Zu den Kapiteln
Norbert von Xanten entstammte einem niederrheinischen Adelsgeschlecht. Zunächst wohlhabend und ein weltliches Leben führend, wandte er sich mit rund 30 Jahren einer asketischen Lebensweise zu. Er begründete den Orden der Prämonstratenser und wurde schließlich Erzbischof von Magdeburg.
Norbert von Xanten wurde als Sohn des aus altem niederrheinischen Adel stammenden Paares Heribert von Gennep und seiner Frau Hadewig zwischen 1080 und 1085 in Xanten oder in Gennep an der Maas geboren. Von seinen Eltern für den geistlichen Stand bestimmt, wurde er als Jugendlicher in das Xantener Viktorstift aufgenommen. Dort trat der nunmehrige Subdiakon in den Dienst des Kölner Erzbischofs, eine Stellung, die ihn einerseits in den geistlichen Stand erhob und ihm entsprechende finanzielle Einkünfte sicherte, andererseits so niedrig angesiedelt war, dass er ein weltliches Leben führen konnte. Als Berater Heinrichs V. (Regierungszeit 1106-1125) zog er 1110/1111 mit nach Rom, als dieser Papst Paschalis II. (Pontifikat 1099-1118) gefangen nahm, um seine Kaiserkrönung zu erzwingen.
1113 lehnte Norbert das kaiserliche Angebot ab, als Belohnung für seine Treue Bischof von Cambrai zu werden. Zwei Jahre später, im Mai 1115, hatte er auf einem Ritt zum Frauenstift Vreden ein Bekehrungserlebnis, woraufhin er sich noch im gleichen Jahr, nach einem Aufenthalt in der Abtei Siegburg – seinerzeit das Zentrum einer klösterlichen Reformbewegung – zum Diakon und Priester weihen ließ. Zudem gab er seine Stellungen bei Erzbischof Friedrich I. von Köln und bei Kaiser Heinrich V. auf.
1116 kehrte Norbert nach Xanten zurück, um sein altes Heimatstift im Sinne der strengen Kloster- und Kirchenreformbewegung – ein gemeinsames und radikales Leben in Armut – zu reformieren. Nachdem er damit bei den Stiftsherren gescheitert war, führte er nach dem Vorbild des Eremiten Liudolf, des späteren Abtes von Lonnig, und der eremitisch-asketisch ausgerichteten Regularkanoniker des Stiftes Klosterrath (Rolduc) auf dem Fürstenberg bei Xanten ein Eremitenleben. Danach zog er unter anderem durch Flandern und den Hennegau, wo er Reform- und Bußpredigten hielt.
Am 28.7.1118 musste Norbert sich allerdings wegen dieser am Ideal der Vita apostolica ausgerichteten Lebensweise vor der vom päpstlichen Legaten Kuno von Praeneste (gestorben 1122) geleiteten Synode in Fritzlar verantworten. Die Synode kritisierte seine neue Lebensweise als unangemessen für einen Kanoniker, woraufhin Norbert seine Pfründe am Xantener Viktorstift aufgab und sein Eigentum den Armen schenkte. Anschließend zog er als Pilger über Huy nach Saint-Gilles-du-Gard in Südfrankreich, wo er wohl von Papst Gelasius II. (Pontifikat 1118-1119) die Erlaubnis zur Wanderpredigt erhielt. Diese praktizierte er nach einer schweren Erkrankung mit wenigen Gefährten, unter anderem Hugo von Fosse (1093-1164), in Nordfrankreich und der Maasgegend so charismatisch, dass sich ihm zahlreiche Männer und Frauen anschlossen. Vielleicht auf den Rat von Papst Calixt II. (Pontifikat 1119-1124), dem er in Reims beziehungsweise Laon begegnet sein könnte, sicher aber auf Betreiben des Bischofs Bartholomäus von Laon (Episkopat 1113-1152), erklärte er sich zur Niederlassung in dessen Diözese bereit, um dort seine Ideen zu verwirklichen.
Norbert strebte keinen offenen Konflikt mit Papst und Bischöfen an. Der Aussteiger, ja Rebell, sollte wieder in die Mitte der Kirche zurückkehren. Der Bischof hätte ihn gerne als Reformer für seine Diözese gehabt, doch war Norbert den dortigen Klerikern zu streng. Nach dem fehlgeschlagenen Versuch, das Stift St. Martin in Laon zu reformieren, bot der Bischof ihm stattdessen Orte an, wo er einen eigenen Konvent gründen konnte. Norbert wählte einen einsamen Ort im Wald von Coucy in der Nähe von Laon. Dort befand sich auf einer Wiese eine verfallene Kapelle, „Pratrum demonstratum" (wovon sich auch der Name Prémontré ableitet), wo Norbert mit 13 Gefährten eine eremitisch orientierte Gemeinschaft gründete. Er selbst verzichtete auf die Niederschrift einer eigenen Regel, sondern nahm 1120/1121 die Augustinusregel in ihrer strengeren Ausrichtung („ordo monasterii") mit ausgedehnten Nachtgebeten, strengen Fastenzeiten und Handarbeit an; diese Regel erlangte für die Prämonstratenser Gültigkeit und wurde 1126 durch Papst Honorius II. (Pontifikat 1124-1130) bestätigt.
