Josef Terboven

Gauleiter der NSDAP, Oberpräsident der Rheinprovinz, Reichskommissar für Norwegen (1898-1945)

Klaus Wisotzky (Essen)

Josef Terboven, Porträtfoto. (Stadtarchiv Essen)

Jo­sef Ter­bo­ven war ein füh­ren­der Na­tio­nal­so­zia­list im Ruhr­ge­biet, der im „Drit­ten Reich" zum Ober­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz und im Zwei­ten Welt­krieg zum Reichs­kom­mis­sar in Nor­we­gen er­nannt wur­de.

„Frü­her war ich ein klei­ner Bank­be­am­ter – und jetzt, das ist doch was." Mit die­sen Wor­ten be­schrieb der Na­tio­nal­so­zia­list Jo­sef Ter­bo­ven sei­nen Auf­stieg vom An­ge­stell­ten zum Reichs­kom­mis­sar von Nor­we­gen.

Jo­sef Ter­bo­ven, am 23.5.1898 als Sohn ei­nes Gast­wir­tes in (Es­sen-)Frohn­hau­sen ge­bo­ren, be­such­te die Ober­re­al­schu­le und mel­de­te sich im Mai 1915 nach Ab­schluss der Un­ter­pri­ma als Kriegs­frei­wil­li­ger. Den Kriegs­dienst, zu­nächst bei der Ar­til­le­rie, dann bei der Luft­waf­fe, be­en­de­te er, mehr­fach aus­ge­zeich­net, als Leut­nant der Re­ser­ve. Wie vie­le an­de­re sei­ner Ge­ne­ra­ti­on schei­ter­te Ter­bo­ven in der Wei­ma­rer Re­pu­blik beim Auf­bau ei­ner bür­ger­li­chen Exis­tenz. Das Stu­di­um der Rechts- und Staats­wis­sen­schaf­ten an den Uni­ver­si­tä­ten Mün­chen und Frei­burg (1919-21) brach er oh­ne Ab­schluss ab. Ei­ne Bank­leh­re in Es­sen (1923-25) ab­sol­vier­te er zwar mit Er­folg, doch we­gen Per­so­nal­ein­spa­run­gen wur­de er 1925 ent­las­sen.

Ter­bo­ven kon­zen­trier­te sich fort­an auf sein po­li­ti­sches En­ga­ge­ment. Er war be­reits 1923 der NS­DAP bei­ge­tre­ten und ge­hör­te 1925 zu den Grün­dern der Es­se­ner Orts­grup­pe. Zu­gleich über­nahm er die Füh­rung der lo­ka­len SA. 1927 stieg er zum Lei­ter des Be­zirks Es­sen auf, der bei der Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der NS­DAP im Ruhr­ge­biet 1928 selbst­stän­dig und 1930 zu­m Gau Es­sen er­ho­ben wur­de. Als Gau­lei­ter und Mit­glied des Reichs­ta­ges (seit 1930) ge­hör­te Ter­bo­ven zu den füh­ren­den Köp­fen der Par­tei im Wes­ten des Rei­ches.

Ter­bo­ven, ein über­zeug­ter An­ti­se­mit, war kein In­tel­lek­tu­el­ler – von ihm lie­gen kei­ne Pro­gramm­schrif­ten vor –, und er war auch kein be­geis­tern­der Red­ner. Wenn er sich ge­gen sei­ne in­ner­par­tei­li­chen Kon­kur­ren­ten durch­setz­te, so war dies sei­ner Rück­sichts­lo­sig­keit und sei­nen gu­ten Be­zie­hun­gen zu Adolf Hit­ler (1889-1945), Her­mann Gö­ring (1893-1946) und Jo­seph Go­eb­bels ge­schul­det. Hin­zu kam ein rast­lo­ser Ak­ti­vis­mus. Er grün­de­te die Wo­chen­zei­tung „Neue Front" (seit 1928), die in pri­mi­ti­ver Form ge­gen den Staat von Wei­mar und ge­gen das Ju­den­tum hetz­te. An ih­re Stel­le trat 1930 die täg­lich er­schei­nen­de Na­tio­nal-Zei­tung, de­ren Auf­ma­chung zwar se­riö­ser war, die aber den­noch vor al­lem der Agi­ta­ti­on dien­te. Als SA-Füh­rer scheu­te Ter­bo­ven kei­ne Aus­ein­an­der­set­zung. Er ging kei­ner Saal­schlacht aus dem We­ge und mal­te noch 1930 ei­gen­hän­dig Ha­ken­kreu­ze an Häu­ser­wän­de.

Der Re­gie­rungs­an­tritt Hit­lers am 30.1.1933 war für den Gau­lei­ter der „Be­ginn der Ab­rech­nung mit dem in­ne­ren Feind". Ent­spre­chend bru­tal gin­gen die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten im Gau Es­sen ge­gen die Ju­den und die An­hän­ger der Ar­bei­ter­par­tei­en vor. Eben­so ri­go­ros er­folg­te die „Gleich­schal­tung" der Ver­wal­tun­gen, der Ver­bän­de und Ver­ei­ne. So ge­hör­ten von den 32 Ober­bür­ger­meis­tern und Bür­ger­meis­tern 31 der NS­DAP an. Bei al­len Ak­tio­nen hielt Ter­bo­ven die Fä­den in der Hand. Er traf al­le re­le­van­ten Ent­schei­dun­gen. Äu­ße­res Zei­chen sei­ner Macht war der Be­zug der re­prä­sen­ta­ti­ven Ober­bür­ger­meis­ter-Vil­la in Es­sen-Bre­de­ney. Die ex­po­nier­te Stel­lung Ter­bo­vens im Par­tei­ge­fü­ge zeig­te sich auch bei sei­ner kirch­li­chen Trau­ung in der Es­se­ner Müns­ter­kir­che, bei der Hit­ler und Gö­ring als Trau­zeu­gen fun­gier­ten. Da die Hoch­zeit im un­mit­tel­ba­ren Zu­sam­men­hang mit dem so ge­nann­ten Röhm-Putsch stand, ge­wann sie über­re­gio­na­le Be­deu­tung.

