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Paul Krüger war Professor für Römisches Recht in Marburg, Innsbruck, Königsberg und Bonn. Gemeinsam mit dem berühmten Althistoriker Theodor Mommsen (1817-1903) vollendete er eine kritische Edition der Kodifikation des römischen Rechts durch Kaiser Justinian I (um 482-565), des „Corpus Iuris Civilis", die die Rechtskultur des Abendlands prägen sollte. Mit dieser Edition erlangte Krüger weltweiten und bleibenden Ruhm.
Paul Krüger wurde am 20.3.1840 als jüngstes von zwölf Kindern in Berlin geboren. Er selbst schrieb später in seiner Autobiographie, dass sein „Entwicklungsgang (…) durch äußere Umstände anders geleitet worden" sei, „als ursprünglich in Aussicht genommen". Das sieht man schon an seiner Schulbildung: Zunächst besuchte er die Realschule, später erst das aus dieser Realschule neu gegründete Gymnasium. Das nach dem Abitur (1858) gefasste Vorhaben zu einer Offizierslaufbahn ließ er wegen der großen Anzahl von Bewerbern fallen und wandte sich der Rechtswissenschaft zu. Nach sechs Semestern wurde er 1861 an der Berliner juristischen Fakultät mit einer Arbeit über das römische Recht der Fristberechnung promoviert. Die Habilitation folgte 1864 zu einem prozessrechtlichen Thema.
Im selben Jahr „griff Theodor Mommsen in sein Leben ein und gab seiner Forschung die Richtung, die sie bis ans Ende festgehalten hat" (Fritz Schulz). Mommsen, der einen Mitarbeiter für seine Edition der Digesten suchte, konnte Krüger für dieses Vorhaben gewinnen. Die Digesten sind der wohl wichtigste Teil der von Justinian I. zwischen 529 und 534 aufgenommenen Kodifikation des römischen Rechts. Sie bestehen aus tausenden Fragmenten von Schriften klassischer römischer Juristen. Seit dem Mittelalter wurden diese Digesten in zahlreichen Handschriften verbreitet und bildeten so die Grundlage für die Juristenausbildung in Europa ebenso, wie für die seit Ende des 18. Jahrhunderts einsetzenden nationalen Kodifikationen. Eine moderne textkritische Ausgabe zu erstellen erschien in der Auffassung der Historischen Schule des 19. Jahrhunderts als Desiderat.
Krüger legte später Wert darauf, nicht als Mommsen-Schüler bezeichnet zu werden. Damit wollte er keinen Ehrentitel zurückweisen, sondern seine wissenschaftliche Eigenständigkeit betonen. In der Tat forderte die Zusammenarbeit mit Mommsen fortwährend Unterordnung unter den alles überstrahlenden, aber auch alles dominierenden Meister. Dass man sich schließlich die Arbeit teilte – Mommsen arbeitete an den Digesten, Krüger an zwei anderen Teilen des Corpus Iuris, dem Codex (Iustinianus) und den Novellen –, dürfte die Situation erträglicher gemacht haben. Neben anderen wichtigen, wenn auch kleineren Editionsarbeiten, begann Krüger auch eine kritische Ausgabe des Codex Theodosianus vorzubereiten, der wohl wichtigsten vor Justinian entstandenen Sammlung römischer Kaisergesetze. 1870 erhielt Krüger seinen ersten Ruf, an die Universität Marburg. Schon im Herbst 1872 folge er einem Ruf nach Innsbruck, und wieder nur drei Semester später ging er an die Universität in Königsberg. Hier verbrachte er seine wohl fruchtbarsten Forscherjahre, und hier kamen auch die meisten der vorher beschriebenen Editionen zum Abschluss. 1888 folgte er aber doch einem Ruf an die Universität Bonn, als Nachfolger von Roderich von Stintzing. Im Jahr des Wechsels erschien das wohl wichtigste literarische Werk von Krüger, seine „Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts". Dieses Werk blieb bis zu Leopold Wengers „Die Quellen des Römischen Rechts" (1953) wichtige Arbeitsgrundlage der Romanistik. Dasselbe gilt für die bis heute maßgebliche, gemeinsam mit Mommsen erarbeitete Edition des Corpus Iuris Civilis, die Krüger nach dem Tod Mommsens in zahlreichen weiteren Auflagen betreute. Die so genannte „kleine" Digestenausgabe (im Gegensatz zur textkritisch umfangreicheren, von Mommsen betreuten) erlebte bis zu Krügers Tod 13 Auflagen, von Krüger fortwährend durch textkritische Hinweise ergänzt.
Als Demütigung erlebte Krüger, dass Mommsen 1898 die Vorarbeiten Krügers zum Codex Theodosianus an sich zog und zielstrebig seine Edition betrieb. Die Ausgabe erschien allerdings erst nach Mommsens Tod (1903), im Jahr 1905, und ohne im Titel auf Krüger als Mitherausgeber hinzuweisen. Mommsens Ersuchen, ihm die Arbeit abzutreten, konnte Krüger nicht ausschlagen, gleichwohl sah er sich um die Früchte seiner Arbeit gebracht. Zugunsten Mommsens ist jedoch einzuräumen, dass nicht absehbar war, ob Krüger die Edition neben der Lehr- und Verwaltungsarbeit an der Universität je vollendet hätte. Nach seiner Emeritierung (erst 1919) nahm Krüger die Arbeit an einer Edition des Codex Theodosianus aber doch noch einmal auf – zu spät allerdings, um das Projekt selbst noch zu Ende zu bringen. Von den 16 Büchern des Theodosianus konnte Krüger die ersten acht edieren. So blieb die Edition ein Torso, doch bietet sie gegenüber derjenigen von Mommsen den Vorteil, dass die kaiserlichen Konstitutionen, die nur im Codex Iustinianus überliefert sind, eingearbeitet sind. Krüger starb am 11.5.1926 in Bonn. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Poppelsdorfer Friedhof.
Literatur
Krüger, Paul, „Paul Krüger" (Selbstbiographie), in: Die Rechtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Band 2, Leipzig 1924, S. 153-169.
Schulz, Fritz, Paul Krüger (Nachruf), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung 47 (1927), S. IX-XXXIX.
Stintzing, Roderich / Landsberg, Ernst , Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, 3. Abteilung, 2. Halbband (Noten), München / Berlin 1910, S. 369-370.
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Schermaier, Martin, Paul Krüger, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-krueger/DE-2086/lido/57c93a4a91fe15.01073254 (abgerufen am 10.12.2024)