Franz Etzel

Bundesminister (1902-1970)

Wolfgang Tischner (Sankt Augustin)

Franz Etzel, Porträtfoto, 1950. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland)

Franz Et­zel sorg­te als Bun­des­mi­nis­ter der Fi­nan­zen (1957-1961) für ei­nen Kurs­wech­sel in der deut­schen Fi­nanz­po­li­tik. Schon vor­her si­cher­te er als Lei­ter des Wirt­schafts­po­li­ti­schen Bun­des­aus­schus­ses der CDU die par­la­men­ta­ri­sche Un­ter­stüt­zung für Lud­wig Er­hards (1897-1977) Kon­zept ei­ner „so­zia­len Markt­wirt­schaft".

Der am 12.8.1902 in We­sel ge­bo­re­ne Et­zel ab­sol­vier­te ein Ju­ra­stu­di­um, das er 1930 mit dem zwei­ten Staats­ex­amen ab­schloss. Als evan­ge­li­scher Christ en­ga­gier­te sich Et­zel in der Wei­ma­rer Re­pu­blik in der DNVP, un­ter an­de­rem als Ju­gend­füh­rer im Lan­des­ver­band Nie­der­rhein von 1931 bis 1933. Wäh­rend der NS-Zeit als Rechts­an­walt und No­tar tä­tig, nahm er von 1939 bis 1945 am Zwei­ten Welt­krieg teil, zu­letzt im Ran­ge ei­nes Ober­leut­nants.

 

1945 zähl­te er zu den Mit­grün­dern der CDU in Duis­burg. Die Po­si­ti­on als Kreis­vor­sit­zen­der er­wies sich als Sprung­brett für sei­ne po­li­ti­sche Kar­rie­re. 1946 wur­de Et­zel Mit­glied im Ge­schäfts­füh­ren­den Vor­stand der CDU Nord­rhein und über­nahm ein Jahr spä­ter die Lei­tung des Wirt­schaftsau­schus­ses der CDU in der Bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne. Dort fun­gier­te er als Ver­bin­dungs­mann der Wirt­schaft in der Uni­on. Vor al­lem er­ar­bei­te­te der Aus­schuss un­ter sei­ner Lei­tung die ordo­li­be­ral ge­präg­ten Düs­sel­dor­fer Leit­sät­ze zur So­zia­len Markt­wirt­schaft. Ob­wohl eher im Hin­ter­grund wir­kend, war Et­zel ei­ne der trei­ben­den Kräf­te beim Wan­del der wirt­schafts­po­li­ti­schen Pro­gram­ma­tik der Uni­on weg vom christ­li­chen So­zia­lis­mus des Ah­le­ner Pro­gramms hin zu so­zi­al ab­ge­fe­der­ten wirt­schafts­li­be­ra­len Grund­sät­zen. Von sei­nen wirt­schafts­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen her stand er eher Al­fred Mül­ler-Arm­ack als Lud­wig Er­hard na­he. 1949 ge­wann Et­zel ein Di­rekt­man­dat im Wahl­kreis Rees-Dins­la­ken für den ers­ten Deut­schen Bun­des­tag.

Fol­ge­rich­tig wur­de Et­zel Vor­sit­zen­der des 1950 ein­ge­rich­te­ten Bun­des­aus­schus­ses für Wirt­schafts­po­li­tik der CDU. Der Aus­schuss er­wies sei­ne Wirk­sam­keit vor al­lem bei der Ver­mitt­lung von Vor­stel­lun­gen der In­dus­trie in die Uni­on hin­ein und fun­gier­te gleich­zei­tig als Un­ter­stüt­zungs­grup­pe für Lud­wig Er­hard (Amts­zeit 1949-1963), der sich nicht aus­rei­chend um ei­ne Ba­sis in der Frak­ti­on be­müh­te. Ein we­sent­li­ches Er­geb­nis von Et­zels Tä­tig­keit war das In­ves­ti­ti­ons­hil­fe­ge­setz von 1952, wel­ches über er­wei­ter­te Ab­schrei­be­mög­lich­kei­ten die Ka­pi­tal­bil­dung bei bun­des­deut­schen Un­ter­neh­men deut­lich be­för­der­te. Die so er­mög­lich­te Selbst­fi­nan­zie­rung war für die Ex­pan­si­on der deut­schen Wirt­schaft drin­gend er­for­der­lich, brach­te Et­zel aber auch den Ruf ein, ein Mann der In­dus­trie zu sein.

