Anno II. von Köln

Erzbischof von Köln (circa 1010-1075)

Matthias Koch (Bonn)

Erzbischof Anno II. von Köln, kolorierte Federzeichnung in der Handschrift der Vita Annonis minor, Siegburg, um 1183. Abgebildet ist Anno II. mit Modellen der von ihm gegründeten fünf Kirchen und Klöster. (Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt Hs 945 fol. 1v)

An­no II. war ei­ner der be­deu­tends­ten Köl­ner Erz­bi­schö­fe des Mit­tel­al­ters. Er spiel­te ei­ne ma­ß­geb­li­che Rol­le in der Reichs­po­li­tik und konn­te Be­sitz un­d Herr­schafts­rech­te sei­ner Kir­che we­sent­lich er­wei­tern. Er för­der­te das Re­form­mönch­tum und grün­de­te die Klös­ter Sieg­burg, Graf­schaft und Saal­feld so­wie die Köl­ner Stif­te St. Ge­org und Ma­ri­en­gra­den. Nach sei­nem Tod wur­de er in Sieg­burg bei­ge­setzt und 1183 hei­lig ge­spro­chen. 

An­no ent­stamm­te ei­nem schwä­bi­schen Adels­ge­schlecht. Sei­ne geist­li­che Er­zie­hung er­hielt er in Bam­berg, wo er nach sei­ner Aus­bil­dung die Lei­tung der Dom­schu­le über­nahm. Nach 1046 be­rief ihn Kai­ser Hein­rich III. (1017-1056, Kai­ser: 1039-1056) an sei­nen Hof. 1054 er­hob ihn der Kai­ser zum Propst des von ihm in Gos­lar ge­grün­de­ten Stif­tes St. Si­mon und Ju­das. 1056 in­ves­tier­te er ihn zum Erz­bi­schof von Köln. 

 

In die ers­ten Jah­re von An­nos Amts­zeit fällt die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Pfalz­gra­fen Hein­rich aus der Fa­mi­lie der Ez­zo­nen. Die­se war im 11. Jahr­hun­dert im Köl­ner Raum sehr mäch­tig. Auch An­nos Vor­gän­ger, Erz­bi­schof Her­mann II. (Epis­ko­pat 1036-1056), hat­te ihr an­ge­hört. Mit Hein­rich führ­te An­no 1059/1060 ei­ne Feh­de. Der Pfalz­graf (ge­stor­ben 29.7.1060) un­ter­lag und muss­te der Köl­ner Kir­che den be­fes­tig­ten Sieg­berg ab­tre­ten. Un­ter Hein­richs Nach­fol­gern ver­la­ger­te sich der Schwer­punkt der Pfalz­graf­schaft zu­nächst in den Mo­sel­raum, spä­ter an den nörd­li­chen Ober­rhein. An­no hat­te so­mit ei­nen ge­fähr­li­chen ter­ri­to­ri­al­po­li­ti­schen Kon­kur­ren­ten der Köl­ner Kir­che aus­ge­schal­tet. Den Adel der Re­gi­on band er künf­tig durch die ge­ziel­te Ver­ga­be von Le­hen an sich. 

