Heinz Körvers

Handball Olympiasieger 1936

Thomas Ohl (Wesel)

Die Mannschaft des SV Lintfort wurde 1940 Deutscher Meister im Feldhandball. 2. von links Torwart Heinz Körvers. (Privatbesitz)

Heinz Kör­vers aus Lint­fort (heu­te Stadt Kamp-Lint­fort) war ein er­folg­rei­cher Hand­ball­spie­ler und wur­de mehr­mals Deut­scher Meis­ter so­wie 1936 Olym­pia­sie­ger.

Ge­bo­ren wur­de Hein­rich Theo­dor Kör­vers am 3.7.1915 auf der Bön­ninghardt (heu­te Ge­mein­de Al­pen) als Sohn des För­der­ma­schi­nis­ten Al­bert Au­gust Kör­vers und sei­ner Frau Jo­han­na Ma­ria. Die Fa­mi­lie ist kurz dar­auf in die Ge­mein­de Camp, ei­nem Orts­teil der heu­ti­gen Stadt Kamp-Lint­fort um­ge­zo­gen. Am neu­en Wohn­ort kam der jun­ge Heinz schon früh mit dem Hand­ball in Be­rüh­rung. Der Hand­ball­sport, der da­mals fast aus­schlie­ß­lich als Feld­hand­ball aus­ge­übt wur­de, hat­te in den 1920er Jah­ren am Nie­der­rhein schnell ei­ne gro­ße An­hän­ger­schaft ge­won­nen. Seit 1934 wur­de in Spiel­klas­sen auf Kreis-, Be­zirks- und Gau­ebe­ne ge­spielt. Die höchs­te Li­ga war die Gau­li­ga, die je­wei­li­gen Gau­meis­ter spiel­ten dann um die re­gio­na­len Ti­tel und an­schlie­ßend um die Deut­sche Meis­ter­schaft. Ei­ne we­sent­li­che Be­son­der­heit des Hand­balls in die­ser Zeit war, dass vie­le Po­li­zei- und Mi­li­tär­sport­ver­ei­ne in den ver­schie­de­nen Li­gen mit­spiel­ten und oft zu den Ti­tel­aspi­ran­ten ge­hör­ten. 1934 wech­sel­te der 19-jäh­ri­ge Heinz Kör­vers von Lint­fort zum Mi­li­tär­sport­ver­ein Hin­den­burg nach Min­den. Dort wur­de er in das Pio­nier-Ba­tail­lon Nr. 6 ein­ge­zo­gen. So­wohl wirt­schaft­lich als auch sport­lich war die­ser Schritt nach­voll­zieh­bar, denn Kör­vers war auf dem Berg­werk Fried­rich Hein­rich in Lint­fort be­schäf­tigt, das in den Jah­ren 1930-1933 fast ein Drit­tel sei­ner Be­leg­schaft ab­bau­en muss­te und der erst 1932 ge­grün­de­te MSV Hin­den­burg war be­reits 1933 West­fa­len­meis­ter ge­wor­den. 1934 und 1935 konn­te man die­sen Ti­tel ver­tei­di­gen und muss­te erst im Halb­fi­na­le der Deut­schen Meis­ter­schaft ge­gen PSV Mag­de­burg die Se­gel strei­chen.