Die wirt­schaft­li­che In­te­gra­ti­on West­eu­ro­pas bil­de­te den Rah­men für Et­zels wei­te­ren Auf­stieg in die ers­te Rei­he deut­scher Wirt­schafts­po­li­ti­ker. Am 10.8.1952 wur­de er ers­ter Vi­ze­prä­si­dent der ein Jahr zu­vor ge­grün­de­ten Eu­ro­päi­schen Ge­mein­schaft für Koh­le und Stahl (EG­KS) und schied des­halb im Ja­nu­ar 1953 aus dem Bun­des­tag aus. In sei­ner neu­en Funk­ti­on be­rei­te­te er we­sent­li­che Schrit­te zur Grün­dung der EWG vor. Sei­ne Kon­tak­te zur Uni­ons­frak­ti­on und zu Kon­rad Ade­nau­er scheint er da­bei aus­ge­baut zu ha­ben. Al­ler­dings ge­riet er in ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit Er­hard über die Aus­ge­stal­tung der eu­ro­päi­schen Zu­sam­men­ar­beit, der ei­ne ver­tief­te staat­li­che Zu­sam­men­ar­beit auf eu­ro­päi­scher Ebe­ne ab­lehn­te.

An­ders als in den spä­te­ren Jah­ren der Bun­des­re­pu­blik, als Brüs­sel als Si­ne­ku­re für aus­ge­dien­te Bun­des- und Lan­des­po­li­ti­ker her­hal­ten muss­te, ver­lief der Weg bei Et­zel um­ge­kehrt. Er qua­li­fi­zier­te sich durch sei­ne Tä­tig­keit auf eu­ro­päi­scher Ebe­ne eben­so wie durch sei­ne Wirt­schafts­kon­tak­te. Als Et­zel nach fünf­jäh­ri­ger Tä­tig­keit bei der EG­KS 1957 als di­rekt ge­wähl­ter Ab­ge­ord­ne­ter für den Wahl­kreis Rem­scheid-So­lin­gen in den Bun­des­tag zu­rück­kehr­te, war ein Platz im neu­en Ka­bi­nett Ade­nau­er in greif­ba­re Nä­he ge­rückt. Da die Ein­rich­tung ei­nes Eu­ro­pa­mi­nis­te­ri­ums am Res­sor­te­go­is­mus von Wirt­schafts­mi­nis­ter Lud­wig Er­hard und Au­ßen­mi­nis­ter Hein­rich von Bren­ta­no (1904-1964, Amts­zeit 1955-1961) schei­ter­te und zu­dem Span­nun­gen zwi­schen Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter Fritz Schäf­fer (1888-1967, Amts­zeit 1949-1957) und Ade­nau­er herrsch­ten, kam Et­zel als neu­er Fi­nanz­mi­nis­ter in Be­tracht. Er hat­te sich schon in ei­nem Brief an Ade­nau­er vom 4.6.1956 durch ei­ne deut­lich ver­nehm­ba­re Kri­tik an der li­qui­di­täts­ver­min­dern­den Po­li­tik Schäf­fers für des­sen Nach­fol­ge emp­foh­len. Schäf­fer hat­te strik­te Haus­halts­dis­zi­plin ge­hal­ten, die er­spar­ten Be­trä­ge je­doch nicht wie­der in den Wirt­schafts­kreis­lauf ein­flie­ßen las­sen, son­dern dem Geld­markt ent­zo­gen („Ju­li­us­turm"). Et­zel setz­te dem ein ei­ge­nes Kon­zept zur Ka­pi­tal­markt- und Ver­mö­gens­po­li­tik ent­ge­gen, für das er auf dem ers­ten Wirt­schafts­tag der CDU am 18.7.1957 viel Zu­spruch be­kam.

