Amalie Lauer

Sozialpolitikerin, Leiterin der Schule für Kommunale Wohlfahrtspflege der Stadt Köln (1882-1950)

Manfred Berger (Dillingen an der Donau)

Amalie Lauer als Abgeordnete des preußischen Landtages, undatiert. (Ida-Seele-Archiv)

Als am 26.2.1993 die Sta­tue von Ama­lie Lau­er als letz­te von ins­ge­samt 124 Fi­gu­ren am Köl­ner Rat­haus­turm ent­hüllt wur­de, hielt Ro­se­ma­rie Jan­sen, Nich­te der Ge­ehr­ten, ei­ne klei­ne An­spra­che. Sie sag­te un­ter an­de­rem über ih­re ge­lieb­te „Tan­te Mal­l“: „Nach dem Krieg nahm die Tan­te mich ganz zu sich und er­mög­lich­te mir da­mit und durch ih­re rüh­ren­de Für­sor­ge im da­mals so schwe­ren All­tag das Me­di­zin­stu­di­um […] Ih­re po­li­ti­sche Ver­gan­gen­heit hol­te sie in die­ser Zeit ein, in­dem vie­le Men­schen sie um po­li­ti­sche Un­be­denk­lich­keits­zeug­nis­se, da­mals ‚Per­sil­schei­ne‘ ge­nannt, ba­ten. Mei­nem ju­gend­li­chen Un­ge­stüm, der nicht ver­ste­hen woll­te, daß sie die­sem Be­geh­ren so häu­fig und gro­ßzü­gig nach­gab, er­wi­der­te sie: Es ge­schä­he bei die­ser Ent­na­zi­fi­zie­rung durch mensch­li­che Schwä­che er­neut viel Un­recht, und Un­recht ha­be man stets ent­ge­gen­zu­ste­hen.“[1]

Dem Un­recht ent­ge­gen­zu­ste­hen ist be­zeich­nend für die Rich­tung der Le­bens­ar­beit die­ser gläu­bi­gen und stand­haf­ten Ka­tho­li­kin, die am 29.3.1882 in Frank­furt-Born­heim als dritt­äl­tes­tes von sechs Kin­dern des Schrei­ners und Kauf­manns Paul Lau­er (1843-1922) und des­sen Frau Ama­lie, ge­bo­re­ne Sä­mann (1852-1925), ge­bo­ren wur­de. Treue zu Glau­ben und Kir­che präg­ten das El­tern­haus. Ama­lie be­such­te nach vier Jah­ren Volks­schu­le die Hö­he­re Mäd­chen­schu­le der Ur­su­li­nen in Frank­furt, an der sich die Schü­le­rin – schon in jun­gen Jah­ren durch­set­zungs­fä­hig – aus ei­ge­nem An­trieb an­ge­mel­det hat­te. Ih­re Zeug­nis­se wei­sen sie als sehr gu­te Schü­le­rin aus. Bei den Ur­su­li­nen ab­sol­vier­te sie auch das Leh­re­rin­nen­se­mi­nar und leg­te am 25.5.1901 vor der Kö­nig­li­chen Prü­fungs­kom­mis­si­on in Wies­ba­den das Ex­amen ab. Die fol­gen­den drei Jah­re war Ama­lie Lau­er als Hilfs­leh­re­rin an Bür­ger-, Mit­tel- und Hö­he­ren Mäd­chen­schu­len ih­rer Ge­burts­stadt tä­tig, wo sie sich auch an der Vor­be­rei­tung der Heim­ar­bei­ter-Aus­stel­lung von 1908 be­tei­lig­te. Zu­gleich ließ sie sich an der Aka­de­mie für Han­dels- und So­zi­al­wis­sen­schaf­ten zur Di­plom-Han­dels­leh­re­rin aus­bil­den und ver­öf­fent­lich­te ei­ne klei­ne Mo­no­gra­phie, die sich un­ter an­de­rem äu­ßerst kri­tisch mit dem am 30.5.1903 ver­öf­fent­lich­ten Kin­der­schutz­ge­setz aus­ein­an­der­setz­te. Die Ver­fas­se­rin zeig­te gra­vie­ren­de Män­gel und Schwä­chen des Ge­set­zes be­züg­lich des Wir­kungs­ge­bie­tes, der Fas­sung, der Aus­füh­rung be­zie­hungs­wei­se Kon­trol­le auf und for­der­te die Aus­deh­nung der Ver­ord­nun­gen auf die in der Land­wirt­schaft und im Ge­sin­de­dienst be­schäf­tig­ten Kin­der.

