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Die Werke des Bonner Schriftstellers Wilhelm Schmidtbonn gehörten zwischen 1900 und 1930 zu den häufig aufgeführten Bühnenstücken in Deutschland. Während der zeitweise am Düsseldorfer Schauspielhaus wirkende Schmidtbonn als Lokalautor und enger Freund August Mackes in Bonn nach wie vor bekannt ist, geriet er über Bonn hinaus weitgehend in Vergessenheit.
Am 6.2.1876 wurde Wilhelm Schmidt, der sich später Schmidtbonn nannte, in Bonn am Marktplatz als zweites Kind des Pelz- und Huthändlers Johann Martin Schmidt (1830-1890) und dessen Ehefrau Wilhelmine Charlotte, geborene Peters (1836-1911) geboren. Seine ältere Schwester war die Künstlerin Henriette Schmidt-Bonn (1873-1946). In einer frühen Fassung eines biographischen Textes schreibt er: Meine Geburtsstadt erschien mir in der Jugend als eine der schönsten und bedeutsamsten Städte der Welt. Dieses Gefühl hat sich bis in Alter bei mir bewahrt, allerdings war es durch manche Umstände begründet. Und dann folgt eine liebe volle Beschreibung des alten Bonn. Die Romantik der rheinischen Landschaft, die Welt der Sagen und Lieder, die Welt des Ernst Moritz Arndt, der Simrocks, Ludwig van Beethovens - das sind die Wurzeln, aus denen er seine dichterische Kraft schöpfte.
Nach dem Abbruch der Gymnasialausbildung und einer nicht zu Ende gebrachten klassischen Musikausbildung am Kölner Konservatorium versuchte der junge Schmidtbonn sich auf Wunsch seiner Eltern 1896 als Lehrling in einer Buchhandlung. Er brach die Lehre jedoch ab, um zu schreiben, und fand in dem Bonner Germanistikprofessor Berthold Litzmann (1857-1926), der mit Clara Schumann bekannt war, einen Freund und Förderer. Zwischen 1897 und 1905 folgten Aufenthalte in Berlin, Göttingen und Innsbruck.
Sein frühes Schauspiel „Mutter Landstrasse" wurde zuerst 1901 in Dresden unter Ernst Lewinger (1851-1937) uraufgeführt, 1904 in Berlin mit Max Reinhardt (1873-1943), was Schmidtbonn dazu veranlasste zu schreiben: Mein Leben war ein Märchen geworden. Ein Märchen, das Schmidtbonn sich auf seinen Wanderschaften in den Bergen erschaffen hatte, ein Märchen vom abenteuerlich gescheiterten Sohn, der ins väterliche Haus zurückkehren will und dort nichts findet als Ablehnung und die bittere Konfrontation mit seinem wirtschaftlichen Abstieg. Ein Vater-Sohn-Konflikt, wie er dramatischer kaum darzustellen war, brachte Schmidtbonn den ersten großen Theatererfolg. Das Publikum erlebte Schmidtbonn, wie er schreibt, tief ergriffen und zu Tränen gerührt, während die zeitgenössische Kritik das Stück verriss.
Am 29.3.1905 heiratete er die Tirolerin Luise Treuer (gestorben 1967), der er sein Leben lang verbunden blieb. Ab 1906 arbeitete er als Dramaturg bei Louise Dumont in Düsseldorf und gab die Theaterzeitschrift „Masken" heraus. Im gleichen Jahr entstand der Roman „Der Heilsbringer".
Von 1906 bis zum Tod Mackes war die Beziehung zwischen dem Dichter und dem Maler sehr eng. Elisabeth Erdmann-Macke (1888-1978) schildert zahlreiche Episoden dieser Freundschaft in ihrem Buch „Erinnerungen an August Macke" (1962). Schmidtbonn wurde in der Düsseldorfer Zeit zum väterlichen Freund und wichtigsten Berater August Mackes, wie Macke selbst und Elisabeth Erdmann-Macke mehrfach deutlich machten. In diese Zeit der intensiven Auseinandersetzung mit dem jungen Macke fällt auch Schmidtbonns größter Erfolg: Das Bühnenstück „Der Graf von Gleichen", ein Schauspiel, das auf zahlreichen Bühnen in Deutschland aufgeführt wurde und als Publikumserfolg Schmidtbonns Ruhm mehrte.
