Alexander Maass

Schauspieler, Rundfunksprecher und Widerstandskämpfer (1902-1971)

Birgit Bernard (Heidelberg)

Alexander Maass als Schauspieler und Sprecher bei der WERAG, 1929. (WDR | Unternehmensfoto)

Nur we­ni­ge wuss­ten über die pro­pa­gan­dis­ti­sche Tä­tig­keit von Alex­an­der Maass ge­gen das NS-Re­gime Be­scheid. So wirk­te der Es­se­ner Schau­spie­ler und 1933 emi­grier­te Chef­spre­cher des West­deut­schen Rund­funks un­ter an­de­rem in der bri­ti­schen Ge­heim­pro­pa­gan­da. Nach 1945 üb­te Alex­an­der Maass beim Nord­west­deut­schen Rund­funk (NW­DR) ei­nen ma­ß­geb­li­chen Ein­fluss auf die Per­so­nal­po­li­tik aus und setz­te Ak­zen­te in der Aus- und Wei­ter­bil­dung des jour­na­lis­ti­schen Nach­wuch­ses mit der Grün­dung ei­ner „Rund­funk­schu­le“ nach bri­ti­schem Vor­bild.

Alex­an­der Maass wur­de am 11.4.1902 in Es­sen in ei­nen Ar­bei­ter­haus­halt ge­bo­ren und wuchs zu­sam­men mit acht Ge­schwis­tern auf. 1908-1916 be­such­te er die Volks­schu­le und be­gann im An­schluss dar­an ei­ne Leh­re als Tech­ni­scher Zeich­ner, die er nach drei Jah­ren ab­brach, um sich dem Thea­ter zu wid­men. In den Spiel­zei­ten 1922-1925 war er un­ter an­de­rem an der Rhei­ni­schen Lan­des­büh­ne in Dü­ren und am Stadt­thea­ter in Müns­ter im Ko­mi­schen Fach en­ga­giert, 1926 gas­tier­te er am Les­sing­thea­ter in Ber­lin.

 

Am 31.12.1926 leg­te Maass ei­ne Mi­kro­fon­pro­be bei der kurz zu­vor von Müns­ter nach Köln ver­leg­ten West­deut­schen Rund­funk AG (WER­AG) ab und wur­de so­fort ein­ge­stellt. Bei der WER­AG wur­de Alex­an­der Maass schon bald die Po­si­ti­on ei­nes Chef­spre­chers an­ver­traut. Sein Köl­ner Kol­le­ge, der Ar­bei­ter­schrift­stel­ler Wil­li Schä­fer­diek (1903-1993), er­in­nert sich: „Er war da­mals ein schlan­ker, gro­ß­ge­wach­se­ner und schlak­si­ger jun­ger Mann, der sich we­gen der be­ton­ten Flap­sig­keit sei­ner An­sa­gen und der gleich­ar­ti­gen Rol­len, die ihm von der Re­gie zu­ge­wie­sen wur­den, ei­ner gro­ßen Be­liebt­heit in der brei­ten Hö­rer­schaft er­freu­te.“[1] 

Dar­über hin­aus wur­de Maass ge­le­gent­lich auch als Re­por­ter bei Box­kämp­fen ein­ge­setzt oder zur Er­wei­te­rung des haus­ei­ge­nen Hör­spiel­ensem­bles her­an­ge­zo­gen. Hier trat er in Pro­duk­tio­nen des Kin­der­funks auf, aber auch in In­sze­nie­run­gen von Klas­si­kern, et­wa in Ge­org Büch­ners „Woyzeck“ un­ter der Re­gie des WER­AG-In­ten­dan­ten Ernst Hardt, aus­ge­strahlt am 17.7.1928

Den Hö­he­punkt sei­ner Kar­rie­re als Schau­spie­ler er­reich­te Maass in der Ti­tel­rol­le des „Ra­dio­lehr­stücks für Kna­ben und Mäd­chen“ von Bert Brecht (1898-1956), dem „Lind­bergh­flu­g“ (nach dem Krieg von Brecht um­be­nannt in „Der Oze­an­flu­g“). Die kon­zer­tan­te Ur­auf­füh­rung des Hör­spiels samt „Ra­dio­pho­ni­scher Kan­ta­te für So­li, Chor und Or­ches­ter“ fand im Rah­men der Deut­schen Kam­mer­mu­sik-Fest­spie­le un­ter dem Di­ri­gen­ten Her­mann Scher­chen (1891-1966) statt. Sie wur­den vom 25.-28.7.1929 in Ba­den-Ba­den un­ter dem Mot­to „Ori­gi­nal­mu­sik im Rund­fun­k“ aus­ge­rich­tet. Die Mu­sik zu Brechts Hör­spiel stamm­te von Kurt Weill (1900-1950) und Paul Hin­de­mith (1895-1963), wäh­rend der Au­tor zu­sam­men mit Ernst Hardt Re­gie führ­te.