Im Rahmen der Kanonikerreform vertrat Norbert ein Rechtsmodell, das man als„ libertas Norbertina" charakterisiert (Stefan Weinfurter): Er ließ sich als Eigenkirchenherr die Eigentumsrechte der jeweiligen Konvente übertragen, übernahm selbst die Leitung und versuchte, diese Institute außerhalb des bischöflichen Einflusses zu halten. In der ersten Zeit gehörten diesen Kanonikergemeinschaften auch Frauen als Schwestern (Sorores) an, die mit Männern in Doppelkonventen lebten.
1125/1126 entschloss sich Norbert – für seine Anhänger überraschend –, die Leitung der von ihm als „Eigenklöster" (Stefan Weinfurter) übertragenen Stifte – nach Prémontré, Floreffe, Cappenberg, Vivières sowie St. Martin in Laon und St. Michael in Antwerpen – aufzugeben und sich nunmehr als Bischof in den Dienst von Kirche und Reich zu stellen. Im Sommer 1126 wurde er – auf der Rückreise von Rom – in Speyer nach Ablehnung des ihm im April desselben Jahres angebotenen Würzburger Bischofsstuhls anstelle des von König Lothar III. (Regierungszeit 1125-1137) favorisierten Konrad von Querfurt (gestorben 1142) zum Erzbischof von Magdeburg gewählt. Dort versuchte er, das Erzbistum zu sanieren und den Klerus zu reformieren, wogegen sich dieser im Bündnis mit Adel und Bürgerschaft so massiv wehrte, dass Norbert für einige Zeit in das Kloster Berge und das Augustinerstift Neuwerk fliehen musste. Zudem soll es aufgrund des Widerstandes gegen seine Reformbemühungen zwei Anschläge auf sein Leben gegeben haben. Neben der Reform älterer Klöster wie Ammensleben und Nienburg gelang ihm 1129 die Umwandlung des Magdeburger Stiftes Unser Lieben Frauen und des magdeburgischen Klosters Pöhlde in Prämonstratenserstifte sowie die Neugründung von Gottesgnaden bei Calbe. Das Magdeburger Stift entwickelte sich zur Wiege der Prämonstratenser für ihre Mission unter den Slawen. So wurden von hier aus unter anderem die Kapitel in Ratzeburg, Havelberg und Brandenburg als Prämonstratenserkonvente gegründet.
Darüber hinaus unternahm Norbert zahlreiche Reisen im Dienste des Reiches; die letzte führte ihn nach Rom, wo er am 4.6.1133 – in Vertretung des Erzbischofs von Köln als Erzkanzler für Italien – an der Kaiserkrönung Lothars III. teilnahm. Nach einem längeren Umweg über Südwestdeutschland und das Rheinland kurz vor Ostern 1134 zurückgekehrt, verstarb der bereits auf seiner Reise an Malaria Erkrankte am 6.6.1134 in Magdeburg, wo er am 11. Juni auf Veranlassung des Kaisers in der Kirche des Stiftes Unser Lieben Frauen beigesetzt wurde. Erst am 28.7.1582 sprach man ihn heilig. 1982 erhob ihn Papst Johannes Paul II. (Pontifikat 1978-2005) zum Schutzpatron des Magdeburger Landes.
1627 wurden seine Gebeine in die Prämonstratenserabtei Strahov bei Prag überführt, um sie vor den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges zu retten. Alle 50 Jahre wird der Sarkophag geöffnet. Die Gebeine des Heiligen werden dann eine Woche lang in einem gläsernen Sarg ausgestellt und in einer Prozession über das Klostergelände getragen.
Trotz der Ausbildung in Xanten, Köln, Siegburg, vielleicht auch in Laon, der regen Predigttätigkeit und Kontakten mit Persönlichkeiten wie Bernhard von Clairvaux (1090-1153), Rupert von Deutz und Gerhoch von Reichersberg (1093-1169) entfaltete Norbert keine eigene literarische Tätigkeit, die es erlaubt, sich von ihm und seinen Anschauungen ein zuverlässiges Bild zu machen. Die Mitte des 12. Jahrhunderts entstandene Vita Norberti ist die wichtigste Quelle über sein Leben.