Am 5.2.1935 wur­de Ter­bo­ven zum Ober­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz er­nannt. Er ge­hör­te da­mit zu den Spit­zen­funk­tio­nä­ren des „Drit­ten Rei­ches", die so­wohl ein ho­hes Par­tei­amt be­klei­de­ten als auch ei­ne wich­ti­ge Be­am­ten­stel­lung ein­nah­men. Da Ter­bo­ven in vie­len Fäl­len die In­ter­es­sen der Staats­ver­wal­tung ver­trat und bei Per­so­nal­ent­schei­dun­gen auf die fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on der Kan­di­da­ten ach­te­te, blie­ben Kon­flik­te mit den an­de­ren Gau­lei­tern des Rhein­lan­des – vor al­lem bei Stel­len­be­set­zun­gen in den Städ­ten und Ge­mein­den – nicht aus. Der Macht­be­reich Ter­bo­vens ver­grö­ßer­te sich noch­mals nach Aus­bruch des Krie­ges, als er zum Reichs­ver­tei­di­gungs­kom­mis­sar für den Wehr­kreis VI be­ru­fen wur­de, zu dem auch die west­fä­li­schen Gaue ge­hör­ten.

Da sich Ter­bo­ven in sei­nen Äm­tern be­währt und stets die In­ter­es­sen des NS-Staa­tes rück­sichts­los ver­folgt hat­te, da er Hit­ler ab­so­lut er­ge­ben war und auch das Ver­trau­en Gö­rings ge­noss, wur­de er am 24.4.1940 zum Reichs­kom­mis­sar für die be­setz­ten nor­we­gi­schen Ge­bie­te er­nannt. Ter­bo­ven ver­stand es, al­le Per­so­nen, die sei­ne Stel­lung hät­ten schwä­chen kön­nen, aus dem Lan­de fern­zu­hal­ten. Er stieg so­mit bald zum „un­be­schränk­ten Herrn von Nor­we­gen" auf – so die Be­ob­ach­tung von Go­eb­bels –, der sei­nen Wil­len auch ge­gen­über Vid­kun Quis­ling (1887-1945), dem Par­tei­füh­rer der „Nas­jo­nal Sam­ling" und Mi­nis­ter­prä­si­den­ten, durch­set­zen konn­te. Ge­gen­über der Be­völ­ke­rung si­cher­te der Reichs­kom­mis­sar sei­ne Macht mit Hil­fe der Po­li­zei und der SS-Or­ga­ne, die jeg­li­chen Wi­der­stand un­ter­drück­ten.

Am 7.5.1945 wur­de der Reichs­kom­mis­sar vom neu­en Staats­ober­haupt des Deut­schen Rei­ches, Gro­ßad­mi­ral Karl Dö­nitz (1891-1980), sei­nes Pos­ten ent­ho­ben, da er nicht ka­pi­tu­lie­ren, son­dern den Kampf „bis zum letz­ten Mann und zur letz­ten Pa­tro­ne" füh­ren woll­te. Am Abend des 8. Mai ver­üb­te Ter­bo­ven Selbst­mord, in­dem er sich im Bun­ker sei­ner Re­si­denz in die Luft spreng­te.

Literatur

Bohn, Ro­bert, Reichs­kom­mis­sa­ri­at Nor­we­gen. „Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Neu­ord­nung" und Kriegs­wirt­schaft, Mün­chen 2000.
Loock, Hans-Diet­rich, Quis­ling, Ro­sen­berg und Ter­bo­ven. Zur Vor­ge­schich­te und Ge­schich­te der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Re­vo­lu­ti­on in Nor­we­gen, Stutt­gart 1970.
Nøkle­by, Be­rit, Jo­sef Ter­bo­ven. Hit­lers mann in Nor­ge, Os­lo 1992.
Ro­meyk, Horst, Die lei­ten­den staat­li­chen und kom­mu­na­len Ver­wal­tungs­be­am­ten der Rhein­pro­vinz 1816-1945, Düs­sel­dorf 1994, S. 780.
Wisotz­ky, Klaus, Jo­sef Ter­bo­ven (1898-1945). Die Kar­rie­re ei­nes Na­tio­nal­so­zia­lis­ten, in: Das Heu­te hat Ge­schich­te. For­schun­gen zur Ge­schich­te Düs­sel­dorfs, des Rhein­lands und dar­über hin­aus. Fest­schrift für Cle­mens von Looz-Cors­wa­rem zum 65. Ge­burts­tag, hg.v. Be­ne­dikt Mau­er, Es­sen 2012, S. 251-278.

Online

Blank, Ralf, Jo­sef Ter­bo­ven (1898-1945) (Web­site „His­to­ri­sches Cen­trum Ha­gen"). [On­line]
Jo­sef Ter­bo­ven in der Da­ten­bank der deut­schen Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten (In­for­ma­tio­spor­tal der Baye­ri­schen Staats­bi­blio­thek). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Wisotzky, Klaus, Josef Terboven, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/josef-terboven/DE-2086/lido/57c93a8da4b585.51259572 (abgerufen am 01.12.2024)