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Der Kölner Historiker Hermann Keussen bezeichnete in der Allgemeinen Deutschen Biographie 1892 Arnold von Siegen als „den angesehensten und einflußreichsten Bürger Kölns im 16. Jahrhundert“. Tatsächlich bestimmte Siegen nicht nur die stadtkölnische Politik für beinahe vier Jahrzehnte in verschiedenen Spitzenpositionen, sondern diente auch den Kaisern Karl V. (Regierungszeit 1519-1556) und Ferdinand I. (1503-1564, römisch-deutscher Kaiser ab 1558), mit denen er in seinem Kölner Haus auch privat verkehrte. Hermann Weinsberg lobte die „feine Beredsamkeit“ Siegens, der trotz seiner großen Erfolge recht plötzlich der Politik den Rücken kehrte und sich im Bewusstsein der Bevölkerung vor allem durch seine Großzügigkeit und wohltätigen Stiftungen in guter Erinnerung hielt, die ihm auch einen Platz unter den Turmfiguren des Kölner Rathauses einbrachte.
Arnold (Arnt) von Siegen entstammte einer nach Köln eingewanderten Familie von Stahlhändlern. Der Großvater, der sich noch Johann Schampe van Segen nannte, kam aus einer begüterten Siegener Familie, die wohl auch Hütten nahe der Stadt besaß. Ab 1431 kaufte er sich den Hof Kellenberg auf dem Eigelstein in Köln zusammen. Mit der Generation des Vaters wurde die Familie ratsfähig: Vater Gerhard – Hermann von Weinsberg bezeichnete ihn als schiffman - saß 1505-1522 für die Gaffel Windeck im Rat, Onkel Tilmann von Siegen/van Segen (gestorben nach 1501) bekleidete zwischen 1490/1491 und 1499/1500 viermal das Bürgermeisteramt. Arnolds Mutter Adelheid Clemens von Benesis entstammte einer vermögenden Woll- und Tuchmacherfamilie. Das Stammhaus der Familie von Siegen stand am Holzmarkt. Auf die Herkunft der Familie verweist ihre Hausmarke, die ein Kreuz, das Siegener Stahlzeichen, dominiert.
Das konkrete Geburtsjahr Arnolds ist nicht bekannt, nach Hermann Weinsberg wurde er um 1500 geboren, nach Fahne 1484 in Kerpen. Da Arnold 1506 an der Kölner Artistenfakultät immatrikuliert wurde, dürfte er jedoch wohl um 1490 geboren sein. Verheiratet war Arnold mit Katharina Wolff, Tochter des reichen Kölner Wollfärbers Goswin Wolff. Aus der Ehe gingen fünf Söhne und vier Töchter hervor. Sohn Arnold (Arnt) war Bannerherr des Wollenamts und saß 1542-1579 im Rat wie auch 1586-1607 dessen gleichnamiger Sohn, der zudem zwischen 1593/1594 und 1605/1606 fünfmal Bürgermeister war (gestorben 11.7.1607).
Der junge Kaufmann beeindruckte seine Zeitgenossen durch ein „gewinnendes Wesen“ und gewandtes Auftreten. Dies wird ihm sicherlich auch bei seinen wirtschaftlichen Tätigkeiten geholfen haben, über die nichts weiter bekannt ist. Zu sehr überlagert hier in der Rückschau der Politiker den Geschäftsmann, der er gleichwohl gewesen sein muss, als er angeblich schon 1512 erstmals öffentlich in Erscheinung trat. 1524 ist er unter den Schöffen des Gerichts Airsburg bezeugt. Etwa zeitgleich oder kurz danach dürfte er für die Fischmengergaffel in den Rat gewählt worden sein. 1529/1530 wurde er zum ersten von insgesamt zwölf Malen zum Bürgermeister gewählt, nach der in Köln üblichen Regelung, wonach die amtierenden Bürgermeister nach Ablauf ihres Amtsjahres Rentmeister wurden, um dann beim nächstmöglichen Zyklus wieder das Bürgermeisteramt zu bekleiden. Außerdem war er einer der Provisoren (Kuratoren) der Universität.