Er gründete in Prémontré eine Niederlassung, als er sah, dass er anders der Wanderpredigt und dem Armutsideal nicht mehr folgen konnte. Er wurde zu einem Zeitpunkt Erzbischof, als er glaubte, nun ein ganzes Bistum in seinem Sinne reformieren zu können. Auch wenn Norberts Wirken als Reformer, Ordensgründer und Erzbischof nicht zum Abschluss kam, ist er durch Vorbild und Predigt, die Durchführung und Festigung der Kanonikerreform sowie die Tätigkeit für Kirche und Reich neben Bernhard von Clairvaux eine der wichtigsten kirchlichen Persönlichkeiten des 12. Jahrhunderts. Als charismatisch begabter Prediger gewann er viele Menschen für seine Ideale. Er wollte „nicht nur sich selbst retten, sondern die Gesamtkirche erreichen, in apostolischer Nachfolge möglichst viele Menschen durch das Wort der Predigt ansprechen und zur Nachahmung der Lebensweise der Urkirche überzeugen." (Stefan Weinfurter).
Innerhalb weniger Jahre gründeten sich zahlreiche Gemeinschaften nach dem Vorbild Prémontrés. Auch bereits bestehende Klöster schlossen sich Norberts Reformbewegung an wie beispielsweise das Chorherrenstift von Cappenberg in Westfalen und die Abtei Steinfeld in der Eifel. Jahrhunderte lang bildeten die Prämonstratenserkonvente ein Netzwerk, das sich über ganz Europa spannte. Bis heute verstehen sich die Prämonstratenser als eine Gemeinschaft, die das Ideal von Armut und Seelsorge miteinander vereinbart, und als einen Priesterorden, der aktiv seelsorgerlich tätig ist.
Quellen
Vita Norberti A (MGH SS XII, 1856), S. 663-706.
Vita Norberti B (AASS Jun I, Antwerpen 1865), S. 807-845.
Vita Norberti archiepiscopi Magdeburgensis. Leben des heiligen Norbert, Erzbischofs von Magdeburg, übersetzt von Gustav Hertel, Leipzig 1881, 2. unveränderte Auflage, Leipzig 1941.
Literatur
Aring, Paul Gerhard, "Norbert von Xanten", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 6 (1993), Spalten 1015-1016.
Ehlers-Kisseler, Ingrid, Die Anfänge der Prämonstratenser im Erzbistum Köln, Köln/Weimar/Wien 1997.
Elm, Kaspar (Hg.), Norbert von Xanten - Adliger, Ordensstifter, Kirchenfürst, Köln 1984.
Elm, Kaspar, Norbert von Xanten (1080/85–1134), in: Rheinische Lebensbilder 15 (1995), S. 7–21.
Goßens, Bruno, Norbert von Xanten. Stifter des Prämonstratenserordens., Fribourg/Konstanz/München 1938.
Grauwen, Wilfried Marcel, Norbertus Aartsbisschop van Maagdenburg (1126–1134), Brüssel 1978.
Horstkötter, Ludger, Der heilige Norbert und die Prämonstratenser, 9. Auflage, Hamborn 2002.
Horstkötter, Ludger, Norbert von Xanten (1080–1134). Stiftsherr, Bußprediger, Ordensgründer und Reichsfürst – dargestellt anhand von 35 Gravuren der Antwerpener Gebrüder Galle aus dem Jahre 1622, in: Geuenich, Dieter (Hg.): Xantener Vorträge zur Geschichte des Niederrheins, Duisburg 2004, S. 121–179.
Weinfurter, Stefan, Norbert von Xanten im Urteil seiner Zeitgenossen, Duisburg 1992.
Film
Norbert von Xanten: Einzelkämpfer – Prediger – Kirchenreformer, Düsseldorf 2007 (ein Film von Barbara Stupp im Auftrag des LVR).
Online
Der Dom zu Xanten (Homepage der Katholischen Probsteigemeinde St. Viktor Xanten). [Online]
Homepage des Prämonstratenserkonvents Magdeburg. [Online]
Homepage des Klosters Strahovsky. [Online]
Norbertjahr 2009/2010 (Informationsseite des Prämonstratenser-Ordens). [Online]
Reiseführer des Prämonstratenser-Ordens (Homepage des Prämonstratenser-Ordens). [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Rosen, Wolfgang, Norbert von Xanten, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/norbert-von-xanten/DE-2086/lido/57c9554542e7e0.63115079 (abgerufen am 01.12.2024)