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Heinz Körvers aus Lintfort (heute Stadt Kamp-Lintfort) war ein erfolgreicher Handballspieler und wurde mehrmals Deutscher Meister sowie 1936 Olympiasieger.
Geboren wurde Heinrich Theodor Körvers am 3.7.1915 auf der Bönninghardt (heute Gemeinde Alpen) als Sohn des Fördermaschinisten Albert August Körvers und seiner Frau Johanna Maria. Die Familie ist kurz darauf in die Gemeinde Camp, einem Ortsteil der heutigen Stadt Kamp-Lintfort umgezogen. Am neuen Wohnort kam der junge Heinz schon früh mit dem Handball in Berührung. Der Handballsport, der damals fast ausschließlich als Feldhandball ausgeübt wurde, hatte in den 1920er Jahren am Niederrhein schnell eine große Anhängerschaft gewonnen. Seit 1934 wurde in Spielklassen auf Kreis-, Bezirks- und Gauebene gespielt. Die höchste Liga war die Gauliga, die jeweiligen Gaumeister spielten dann um die regionalen Titel und anschließend um die Deutsche Meisterschaft. Eine wesentliche Besonderheit des Handballs in dieser Zeit war, dass viele Polizei- und Militärsportvereine in den verschiedenen Ligen mitspielten und oft zu den Titelaspiranten gehörten. 1934 wechselte der 19-jährige Heinz Körvers von Lintfort zum Militärsportverein Hindenburg nach Minden. Dort wurde er in das Pionier-Bataillon Nr. 6 eingezogen. Sowohl wirtschaftlich als auch sportlich war dieser Schritt nachvollziehbar, denn Körvers war auf dem Bergwerk Friedrich Heinrich in Lintfort beschäftigt, das in den Jahren 1930-1933 fast ein Drittel seiner Belegschaft abbauen musste und der erst 1932 gegründete MSV Hindenburg war bereits 1933 Westfalenmeister geworden. 1934 und 1935 konnte man diesen Titel verteidigen und musste erst im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft gegen PSV Magdeburg die Segel streichen.
Für Körvers aber war die Erfolgsgeschichte des Jahres 1935 noch nicht beendet, denn im Oktober gab er sein Debüt im Nationaltrikot gegen die Schweiz. Das Spiel wurde 17:9 gewonnen und war der erfolgreiche Auftakt seiner Länderspielkarriere. 1936 ließen sich die Mindener endgültig nicht mehr auf ihrem Weg zum Titel aufhalten und gewannen in Dortmund gegen MTSA Leipzig ihre erste Meisterschaft.
Mit seinem Mindener Mannschaftskollegen Arthur Knautz gehörte der 20-jährige Körvers zur Deutschen Nationalmannschaft, die in Berlin an dem erstmals bei Olympischen Spielen ausgetragenen Handball-Turnier teilnahm. Jeweils ungeschlagen in Vor- und Zwischenrunde standen sich am 14. August die beiden Mannschaften von Österreich und Deutschland im Endspiel gegenüber. Vor 100.000 Zuschauern (der wahrscheinlich nach wie vor größten Zuschauerkulisse, die je ein Handballspiel gesehen hat) kämpften sie bei miserablen äußeren Bedingungen um die Goldmedaille. 14 Grad Celsius, Dauerregen und ein aufgeweichter Boden machten es den Akteuren und insbesondere den Torhütern schwer. Ins deutsche Tor war nach seinem bisher einzigen Einsatz gegen die USA Heinz Körvers zurückgekehrt und durfte gegen die starken Österreicher sein Können unter Beweis stellen. Deutschland konnte sich mit 10:6 gegen Österreich durchsetzen und der 21-jährige Körvers stand als einer der jüngsten Olympiasieger plötzlich im Rampenlicht.
Die Zeit danach verlief für Körvers wenig zufriedenstellend. Er plagte sich mit Verletzungen herum und auch in der Nationalelf ist für den 21-jährigen kein Einsatz verzeichnet, so dass seine bisher so rasant verlaufene Karriere einen merklichen Knick bekam. Der Wechsel an den Niederrhein zu seinem Heimatverein Lintforter Spielverein im Jahre 1937 scheint Körvers aber gut getan zu haben, denn in der folgenden Saison fand er in die sportliche Erfolgsspur zurück. Mit dem Lintforter SV hatte er nach Abschluss der Meisterschaftsrunde die Gaumeisterschaft errungen und wurde in die Niederrhein-Auswahlmannschaft berufen. Körvers arbeitete wieder auf dem Bergwerk Friedrich Heinrich bei der Zechenfeuerwehr und er heiratete am 4.9.1938 die Kindergärtnerin Karin Luise Diekmann. Aus der Ehe ging die Tochter, Christel (1939–2008), hervor.
