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Josef Terboven war ein führender Nationalsozialist im Ruhrgebiet, der im „Dritten Reich" zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz und im Zweiten Weltkrieg zum Reichskommissar in Norwegen ernannt wurde.
„Früher war ich ein kleiner Bankbeamter – und jetzt, das ist doch was." Mit diesen Worten beschrieb der Nationalsozialist Josef Terboven seinen Aufstieg vom Angestellten zum Reichskommissar von Norwegen.
Josef Terboven, am 23.5.1898 als Sohn eines Gastwirtes in (Essen-)Frohnhausen geboren, besuchte die Oberrealschule und meldete sich im Mai 1915 nach Abschluss der Unterprima als Kriegsfreiwilliger. Den Kriegsdienst, zunächst bei der Artillerie, dann bei der Luftwaffe, beendete er, mehrfach ausgezeichnet, als Leutnant der Reserve. Wie viele andere seiner Generation scheiterte Terboven in der Weimarer Republik beim Aufbau einer bürgerlichen Existenz. Das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten München und Freiburg (1919-21) brach er ohne Abschluss ab. Eine Banklehre in Essen (1923-25) absolvierte er zwar mit Erfolg, doch wegen Personaleinsparungen wurde er 1925 entlassen.
Terboven konzentrierte sich fortan auf sein politisches Engagement. Er war bereits 1923 der NSDAP beigetreten und gehörte 1925 zu den Gründern der Essener Ortsgruppe. Zugleich übernahm er die Führung der lokalen SA. 1927 stieg er zum Leiter des Bezirks Essen auf, der bei der Neuorganisation der NSDAP im Ruhrgebiet 1928 selbstständig und 1930 zum Gau Essen erhoben wurde. Als Gauleiter und Mitglied des Reichstages (seit 1930) gehörte Terboven zu den führenden Köpfen der Partei im Westen des Reiches.
Terboven, ein überzeugter Antisemit, war kein Intellektueller – von ihm liegen keine Programmschriften vor –, und er war auch kein begeisternder Redner. Wenn er sich gegen seine innerparteilichen Konkurrenten durchsetzte, so war dies seiner Rücksichtslosigkeit und seinen guten Beziehungen zu Adolf Hitler (1889-1945), Hermann Göring (1893-1946) und Joseph Goebbels geschuldet. Hinzu kam ein rastloser Aktivismus. Er gründete die Wochenzeitung „Neue Front" (seit 1928), die in primitiver Form gegen den Staat von Weimar und gegen das Judentum hetzte. An ihre Stelle trat 1930 die täglich erscheinende National-Zeitung, deren Aufmachung zwar seriöser war, die aber dennoch vor allem der Agitation diente. Als SA-Führer scheute Terboven keine Auseinandersetzung. Er ging keiner Saalschlacht aus dem Wege und malte noch 1930 eigenhändig Hakenkreuze an Häuserwände.
Der Regierungsantritt Hitlers am 30.1.1933 war für den Gauleiter der „Beginn der Abrechnung mit dem inneren Feind". Entsprechend brutal gingen die Nationalsozialisten im Gau Essen gegen die Juden und die Anhänger der Arbeiterparteien vor. Ebenso rigoros erfolgte die „Gleichschaltung" der Verwaltungen, der Verbände und Vereine. So gehörten von den 32 Oberbürgermeistern und Bürgermeistern 31 der NSDAP an. Bei allen Aktionen hielt Terboven die Fäden in der Hand. Er traf alle relevanten Entscheidungen. Äußeres Zeichen seiner Macht war der Bezug der repräsentativen Oberbürgermeister-Villa in Essen-Bredeney. Die exponierte Stellung Terbovens im Parteigefüge zeigte sich auch bei seiner kirchlichen Trauung in der Essener Münsterkirche, bei der Hitler und Göring als Trauzeugen fungierten. Da die Hochzeit im unmittelbaren Zusammenhang mit dem so genannten Röhm-Putsch stand, gewann sie überregionale Bedeutung.
Am 5.2.1935 wurde Terboven zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannt. Er gehörte damit zu den Spitzenfunktionären des „Dritten Reiches", die sowohl ein hohes Parteiamt bekleideten als auch eine wichtige Beamtenstellung einnahmen. Da Terboven in vielen Fällen die Interessen der Staatsverwaltung vertrat und bei Personalentscheidungen auf die fachliche Qualifikation der Kandidaten achtete, blieben Konflikte mit den anderen Gauleitern des Rheinlandes – vor allem bei Stellenbesetzungen in den Städten und Gemeinden – nicht aus. Der Machtbereich Terbovens vergrößerte sich nochmals nach Ausbruch des Krieges, als er zum Reichsverteidigungskommissar für den Wehrkreis VI berufen wurde, zu dem auch die westfälischen Gaue gehörten.
Da sich Terboven in seinen Ämtern bewährt und stets die Interessen des NS-Staates rücksichtslos verfolgt hatte, da er Hitler absolut ergeben war und auch das Vertrauen Görings genoss, wurde er am 24.4.1940 zum Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete ernannt. Terboven verstand es, alle Personen, die seine Stellung hätten schwächen können, aus dem Lande fernzuhalten. Er stieg somit bald zum „unbeschränkten Herrn von Norwegen" auf – so die Beobachtung von Goebbels –, der seinen Willen auch gegenüber Vidkun Quisling (1887-1945), dem Parteiführer der „Nasjonal Samling" und Ministerpräsidenten, durchsetzen konnte. Gegenüber der Bevölkerung sicherte der Reichskommissar seine Macht mit Hilfe der Polizei und der SS-Organe, die jeglichen Widerstand unterdrückten.
Am 7.5.1945 wurde der Reichskommissar vom neuen Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches, Großadmiral Karl Dönitz (1891-1980), seines Posten enthoben, da er nicht kapitulieren, sondern den Kampf „bis zum letzten Mann und zur letzten Patrone" führen wollte. Am Abend des 8. Mai verübte Terboven Selbstmord, indem er sich im Bunker seiner Residenz in die Luft sprengte.
Literatur
Bohn, Robert, Reichskommissariat Norwegen. „Nationalsozialistische Neuordnung" und Kriegswirtschaft, München 2000.
Loock, Hans-Dietrich, Quisling, Rosenberg und Terboven. Zur Vorgeschichte und Geschichte der nationalsozialistischen Revolution in Norwegen, Stuttgart 1970.
Nøkleby, Berit, Josef Terboven. Hitlers mann in Norge, Oslo 1992.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, Düsseldorf 1994, S. 780.
Wisotzky, Klaus, Josef Terboven (1898-1945). Die Karriere eines Nationalsozialisten, in: Das Heute hat Geschichte. Forschungen zur Geschichte Düsseldorfs, des Rheinlands und darüber hinaus. Festschrift für Clemens von Looz-Corswarem zum 65. Geburtstag, hg.v. Benedikt Mauer, Essen 2012, S. 251-278.
Online
Blank, Ralf, Josef Terboven (1898-1945) (Website „Historisches Centrum Hagen"). [Online]
Josef Terboven in der Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten (Informatiosportal der Bayerischen Staatsbibliothek). [Online]
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Wisotzky, Klaus, Josef Terboven, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/josef-terboven/DE-2086/lido/57c93a8da4b585.51259572 (abgerufen am 01.12.2024)