Übertragung des Boxwettkampfes von Hein Müller gegen Michele Bonaglia aus Turin, 4. v. l. Alexander Maass, 27.6.1929. (WDR | Unternehmensfoto)

 

Be­reits 1921 war Maass in die KPD ein­ge­tre­ten und mach­te aus sei­ner Ge­sin­nung kein Ge­heim­nis. Der Schrift­stel­ler und Jour­na­list Axel Eg­ge­brecht (1899-1991) lern­te Maass an­läss­lich ei­ner Le­se­rei­se im Köl­ner Funk­haus ken­nen. In sei­nen Me­moi­ren schreibt er, dass ihm ein jun­ger Mann na­mens Alex Maass auf­ge­fal­len sei, weil er of­fen als Kom­mu­nist ar­gu­men­tier­te, doch oh­ne dok­tri­nä­re Scheu­klap­pen.

Am 1.10.1931 ließ sich Maass be­ur­lau­ben, um beim deutsch­spra­chi­gen Pro­gramm von Ra­dio Mos­kau zu ar­bei­ten – ei­ne Tä­tig­keit, die er 1950 ge­gen­über der Ham­bur­ger Wie­der­gut­ma­chungs­be­hör­de als „Stu­di­en­rei­se“ in die So­wjet­uni­on de­kla­rier­te. Im Sep­tem­ber 1932 kehr­te er nach Köln zu­rück und be­tä­tig­te sich als Wahl­red­ner für die KPD. In An­be­tracht ei­ner 1930 ein­set­zen­den mas­si­ven Dif­fa­mie­rungs­kam­pa­gne der NS-Gau­zei­tung, dem „West­deut­schen Be­ob­ach­ter“, schien es dem WER­AG-In­ten­dan­ten Ernst Hardt je­doch sinn­voll, die Be­ur­lau­bung von Maass zu ver­län­gern. Man ent­schied sich ab­zu­war­ten, wie sich die po­li­ti­sche La­ge ent­wi­ckeln wür­de. Nach dem 30.1.1933 sei dann, so Maass, nicht mehr an sei­nen Ein­satz zu den­ken ge­we­sen.

Maass ent­zog sich der Ver­haf­tung durch die Ge­sta­po durch Flucht nach Ber­lin, wo er kur­ze Zeit un­ter­tauch­te. En­de März 1933 wur­de ihm der Bo­den je­doch auch in Ber­lin zu heiß, so dass er sich zur Emi­gra­ti­on nach Frank­reich ent­schloss. Am 28. März er­schien er früh­mor­gens un­an­ge­mel­det in Frank­furt am Main bei dem Schau­spie­ler Max Burg­hardt (1893-1977), den er von sei­nem En­ga­ge­ment in Müns­ter kann­te. Mit Hil­fe von Burg­hardts Pass ge­lang ihm die Aus­rei­se über Lu­xem­burg nach Frank­reich.

Bis En­de 1935 hielt sich Maass in Pa­ris auf, not­dürf­tig un­ter­stützt von ei­nem „Ko­mité zur Un­ter­stüt­zung von Emi­gran­ten“. Die Idee der Grün­dung ei­nes deutsch­spra­chi­gen Thea­ters im El­sass oder in Loth­rin­gen mit Hardt als In­ten­dan­ten zer­schlug sich man­gels Gel­des.

Von Pa­ris aus zog Maass mit sei­ner zwei­ten Frau, der Schau­spie­le­rin Mar­git Maass (1902-1990), auf die Ba­lea­ren und von dort nach Bar­ce­lo­na, wo er sich ei­ne neue Exis­tenz als Ton­meis­ter beim Film auf­bau­en woll­te. Ab­ge­se­hen da­von be­tä­tig­te er sich als Lei­ter der Re­dak­ti­on des Ko­mi­tees der „Volks­olym­pia­de“, die im Ju­li 1936 als Ge­gen­ver­an­stal­tung zu den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len in Ber­lin er­öff­net wer­den soll­te.

