die ersten Zwangsbeurlaubungen, denen in den nächsten Wochen und Monaten weitere folgten. Betroffen waren vor allem Beamte in leitenden Positionen, die ebenso wie sein Amtsvorgänger Rosendahl fast ausnahmslos aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 zwangspensioniert wurden. Wittgen zeigte sich in den damit zusammenhängenden Disziplinarverfahren unnachgiebig, selbst wenn die Vorwürfe noch so lächerlich und offenkundig konstruiert waren und die Pensionen die ohnehin finanzschwache Stadt zusätzlich belasteten. Überhaupt war die Personalpolitik der Bereich, durch den die nationalsozialistischen Grundsätze in die tägliche Verwaltungspraxis einsickerten. Wittgen begnügte sich dabei nicht nur mit der vom NS-Staat vorangetriebenen Gleichschaltung des Beamtenapparats durch ständige Schulungs-, Disziplinierungs- und Kontrollmaßnahmen, die auch in das Privatleben hineinreichten. Er zeigte auch die Tendenz, solchen Maßnahmen vorzugreifen und sie auf Angestellte und Arbeiter auszuweiten.
Ebenfalls noch am 16. März setzte Wittgen die ersten beiden politischen Kommissare ein. Er berief zwei NSDAP-Stadtverordnete und Mitglieder der Gauleitung, die mit weit reichenden Befugnissen und Hilfskräften ausgestattet wurden, darunter Gauschatzmeister Ludwig Christ (1900-1938). Mit dem späteren ehrenamtlichen Beigeordneten der Stadt Koblenz und Oberbürgermeister von Trier verband Wittgen ein freundschaftliches Verhältnis. Ziel dieser bis zum Sommer 1933 tätigen „Revolutionskommissare“ war es, Vetternwirtschaft, Korruption und Verschwendung in der Stadtverwaltung aufzudecken und für die Entfernung der politisch missliebigen Beamten Beweismaterial zu sammeln.
Schon bald hatte sich Wittgen mit parteiinternen Kritikern auseinanderzusetzen, die ihm vorwarfen, ein Kleinigkeitskrämer und Pedant zu sein. Tatsächlich gibt es kaum eine Akte aus seiner Amtszeit, in der nicht wenigstens Handzeichen Wittgens zu finden sind. Häufig unterschrieb er die Korrespondenz persönlich. Mehrfach forderte er das städtische Personal zu äußerster Kostendisziplin auf, wobei er selbst mit gutem Beispiel voranging. Gleichzeitig verlangte Wittgen von seinen Beamten die stärkere Verinnerlichung des Dienstleistungsgedankens, die Einführung einer systematischeren, rationelleren Arbeitsweise und die Verbesserung der Außenwirkung seiner Verwaltung. Die Bediensteten sollten sich den Bürgern gegenüber taktvoll und entgegenkommend verhalten. Bei längeren Bearbeitungszeiten von Anträgen und Gesuchen sollten Zwischenbescheide erteilt werden. Für die Diensträume sprach der Zigarrenraucher Wittgen ein Rauchverbot aus, weil sich das Rauchen nicht mit der Dienstauffassung und Würde des Beamten dem Publikum gegenüber vertrage.
Wittgen war stark geprägt vom Standesbewusstsein eines preußischen Beamten und dem Rang seines Amtes, dem Respekt gezollt werden sollte. Gerade in der ersten Zeit nach der „Machtergreifung“ scheute er sich nicht, den bisweilen rüden und fordernden Ton, den Amtswalter von NSDAP-Gliederungen ihm gegenüber anschlugen, zurückzuweisen. Wittgen kam aber den Forderungen der Partei nach der Einstellung arbeitsloser Alter Kämpfer weitgehend entgegen und verletzte dabei sogar Einstellungsgrundsätze. Im Mai 1934 bezifferte er die Zahl der bei der Stadt untergekommenen Alten Kämpfer auf 75, bis 1937 waren es schon 160. Wittgen war ein strikter Verfechter des Führerprinzips, das nicht nur von der NSDAP vertreten wurde. Das Preußische Gemeindeverfassungsgesetz vom 15.12.1933 degradierte ebenso wie die reichsweite Deutsche Gemeindeordnung vom 30.1.1935 den Gemeinderat zu einem rein beratenden Gremium und machte den Oberbürgermeister zum allein verantwortlichen Führer der Verwaltung.
