Zu den Kapiteln
474.000 Gulden – auf diese gigantische Summe sollen sich nach einer chronikalischen Mitteilung die Schulden des Erzstifts Köln beim Regierungsantritt Erzbischof Friedrichs von Saarwerden belaufen haben. Sie seien ihm auf einem Zettel vorgelegt worden, um dem jungen, damals etwa 22 Jahre zählenden Kirchenfürsten den Ernst der Lage buchstäblich vor Augen zu halten. Mag man die Höhe der Summe auch anzweifeln – der Pontifikat Friedrichs von Saarwerden begann jedenfalls unter höchst widrigen Umständen. Bei seinem Tod im Jahre 1414 waren die kurkölnischen Finanzen in bester Ordnung und der territoriale Besitzstand des Erzstifts um wichtige Bestandteile vergrößert. Jedoch fielen in Friedrichs Regierungszeit auch bedeutsame, krisenhafte Ereignisse im Reich und in der abendländischen Kirche.
Friedrich kam wahrscheinlich 1348 als Kind des lothringischen Grafen Johann II. von Saarwerden (1339-1381 bezeugt) und der Klara von Vinstingen (1339-1365 bezeugt) zur Welt. Dieser Ehe entstammten außer Friedrichs älterer Schwester Agnes (gestorben 1381) und ihm selbst noch mindestens drei weitere Kinder. Friedrichs jüngerer Bruder Heinrich III. (gestorben 1397) übernahm 1381 als Nachfolger Graf Johanns II. die Regierung. Über die Lebensjahre Friedrichs vor seiner Erhebung zum Erzbischof ist wenig bekannt. 1368 wurde er an der Universität Bologna immatrikuliert und studierte dort noch 1370 Kirchenrecht.
Bereits am 23.9.1368, knapp einen Monat nach dem Tod Erzbischof Engelberts III., hatte das Kölner Domkapitel den damals etwa 20 Jahre alten Friedrich als neuen Erzbischof postuliert, offenbar auf einen Vorschlag Kunos von Falkenstein hin. Eine Wahl kam nicht in Frage, weil der Papst sich die Besetzung des Kölner Erzstuhls wie auch vieler anderer Bistümer vorbehalten hatte und der Kandidat überdies wegen seines jugendlichen Alters noch nicht wählbar war. Seit Ende des Jahres 1366 hatte der Trierer Erzbischof Kuno, ein naher Verwandter der Saarwerdener, als Koadjutor des greisen Engelbert zusätzlich zu den Trierer Amtsgeschäften auch die des Kölner Erzbistums versehen. Auf die Dauer konnte er schwerlich zwei Diözesen verwalten. Allerdings waren die Verhältnisse an der römischen Kurie dem Vorhaben Kunos nicht günstig: Kaiser Karl IV. (Regierungszeit 1346-1378), der sich zu dieser Zeit in Rom aufhielt, machte seinen Einfluss auf den Papst gegen Friedrich geltend. In den Augen des Kaisers war Friedrichs starke Bindung an Kuno sehr nachteilig. Karl IV. hegte bereits damals den Wunsch, seinen Sohn Wenzel (1361-1419) zu seinen Lebzeiten zum Römischen König wählen zu lassen. Erst als sich die politische Konstellation änderte und der Papst sich nicht mehr so sehr an das Interesse des Kaisers gebunden fühlte, hatte eine erneute Postulation Friedrichs seitens der Kölner Domherren Aussicht auf Erfolg. Sie erfolgte im Sommer 1370. Der Kandidat begab sich nach Avignon, um an der Kurie seine Ernennung zu erreichen. Am 9.2.1371 erscheint er in den Quellen mit dem Titel Erzbischof, hatte also schon die Bischofsweihe empfangen. Dafür musste dieser sich verpflichten, der Kurie unter anderem die enorme Summe von 120.000 Gulden zu zahlen. Im Frühjahr 1371 kam er in sein Erzbistum, und am 20. Juni übernahm er die Regierungsgeschäfte von Erzbischof Kuno.
Auch in den folgenden Jahren spielte die geplante Königswahl Wenzels für Friedrich eine bedeutende Rolle. Nun ging Karl IV. dazu über, den Saarwerdener mit vielfältigen Vergünstigungen und Wahlversprechen zu umwerben. Friedrich wiederum verstand es, den Kaiser für die Hauptziele seiner ersten Regierungsjahre „einzuspannen": für die Reduzierung der Schuldenlast und für die Behauptung, womöglich auch den Ausbau der erzbischöflichen Rechtspositionen nach außen und innen.