Im Halbfinale des Jahres 1939 traf Körvers wieder auf seinen alten Verein. Die für den 25.6.1939 in Ahlen angesetzte Partie fand aber nicht statt, denn „die Mindener Soldaten können aus dienstlichen Gründen nicht antreten“. Zwei Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erhielten für die Mindener Pioniere wohl andere Aufgaben eine höhere Bedeutung als der Gewinn eines sportlichen Titels, selbst in einer Diktatur, die dem Leistungssport einen ganz hohen Stellenwert einräumte. So erreichte Lintfort kampflos den bis dato größten Triumph der Vereinsgeschichte, nämlich den Einzug ins Finale der Deutschen Meisterschaft, das am 2.7.1939 im Duisburger Stadion ausgetragen werden sollte. Der Lintforter Spielverein traf im Endspiel auf den MTSA Leipzig, der sich aber knapp mit 6:4 durchsetzen konnte.
Durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verschlechterten sich die Bedingungen in der nächsten Spielzeit. Viele Vereine mussten ihre Spieler jetzt zum „Dienst fürs Vaterland“ abstellen. Dabei ging es dem SV Lintfort zunächst noch verhältnismäßig gut, denn als ziviler Sportverein war er hier in einer günstigeren Situation als die vielen Militär- und Polizei-Sportvereine, deren Spieler ohne Rücksicht auf die sportlichen Belange ihren Dienst leisten mussten. Der SV Lintfort wurde so im Frühjahr 1940 überlegener Niederrhein-Meister und qualifizierte sich für die Deutsche Meisterschaft. Im Endspiel konnten sich die Lintforter mit 9:6 gegen den PSV Magdeburg durchsetzen und gewannen in ihrer zweiten Endspielteilnahme ihren ersten Meistertitel.
Sein zweiter Erfolg mit einer Vereinsmannschaft brachte Körvers auch neue Perspektiven für seine Länderspielkarriere. Insbesondere im Jahr 1940 muss Körvers nach den einzelnen Spielberichten in hervorragender Form gewesen sein. Allerdings erhielt er noch keine Gelegenheit, diese im Nationaltrikot unter Beweis zu stellen, denn die Anzahl der Länderspiele wurde drastisch eingeschränkt. Immerhin kam er 1941 noch zu zwei weiteren Einsätzen im Nationalteam. Beide Partien wurden gewonnen, so dass seine Länderspielbilanz makellose fünf Siege bei fünf Einsätzen aufweist.
Ende 1941 wurde Heinz Körvers mit dem Dienstgrad Unteroffizier eingezogen. Bereits zwei Wochen nach Dienstbeginn wurde er am 21.12.1941 in Marsch gesetzt und mit seinem Bataillon auf den russischen Kriegsschauplatz verlegt. Ab Mai 1942 finden wir ihn wieder bei einer Genesenden-Kompanie in Erfurt. Erst fünf Monate später wurde er am 13.10.1942 wieder in die 11. Kompanie des Grenadier-Regiments 71 versetzt. Diese Einheit war der 29. Infanterie-Division (mot.) unterstellt, die seit Juni 1941 in Russland und seit August 1942 vor Stalingrad kämpfte. Sie gehörte dort zur 6. Armee des Generals Paulus und wurde im Januar 1943 fast vollständig aufgerieben. Dies aber erlebte Körvers nicht mehr mit, denn seit dem 29.12.1942 gilt er als vermisst. Aufgrund der ungeklärten Todesumstände wurde Körvers am 31.3.1954 vom Amtsgericht Rheinberg für tot erklärt, als Todeszeitpunkt wurde der 31.12.1945, 24.00 Uhr angegeben.
Heinz Körvers teilte das Schicksal einer Generation, der durch Nationalsozialismus und Weltkrieg zumindest ein Teil ihrer Jugend, in diesem Falle sogar das Leben genommen wurde. Auch seine sportlichen Erfolge und seine damit verbundene Berühmtheit konnten ihn vor diesem traurigen Ende nicht bewahren.
Literatur
Eggers, Erik (Hg.), Handball. Eine deutsche Domäne, Göttingen 2007.
Meynert, Joachim (Hg.), Und auch der Handball ist rund…, Bielefeld 1995.
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Ohl, Thomas, Heinz Körvers, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinz-koervers-/DE-2086/lido/57c937b43c03d8.51507121 (abgerufen am 13.12.2024)