In der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung unter Wittgens Vorsitz am 29.3.1933 wurde Adolf Hitler (1889-1945) zum Ehrenbürger der Stadt gewählt. Der Oberbürgermeister stellte die einstimmige Wahl fest, obwohl zwei protestierende sozialdemokratische Stadtverordnete von SS-Männern aus dem Saal der festlich geschmückten Stadthalle geführt wurden. In ihrer Sitzung vom 4. August wählten die noch verbliebenen Stadtverordneten Wittgen einstimmig zum Stadtoberhaupt.
Zu den herausragenden Ereignissen seiner Amtszeit gehörte die Einweihung der zweiten Brücke über die Mosel am 22.4.1934, deren Bau noch unter seinem Vorgänger begonnen worden war. Wittgen setzte sich erfolgreich dafür ein, dass Hitler die Zustimmung gab, sie nach ihm zu benennen. Am 26.8.1934 war der Reichskanzler und Reichspräsident dann Hauptredner der Saartreuekundgebung auf der Festung Ehrenbreitstein. Hitler erhielt aus Wittgens Hand eine Festschrift über die Koblenzer Brücken überreicht, doch zur großen Enttäuschung der Koblenzer besuchte er die Rhein-Mosel-Stadt bei dieser Gelegenheit nicht. Wittgen schickte dem Ehrenbürger wenig später eine schriftliche Einladung zum Besuch der Stadt, in der er die enttäuschte Vorfreude ihrer Bürger ansprach.
Auf die beiden bedeutendsten und nachhaltigsten Ereignisse hatte Wittgen keinen Einfluss: die Remilitarisierung des Rheinlands am 7.3.1936, die aus Koblenz wieder eine Garnisonstadt machte, sowie die Eingemeindung mehrerer umliegender Gemeinden zum 1.7.1937, zu deren Vorbereitung er und der Landrat 1935 vom Regierungspräsidenten im Einvernehmen mit dem Gauleiter beauftragt worden waren.
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte Wittgen die Stadtverwaltung und ihre Bediensteten in den Boykott jüdischer Geschäfte einbezogen. Dem Boykottaufruf des Gauaktionsausschusses zum 1.4.1933 fügte er hinzu, dass er auf dessen Befolgung durch seine Beamten und Angestellten vertraue. Am 6. April verbot er dann die Belieferung der Stadt durch jüdische und marxistische Geschäfte. Er bat die städtischen Bediensteten, diesen Grundsatz auch bei privaten Einkäufen zu berücksichtigen.
Durch die Unachtsamkeit seiner Ehefrau stolperte Wittgen 1935 in eine Affäre, die ihn fast sein Amt kostete. Im antisemitischen Hetzblatt „Der Stürmer“ erschien am 12. Juli ein Leserbrief, der den Einkauf von Wittgens Ehefrau in einem jüdischen Kaufhaus und ihren daraufhin erfolgten Parteiausschluss thematisierte. Lautstark riefen die Zeitungsverkäufer diese Neuigkeiten in den Koblenzer Straßen aus; die Zeitung hing außerdem in mehreren Schaukästen. Wittgens sofortige Versuche, das Ausrufen und den Verkauf durch den NSDAP-Gauleiter und NSDAP-Kreisleiter unterbinden zu lassen, blieben ohne Erfolg. HJ-Gebietsführer Rolf Karbach (1908-1990), Ratsherr der Stadt, verlangte bei Gauleiter Simon, Wittgen müsse umgehend sein Amt niederlegen. In einer Rundverfügung dementierte Wittgen zwar den Parteiausschluss, doch tatsächlich war Constanze Wittgen im Mai vom NSDAP-Kreisgericht ausgeschlossen worden, weil sie am 1. März zusammen mit ihrem Neffen im Kaufhof einen Fastnachtshut gekauft hatte. Ihre Beschwerde beim Gaugericht wurde im Oktober in letzter Instanz vom Obersten Parteigericht abgewiesen. Wittgen selbst hatte dort um Klärung gebeten, ob die Westdeutsche Kaufhof AG als getarntes jüdisches Unternehmen gelte. Es gäbe eine künstlich erzeugte Erregung in der Bevölkerung, darüber könne die Gestapo – die den Vorfall tatsächlich registriert hatte – Auskunft geben. Er vermutete eine Intrige: Drahtzieher wollten seine Stellung als Oberbürgermeister untergraben.