Auf dem Sieg­berg grün­de­te An­no ein Klos­ter, in das er zu­nächst Mön­che aus St. Ma­xi­min bei Trier hol­te. Be­reits zu­vor hat­te er in Köln das von sei­nem Vor­gän­ger ge­plan­te Stift St. Ma­ria ad Gra­dus ver­wirk­licht und ein zwei­tes, St. Ge­org, im Sü­den der Stadt er­rich­tet. Als Pröps­te von Ma­ri­en­gra­den be­rief er zu­nächst sei­nen On­kel Hei­mo, der ihn einst an die Bam­ber­ger Schu­le ge­holt hat­te, spä­ter sei­nen Bru­der Wer­ner. Auch sonst war An­no um die För­de­rung von Ver­wand­ten be­müht. Ge­wiss spiel­te da­bei ein Rol­le, dass sei­ne Fa­mi­lie nicht hoch­ad­lig und An­no in sei­ner Diö­ze­se ein Frem­der war. Da­her eb­ne­te er An­ge­hö­ri­gen den Auf­stieg oder be­setz­te mit ih­nen wich­ti­ge Po­si­tio­nen in der Stadt. An­nos Nef­fe Burchard (um 1028-1088) wur­de 1059 Bi­schof von Hal­ber­stadt, Wer­ner (ge­stor­ben 1078) konn­te er 1063 als Erz­bi­schof von Mag­de­burg durch­set­zen. Sei­ne Nich­te Jut­ta stand dem Köl­ner Cä­ci­li­en­stift vor, sei­nen Nef­fen Kon­rad (auch: Ku­no, um 1016-1066) mach­te er zu­nächst zum Köl­ner Dom­propst und ließ ihn 1066 auf den Trie­rer Erz­stuhl er­he­ben. Da­mit hät­te die Fa­mi­lie drei der sechs Erz­bis­tü­mer im Reich be­setzt. Doch Kon­rad stieß auf er­bit­ter­ten Wi­der­stand sei­ner Diö­ze­sa­nen, die ihn auf dem Weg in sei­ne Bi­schofs­stadt ge­fan­gen nah­men und er­mor­de­ten. 

Dass An­no so di­rekt auf die Be­set­zung von Erz­bis­tü­mern ein­wir­ken konn­te, lag an sei­ner zeit­wei­se be­herr­schen­den Stel­lung im Reich. Kai­ser Hein­rich III. war schon 1056 im Al­ter von 38 Jah­ren ver­stor­ben. Als Nach­fol­ger hin­ter­ließ er sei­nen knapp sechs­jäh­ri­gen Sohn Hein­rich IV. (1050-1106, Kai­ser: 1084-1105). Für ihn führ­te zu­nächst die Mut­ter Agnes die Re­gent­schaft, be­wies aber we­der in ih­ren po­li­ti­schen noch in ih­ren per­so­nel­len Ent­schei­dun­gen ei­ne glück­li­che Hand. Dies zeig­te sich auch, als nach dem To­de Papst Ni­ko­laus’ II. (Pon­ti­fi­kat 1058-1061) 1061 ein Kon­flikt um des­sen Nach­fol­ge aus­brach. Hat­te Hein­rich III. Re­form­be­stre­bun­gen in der Kir­che un­ter­stützt, die die Sitt­lich­keit des Kle­rus he­ben, die Käuf­lich­keit kirch­li­cher Äm­ter un­ter­bin­den und das Papst­tum aus der Ab­hän­gig­keit vom stadt­rö­mi­schen Adel be­frei­en woll­ten, so ließ der Hof im Ok­to­ber 1061 in Ba­sel ge­gen den be­reits von Re­for­man­hän­gern ge­wähl­ten Alex­an­der II. (Pon­ti­fi­kat bis 1073) ei­nen Ge­gen­papst er­he­ben, of­fen­bar aus Ver­är­ge­rung dar­über, dass Alex­an­ders Wahl oh­ne Ab­stim­mung mit der Reichs­re­gie­rung er­folgt war. Nicht über­all fand die­ses Vor­ge­hen Bei­fall. An­no nutz­te die ver­brei­te­te Un­zu­frie­den­heit aus und brach­te im fol­gen­den Früh­jahr Kö­nig Hein­rich in sei­ne Ge­walt, in­dem er den Elf­jäh­ri­gen bei Kai­sers­werth auf ein Schiff im Rhein lock­te und ent­führ­te. In den Fol­ge­jah­ren üb­te An­no ge­mein­sam mit wei­te­ren Fürs­ten im Na­men des Kind­kö­nigs die Herr­schaft im Reich aus. Das Papst­schis­ma konn­te er 1064 zu­guns­ten Alex­an­ders be­en­den. Sei­ne Diens­te ließ er reich be­loh­nen, in­dem er der Köl­ner Kir­che Ein­künf­te, Gü­ter und Klös­ter (Kor­ne­li­müns­ter, Malme­dy, Vi­lich) aus kö­nig­li­chem Be­sitz ver­schaff­te. Doch stan­den ihm die an­de­ren Fürs­ten in die­ser Hin­sicht nicht nach, de­ren Un­ter­stüt­zung mit ei­ner bei­spiel­lo­sen Ver­schleu­de­rung von Reichs­gut er­kauft wur­de.  