Alexander Maass bei der Aufnahme des Hörspiels „Mann ist Mann“, 30.6.1927. (WDR | Unternehmensfoto)

 

Sei­ne be­ruf­li­che Per­spek­ti­ve wur­de je­doch durch den Putsch von Ge­ne­ral Fran­cis­co Fran­co (1892-1975) und dem dar­aus re­sul­tie­ren­den Aus­bruch des Spa­ni­schen Bür­ger­kriegs ver­ei­telt. Maass, der in Bar­ce­lo­na Krei­sen der Links­kom­mu­nis­ten und An­ar­cho­syn­di­ka­lis­ten na­he­stand, schloss sich im Au­gust den In­ter­na­tio­na­len Bri­ga­den im Kampf ge­gen Fran­co an. An der Front mach­te er ei­ne Be­kannt­schaft, die sein wei­te­res Le­ben be­stim­men soll­te. 

Mit­te No­vem­ber traf der bri­ti­sche Jour­na­list Sef­ton Del­mer (1904-1979) in Ma­drid ein. Der in Ber­lin ge­bo­re­ne Ox­ford-Ab­sol­vent hat­te sich als Aus­lands­kor­re­spon­dent und Deutsch­land­ken­ner ei­nen Na­men ge­macht und wur­de nun vom „Dai­ly Ex­pres­s“ als Kriegs­be­richt­er­stat­ter nach Spa­ni­en ge­schickt. Über die Be­geg­nung mit Maaß schreibt Del­mer in sei­nen Me­moi­ren: „Schlie­ß­lich ge­lang­ten wir zu dem deut­schen Ba­tail­lon Thäl­mann, der äl­tes­ten und er­fah­rens­ten un­ter all den Ein­hei­ten der aus­län­di­schen Frei­wil­li­gen. Die ‚T­häl­män­ner‘, wie sie sich gern selbst nann­ten, hat­ten ihr Ba­tail­lon in den ers­ten Ta­gen des Bür­ger­kriegs in Bar­ce­lo­na be­grün­det. Da­mals war es nur ein paar Zü­ge stark. Aber in­zwi­schen wa­ren im­mer mehr Deut­sche aus al­len Tei­len Eu­ro­pas und Ame­ri­kas her­bei­ge­strömt, um in Spa­ni­en ge­gen Hit­ler zu kämp­fen – so vie­le, daß hier an der Ma­dri­der Front ge­nü­gend Thäl­män­ner vor­han­den wa­ren, um nicht nur eins, son­dern zwei Ba­tail­lo­ne zu bil­den. […] Ein gro­ßer, schlan­ker jun­ger Rhein­län­der, der sich selbst als Ka­me­rad Alex vor­stell­te, kam lä­chelnd auf mich zu und be­grü­ß­te mich.“ Au­ßer­dem ha­be der mit­teil­sa­me jun­ge Mann ihn so­fort wis­sen las­sen, dass er sei­ner­zeit Chef­spre­cher des Köl­ner Sen­ders ge­we­sen sei.[2] 

En­de 1936 wur­de Alex­an­der Maass bei Ma­drid durch ei­nen Bauch- und Lun­gen­durch­schuss schwer ver­wun­det. Er kehr­te nach Bar­ce­lo­na zu­rück und ar­bei­te­te nach sei­ner Ge­ne­sung als „In­for­ma­ti­ons­of­fi­zier“ der 45. Di­vi­si­on und als Spre­cher für den kom­mu­nis­ti­schen „Deut­schen Frei­heits­sen­der [auf Wel­le] 29,8“.

Um 1938 muss sei­ne Ent­frem­dung vom Kom­mu­nis­mus ein­ge­setzt ha­ben. In li­ni­en­treu­en sta­li­nis­ti­schen Krei­sen galt er als po­li­tisch un­zu­ver­läs­sig. Der Jour­na­list Pe­ter von Zahn (1913-2001), der Maass nach dem Zwei­ten Welt­krieg in Ham­burg ken­nen lern­te, über­lie­fert die fol­gen­de Epi­so­de: „Als er ge­le­gent­lich ei­nes Be­suchs bei ei­nem rus­si­schen Kom­mis­sar in des­sen Schrank ei­nen ge­kne­bel­ten Mann ent­deck­te, der of­fen­bar seit Stun­den mit dem Kopf nach un­ten hing, be­kam er Zwei­fel an den Me­tho­den der GPU.“[3] 

