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Franz Etzel sorgte als Bundesminister der Finanzen (1957-1961) für einen Kurswechsel in der deutschen Finanzpolitik. Schon vorher sicherte er als Leiter des Wirtschaftspolitischen Bundesausschusses der CDU die parlamentarische Unterstützung für Ludwig Erhards (1897-1977) Konzept einer „sozialen Marktwirtschaft".
Der am 12.8.1902 in Wesel geborene Etzel absolvierte ein Jurastudium, das er 1930 mit dem zweiten Staatsexamen abschloss. Als evangelischer Christ engagierte sich Etzel in der Weimarer Republik in der DNVP, unter anderem als Jugendführer im Landesverband Niederrhein von 1931 bis 1933. Während der NS-Zeit als Rechtsanwalt und Notar tätig, nahm er von 1939 bis 1945 am Zweiten Weltkrieg teil, zuletzt im Range eines Oberleutnants.
1945 zählte er zu den Mitgründern der CDU in Duisburg. Die Position als Kreisvorsitzender erwies sich als Sprungbrett für seine politische Karriere. 1946 wurde Etzel Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der CDU Nordrhein und übernahm ein Jahr später die Leitung des Wirtschaftsauschusses der CDU in der Britischen Besatzungszone. Dort fungierte er als Verbindungsmann der Wirtschaft in der Union. Vor allem erarbeitete der Ausschuss unter seiner Leitung die ordoliberal geprägten Düsseldorfer Leitsätze zur Sozialen Marktwirtschaft. Obwohl eher im Hintergrund wirkend, war Etzel eine der treibenden Kräfte beim Wandel der wirtschaftspolitischen Programmatik der Union weg vom christlichen Sozialismus des Ahlener Programms hin zu sozial abgefederten wirtschaftsliberalen Grundsätzen. Von seinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen her stand er eher Alfred Müller-Armack als Ludwig Erhard nahe. 1949 gewann Etzel ein Direktmandat im Wahlkreis Rees-Dinslaken für den ersten Deutschen Bundestag.
Folgerichtig wurde Etzel Vorsitzender des 1950 eingerichteten Bundesausschusses für Wirtschaftspolitik der CDU. Der Ausschuss erwies seine Wirksamkeit vor allem bei der Vermittlung von Vorstellungen der Industrie in die Union hinein und fungierte gleichzeitig als Unterstützungsgruppe für Ludwig Erhard (Amtszeit 1949-1963), der sich nicht ausreichend um eine Basis in der Fraktion bemühte. Ein wesentliches Ergebnis von Etzels Tätigkeit war das Investitionshilfegesetz von 1952, welches über erweiterte Abschreibemöglichkeiten die Kapitalbildung bei bundesdeutschen Unternehmen deutlich beförderte. Die so ermöglichte Selbstfinanzierung war für die Expansion der deutschen Wirtschaft dringend erforderlich, brachte Etzel aber auch den Ruf ein, ein Mann der Industrie zu sein.
Die wirtschaftliche Integration Westeuropas bildete den Rahmen für Etzels weiteren Aufstieg in die erste Reihe deutscher Wirtschaftspolitiker. Am 10.8.1952 wurde er erster Vizepräsident der ein Jahr zuvor gegründeten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und schied deshalb im Januar 1953 aus dem Bundestag aus. In seiner neuen Funktion bereitete er wesentliche Schritte zur Gründung der EWG vor. Seine Kontakte zur Unionsfraktion und zu Konrad Adenauer scheint er dabei ausgebaut zu haben. Allerdings geriet er in eine Auseinandersetzung mit Erhard über die Ausgestaltung der europäischen Zusammenarbeit, der eine vertiefte staatliche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ablehnte.
Anders als in den späteren Jahren der Bundesrepublik, als Brüssel als Sinekure für ausgediente Bundes- und Landespolitiker herhalten musste, verlief der Weg bei Etzel umgekehrt. Er qualifizierte sich durch seine Tätigkeit auf europäischer Ebene ebenso wie durch seine Wirtschaftskontakte. Als Etzel nach fünfjähriger Tätigkeit bei der EGKS 1957 als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Remscheid-Solingen in den Bundestag zurückkehrte, war ein Platz im neuen Kabinett Adenauer in greifbare Nähe gerückt. Da die Einrichtung eines Europaministeriums am Ressortegoismus von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard und Außenminister Heinrich von Brentano (1904-1964, Amtszeit 1955-1961) scheiterte und zudem Spannungen zwischen Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (1888-1967, Amtszeit 1949-1957) und Adenauer herrschten, kam Etzel als neuer Finanzminister in Betracht. Er hatte sich schon in einem Brief an Adenauer vom 4.6.1956 durch eine deutlich vernehmbare Kritik an der liquiditätsvermindernden Politik Schäffers für dessen Nachfolge empfohlen. Schäffer hatte strikte Haushaltsdisziplin gehalten, die ersparten Beträge jedoch nicht wieder in den Wirtschaftskreislauf einfließen lassen, sondern dem Geldmarkt entzogen („Juliusturm"). Etzel setzte dem ein eigenes Konzept zur Kapitalmarkt- und Vermögenspolitik entgegen, für das er auf dem ersten Wirtschaftstag der CDU am 18.7.1957 viel Zuspruch bekam.