So machte Friedrich sich frühzeitig daran, seine herrschaftlichen Ansprüche gegenüber der Stadt Neuss zur Geltung zu bringen. Mit diesem Konflikt hängt die Verlegung des Neusser Rheinzolls nach Zons (1372) zusammen. In der Entscheidung für die Zollstätte Zons und gegen Neuss waren freilich mit der Absicht, die widersetzliche Stadt zu strafen, auch praktische Erwägungen verquickt. Im Zuge des so genannten Schöffenkriegs (1375-1377) suchte Erzbischof Friedrich, die erzbischöfliche Stadtherrschaft auch in Köln wesentlich stärker zur Geltung zu bringen. Den Erzbischöfen waren nach der Schlacht bei Worringen (1288) neben den geistlichen immer noch etliche weltliche Rechte in der Stadt verblieben. Sie waren unter anderem die Herren des Hohen weltlichen Gerichts. Friedrich nahm Streitigkeiten zwischen dem Rat und den Schöffen dieses Gerichts zum Anlass, um in Köln zu intervenieren, und wurde darin von Kaiser Karl IV. unterstützt. Die Stadt wiederum fand Rückhalt beim Papst: Erzbischof Friedrich, der seine Schulden an der Kurie immer noch nicht beglichen hatte, wurde während des Krieges gegen seine Kathedralstadt von der päpstlichen Kurie gebannt. Im Februar 1377 beendete eine Sühne den „Schöffenkrieg". Sie schrieb im wesentlichen die Rückkehr zum status quo fest.
Greifbare Erfolge erzielte Erzbischof Friedrich während der ersten Jahre seiner Regierung nicht zuletzt bei der Entschuldung des Erzstifts. Dabei kam Friedrich der Beginn des Großen Abendländischen Schismas im Jahr 1378 als „Glücksfall" zugute: Papst Urban VI. (Pontifikat 1378-1389) musste sich um die Loyalität Friedrichs von Saarwerden bemühen und erließ ihm daher im Mai 1380 seine Schulden an der Kurie. Auch Erzbischof Kuno von Trier half seinem Verwandten im Rahmen gezielter Umschuldungsmaßnahmen. Diese ermöglichten die zügige Einlösung insbesondere der Stadt Rheinberg, die einschließlich des wichtigen Rheinzolles noch immer in klevisch-märkischer Hand war.
Die Beziehungen zwischen dem Erzstift Köln und Kleve-Mark waren spätestens seit dem Regierungsantritt Adolfs von der Mark in der Grafschaft Kleve (1368) höchst konfliktträchtig. Nach zwei vorangehenden Kriegen des Erzbischofs mit Kleve-Mark begann 1388 zwischen Friedrich und dem Grafen Adolf ein Krieg um die Herrschaft Linn. Im Friedensschluss von 1392 verzichtete Adolf erblich auf Linn. Damit war dem Erzbischof der letzte bedeutende Zugewinn zum rheinischen Erzstift bis zum Ende des Kurstaats gelungen. Allerdings musste Friedrich dafür kölnische Außenposten am Niederrhein und in Westfalen faktisch zugunsten von Kleve-Mark aufgeben und zudem die Mitherrschaft Kleves über die Stadt Xanten einräumen. Der von 1388 bis 1392 dauernde Krieg war die letzte große militärische Unternehmung Friedrichs von Saarwerden. Bei seinen Bemühungen gegen die Expansionsabsichten Kleves fand Erzbischof Friedrich Verbündete insbesondere in den Grafen von Moers: Graf Friedrich II. von Moers (Regierungszeit 1372-1417) heiratete (Ehevertrag 1376) eine Schwester des Erzbischofs, Walburga von Saarwerden (1418 als verstorben erwähnt). 1397, nach dem Tod seines Bruders Heinrich, sorgte Erzbischof Friedrich dann für die Erbfolge des Moerser Grafenhauses in der Grafschaft Saarwerden. Allerdings haben die Grafen von Moers sich in der Regierungszeit des Erzbischofs nicht völlig für seine Interessen vereinnahmen lassen. Zwischen Kurköln und Kleve nahmen sie alles in allem eine neutrale Haltung ein.