Spä­tes­tens mit Hein­richs Schwert­lei­te En­de März 1065 ver­lor An­no sei­nen be­stim­men­den Ein­fluss auf die Re­gie­rungs­ge­schäf­te. Schon zu­vor war ihm in dem Bre­mer Erz­bi­schof Adal­bert (um 1000-1072) ein Ri­va­le er­wach­sen, der den Kö­nig zu­neh­mend für sich ge­won­nen hat­te. Selbst vom Sturz des Bre­mers 1066 konn­te An­no nicht mehr pro­fi­tie­ren. Der Kö­nig wand­te sich an­de­ren Be­ra­tern zu. Im­mer­hin zog An­no noch zwei­mal, 1068 und 1070, als Ge­sand­ter Hein­richs nach Rom. Über sei­ne Auf­trä­ge ist we­nig be­kannt. Deut­lich zu spü­ren be­kam er, dass das Re­form­papst­tum stren­ge Maß­stä­be an das ka­no­ni­sche Ver­hal­ten der Kir­chen­obe­ren stell­te. 1068 zwang ihn Alex­an­der II. zu ei­ner öf­fent­li­chen Bu­ße, weil er auf sei­ner Rei­se in Ober­ita­li­en mit ge­bann­ten Bi­schö­fen ver­kehrt hat­te. Au­ßer­dem un­ter­stütz­te der Papst Malme­dy im Kampf um die Reichs­un­mit­tel­bar­keit, wes­halb An­no 1071 das we­ni­ge Jah­re zu­vor er­wor­be­ne Klos­ter wie­der aus der Hand ge­ben muss­te. 

Da­bei war An­no al­les an­de­re als ein Geg­ner der Re­form­ide­en. Be­reits die Ma­xi­mi­ner Mön­che, die er nach Sieg­burg be­ru­fen hat­te, ge­hör­ten ei­ner Re­form­rich­tung an, die in der ers­ten Hälf­te des 10. Jahr­hun­derts von Loth­rin­gen aus­ge­gan­gen war. Als An­no je­doch 1070 auf dem Rück­weg von Rom in der pie­mon­te­si­schen Ab­tei Frut­tua­ria Sta­ti­on mach­te, war er von dem am clu­n­ia­zen­si­schen Vor­bild ori­en­tier­ten Klos­ter­le­ben so be­ein­druckt, dass er kur­zer­hand Mön­che nach Sieg­burg mit­nahm und den Grün­dungs­kon­vent durch sie er­setz­te. Noch An­no sorg­te da­für, dass die frut­tua­ri­schen Ge­wohn­hei­ten in wei­te­ren Klös­tern Ein­zug hiel­ten, in sei­nen Grün­dun­gen Graf­schaft (West­fa­len) und Saal­feld (Thü­rin­gen) so­wie in St. Pan­ta­le­on in Köln. Ih­re Aus­brei­tung hielt bis in die zwei­te Hälf­te des 12. Jahr­hun­derts an. 

1072 zog Hein­rich IV. An­no für ei­ni­ge Mo­na­te noch ein­mal an sei­nen Hof, viel­leicht um zu ver­hin­dern, dass er sich der wach­sen­den Op­po­si­ti­on ge­gen sei­ne Herr­schaft an­schloss. Als sich ein Jahr spä­ter die Sach­sen ge­gen Hein­rich er­ho­ben und Bur­gen des Kö­nigs im Harz­raum stürm­ten, stan­den An­nos Ver­wand­te, Burchard und Wer­ner, auf­sei­ten der Auf­stän­di­schen. An­no hin­ge­gen wirk­te ge­mein­sam mit Erz­bi­schof Sieg­fried von Mainz mehr­fach als Ver­mitt­ler in dem Kon­flikt. An dem sieg­rei­chen Feld­zug Hein­richs ge­gen die Sach­sen 1075 nahm er mit Rück­sicht auf den Bru­der und Nef­fen nicht per­sön­lich teil, schick­te dem Kö­nig aber mi­li­tä­ri­sche Un­ter­stüt­zung. 