1938 floh Maass nach Frank­reich und kehr­te nach Pa­ris zu­rück. Er ar­bei­te­te an ei­nem (ver­schol­le­nen) Buch über den Spa­ni­schen Bür­ger­krieg und hielt sich mit Ar­ti­keln für den „Man­ches­ter Guar­di­an“ und Schwei­zer Zei­tun­gen über Was­ser. Im Som­mer 1939 mach­te er die Be­kannt­schaft des Schrift­stel­lers und „In­for­ma­ti­ons­mi­nis­ter­s“ Jean Girau­doux (1882-1944), für den er deutsch­spra­chi­ge Sen­dun­gen kon­zi­pier­te. Am 1.7.1940 wur­de Maass in Frank­reich in­ter­niert. An Ernst Hardt schrieb er nach dem Krieg: „Als die deut­schen Trup­pen zu die­sem La­ger ka­men, brach ich aus, mach­te ei­nen Fu­ß­marsch von 33 Ta­gen durch deutsch be­setz­tes Ge­biet und kam dann nach Mar­seil­le.“[4] 

In Mar­seil­le traf er im Flücht­lings­la­ger „Le Bré­ban­t“ auf den Schrift­stel­ler Al­fred Kan­to­ro­wicz (1899-1979). Es han­del­te sich da­bei um ein ehe­ma­li­ges Tanz­lo­kal. Sei­te an Sei­te la­gen die bei­den Män­ner auf ei­nem not­dürf­tig ein­ge­rich­te­ten Stroh­l­a­ger auf dem ehe­ma­li­gen Tanz­bo­den, bis über ihr wei­te­res Schick­sal ent­schie­den sein wür­de.

We­ni­ge Mo­na­te nach sei­ner An­kunft war Maass je­doch auch hier der Bo­den zu heiß ge­wor­den. Als „Blin­der Pas­sa­gier“ ge­lang ihm die Über­fahrt nach Al­ge­ri­en. Von dort aus schlug er sich nach Ma­rok­ko durch. Doch da­mit war sei­ne aben­teu­er­li­che Rei­se noch nicht be­en­det: „En­de 1941 fuhr ich von Ca­sa­blan­ca nach Me­xi­ko. Als das Schiff auf den Ber­mu­das von eng­li­scher Sei­te durch­sucht wur­de, wur­de mir ei­ne Ein­la­dung der eng­li­schen Re­gie­rung über­ge­ben, nach Eng­land zu kom­men. Ich fuhr dann erst noch nach New York, dann nach Ka­na­da und von dort in ei­nem Con­voi nach Eng­land.“[5] 

Im Ja­nu­ar 1942 traf er in Eng­land ein. Die „Ein­la­dun­g“ ver­dank­ten Maass und sei­ne Frau Mar­git ei­nem Kon­takt aus dem Spa­ni­schen Bür­ger­krieg. So war Sef­ton Del­mer in der Zwi­schen­zeit zum Lei­ter der bri­ti­schen Ge­heim­sen­der er­nannt wor­den. Das Ehe­paar Maass konn­te in der als „Re­se­arch Unit“ ge­tarn­ten Or­ga­ni­sa­ti­on in As­pley Gui­se in Bed­fordshire gu­te Diens­te tun. Mar­git Maass be­tä­tig­te sich als Spre­che­rin und Stim­men­imi­ta­to­rin, wäh­rend Alex­an­der Maass beim „Deut­schen Kurz­wel­len­sen­der At­lan­ti­k“ und dem „Sol­da­ten­sen­der Ca­lais“, an­geb­lich von der deut­schen Wehr­macht be­trie­be­nen Sen­dern, als Disc­jo­ckey in der „Schwar­zen Pro­pa­gan­da“ ar­bei­te­te. Da sei­ne Stim­me zu be­kannt war, konn­te er nicht als Spre­cher ein­ge­setzt wer­den, oh­ne die Tar­nung des Ge­heim­sen­ders zu ris­kie­ren. Hier wähl­te Maass „Ame­ri­can jazz with a Ger­man fla­vour“ aus, of­fen­bar mit Er­folg, denn von ei­nem deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen er­fuh­ren die Bri­ten, er ha­be die Sen­dun­gen in Tu­nis in ei­ne Er­ho­lungs­ba­ra­cke für deut­sche Sol­da­ten ge­schal­tet, „weil die Mu­sik so fa­bel­haft war“.

