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Karl Sack war während des NS-Regimes Militärrichter und Mitglied der Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944. Innerhalb der Wehrmachtsgerichtsbarkeit des „Dritten Reiches“ stieg er zu höchsten Ämtern auf, lehnte gleichzeitig den Nationalsozialismus ab und arbeitete eng mit den Mitgliedern des militärischen Widerstandes zusammen.
Karl Sack wurde am 9.6.1896 als zweiter Sohn des Pfarrers Hermann Sack (geboren 1864) und dessen Ehefrau Anna geborene Neuschäffer (1864–1932) im hessischen Bosenheim geboren. Seine Bildungskarriere begann auf dem humanistischen Gymnasium in Bad Kreuznach, das er 1910 verließ, als sein Vater nach Niederweisel bei Butzbach versetzt wurde. Bis zum 18.2.1914 besuchte er dann das humanistische Gymnasium (Augustinerschule) in Friedberg. Anschließend begann er an der Universität Heidelberg das Studium der Rechtswissenschaften. Aus streng konservativer und deutschnationaler Gesinnung, die ihm das Elternhaus vermittelt hatte, trat er der Burschenschaft „Vinetra“ ein. Der patriotisch eingestellte Sack wähnte sich dort unter Gleichgesinnten. Noch 1914 - mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs - unterbrach er sein Studium.
Sack meldete sich freiwillig zum Militärdienst und diente in Offenbach beim Ersatzbataillon des Infanterieregiments 168. 1915 beschritt er die Offizierslaufbahn und wurde noch im gleichen Jahr zum Leutnant der Reserve ernannt. Fronterfahrung sammelte er zunächst an der Ostfront, 1917 kam er an die Westfront. An beiden Fronten wurde Sack schwer verwundet, blieb aber zunächst im Dienst. Da sich die Verwundungen jedoch als zu erheblich für den Einsatz an der Front erwiesen, wurde er noch vor Kriegsende am 22.9.1918 aus dem Militärdienst entlassen.
Hochdekoriert mit zahlreichen Auszeichnungen für besondere Tapferkeit, darunter das Eiserne Kreuz I. Klasse, setzte Sack sein Studium 1918 in Frankfurt fort und wechselte 1919 an die Universität Gießen. 1920 legte er die Erste juristische Staatsprüfung ab, 1922 die Zweite. Dazwischen lag das Referendariat, verbunden 1921 mit der Promotion mit dem Thema „Inwieweit kann d. Erblasser d. Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen beeinflussen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden u.v. Todeswegen?“.
Nach dem Studium, welches er mit „gutem Erfolg“ absolviert hatte, heiratete er 1922 Wilhelmine Weber (geboren 1900); aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor: Heinzhermann (geboren 1923) und Karl August (geboren 1925). Beide Söhne fielen im Zweiten Weltkrieg. Im Dezember 1922 trat Sack eine Stelle als Gerichtsassessor im linksrheinischen Rheinhessen an, das als Folge des Krieges französisch besetzt war.
Bereits im März 1923 versetzte das hessische Justizministerium Sack als Aushilfsrichter nach Ober-Ingelheim (Kreis Bingen). Dort prägte die Begegnung mit den „rheinischen Separatisten“ und den französischen Besatzern maßgeblich seine politischen Überzeugungen. Seine deutschnationale und antifranzösische Einstellung wurde weiter geschärft, hinzukam eine starke Abneigung gegen linke Strömungen, insbesondere die rheinischen Republikaner waren für Sack eher Kriminelle als politische Aktivisten.
Nach der Zeit in Ober-Ingelheim wurde Sack mehrfach versetzt und war an verschiedenen Gerichten Hessens als Richter tätig. 1927 trat er in die Deutsche Volkspartei (DVP) ein und begann sich politisch zu engagieren. Er lehnte den Nationalsozialismus ab und stand dem Nationalliberalismus nahe. Dennoch nutzte er nach der „Machtergreifung“ 1933 die Gelegenheit, sich zum 1.1.1934 zur wiedereingeführten Militärgerichtsbarkeit, die zuvor durch die Weimarer Reichsverfassung abgeschafft worden war, versetzen zu lassen. Der soldatisch geprägte Sack erhoffte sich, wie viele seiner Amtsgenossen, bessere Karriereaussichten im höheren Heeresjustizdienst. Der Beitritt zum Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen 1933 geschah wohl, um relevante Zugangsvoraussetzungen für die Zulassung zum Heeresjustizdienst zu erfüllen.