Als Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter seit dem 28.10.1957 konn­te er we­sent­li­che Ele­men­te sei­ner Vor­stel­lun­gen um­set­zen. Die Fi­nanz­re­ser­ven des Bun­des wur­den nicht nur wäh­rungs­po­li­tisch scho­nend ver­wer­tet, son­dern tru­gen ent­schei­dend da­zu bei, dass die für die Wie­der­auf­rüs­tung nö­ti­gen In­ves­ti­tio­nen nicht über ei­ne Kre­dit­auf­nah­me auf­ge­bracht wer­den muss­ten. Die er­folg­rei­che Durch­füh­rung ei­ner ma­ß­geb­lich von ihm selbst kon­zi­pier­ten Steu­er­re­form war wohl die Leis­tung Et­zels, die die grö­ß­te Wir­kung er­ziel­te. Es dürf­te sich da­bei um die bis da­hin am kon­se­quen­tes­ten durch­dach­te Neu­ord­nung des Steu­er­we­sens in der Ge­schich­te der Bun­des­re­pu­blik han­deln, bei der ein neu­er Ein­kom­men­steu­er­ta­rif mit deut­lich ge­senk­ten Sät­zen mit ei­ner re­du­zier­ten Kör­per­schafts­be­steue­rung kom­bi­niert wur­de. Das Spar­prä­mi­en­ge­setz von 1959 flan­kier­te durch die För­de­rung des pri­va­ten Ver­mö­gens­auf­baus die Ent­las­tung für die In­dus­trie: Et­zel setz­te auch die so­zia­le Kom­po­nen­te des CDU-Wirt­schafts­pro­gramms in sei­nem Be­reich um. Die­se un­leug­ba­ren Er­fol­ge – in der Ein­kom­mens­be­steue­rung hat­te Et­zels Neu­ord­nung bis 1990 Be­stand – und sei­ne Ver­mitt­lungs­tä­tig­keit zwi­schen Po­li­tik und Wirt­schaft lie­ßen Et­zel in­ner­halb der nächs­ten zwei Jah­re zu ei­nem der pro­fi­lier­tes­ten Mi­nis­ter im Ka­bi­nett wer­den.

Als Ade­nau­er im Früh­jahr 1959 mit dem Ge­dan­ken spiel­te, Bun­des­prä­si­dent zu wer­den, brach­te er Et­zel als sei­nen Nach­fol­ger ins Ge­spräch. Ne­ben der An­er­ken­nung für des­sen Leis­tun­gen spiel­te auch der Wunsch, ei­nen Kanz­ler Er­hard zu ver­hin­dern, bei die­sen Über­le­gun­gen ei­ne Rol­le. Die kurz­fris­ti­ge Rol­le als po­ten­ti­el­ler Nach­fol­ger Ade­nau­ers bil­de­te den Hö­he- und Wen­de­punkt von Et­zels po­li­ti­scher Kar­rie­re. In den bei­den fol­gen­den Jah­ren er­wies sich ge­ra­de sein auf Aus­gleich ge­rich­te­tes Ver­hand­lungs­ta­lent als Nach­teil im po­li­ti­schen Ta­ges­ge­schäft. Nicht hart ge­nug, um ei­ge­ne Vor­stel­lun­gen auch ge­gen Wi­der­stän­de durch­zu­set­zen und poin­tiert in der Öf­fent­lich­keit zu ver­tre­ten, gab Et­zel 1959 dem Druck aus der Frak­ti­on in der Fra­ge der Kriegs­op­fer­ver­sor­gung nach. An­ders als in den ers­ten Jah­ren der Bun­des­re­pu­blik er­war­te­te die po­li­ti­sche Öf­fent­lich­keit jetzt ei­ne Stei­ge­rung der Aus­ga­ben der öf­fent­li­chen Hand. Et­zels ei­ge­ne For­mu­lie­rung, er wer­de ei­ne Haus­halts­po­li­tik hart „am Ran­de des De­fi­zits" be­trei­ben, die ei­gent­lich als un­strit­tig sinn­vol­ler Kon­tra­punkt zur Wäh­rungs­po­li­tik sei­nes Amts­vor­gän­gers ge­fal­len war, kehr­te sich nun ge­gen ihn. Zu­dem ließ er in der emo­tio­nal ge­führ­ten De­bat­te um ei­ne Auf­wer­tung der D-Mark En­de 1960 Lud­wig Er­hard im Stich. Po­li­tisch an­ge­schla­gen, stell­te Et­zel sein Amt bei der Bun­des­tags­wahl 1961 zur Ver­fü­gung.