In sei­nen Me­moi­ren wür­dig­te Del­mer Maass‘ Bei­trag zur Ge­heim­pro­pa­gan­da ge­gen Hit­ler: „Alex stell­te un­se­re Tanz­mu­sik zu­sam­men, die ei­ner­seits ein wich­ti­ger An­zie­hungs­punkt für die Hö­rer un­se­res Sen­ders war, an­de­rer­seits durch ih­ren be­son­de­ren Stil zu so et­was wie ei­nem stän­di­gen Er­ken­nungs­zei­chen wur­de. Wir ga­ben uns viel Mü­he, die rich­ti­ge Mu­sik für un­se­ren Sen­der her­an­zu­ho­len“.[6] 

Am 23.7.1945 kehr­te Alex­an­der Maass als bri­ti­scher Staats­bür­ger und Zi­vi­l­of­fi­zier der Bri­ti­schen Be­sat­zungs­be­hör­de nach Deutsch­land zu­rück. Als „pro­duc­tion chie­f“ wur­de er bei „Ra­dio Ham­bur­g“ im un­zer­stör­ten Funk­haus an der Ro­then­baum­chaus­see ein­ge­setzt.

In den fol­gen­den Jah­ren spiel­te Maass ei­ne über­aus be­deut­sa­me Rol­le in Be­zug auf die Per­so­nal­po­li­tik beim von den Bri­ten in ih­rer Be­sat­zungs­zo­ne ge­grün­de­ten „Nord­west­deut­schen Rund­fun­k“ (NW­DR). An Ernst Hardt schrieb Maass En­de 1945: „Sie wis­sen selbst, wie we­nig qua­li­ta­ti­ve Kräf­te in Deutsch­land vor­han­den sind und un­ter die­sem Man­gel an Men­schen lei­den wir hier beim Rund­funk na­tür­lich in ers­ter Li­nie. Was wir brau­chen, sind po­li­tisch völ­lig un­be­las­te­te Men­schen, die im­stan­de sind, den Pro­gramm­auf­bau, den wir be­gon­nen ha­ben, er­folg­reich fort­füh­ren zu kön­nen.“[7]  Maass hob oder senk­te den Dau­men bei der Wie­der­ein­stel­lung oder Wei­ter­be­schäf­ti­gung von fes­ten oder frei­en Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern. Und er war in die­ser Hin­sicht ri­go­ros. So recht­fer­tig­te er sich Hardt ge­gen­über, dass er ei­nem Ex-Kol­le­gen aus WER­AG-Zei­ten die Wei­ter­be­schäf­ti­gung ver­sag­te: „Ich bin aber durch ei­ne zu har­te Schu­le ge­gan­gen, um ein­fach über sol­che Din­ge hin­weg­se­hen zu kön­nen.“[8]  Pe­ter von Zahn er­in­nert sich: „In zwölf Jah­ren Emi­gra­ti­on hat­te er ei­ni­ges an Ka­ta­stro­phen er­lebt. Er gab es mit grau­sa­mer Sach­lich­keit zum bes­ten.“[9] 

Wie ein­fluss­reich Maass in Be­zug auf die Per­so­nal­po­li­tik war, zeigt der Fall Ernst Hardt. Maass fa­vo­ri­sier­te sei­nen frü­he­ren Chef für das Amt des ers­ten deut­schen Ge­ne­ral­di­rek­tors des NW­DR. Die Ver­hand­lun­gen wa­ren weit fort­ge­schrit­ten, schei­ter­ten dann aber am Ge­sund­heits­zu­stand Hardts, der am 3.1.1947 ei­nem Krebs­lei­den er­lag. An­statt des­sen über­nahm Hardt ei­nen Auf­trag zum Mo­ni­to­ring des NW­DR-Pro­gramms, das hei­ßt ei­ne qua­li­ta­ti­ve Pro­gramm­be­ob­ach­tung, die ei­ne wert­vol­le Quel­le für das frü­he Nach­kriegs­pro­gramm des NW­DR dar­stellt.