Sack durchlief in den Folgejahren eine steile Karriere. 1934 war er Wehrmachtsrichter am Wehrkreisgericht VI in Hannover, ab März 1935 bereits Kriegsgerichtsrat in Gießen und 1936 Oberkriegsgerichtsrat beim Gerichtsherrn und kommandierenden General des VII. Armeekorps in München. Im Juli 1936 wurde er in das Reichskriegsministerium (RKM) beordert, wo er im Januar 1937 zum Ministerialrat befördert wurde. Parallel wurde 1936 in Berlin das Reichskriegsgericht (RKG) neuerrichtet, an das Sack als „Reichskriegsgerichtsrat am Senat für Hoch- und Landesverratssachen“ am 1.2.1938 berufen wurde. Mit Eintritt in die Wehrmachtsjustiz verfolgte Sack gemäß den Vorgaben der NS-Justiz eine rigorose und drakonische Bestrafungspolitik bei erwiesenen Verfehlungen. Nicht selten verhängte er Todesurteile, die auch vollstreckt wurden.
Noch immer kein überzeugter Nationalsozialist, nahm Sack in der Blomberg-Fritsch-Krise eine tragende Rolle zur Verteidigung und Entlastung von Generaloberst Werner von Fritsch (1880–1939), der wegen Homosexualität angeklagt wurde, ein. Sacks Ziel war es, der Gestapo das Konzept des Handels aus der Hand zu nehmen und einen gerechten Prozess unter gerechteren Bedingungen zu führen, da die Gestapo gezielt gegen Fritsch ermittelte und nach Beweisen seiner Schuld suchte. Dieser Scheinprozess gegen den Oberbefehlshaber des Heeres war von Heinrich Himmler (1900–1945) angestrengt und forciert worden, um den widerstrebenden Fritsch seines Postens zu entheben. Hitler selbst wollte den Oberbefehl über die Wehrmacht übernehmen. Himmler erhoffte sich einen weiteren Karriereschub davon, den amtierenden Oberbefehlshaber Fritsch im Sinne des „Führers“ durch gezielte Ermittlungen öffentlichkeitswirksam zu demontieren. Zunächst nahm Sack als Protokollführer am Prozess teil, in dessen Verlauf er jedoch auf eigene Initiative Ermittlungen zum Erweis von Fritschs Unschuld anstellte.
Im Rahmen der Beteiligung am Fritsch-Prozess kam Sack erstmals in Kontakt mit Vertretern der militärischen Führungsebene, die entschiedene Gegner Hitlers und nationalsozialistischen Staates waren, insbesondere zur Gruppe um Hans Oster (1887–1945) und Hans von Dohnanyi (1902–1945). Auch Admiral Wilhelm Canaris (1887–1945) und der Leiter des Reichskriminalamtes, Arthur Nebe (1894–1945), die später aktive Teilnehmer und Eingeweihte des Umsturzversuches am 20. Juli 1944 sein sollten, zählten zu Sacks engen Kontakten. 1938, während und nach der Fritsch-Krise, liefen die Pläne und Gedankenspiele jedoch noch darauf hinaus, Hitler zu verhaften und zu verurteilen. Einen gewaltsamen Umsturz, geschweige denn ein Attentat, lehnte Sack zu dieser Zeit ab und präferierte eine juristische Lösung.
Seiner wachsenden Systemkritik und Ablehnung des Regimes zum Trotz stieg Sack die Karriereleiter in der Militärjustiz weiter hinauf. Bis 1941 war er am RKG tätig, wechselte dann als Rechtsberater zur Heeresgruppe A und wurde zeitgleich zum stellvertretenden Abteilungschef der Wehrmachtrechtsabteilung (WR) im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) befördert. Zum 1.10.1942 beförderte man ihn zum Chef des Heeresjustizwesens und der Heeresabteilung, im Dezember wurde er Ministerialdirektor im Oberkommando des Heeres (OKH). Dieses Amt übte er bis zum 1.5.1944 aus, bis die Wehrmachtsrichter in das Offizierskorps des Truppensonderdienstes überführt wurden. Im Zuge dieser Umstrukturierung wurde Sack Generalstabsrichter und gleichzeitig in den Rang eines Generalleutnants der Wehrmacht erhoben.
Was seine Tätigkeit als Militärrichter betraf, so ging der Widerstandsgedanke einher mit der Erfüllung der vom NS-Regime vorgegebenen. Sack verhängte weiterhin Todesurteile und ging insbesondere mit Deserteuren hart ins Gericht. Seiner Überzeugung nach musste die Wehrhaftigkeit der deutschen Armee unter allen Umständen aufrechterhalten werden. Ihn trieb allerdings nicht der Gedanke, dadurch den Krieg zu gewinnen, sondern der, nach dem Sturz Hitlers und seines Regimes das Reich in einer gewissen Machtposition für anschließende Friedensverhandlungen zu halten.