Die reichspolitischen Aktivitäten des Erzbischofs hatten während seiner ersten Regierungsjahre im Zeichen der Königserhebung Wenzels gestanden. Später, bei der Absetzung Wenzels und der Wahl Ruprechts von der Pfalz zum römisch-deutschen König (Regierungszeit 1400-1410) im August 1400, waren Kurpfalz und Kurmainz die treibenden Kräfte, jedoch unter Beteiligung Friedrichs von Saarwerden, der als Erzbischof von Köln nicht zuletzt für die Königskrönung zuständig war. Da Aachen dem Gegenkönig den Einzug verweigerte, verlegte dessen Partei die Krönung in den Kölner Dom (6.1.1401). Die Initiative hierzu ging übrigens von der Stadt Köln aus.
Das wichtigste Ereignis für die Kirchenpolitik Friedrichs war zweifellos der Ausbruch des Großen Abendländischen Schismas. Erzbischof Friedrich gehörte in der ersten Phase des Schismas zur römischen Obödienz, also zur Partei Urbans VI.: Am 27.2.1379 begründete er zusammen mit den anderen rheinischen Kurfürsten und König Wenzel in Frankfurt den „Urbansbund". Dieses Bündnis wurde in den folgenden Jahren mehrfach erneuert.
Friedrich vermied es indessen, sich allzu eng an Urban VI. und dessen römische Nachfolger zu binden, und um 1400 zog er sich auf eine neutrale Position zwischen Rom und Avignon zurück. 1409 war Friedrich durch eine Gesandtschaft auf dem Konzil von Pisa vertreten. Die Kölner Kirche schloss sich nun dem „Pisaner" Papst Alexander V. (Pontifikat 1409-1410) und seinem Nachfolger Johannes XXIII. (Pontifikat 1410-1415) an.
Für die geistlichen Belange des Erzbistums engagierte Erzbischof Friedrich sich schon früh. Im Oktober 1371, anlässlich seiner ersten Herbstsynode, traf er zahlreiche Anordnungen zur Lebensweise des Klerus. Allerdings scheint seine Aktivität in geistlichen Angelegenheiten angesichts der Fülle weltlicher Regierungsgeschäfte später nachgelassen zu haben. Gegen die Verpflichtung zum Zölibat hat Friedrich wohl sogar in gravierenderer Weise als andere Kölner Erzbischöfe des Spätmittelalters verstoßen: Während ihre sexuellen Beziehungen, soweit sie vorkamen, anscheinend in die Zeit vor ihrer Priesterweihe fielen, wurde Erzbischof Friedrich offenbar erst nach seiner Bischofserhebung Vater.
Erzbischof Friedrich starb am 9.4.1414 auf seiner Burg Poppelsdorf (heute Stadt Bonn). Sein Leichnam wurde zunächst im Bonner Münster aufgebahrt, dann rheinabwärts nach Köln gebracht und am 14. April im Dom beigesetzt. Sein Tumbengrabmal gilt als eines der bedeutendsten Werke des Weichen Stils in Köln und befindet sich an originaler Stelle im Chorumgang des Kölner Domes.
Schon seit einigen Jahren hatte Friedrich unter einer Steinkrankheit gelitten. 1413 hatte das Gerücht von seinem Tod einige Angehörige des Kölner Domkapitels zu einer Wahlzusage zugunsten des Paderborner Elekten Wilhelm (1382-1428) veranlasst, eines Bruders Herzog Adolfs von Berg (Regierungszeit als Herzog von Berg 1408-1437, ab 1423 auch Herzog von Jülich). Friedrich wurde daraufhin für seinen Wunschnachfolger tätig, seinen Neffen Dietrich von Moers: Ihm übergab er zumindest einen Teil der erzstiftischen Besitzungen, bestellte ihn kurz vor seinem Tod zum Verweser des Erzstifts und sicherte ihm den Zugriff auf seine Schätze. Als es dann zu Doppelwahl und Bistumsfehde kam, behauptete Dietrich sich gegen den bergischen Gegenkandidaten.
Quelle
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Online
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Engel, Frank, Friedrich III. von Saarwerden, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-iii.-von-saarwerden/DE-2086/lido/57c6bfbe43f622.25866528 (abgerufen am 11.11.2024)