In an­de­ren Fäl­len ge­lang es Maass, nicht nur lei­ten­de Mit­ar­bei­ter an den NW­DR Köln zu lan­cie­ren wie bei­spiels­wei­se Pe­ter von Zahn oder Karl-Edu­ard von Schnitz­ler (1918-2001), son­dern gleich zwei In­ten­dan­ten. Max Burg­hardt, der in der Zwi­schen­zeit eben­falls in die KPD ein­ge­tre­ten war, kam An­fang Mai 1946 nach Köln. Nach den Kom­mu­nal­wah­len im Herbst 1946 be­gann sich die po­li­ti­sche Ein­stel­lung al­ler­dings ge­gen­über der Be­schäf­ti­gung von Kom­mu­nis­ten im NW­DR zu ver­än­dern. Burg­hardt zog die Kon­se­quenz, leg­te sein Amt im März 1947 nie­der und über­sie­del­te als Thea­ter­in­ten­dant und spä­te­rer DDR-Kul­tur­funk­tio­när in die So­wje­ti­sche Be­sat­zungs­zo­ne. Auf Burg­hardt folg­te Hanns Hart­mann, den Maass aus sei­ner Ju­gend in Es­sen kann­te. Hart­mann lei­te­te den (N)WDR von 1947 bis 1960.

Ei­nen wei­te­ren wich­ti­gen Ak­zent setz­te Maass mit der Grün­dung ei­ner „Mit­ar­bei­ter-Aus­bil­dungs­an­stal­t“. Am 1.1.1947 star­te­te die „Rund­funk­schu­le“ un­ter sei­ner Lei­tung als Ka­der­schmie­de für die Wei­ter­bil­dung und Schu­lung von Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten nach dem Vor­bild der BBC. Die­se In­sti­tu­ti­on kann nicht hoch ge­nug ein­ge­schätzt wer­den für die Ent­wick­lung des deut­schen Nach­kriegs­rund­funks. Aus ihr gin­gen be­deu­ten­de Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten her­vor wie bei­spiels­wei­se Pe­ter von Zahn, Wal­ter Eras­my (1924-1993), Er­win Beh­rens (1928-2015) oder Gerd Ru­ge (1928-2021).

Schon 1949 ge­riet Alex­an­der Maass ins Vi­sier ei­ner Ver­leum­dungs­kam­pa­gne ge­gen lei­ten­de Mit­ar­bei­ter des NW­DR, die die Ge­fahr ei­ner In­fil­tra­ti­on durch Kom­mu­nis­ten und die Steue­rung des Sen­ders durch die SPD be­schwor. Maass hat sich im Rah­men sei­ner Wie­der­gut­ma­chungs­an­ge­le­gen­heit in Be­zug auf sei­ne Tä­tig­keit in Mos­kau be­zie­hungs­wei­se für die bri­ti­schen Ge­heim­sen­der be­deckt ge­hal­ten. Sei­ne Po­si­ti­on als Pro­gramm­re­fe­rent der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on des NW­DR ab 1949 und Stell­ver­tre­ten­der Pro­gramm­di­rek­tor ab 1950 war je­doch in Ham­burg nicht mehr un­an­tast­bar. Im Zu­ge der Li­qui­da­ti­on des NW­DR und der Tren­nung in die Lan­des­rund­funk­an­stal­ten NDR und WDR wur­de er 1956 vom NDR nicht in ein Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis über­nom­men. Mit dem NW­DR wur­de auch die Rund­funk­schu­le ab­ge­wi­ckelt. Maass‘ Ver­su­che, die In­sti­tu­ti­on zum WDR zu trans­fe­rie­ren be­zie­hungs­wei­se ei­ne lei­ten­de Po­si­ti­on in Köln zu er­hal­ten, schei­ter­ten eben­falls.

1957 er­teil­te Maass, der zwi­schen­zeit­lich in die SPD ein­ge­tre­ten war, Red­ner­kur­se für die SPD und den Deut­schen Ge­werk­schafts­bund (DGB). 1958-1962 war er Ge­schäfts­füh­rer des SPD/DGB-Aus­schus­ses „Kampf dem Atom­to­d“. Alex­an­der Maass starb am 13.11.1971 in Bad Hom­burg.

Literatur

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Burg­hardt, Max, Ich war nicht nur Schau­spie­ler. Er­in­ne­run­gen ei­nes Thea­ter­man­nes, Ber­lin/Wei­mar 1973.

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Mitarbeiter der WERAG, in der Mitte Alexander Maass, undatiert. (WDR | Unternehmensfoto)

 
Zitationshinweis

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Bernard, Birgit, Alexander Maass, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/alexander-maass/DE-2086/lido/654cc1c3479f78.53285208 (abgerufen am 13.12.2024)