Die Jahre mit August Macke und Max Reinhardt waren eine ausgelassene, übermütige Zeit, die von schriftstellerischem Erfolg geprägt war. Heiterkeit und eine Leichtigkeit des Lebens scheinen die Zeit beherrscht zu haben. So schreibt Elisabeth Erdmann-Macke über eine Episode auf einer Reise nach Belgien, die Schmidtbonn und Macke gemeinsam gemacht hatten: ...Aus Augusts Erzählungen muss ich annehmen, dass es in dem Hotel recht lustig zugegangen ist. Es wohnten dort auch verschiedene junge wohlbekannte Damen aus Bonn, die durch ihre mollige Körperfülle das Wohlgefallen der drei erweckten, und Wilhelm Schmidtbonn konnte es nicht lassen, die jüngste von ihnen beim Baden so ganz versehentlich in die Waden zu kneifen, dann unter Wasser zu verschwinden und die Schuld ... August zuzuschieben. Schmidtbonn stand den ganzen Tag mit einem fabelhaft genauen Feldstecher am Damenbad und beobachtete. Schmidtbonn erlebte den Ersten Weltkrieg als Kriegsberichterstatter in Frankreich und Serbien. 1914 fiel sein Freund Macke in Frankreich. Ein literarisch interessantes Werk gelang ihm erst wieder 1918/1919 mit dem gemütvollen Hundebuch „Die Flucht zu den Hilflosen". Dieses Buch bot für Stefan Zweig (1881-1942), der ebenfalls ein Hundeliebhaber war, Anlass, Schmidtbonn die Novelle „Die Augen des ewigen Bruders" zu widmen. Zu Zweig und seiner damaligen Frau Friederike von Winternitz (1882-1971) pflegte Schmidtbonn seit einem Winteraufenthalt in Baden bei Wien eine freundschaftliche Beziehung, die Zweig viel bedeutet haben muss und die wohl von besonderer Intensität und gegenseitiger Bewunderung geprägt war, wenn man die Novelle von 1923 dafür als Beweis nimmt. Die Jahre von etwa 1909/1910 bis mindestens 1923 waren von einem engen künstlerischen wie freundschaftlichen Kontakt zu Zweig und dessen intellektuellem Umkreis geprägt. Über den Dramaturgen des Deutschen Theaters in Berlin, Berthold Vallentin (1877-1933), der gemeinsam mit Friedrich Wolters (1876-1930) den „Lichterfelder Georgekreis" dominierte, bestand Kontakt zum Kreis um Stefan George (1868-1933).
Im Jahr 1926 erhielt Schmidtbonn den Preis der Gesellschaft der Bücherfreunde Chemnitz. In diesem Zusammenhang entstand ein buchkünstlerisch ausdrucksvoll gestaltetes Buch „Jugend am Rhein" in nummerierter und signierter Auflage. Im November des gleichen Jahres wurde er in die Preußische Dichterakademie berufen, ein vorläufiger Höhepunkt seines Wirkens.
1935 entstand sein wohl romantischstes Werk, geprägt vom Heimweh an den Rhein: „Der dreieckige Marktplatz", eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt Bonn. 1936 folgte „An einem Strom geboren", eine Sammlung von kürzeren Texten, die ganz in der Tradition seines „Wunderbaumes" standen. Die beiden Bücher begründeten Schmidtbonns Ruhm als Heimatdichter, auch wenn dieser Ruf ihm nicht gerecht wurde. Immerhin brachten ihm diese beiden Veröffentlichungen große Anerkennung ein; 1941 erhielt er den Rheinischen Literaturpreis und 1943 die Beethovenmedaille der Stadt Bonn. Bereits 1936 war ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn verliehen worden.
