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Clara Fey war eine Ordensgründerin des 19. Jahrhunderts. Getragen von ihrem festen christlichen Glauben, engagierte sie sich karitativ und pädagogisch für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche und gründete 1844 die Kongregation der Schwestern vom armen Kinde Jesus.
Clara Fey wurde am 11.4.1815 als viertes von fünf Geschwistern in Aachen geboren. Die Eltern waren der aus Eupen zugewanderte Tuchfabrikant Peter Ludwig Joseph Fey und Anna Katharina Eleonore Schweling, Tochter eines Färbereibesitzers. Kennzeichnend für beide Familien war eine fruchtbare religiös-geistige Atmosphäre mit einer Reihe von geistlichen Berufungen. Die religiöse Haltung der Mutter, die nach dem Tode des Mannes 1820 die Kinder allein erzog, bewirkte, dass ein Sohn Priester wurde, ein zweiter in einen Orden eintrat. Auch Clara Feys Bildung und Erziehung an der Realschule für Mädchen bei St. Leonhard seit 1827, wo es zum Austausch mit der Konvertitin und Dichterin Luise Hensel (1798-1876) kam, führte in diese Richtung. Auch die späteren Ordensgründerinnen Franziska Schervier und Pauline von Mallinckrodt (1817-1881) bewegten sich in diesem Kreis.
Bereits frühzeitig war Clara Fey in Aachen mit gleichgesinnten Männer und Frauen in einem Kreis engagiert, der sich der Behebung von seelsorglichen und sozialen Defiziten widmete. Dieser so genannte Aachener Karitaskreis scharte sich vornehmlich um den Oberpfarrer von St. Paul, Leonhard Alois Nellessen (1783-1859) und den späteren Apostolischen Vikar von Luxemburg, Johann Theodor Laurent (1804-1888). Er konzentrierte seine Aktivitäten vor allem auf die vom Pauperismus bedrohten Bevölkerungsschichten der durch Frühindustrialisierung stark geprägten Stadt. Insbesondere 1832 während der Choleraepidemie in Aachen halfen einige der jungen Frauen Bedürftigen durch die Sammlung von Almosen und schlossen sich später zu Krankenvereinen zusammen, um weiterhin an sozialen Brennpunkten praktische Karitas auszuüben.
Dabei rückte die katastrophale Lage der vielen verwahrlosten und verelendeten Aachener Kinder in den Blick, für die ungeachtet der 1825 eingeführten Schulpflicht kaum etwas geschehen war. Die Stadt sah sich aus finanziellen Gründen außerstande, die Schulpflicht durchzusetzen. Daher war Privatinitiative gefragt. Bei den sonntäglichen Treffen des Freundeskreises machte Andreas Fey den Vorschlag, eine kleine Schule zu gründen. Dieses „Schülchen" trat am 3.2.1837 ins Leben. Clara Fey beteiligte sich daran durch das Erteilen von Handarbeitsunterricht und wurde bald – auch aufgrund ihres pädagogischen Geschicks – zum Mittelpunkt des kleinen Kreises von Freundinnen, die sich neben der Krankenbetreuung um arme und verwahrloste Schulkinder kümmerten.
Dieses Engagement war der Stadt Aachen hochwillkommen. Sie übertrug 1840 Clara Fey und ihren Gefährtinnen die im Gebäude des ehemaligen Dominikanerklosters kurz zuvor gegründete Mädchen-Armenschule der Pfarrei St. Paul. Solchen breit gestreuten Aktivitäten war indes, wie sich schnell zeigte, keine Zukunft beschieden. Manche der Beteiligten suchten ihre Berufung in einer der damals zahlreich entstehenden neuen religiösen Kongregationen zu finden. So scharten sich jene, die sich vornehmlich der Krankenpflege widmen wollten, um Franziska Schervier, welche zur Gründerin der Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus wurde, und jene, die in der Kindererziehung ihr Ziel sahen, um Clara Fey.
Der kleine Kreis von Frauen zog im September 1843 mit den ihm anvertrauten Pflegekindern in ein Haus in der oberen Königstraße. Anfang Februar 1844 bezog auch Clara Fey das neue Domizil. Von Anfang an war sie die Vorsteherin der Kommunität, die sich im Oktober 1844 auf Rat Laurents durch die Andachtsgelübde Gott gegenüber förmlich verpflichtete. Das quasi klösterliche Zusammenleben, bald in einem neu erworbenen Haus in der Königstraße, wurde in der Öffentlichkeit zunächst durchaus kritisch betrachtet, dann aber zunehmend wertgeschätzt. Das fand seinen Ausdruck Ende 1844 in der Übertragung der Pfarrschule an St. Paul.