Wenn auch ein Parteiausschluss von Wittgen selbst, der mit hoher Wahrscheinlichkeit den Verlust seines Amtes nach sich gezogen hätte, keine Befürworter in den Parteiinstanzen fand, so schadete die ganze Affäre seinem Ansehen in Öffentlichkeit, Partei und Verwaltung doch erheblich. Zumindest nach außen wurden die Wogen wieder geglättet. Dies hing wahrscheinlich mit dem Besuch von Reichsarbeitsdienstführer Konstantin Hierl (1875-1955) zusammen, der am 17.10.1935 aus der Hand Wittgens den Ehrenbürgerbrief erhielt. Ein mit den lokalen Parteigrößen zerstrittener oder gar aus der Partei ausgeschlossener Oberbürgermeister hätte kein gutes Licht auf die Verhältnisse in der Gauhauptstadt geworfen. Doch Wittgen blieb angeschlagen. Er wurde öffentlich zurückgesetzt; das Parteiorgan „Nationalblatt“ erwähnte ihn kaum noch. Einen Höhepunkt markierte dabei der Kurzbesuch von Reichsinnenminister Wilhelm Frick (1877-1946) am 1.4.1938. Gauleiter Simon verhinderte einen geplanten Empfang durch den Oberbürgermeister im Rathaus, indem er gegenüber Frick mit dem Parteiausschluss von Wittgens Frau und die laufenden Bemühungen um seine Absetzung argumentierte.
Schon seit Mitte 1936 war die Ablösung von Oberbürgermeister Wittgen Gegenstand von Beratungen zwischen Gauleiter, Regierungspräsident, Oberpräsident und Reichsinnenministerium. Dabei lassen sich weder ein konkreter Anlass noch Verfehlungen Wittgens als Auslöser für diese Bestrebungen ausmachen. Die Stürmer-Affäre hatte aber schon offenkundig gemacht, dass Wittgen ein echter Rückhalt innerhalb der NSDAP fehlte und er nur mangels personeller Alternativen gehalten wurde. Er gehörte weder dem engeren Zirkel um den Gauleiter an noch übte er irgendein wichtiges Parteiamt aus, das ihm ein gewisses Gewicht oder gar eine Hausmacht verschafft hätte.
Die Remilitarisierung des Rheinlands 1936 und die Vergrößerung der Gauhauptstadt durch mehrere Eingemeindungen 1937 schufen ein Entwicklungspotential, für das sich Partei und Oberbehörden einen dynamischeren Oberbürgermeister wünschten. Die Vorwürfe lauteten Initiativlosigkeit und Führungsschwäche. Die Interessenlagen waren aber keineswegs deckungsgleich: Die Regierung setzte den Akzent pikanterweise auf die mangelnde Durchsetzungskraft gegenüber der Partei. Für die Partei, die sich als „junge Bewegung“ verstand, war Wittgen im Vergleich zu vielen örtlichen Parteifunktionären zu alt und daher „unbeweglich“. So war zum Beispiel der „Beauftragte der Partei“ gemäß Deutscher Gemeindeordnung, Kreisleiter Robert Claussen (1909-1941), 28 Jahre jünger. Durch seinen zähen Widerstand und seine beharrliche Hinhaltetaktik schaffte es Wittgen aber, sich noch drei Jahre lang im Amt zu halten, bis ihn der Wunschkandidat von Gauleiter Simon, Theodor Habicht, der frühere Landesinspekteur der NSDAP in Österreich, ablöste.