Als Bundesfinanzminister seit dem 28.10.1957 konnte er wesentliche Elemente seiner Vorstellungen umsetzen. Die Finanzreserven des Bundes wurden nicht nur währungspolitisch schonend verwertet, sondern trugen entscheidend dazu bei, dass die für die Wiederaufrüstung nötigen Investitionen nicht über eine Kreditaufnahme aufgebracht werden mussten. Die erfolgreiche Durchführung einer maßgeblich von ihm selbst konzipierten Steuerreform war wohl die Leistung Etzels, die die größte Wirkung erzielte. Es dürfte sich dabei um die bis dahin am konsequentesten durchdachte Neuordnung des Steuerwesens in der Geschichte der Bundesrepublik handeln, bei der ein neuer Einkommensteuertarif mit deutlich gesenkten Sätzen mit einer reduzierten Körperschaftsbesteuerung kombiniert wurde. Das Sparprämiengesetz von 1959 flankierte durch die Förderung des privaten Vermögensaufbaus die Entlastung für die Industrie: Etzel setzte auch die soziale Komponente des CDU-Wirtschaftsprogramms in seinem Bereich um. Diese unleugbaren Erfolge – in der Einkommensbesteuerung hatte Etzels Neuordnung bis 1990 Bestand – und seine Vermittlungstätigkeit zwischen Politik und Wirtschaft ließen Etzel innerhalb der nächsten zwei Jahre zu einem der profiliertesten Minister im Kabinett werden.
Als Adenauer im Frühjahr 1959 mit dem Gedanken spielte, Bundespräsident zu werden, brachte er Etzel als seinen Nachfolger ins Gespräch. Neben der Anerkennung für dessen Leistungen spielte auch der Wunsch, einen Kanzler Erhard zu verhindern, bei diesen Überlegungen eine Rolle. Die kurzfristige Rolle als potentieller Nachfolger Adenauers bildete den Höhe- und Wendepunkt von Etzels politischer Karriere. In den beiden folgenden Jahren erwies sich gerade sein auf Ausgleich gerichtetes Verhandlungstalent als Nachteil im politischen Tagesgeschäft. Nicht hart genug, um eigene Vorstellungen auch gegen Widerstände durchzusetzen und pointiert in der Öffentlichkeit zu vertreten, gab Etzel 1959 dem Druck aus der Fraktion in der Frage der Kriegsopferversorgung nach. Anders als in den ersten Jahren der Bundesrepublik erwartete die politische Öffentlichkeit jetzt eine Steigerung der Ausgaben der öffentlichen Hand. Etzels eigene Formulierung, er werde eine Haushaltspolitik hart „am Rande des Defizits" betreiben, die eigentlich als unstrittig sinnvoller Kontrapunkt zur Währungspolitik seines Amtsvorgängers gefallen war, kehrte sich nun gegen ihn. Zudem ließ er in der emotional geführten Debatte um eine Aufwertung der D-Mark Ende 1960 Ludwig Erhard im Stich. Politisch angeschlagen, stellte Etzel sein Amt bei der Bundestagswahl 1961 zur Verfügung.
Nach seinem Rücktritt als Finanzminister hatte Etzel von 1961 bis 1965 den Vorsitz des Arbeitskreises für Finanz- und Steuerfragen der Unionsfraktion inne. Außerdem zog er in etliche Aufsichtsräte ein und war Gesellschafter des Bankhauses Friedrich Simon in Düsseldorf. 1965 schied er aus dem Bundestag aus. Franz Etzel starb am 9.5.1970 in Wittlaer bei Düsseldorf.
Der Nachlass von Franz Etzel befindet sich zum überwiegenden Teil im Bundesarchiv Koblenz. Ein kleinerer Bestand liegt im Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin.
Literatur
Dietrich, Yorck, Franz Etzel als Finanzpolitiker, in: Historisch-politische Mitteilungen 2 (1995), S. 173-187.
Enders, Ulrich, Integration oder Kooperation? Ludwig Erhard und Franz Etzel über die Politik der europäischen Zusammenarbeit 1954-1956, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45 (1997), S. 143-171.
Gotto, Klaus, Franz Etzel, in: Kempf, Udo/Merz, Hans-Georg(Hg.), Kanzler und Minister 1949-1998. Biographisches Lexikon der deutschen Bundesregierungen, Opladen 2001, S. 244-248.
Müller-Armack, Alfred/Herbert B. Schmidt (Hg.), Wirtschafts- und Finanzpolitik im Zeichen der Sozialen Marktwirtschaft. Festgabe für Franz Etzel, Stuttgart 1967.
Online
Franz Etzel (1902-1970). Bundesminister der Finanzen und Mitstreiter Adenauers und Erhards (Umfangreiche Information auf der Website der Konrad-Adenauer-stiftung e.V.) [Online]
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Tischner, Wolfgang, Franz Etzel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-etzel-/DE-2086/lido/57c6a616b20a24.26628932 (abgerufen am 13.12.2024)