Zielsetzung Clara Feys war es nun, nach der erfolgreichen Etablierung der Gemeinschaft in Aachen, dieser durch kirchliche wie staatliche Anerkennung eine bessere Grundlage zu verschaffen. Als Hauptzweck der Tätigkeit kristallisierte sich die „Erziehung und Unterweisung der armen weiblichen Jugend, insbesondere Erziehung, Pflege und Versorgung verlassener und den Gefahren der Entsittlichung ausgesetzter" Mädchen heraus. Mit der staatlichen Anerkennung am 17.5.1847 und der kirchlichen Bestätigung durch den Kölner Erzbischof Johannes von Geissel am 28.1.1848 konstituierte sich um Clara Fey herum eine neue, auf die Regel des heiligen Augustinus verpflichtete, Kongregation: Die „Schwestern vom armen Kinde Jesus". Der Name betont nicht nur den zentralen Apostolat, sondern geht zurück auf einen Traum, den Clara Fey im Alter von elf Jahren gehabt haben soll. Darin stellte sich ein armes verwahrlostes Kind mit den Worten: „Ich bin das arme Kind Jesus" vor.
Am 28.7.1850 wurde Clara Fey erstmalig zur Generaloberin der jungen Gemeinschaft gewählt, ein Amt, in dem sie lebenslang immer wieder bestätigt wurde. In den folgenden Jahrzehnten prägte sie die Kongregation entscheidend und führte sie auf einen Weg, den sie strikt nach ihren religiösen und sozialen Motiven ausrichtete. Gefährdungen traten immer wieder auf, denn häufige und mitunter schwere Erkrankungen sowie eine ausgesprochen starke psychische Sensibilität ließen sie immer wieder daran zweifeln, ob ihr Handeln sich noch nach dem Willen Gottes ausrichtete.
Es war ihr Glück, dass ihr über Jahrzehnte bewährte geistliche Berater zur Seite standen, die ihre Probleme erkannten und sie mit fester Hand anzuleiten suchten. Neben ihren beiden Brüdern Andreas und Joseph sowie Bischof Laurent war dies vor allem der Oberpfarrer von St. Michael in Burtscheid, Wilhelm Sartorius (1805-1880), seit 1841 Beichtvater Clara Feys und seit 1844 auch geistlicher Direktor der Schwestern vom armen Kinde Jesus. Die enge Beziehung von Sartorius zu Clara Fey als so genannter Seelenführer und geistlicher Berater, auch als „heilige Freundschaft" umschrieben, ging so weit, dass Clara Fey ihre grundlegenderen Maßnahmen immer auch von Sartorius billigen ließ.
Das geistig-religiöse Fundament hatte für Clara Fey bei all ihrem Handeln absolute Priorität; die stete Pflege des inneren Lebens als Voraussetzung allen äußeren Tuns gelang ihr dabei durch eine geistige Schulung, die man später als „die Übung" umschrieb, das heißt ein „sich-bewusst-Machen" der permanenten Präsenz Gottes in jeder Lebenssituation. Neben dem aktiven Apostolat der Kindererziehung spielte daher das kontemplative Element eine zentrale Rolle. Dies suchte sie durch Abhaltung eigener Konferenzen, Betrachtungen oder Kapitelsermahnungen auch ihren Mitschwestern immer wieder zu vermitteln.
Auf diesen Grundlagen entwickelte sich in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung ein beeindruckendes Werk, welches, trotz einer Auflockerung der frühen Rigorosität durch die Übernahme einiger weniger höherer Töchterschulen letztlich dem Dienst am armen und verwahrlosten Kind verpflichtet blieb. Der Schwerpunkt des Wirkens war im Rheinland, mit einem besonderen Akzent auf dem Raum Aachen; doch ließen sich die Schwestern sogar bis nach Österreich und England rufen. Die preußischen Kulturkampfmaßnahmen, insbesondere der Verweis geistlicher Lehrerinnen aus den Elementarschulen 1872 und die Ausweisung von in Unterricht und Erziehung tätigen Gemeinschaften 1875 bedeutete einen schweren Schlag für die Schwestern vom armen Kinde Jesus und gefährdeten das Werk Clara Feys. Auf dem Gebiet des Deutschen Reiches konnten letztlich nur die Filialen in Landstuhl (bayerische Pfalz) und Aachen-Burtscheid bestehen bleiben, letztere nur aus dem Grund, weil diese als Einrichtung für kranke und alte Schwestern deklariert wurde.