Sein ge­spann­tes Ver­hält­nis zu Hein­rich und sein stren­ges stadt­herr­li­ches Re­gi­ment be­wo­gen die Köl­ner 1074 zu ei­nem Auf­stand. An­lass bot die Be­schlag­nah­mung ei­nes Kauf­manns­schif­fes durch An­no. Bei­spiel­ge­bend war das Ver­hal­ten der Worm­ser, die we­ni­ge Mo­na­te zu­vor ih­ren mit Hein­rich ver­fein­de­ten Bi­schof aus der Stadt ge­jagt und dem Kö­nig die To­re ge­öff­net hat­ten. Auch An­no muss­te aus dem be­la­ger­ten Dom und der Stadt flie­hen, konn­te aber rasch ei­ne be­waff­ne­te Mann­schaft sam­meln und den Auf­ruhr nie­der­schla­gen. Die An­füh­rer wur­den hart be­straft, vie­le Bür­ger aus Köln ver­trie­ben. Erst ein Jahr spä­ter hob An­no die Bann­sprü­che auf und er­stat­te­te kon­fis­zier­ten Be­sitz zu­rück. 

Am 4.12.1075 starb An­no nach schwe­rer Krank­heit. Den Aus­bruch des so ge­nann­ten In­ves­ti­tur­streits zwi­schen Hein­rich IV. und Papst Gre­gor VII. (Pon­ti­fi­kat 1073-1085) hat er nicht mehr er­lebt. Nach sei­nem Tod wur­de sein Leich­nam in ei­ner drei­tä­gi­gen Pro­zes­si­on zu al­len Köl­ner Stifts- und Klos­ter­kir­chen ge­tra­gen und in ih­nen auf­ge­bahrt, da­nach in Sieg­burg bei­ge­setzt. An­läss­lich der Hei­lig­spre­chung 1183 ex­hu­mier­te man sei­ne Ge­bei­ne und leg­te sie in ei­nen in der Gold­schmie­de­werk­statt des Ni­ko­laus von Ver­dun ge­schaf­fe­nen Schrein, der noch heu­te – oh­ne den im 19. Jahr­hun­dert ver­lo­ren ge­gan­ge­nen Fi­gu­ren­schmuck – in ei­ner Sei­ten­ka­pel­le der Sieg­bur­ger Ab­tei steht. 

Literatur

Bautz, Fried­rich Wil­helm, Ar­ti­kel „An­no II.", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 1 (1990), Sp. 179-180. Je­nal, Ge­org, Erz­bi­schof An­no von Köln (1056-75) und sein po­li­ti­sches Wir­ken. Ein Bei­trag zur Ge­schich­te der Reichs- und Ter­ri­to­ri­al­po­li­tik im 11. Jahr­hun­dert, 2 Bän­de, Stutt­gart 1974-1975. Mo­nu­men­ta An­no­nis. Köln und Sieg­burg. Welt­bild und Kunst im ho­hen Mit­tel­al­ter, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Köln 1075 Lück, Die­ter, An­no II. von Köln (ca. 1010-1075), in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 7 (1977), S. 7-24. Eg­gert, Wolf­gang, An­no II., Erz­bi­schof von Köln (1056-1072), in: Eber­hard Holtz / Wolf­gang Hu­sch­ner (Hg.), Deut­sche Fürs­ten des Mit­tel­al­ters. Fünf­und­zwan­zig Le­bens­bil­der, Leip­zig 1995, S. 140-151.

Online

Oedi­ger, Fried­rich Wil­helm, Ar­ti­kel „An­no II. (hl.) von Steuss­lin­gen", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 1 (1953), S. 304-306. [On­line]

Annoschrein, Benediktinerabtei Michaelsberg in Siegburg, Werkstatt des Nikolaus von Verdun (um 1130-nach 1205), 1183. (Benediktinerabtei Michaelsberg, Siegburg)

 
Zitationshinweis

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Koch, Matthias, Anno II. von Köln, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/anno-ii.-von-koeln/DE-2086/lido/57adb0c19ebe38.75500234 (abgerufen am 03.10.2024)