Seine Gewandtheit und diplomatisches Geschick ließen Siegen nicht nur in Köln zu einem bedeutenden Politiker werden, auch außenpolitisch vertrat er die Reichsstadt, erstmals auf dem Speyrer Reichstag von 1526 und dann in der Folge auch auf weiteren Reichsversammlungen bis 1545. In Ulm wurde er ebenfalls 1526 zum kölnischen Abgesandten einer Delegation gewählt, die den in Spanien weilenden Kaiser Karl V. über die konfessionellen Angelegenheiten im Reich informieren sollte. Hier vertrat Siegen den streng katholischen Standpunkt des Kölner Rates mit Vehemenz, was den Kaiser offenbar so sehr beeindruckte, dass er ihn zu seinem Rat ernannte und ihm später den Rittertitel verlieh. Die konsequent altgläubig-katholische Haltung vertrat Siegen auch im Prozess gegen Adolf Clarenbach und Peter Fliesteden (gestorben 1529), die unmittelbar nach Siegens erstem Amtsantritt als Bürgermeister als radikale Protestanten verurteilt und hingerichtet wurden. Auch während des Reformationsversuchs des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Hermann von Wied unterstützte Siegen die altgläubig bleibende Geistlichkeit und begrüßte Hermanns Exkommunikation im Jahr 1546.
1564 kandidierte Arnold von Siegen nicht mehr als Bürgermeister, wie es erwartet worden war, und gab auch sein Ratsmandat und alle anderen öffentlichen Ämter zurück. Leonard Ennen gibt als wesentlichen Grund hierfür die wirtschaftlichen Interessen Siegens an, Keussen führt daneben auch Beweggründe an, die in dessen vom Rat nicht mehr mitgetragenen aufrichtigen Katholizität gelegen haben könnten. Die im Zuge des aufkommenden niederländischen Konfliktes gesperrten Renten, die Siegen aus dem zum Herzogtum Brabant gehörenden Kerpen bezog, dürften jedoch für seine Entscheidung eine oder die wesentliche Rolle gespielt haben. Um die Sanktion zu umgehen, löste er sich vom Bürgereid, denn die Maßnahme sollte nur Kölner Bürger im formalen Sinn betreffen.
Ob Arnold von Siegen durch diesen Schritt die Rentenzahlungen wieder erhielt, ist unbekannt. Er hatte es jedenfalls durch elterliches Erbe und sicherlich auch eigene Geschäftstätigkeit zu einem großen Vermögen gebracht, das Hermann Weinsberg auf 100.000 Gulden schätzte. Es erlaubte ihm eine fürstliche Hofhaltung in seinem als Attraktion geltenden prachtvollen Haus am Holzmarkt. Hier empfing er auch Kaiser Karl V. bei dessen Aufenthalten in Köln in den Jahren 1545 und 1550. Ihm gehörten auch verschiedene große Landgüter. Als solchermaßen vermögender und einflussreicher Mann gewährte Siegen auch den stets nahe der Zahlungsunfähigkeit stehenden Kölner Erzbischöfen und Kurfürsten größere Kredite.
Im Übrigen nutzte er sein Vermögen, um Kirchen und Klöster in Köln zu bedenken und für ihre Ausstattung zu sorgen. Vorneweg profitierte seine Heimatpfarre Sankt Johann Baptist, der er auch als Kirchmeister diente, von dieser Großzügigkeit. Unter anderem stiftete er ihr einen von Barthel Bruyn d. Ä. um 1540 gestalteten Flügelaltar, auf dem Arnold und seine Frau als Stifter dargestellt sind. Das Altarbild befindet sich heute im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Außerdem initiierte Siegen die bauliche Vergrößerung der Kirche um ein zweites Seitenschiff und finanzierte die Maßnahme zum Teil aus eigenen Mitteln, wie er auch die Vergütung der Pfarrstelle durch eine Stiftung dauerhaft sicherte. Auf seine Stiftung geht auch das Taufbecken aus Messing zurück, wie die Inschrifttafel auf dem Deckel bezeugt: HER ARNOLDT VON SEGEN RITTER KAISERLICHER MAJESTAIT RAIT. A(NN)O 1566. Er dürfte auch den ursprünglichen Standort des Taufbeckens im westlichen Joch des äußeren südlichen Seitenschiffes bestimmt haben, ganz in Nähe der Familiengrablege, wo er seine letzte Ruhestätte fand.