Seit 1935 arbeitete er an seinem Alterswerk, der „Albertuslegende", einem Roman über das Leben des großen Gelehrten Albertus Magnus; das Buch konnte erst 1948 erscheinen und war ein literarisches Vermächtnis, mit dessen Hilfe Schmidtbonn versuchte, die Wirrnisse der jüngeren Vergangenheit anhand der Biographie des bedeutenden Theologen und Philosophen aufzuarbeiten und ein geistiges Gegengewicht zu falschen Prophetien zu schaffen. Das Buch erschien kurz vor der Währungsreform und fand deshalb eine nur kleine Leserschaft. Für Schmidtbonn war dies eine bittere Erfahrung. Schmidtbonns große Themen waren die Suche nach Glück und das, was er den heftigen Wunsch nach der „Befreiung von der Lüge" nannte. Schmidtbonn neigte nicht zu einem intellektuell gefärbten Zynismus, er war hochsensibel, humorvoll, warmherzig, skeptisch und leicht entflammbar in jeder Hinsicht, wie aus den Schilderungen von Elisabeth Erdmann-Macke hervor geht.
Er starb am 3.7.1952 in Bad Godesberg (heute Stadt Bonn) an einem Herzschlag und wurde in einem Ehrengrab der Stadt Bonn auf dem Alten Friedhof beigesetzt. In Bonn und Düsseldorf wurden Straßen nach ihm benannt, das Bonner StadtMuseum und das Stadtarchiv beherbergen einen großen Teil seines Nachlasses, den seine Frau Luise nach ihrem Tod im Jahr 1967 an die Stadt verfügte. Seine Bühnenwerke harren der Wiederentdeckung, insbesondere das Lustspiel „Maruf, der tolle Lügner" mit seiner phantastischen Szenerie wäre eine Bereichung der heutigen Theaterlandschaft.
Nachlass
Der Nachlass Wilhelm Schmidtbonns befindet sich im StadtMuseum Bonn sowie im Stadtarchiv Bonn.
Werke (Auswahl)
Mutter Landstraße, das Ende einer Jugend, Bonn 1901.
Der Heilsbringer, Berlin 1906.
Der Graf von Gleichen, Berlin 1908.
Der verlorene Sohn, Berlin 1912.
Der Wunderbaum, Berlin 1913.
Die Stadt der Besessenen, Berlin 1915
Die Flucht zu den Hilflosen, Leipzig 1919.
Rheinische Leute: Erzählungen, Berlin 1926.
Jugend am Rhein, Chemnitz (1926) 1933.
Der dreieckige Marktplatz, Bonn 1935 [Neuerscheinung Bonn 2004].
An einem Strom geboren, Frankfurt a. M. 1935.
Albertuslegende, Köln 1948 [Neuerscheinung unter dem Titel: Albertus Magnus: Pilger des Herzens, hg. von Pia Heckes und Peter Weinmann, Frankfurt a. M. 2008].
Literatur
Erdmann-Macke, Elisabeth, Erinnerungen an August Macke, Stuttgart 1962.
Heckes, Pia, „Von der Notwendigkeit, die Welt sozial zu erneuern... Wilhelm Schmidtbonn und der ‚Magier von Köln’ – die Albertuslegende, ein literarisches Vermächtnis", in: Bonner Geschichtsblätter 55/56 (2006), S. 234–256.
Metzger, Paul (Hg.), Wilhelm Schmidtbonn und August Macke. Die Faszination des neuen Theaters, Bonn 1994.
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, 2. Auflage, Bonn 2008, S. 281-282.
Reber, Trudis E., Wilhelm Schmidtbonn und das deutsche Theater, Emsdetten 1969.
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Heckes, Pia, Wilhelm Schmidtbonn, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-schmidtbonn/DE-2086/lido/57c947a0747138.44617986 (abgerufen am 29.05.2023)