Anfangs hatte Sack es abgelehnt, Hitler mittels eines Attentates zu beseitigen, doch inzwischen waren seine beiden Söhne gefallen. Das wirkte sich wohl auch auf seine Bereitschaft, den Krieg mit allen Mitteln zu beenden, aus. Zwar war er nicht federführend oder aktiv an der Planung und Umsetzung des 20. Juli beteiligt, doch stand er auch während des Krieges in Kontakt mit Canaris und war ein Mitwisser und Unterstützer. Sack spielte auch in den Planungen für die Zeit nach dem Umsturz eine wichtige Rolle, da er in der zu bildenden Regierung für das Amt des Justizministers vorgesehen war. Dennoch bestätigte und verhängte Sack im Kriegsjahr 1944 täglich mehrere Todesurteile. Direkten oppositionellen Einfluss auf die Rechtsprechung konnte Sack nur in sehr geringem Maße ausüben. So hat wohl Hans von Dohnanyi während seiner Verfolgung von gelegentlichen Eingriffen Sacks profitiert.
Das Attentat des „20. Juli“ scheiterte, womit auch Karl Sacks Laufbahn im Dienste des „Dritten Reichs“ endete. Er wurde am 8.9.1944 verhaftet, als er einen gefangenen Widerständler über seine Gestapo-Verhöre ausfragte und damit Verdacht erregte. Ermittler entdeckten weiteres belastendes Material, unter anderem Sacks Namen auf einer Liste der Verschwörer mit dem Hinweis auf das für ihn vorgesehene Amt und, noch verhängnisvoller, seine Erwähnung in den Tagebüchern von Admiral Canaris. Am 10.10.1944 entließ Hitler Sack offiziell aus der Wehrmacht.
Sack verblieb in einem Berliner Gestapo-Gefängnis, bis er gemeinsam mit den Angehörigen der Gruppe Oster am 7.2.1945 in das Konzentrationslager Flossenbürg verlegt wurde. Dort wurde am 8. April ein Scheinprozess als Standgericht abgehalten, jedoch ohne den Angeklagten die Möglichkeit der Verteidigung zuzugestehen. Am 9.4.1945 wurde Karl Sack im Konzentrationslager Flossenbürg durch den Strick hingerichtet, an der Seite von Wilhelm Canaris, Hans Oster und Dietrich Bonhoeffer (1906–1945).
Eine Beurteilung Karl Sacks fällt schwer. Sicherlich ersehnte er das Ende des „Dritten Reiches“ und war Teil des militärischen Widerstands. Dennoch ist aktives widerständisches Handeln bei ihm nur schwerlich festzustellen, es war größtenteils auf Mitwisserschaft beschränkt. Seine Stunde sollte nach einem gelungenen Attentat auf Hitler kommen, da er für ein Ministeramt vorgesehen war. Sack war vor diesem Hintergrund ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten, der mit dem Scheitern des Attentats vom 20. Juli auch persönlich scheiterte. Zwar stand er für drakonische Strafen gegenüber Deserteuren ein und war ein hochrangiger Akteur jenes Regimes, das er zu stürzen versuchte, doch seine Position als führender Militärjurist des „Dritten Reiches“ nutzte er zumindest am Ende nach Gelegenheit aus, um anderen Widerständlern Beistand zu leisten, stets geleitet von christlichen und patriotischen Moralvorstellungen, die er nicht mit der NS-Ideologie zu vereinbaren vermochte.
Literatur
Dignath, Stephan, Dr. Karl Sack. Ein Widerstandskämpfer aus Bosenheim. Bekenntnis und Widerstand, Bad Kreuznach 1985.
Haase, Norbert, Generalstabsrichter Karl Sack; in: Ueberschär, Gerd R. (Hg.), Hitlers militärische Elite, Band 2, Darmstadt 1998, S. 201–209.
Messerschmidt, Manfred/Wüllner, Fritz, Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende, Baden-Baden 1987.
Messerschmidt, Manfred, Die Wehrmachtjustiz 1933-1945, Paderborn [u.a.] 2005.
Online
Hartmann, Christian, Sack, Karl, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 342-343. [online]
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Finette, Tom C., Karl Sack, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-sack/DE-2086/lido/5daed92f636821.69106468 (abgerufen am 09.12.2024)