Für Kör­vers aber war die Er­folgs­ge­schich­te des Jah­res 1935 noch nicht be­en­det, denn im Ok­to­ber gab er sein De­büt im Na­tio­nal­tri­kot ge­gen die Schweiz. Das Spiel wur­de 17:9 ge­won­nen und war der er­folg­rei­che Auf­takt sei­ner Län­der­spiel­kar­rie­re. 1936 lie­ßen sich die Min­de­ner end­gül­tig nicht mehr auf ih­rem Weg zum Ti­tel auf­hal­ten und ge­wan­nen in Dort­mund ge­gen MT­SA Leip­zig ih­re ers­te Meis­ter­schaft.
Mit sei­nem Min­de­ner Mann­schafts­kol­le­gen Ar­thur Knautz ge­hör­te der 20-jäh­ri­ge Kör­vers zur Deut­schen Na­tio­nal­mann­schaft, die in Ber­lin an dem erst­mals bei Olym­pi­schen Spie­len aus­ge­tra­ge­nen Hand­ball-Tur­nier teil­nahm. Je­weils un­ge­schla­gen in Vor- und Zwi­schen­run­de stan­den sich am 14. Au­gust die bei­den Mann­schaf­ten von Ös­ter­reich und Deutsch­land im End­spiel ge­gen­über. Vor 100.000 Zu­schau­ern (der wahr­schein­lich nach wie vor grö­ß­ten Zu­schau­er­ku­lis­se, die je ein Hand­ball­spiel ge­se­hen hat) kämpf­ten sie bei mi­se­ra­blen äu­ße­ren Be­din­gun­gen um die Gold­me­dail­le. 14 Grad Cel­si­us, Dau­er­re­gen und ein auf­ge­weich­ter Bo­den mach­ten es den Ak­teu­ren und ins­be­son­de­re den Tor­hü­tern schwer. Ins deut­sche Tor war nach sei­nem bis­her ein­zi­gen Ein­satz ge­gen die USA Heinz Kör­vers zu­rück­ge­kehrt und durf­te ge­gen die star­ken Ös­ter­rei­cher sein Kön­nen un­ter Be­weis stel­len. Deutsch­land konn­te sich mit 10:6 ge­gen Ös­ter­reich durch­set­zen und der 21-jäh­ri­ge Kör­vers stand als ei­ner der jüngs­ten Olym­pia­sie­ger plötz­lich im Ram­pen­licht.

Die Zeit da­nach ver­lief für Kör­vers we­nig zu­frie­den­stel­lend. Er plag­te sich mit Ver­let­zun­gen her­um und auch in der Na­tio­nal­elf ist für den 21-jäh­ri­gen kein Ein­satz ver­zeich­net, so dass sei­ne bis­her so ra­sant ver­lau­fe­ne Kar­rie­re ei­nen merk­li­chen Knick be­kam. Der Wech­sel an den Nie­der­rhein zu sei­nem Hei­mat­ver­ein Lint­for­ter Spiel­ver­ein im Jah­re 1937 scheint Kör­vers aber gut ge­tan zu ha­ben, denn in der fol­gen­den Sai­son fand er in die sport­li­che Er­folgs­spur zu­rück. Mit dem Lint­for­ter SV hat­te er nach Ab­schluss der Meis­ter­schafts­run­de die Gau­meis­ter­schaft er­run­gen und wur­de in die Nie­der­rhein-Aus­wahl­mann­schaft be­ru­fen. Kör­vers ar­bei­te­te wie­der auf dem Berg­werk Fried­rich Hein­rich bei der Ze­chen­feu­er­wehr und er hei­ra­te­te am 4.9.1938 die Kin­der­gärt­ne­rin Ka­rin Lui­se Diek­mann. Aus der Ehe ging die Toch­ter, Chris­tel (1939–2008), her­vor.

Im Halb­fi­na­le des Jah­res 1939 traf Kör­vers wie­der auf sei­nen al­ten Ver­ein. Die für den 25.6.1939 in Ah­len an­ge­setz­te Par­tie fand aber nicht statt, denn „die Min­de­ner Sol­da­ten kön­nen aus dienst­li­chen Grün­den nicht an­tre­ten“. Zwei Mo­na­te vor Aus­bruch des Zwei­ten Welt­kriegs er­hiel­ten für die Min­de­ner Pio­nie­re wohl an­de­re Auf­ga­ben ei­ne hö­he­re Be­deu­tung als der Ge­winn ei­nes sport­li­chen Ti­tels, selbst in ei­ner Dik­ta­tur, die dem Leis­tungs­sport ei­nen ganz ho­hen Stel­len­wert ein­räum­te. So er­reich­te Lint­fort kampf­los den bis da­to grö­ß­ten Tri­umph der Ver­eins­ge­schich­te, näm­lich den Ein­zug ins Fi­na­le der Deut­schen Meis­ter­schaft, das am 2.7.1939 im Duis­bur­ger Sta­di­on aus­ge­tra­gen wer­den soll­te. Der Lint­for­ter Spiel­ver­ein traf im End­spiel auf den MT­SA Leip­zig, der sich aber knapp mit 6:4 durch­set­zen konn­te.