Nach sei­nem Rück­tritt als Fi­nanz­mi­nis­ter hat­te Et­zel von 1961 bis 1965 den Vor­sitz des Ar­beits­krei­ses für Fi­nanz- und Steu­er­fra­gen der Uni­ons­frak­ti­on in­ne. Au­ßer­dem zog er in et­li­che Auf­sichts­rä­te ein und war Ge­sell­schaf­ter des Bank­hau­ses Fried­rich Si­mon in Düs­sel­dorf. 1965 schied er aus dem Bun­des­tag aus. Franz Et­zel starb am 9.5.1970 in Witt­la­er bei Düs­sel­dorf.

Der Nach­lass von Franz Et­zel be­fin­det sich zum über­wie­gen­den Teil im Bun­des­ar­chiv Ko­blenz. Ein klei­ne­rer Be­stand liegt im Ar­chiv für Christ­lich-De­mo­kra­ti­sche Po­li­tik der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung in Sankt Au­gus­tin.

Literatur

Diet­rich, Yorck, Franz Et­zel als Fi­nanz­po­li­ti­ker, in: His­to­risch-po­li­ti­sche Mit­tei­lun­gen 2 (1995), S. 173-187.
End­ers, Ul­rich, In­te­gra­ti­on oder Ko­ope­ra­ti­on? Lud­wig Er­hard und Franz Et­zel über die Po­li­tik der eu­ro­päi­schen Zu­sam­men­ar­beit 1954-1956, in: Vier­tel­jahrs­hef­te für Zeit­ge­schich­te 45 (1997), S. 143-171.
Got­to, Klaus, Franz Et­zel, in: Kempf, Udo/Merz, Hans-Ge­org(Hg.), Kanz­ler und Mi­nis­ter 1949-1998. Bio­gra­phi­sches Le­xi­kon der deut­schen Bun­des­re­gie­run­gen, Op­la­den 2001, S. 244-248.
Mül­ler-Arm­ack, Al­fred/Her­bert B. Schmidt (Hg.), Wirt­schafts- und Fi­nanz­po­li­tik im Zei­chen der So­zia­len Markt­wirt­schaft. Fest­ga­be für Franz Et­zel, Stutt­gart 1967.

Online

Franz Et­zel (1902-1970). Bun­des­mi­nis­ter der Fi­nan­zen und Mit­strei­ter Ade­nau­ers und Er­hard­s (Um­fang­rei­che In­for­ma­ti­on auf der Web­site der Kon­rad-Ade­nau­er-stif­tung e.V.) [On­line]

Franz Etzel, Porträtfoto, 1950. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland)

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Tischner, Wolfgang, Franz Etzel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-etzel-/DE-2086/lido/57c6a616b20a24.26628932 (abgerufen am 13.12.2024)