Anlässlich seines Todes charakterisierte Hermann Weinsberg Arnold von Siegens Reichtum, Verdienste und Persönlichkeit folgendermaßen: […] hat er doch folgens gar groislich an richtumb und heirlichkeit prospereirt und zugenomen. Dan er wost sich bei keiser, konink, fursten und hern dermaissen umbzutoin, das es wonder war und dess groissen nutz und fortel hat […] War überaus beredt und gespreich und fruntlich, nit grois von personen, gar roit im angesicht […]_ Hat vil schoner tugent an sich, aber auch etliche lastern_ (Buch Weinsberg III, S. 27-28).
Die Mehrzahl seiner Nachkommen wandte sich dem Protestantismus zu, angefangen mit seinem jüngsten Sohn Hieronymus. Das Haus am Holzmarkt wurde 1591 vom Rat wegen einer dort abgehaltenen protestantischen Versammlung geschlossen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde darin das große Armenhaus der Stadt Köln eingerichtet - wenn die Überlieferung von der Menschenfreundlichkeit Siegens stimmt, vielleicht nicht unbedingt zum Widerwillen des vormaligen Besitzers.
Im öffentlichen Raum erinnern in Köln an Arnold von Siegen die wohl von Wilhelm Albermann (1835-1913) 1900/1901 geschaffene Ratsturmfigur, nach Kriegsbeschädigungen 1990 für das neue Figurenprogramm des Rathausturmes von dem Bildhauer Georg Krautkrämer (geboren 1960) restauriert und ergänzt, ferner die 1966 von Elisabeth Baumeister-Bühler (1912-2000) geschaffene Brunnenanlage vor der Kirche Sankt Johann Baptist. Eine nahe gelegene Straße trägt den Namen des für die stadtkölnische Geschichte des 16. Jahrhunderts so bedeutenden Mannes.
Quellen
Das Buch Weinsberg, Band 1-2, bearb. v. Konstantin Höhlbaum, Leipzig 1886-1887; Band 3, bearb. v. Friedrich Lau, Bonn 1897, Nachdruck Düsseldorf 2000.
Keussen, Hermann (Bearb.), Die Matrikel der Universität Köln, Band 2, Bonn 1919, Nachdruck 1979, S. 598 (471,19).
Literatur
Ennen, Leonard, Geschichte der Stadt Köln, Band 3-4, Köln/Neuss 1875.
Fahne, A., Geschichte der Kölnischen, Jülichschen und Bergischen Geschlechter in Stammtafeln, Wappen, Siegeln und Urkunden, Teil 1, Köln/Bonn 1848, S. 400.
Herborn, Wolfgang, Zur Rekonstruktion und Edition der Kölner Bürgermeisterliste bis zum Ende des Ancien Régime, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 36 (1972), S. 89-183, bes. S. 132-136.
Irsigler, Franz, Die wirtschaftliche Stellung der Stadt Köln im 14. Und 15. Jahrhundert. Strukturanalyse einer spätmittelalterlichen Exportgewerbe- und G´Fernhandelsstadt, Wiesbaden 1979.
Meiering, Dominik/Oepen, Joachim (Hg.), Aufbruch statt Abbruch. Die Kirche St. Johann Baptist in Köln, Köln 2009.
Schleicher, Herbert M., Ratsherrenverzeichnis von Köln zu reichsstädtischer Zeit von 1396-1796, Köln 1982, S. 504-507 [die Angaben zu Arnt von Siegen sind nicht fehlerfrei].
Stein, A. G., Die Familie von Siegen in Köln, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 35 (1880), S. 170-178.
Online
Keussen, Hermann, Siegen, Arnold von, in: Allgemeine Deutsche Biographie 34 (1892), S. 195-196. [online]
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Bock, Martin, Arnold von Siegen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/arnold-von-siegen/DE-2086/lido/5e3175aeec0ac0.80027395 (abgerufen am 12.12.2024)