Durch den Aus­bruch des Zwei­ten Welt­kriegs ver­schlech­ter­ten sich die Be­din­gun­gen in der nächs­ten Spiel­zeit. Vie­le Ver­ei­ne muss­ten ih­re Spie­ler jetzt zum „Dienst fürs Va­ter­lan­d“ ab­stel­len. Da­bei ging es dem SV Lint­fort zu­nächst noch ver­hält­nis­mä­ßig gut, denn als zi­vi­ler Sport­ver­ein war er hier in ei­ner güns­ti­ge­ren Si­tua­ti­on als die vie­len Mi­li­tär- und Po­li­zei-Sport­ver­ei­ne, de­ren Spie­ler oh­ne Rück­sicht auf die sport­li­chen Be­lan­ge ih­ren Dienst leis­ten muss­ten. Der SV Lint­fort wur­de so im Früh­jahr 1940 über­le­ge­ner Nie­der­rhein-Meis­ter und qua­li­fi­zier­te sich für die Deut­sche Meis­ter­schaft. Im End­spiel konn­ten sich die Lint­for­ter mit 9:6 ge­gen den PSV Mag­de­burg durch­set­zen und ge­wan­nen in ih­rer zwei­ten End­spiel­teil­nah­me ih­ren ers­ten Meis­ter­ti­tel.

Sein zwei­ter Er­folg mit ei­ner Ver­eins­mann­schaft brach­te Kör­vers auch neue Per­spek­ti­ven für sei­ne Län­der­spiel­kar­rie­re. Ins­be­son­de­re im Jahr 1940 muss Kör­vers nach den ein­zel­nen Spiel­be­rich­ten in her­vor­ra­gen­der Form ge­we­sen sein. Al­ler­dings er­hielt er noch kei­ne Ge­le­gen­heit,  die­se im Na­tio­nal­tri­kot un­ter Be­weis zu stel­len, denn die An­zahl der Län­der­spie­le wur­de dras­tisch ein­ge­schränkt. Im­mer­hin kam er 1941 noch zu zwei wei­te­ren Ein­sät­zen im Na­tio­nal­team. Bei­de Par­ti­en wur­den ge­won­nen, so dass sei­ne Län­der­spiel­bi­lanz ma­kel­lo­se fünf Sie­ge bei fünf Ein­sät­zen auf­weist.

En­de 1941 wur­de Heinz Kör­vers mit dem Dienst­grad Un­ter­of­fi­zier ein­ge­zo­gen. Be­reits zwei Wo­chen nach Dienst­be­ginn wur­de er am 21.12.1941 in Marsch ge­setzt und mit sei­nem Ba­tail­lon auf den rus­si­schen Kriegs­schau­platz ver­legt. Ab Mai 1942 fin­den wir ihn wie­der bei ei­ner Ge­ne­sen­den-Kom­pa­nie in Er­furt. Erst fünf Mo­na­te spä­ter wur­de er am 13.10.1942 wie­der in die 11. Kom­pa­nie des Gre­na­dier-Re­gi­ments 71 ver­setzt. Die­se Ein­heit war der 29. In­fan­te­rie-Di­vi­si­on (mot.) un­ter­stellt, die seit Ju­ni 1941 in Russ­land und seit Au­gust 1942 vor Sta­lin­grad kämpf­te. Sie ge­hör­te dort zur 6. Ar­mee des Ge­ne­rals Pau­lus und wur­de im Ja­nu­ar 1943 fast voll­stän­dig auf­ge­rie­ben. Dies aber er­leb­te Kör­vers nicht mehr mit, denn seit dem 29.12.1942 gilt er als ver­misst. Auf­grund der un­ge­klär­ten To­des­um­stän­de wur­de Kör­vers am 31.3.1954 vom Amts­ge­richt Rhein­berg für tot er­klärt, als To­des­zeit­punkt wur­de der 31.12.1945, 24.00 Uhr an­ge­ge­ben.

Heinz Kör­vers teil­te das Schick­sal ei­ner Ge­ne­ra­ti­on, der durch Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und Welt­krieg zu­min­dest ein Teil ih­rer Ju­gend, in die­sem Fal­le so­gar das Le­ben ge­nom­men wur­de. Auch sei­ne sport­li­chen Er­fol­ge und sei­ne da­mit ver­bun­de­ne Be­rühmt­heit konn­ten ihn vor die­sem trau­ri­gen En­de nicht be­wah­ren.

Literatur

Eg­gers, Erik (Hg.), Hand­ball. Ei­ne deut­sche Do­mä­ne, Göt­tin­gen 2007.
Meynert, Joa­chim (Hg.), Und auch der Hand­ball ist rund…, Bie­le­feld 1995.

 
Zitationshinweis

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Ohl, Thomas, Heinz Körvers, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinz-koervers-/DE-2086/lido/57c937b43c03d8.51507121 (abgerufen am 13.12.2024)