Clara Fey ertrug diese Entwicklungen als Prüfungen Gottes, und nur ihre Glaubensfestigkeit ließ sie die Bedrängnisse jener Jahre überstehen und zielstrebig die Zukunft angehen. Seit 1878 wirkte sie von dem nahe Aachen in den Niederlanden gelegenen Örtchen Simpelveld aus, wo die Kongregation sich noch rechtzeitig ein Kulturkampf-Exil hatte aufbauen können. Von dort aus wurde es seit 1887 möglich, im Zuge des Abbaus der Kulturkampfgesetzgebung wieder in Preußen Fuß zu fassen, nunmehr aber unter Verzicht auf die (für Ordensgeistliche weiterhin verbotenen) Elementarschultätigkeit. Der Schwerpunkt verschob sich auf Kindergärten, Waisenhäuser, Haushaltungs- und Handarbeitsschulen sowie vereinzelt auch auf die höhere Mädchenbildung.
Seit etwa 1890 begannen die Kräfte Clara Feys, die als Gründerin und langjährige Generaloberin weiterhin die Entwicklung ihrer Schwesterngemeinschaft bestimmte, zu erlahmen. Gesundheitliche Rückschläge zwangen sie, die Arbeit zunehmend in andere Hände übergehen lassen. Am 8.5.1894 starb sie im Simpelvelder Mutterhaus und wurde auf dem dortigen Schwesternfriedhof beerdigt. Am 5.5.2018 wurde Clara Fey im Aachener Dom selig gesprochen. Ihr Gedenktag ist der 8. Mai.
Zum heutigen Zeitpunkt (2008) unterhält der Orden zahlreiche Niederlassungen in Europa, Zentralasien, Südostasien und Südamerika. Der Seligsprechungsprozess für Clara Fey wurde 1951 eingeleitet. 1991wurde ihr durch Papst Johannes Paul II. (Pontifikat 1978-2005) der „heroische Tugendgrad" zuerkannt. Im Rheinland sind unter anderem in Bonn und Schleiden Schulen nach der Ordensgründerin benannt.
Quellen
Archiv der Deutschen Provinz der Schwestern vom armen Kinde Jesus, Michaelsbergstr. 40, 52066 Aachen
Archiv des Mutterhauses der Schwestern vom armen Kinde Jesus, Closterstraat 68, NL 6369 AE Simpelveld
Literatur
Bautz, Friedrich Wilhelm, Artikel "Fey, Clara",in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 2 (1990), Sp. 29.
Claessen, Robert O., Clara Fey (1815-1894), in: Zeitgeschichte in Lebensbildern 4 (1980), S. 51-63.
Kijm, J.M. (Hg.), Die verehrungswürdige Mutter Clara Fey. Clara Fey im Kreis ihrer Verwandten und Bekannten. Die Gründerin (1844-1848). Ein Lebensbild in Briefen, Simpelveld 1991.
Schaffer, Wolfgang, Clara Fey 1815-1894, Ordensgründerin, in: Schein, Karl (Hg.), Christen zwischen Niederrhein und Eifel - Lebensbilder aus zwei Jahrhunderten, Band 1, Mönchengladbach 1993, S. 83-101.
Solzbacher, Joseph, Die „Heilige Freundschaft" zwischen Clara Fey und Wilhelm Sartorius. Ein Beitrag zur Geschichte der Frömmigkeit, besonders im Aachen des 19. Jahrhunderts, Mönchengladbach 1972.
Wynands, Dieter, Clara Fey (1815–1894), in: Rheinische Lebensbilder 9 (1984), S. 179-198.
Online
Brosch, Joseph, Artikel "Fey, Klara", in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961) S. 118. [Online]
Drehbuch zu einer Ordensgründung (Information zu Clara Fey auf der Homepage der Kongregation der Schwestern vom armen Kinde Jesu). [Online]
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Schaffer, Wolfgang, Clara Fey, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/clara-fey-/DE-2086/lido/57c6ad04c12383.78322441 (abgerufen am 06.10.2024)