Wittgen stellte sich einfach stur, pochte auf seine zwölfjährige Amtszeit und verhandelte immer wieder neu. Er liefert ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass es der Partei bei hartnäckigem Widerstand schwer fallen konnte, einen unliebsam gewordenen Oberbürgermeister aus dem Amt zu drängen, und das selbst dann, wenn die staatlichen Aufsichtsbehörden am selben Strang zogen. Der Oberpräsident stellte ihm schließlich verärgert ein Ultimatum für sein „freiwilliges“ Pensionierungsgesuch, das Wittgen einreichte, nachdem er eine Zusage für eine einmalige Beihilfe von 10.000 Reichsmark als Härteausgleich erhalten hatte. Am 1.7.1939 ging Wittgen in Urlaub, sein offizielles Pensionierungsdatum war der 30.9.1939.
Im Ruhestand erkrankte Wittgen schwer. Trotzdem kümmerte er sich noch weiter um die Fertigstellung des Schängel-Brunnens, der ihm sehr am Herzen lag und für den er wesentliche gestalterische Impulse gegeben hatte. Im November 1939 zog Wittgen mit Ehefrau und Tochter Elisabeth (1924-2013) aus der Dienstvilla in ein neu erbautes Einfamilienhauses in Koblenz-Pfaffendorf, wo er am 31.1.1941 einem Krebsleiden erlag. Vier Tage später wurde der erste nationalsozialistische Oberbürgermeister von Koblenz in einer städtischen Ehrengrabstätte auf dem Hauptfriedhof beerdigt.
Quellen
Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde R 3901/100971; Best. ehem. BDC, OPG, Wittgen, Otto.
Landeshauptarchiv Koblenz Best. 708 Nr. 60; Best. 403 Nr. 17248; Best. 441 Nr. 43657.
Stadtarchiv Koblenz 623 Nr. 2615; Nr. 6137; 623,8 Nr. 155; Bauakte Fach 158, Ellingshohl 2-22.
Standesamt Mittelhofen (heute Elsoff), Geburtseintrag Nr. 51/1881.
Standesamt Alt-Rahlstedt (heute Hamburg-Rahlstedt), Kreis Stormarn, Heiratseintrag Nr. 35/1910.
Standesamt Koblenz, Todeseintrag Nr. 143/1941.
Werke
Die Staubbeseitigung und Geräuschbekämpfung in Schotterbetrieben. Im Auftrage des Technischen Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für Gewerbehygiene, Berlin 1932.
Literatur
Boberach, Heinz, Nationalsozialistische Diktatur, Nachkriegszeit und Gegenwart, in: Geschichte der Stadt Koblenz, Band 2, Stuttgart 1993, S. 170-223, 571-577.
Bucher, Peter, Koblenz während der nationalsozialistischen Zeit, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 11 (1985), S. 211-245.
Denzer, Heinrich, Augenroller und Schängelbrunnen. Zwei Wahrzeichen der Stadt, Koblenz 1990.
Das Deutsche Führerlexikon 1934/35, Berlin 1934, S. 535.
Kampmann, Helmut, Wenn Steine reden. Gedenktafeln und Erinnerungsplatten in Koblenz, Koblenz 1992, S. 19-20.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, Düsseldorf 1994, S. 823.
Zibell, Stephanie, Oberbürgermeister Theodor Habicht – Werdegang eines Nationalsozialisten, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur NF 9/10 (1999/2000), S. 72-100, hier S. 89-92.
Online
Weiß, Petra, Die Stadtverwaltung Koblenz im Nationalsozialismus, Diss. FernUniversität Hagen 2012. [Online]
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Weiß, Petra, Otto Wittgen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/otto-wittgen/DE-2086/lido/57c932dada3954.44942600 (abgerufen am 23.01.2025)