Nach dem Han­dels­leh­re­rin­nen­ex­amen im Herbst 1909 führ­ten Ama­lie Lau­er für ei­ni­ge Mo­na­te Stu­di­en­ex­kur­sio­nen nach Pa­ris, Süd­frank­reich, Ita­li­en und Eng­land. Da­nach ent­schied sie ge­gen den lang ge­heg­ten Wunsch ins Klos­ter zu ge­hen und un­ter­rich­te­te an der Frank­fur­ter kauf­män­ni­schen Fort­bil­dungs­schu­le so­wie wei­te­ren Be­rufs­schu­len. Gleich­zei­tig ar­bei­te­te sie eh­ren­amt­lich als Ar­men- und Wai­sen­pfle­ge­rin, leg­te als Ex­ter­ne das Ab­itur ab und stu­dier­te Rechts- und Staats­wis­sen­schaf­ten in Gie­ßen und Tü­bin­gen. In letzt­ge­nann­ter Stadt pro­mo­vier­te sie 1913 zum Dr. jur. mit ei­ner Ar­beit über „Land­wirt­schaft und Heim­ar­beit in Deutsch­lan­d“. Für ih­re Dis­ser­ta­ti­on ver­wer­te­te sie un­ter an­de­rem Er­geb­nis­se der Wech­sel­be­zie­hun­gen zwi­schen Heim­ar­beit und Land­wirt­schaft, die sie wäh­rend ei­ner acht­tä­ti­gen In­spek­ti­ons­rei­se mit der Ge­wer­bein­spek­to­rin des Gro­ßher­zog­lich Ba­di­schen Ge­wer­be­auf­sichts­am­tes sam­meln konn­te, als auch über Un­ter­su­chun­gen, die sie mit Ge­neh­mi­gung der Kö­nig­li­chen Re­gie­rung von Un­ter­fran­ken und Aschaf­fen­burg im Spes­sart durch­führ­te. 

Die Figur von Amalie Lauer am Kölner Rathausturm. (Stadtkonservator Köln)

 

Ob­wohl Ama­lie Lau­er sich schon seit ge­rau­mer Zeit in­ner­halb des Ka­tho­li­schen Deut­schen Frau­en­bun­des en­ga­gier­te, lehn­te sie des­sen An­ge­bot ab, die Lei­tung der 1916 in Köln ge­grün­de­ten So­zia­len Frau­en­schu­le zu über­neh­men, da sie nicht auf Le­bens­zeit an­ge­stellt wer­den konn­te. An ih­rer Stel­le über­nah­m He­le­ne We­ber (1881-1962) die Ver­ant­wor­tung für die neu ge­grün­de­te so­zia­le Aus­bil­dungs­stät­te, die 1918 nach Aa­chen ver­legt wur­de. Der Grund da­für wa­ren an­hal­ten­de Kon­flik­te mit der Stadt Köln, die be­reits am 1.4.1914 die „Schu­le für Kom­mu­na­le Wohl­fahrts­pfle­ge­rin­nen“ – 1915 um­be­nannt in „Wohl­fahrts­schu­le der Stadt Köln“ – ins Le­ben ge­ru­fen hat­te. Am 1.4.1917 über­nahm Ama­lie Lau­er die Lei­tung der städ­ti­schen so­zia­len Bil­dungs­ein­rich­tung, der die Lei­te­rin des Köl­ner Wohl­fahrts­am­tes, Her­tha Kraus, vor­stand und die auch dort un­ter­rich­te­te. Die Di­rek­to­rin der städ­ti­schen Wohl­fahrts­schu­le zeich­ne­te für ein um­fas­sen­des Schu­lungs­pro­gramm ver­ant­wort­lich, das von der Fa­mi­li­en-, Tu­ber­ku­lo­se-, Säug­lings-, Ju­gend-, Ob­dach­lo­sen-, Al­ten- und Woh­nungs­für­sor­ge bis hin zur Aus­bil­dung von Fa­brik­pfle­ge­rin­nen und Für­sor­ge­rin­nen der Wohl­fahrts­po­li­zei (Po­li­zei­as­sis­ten­tin­nen) reich­te. Der letzt­ge­nann­te Aus­bil­dungs­zweig war ein No­vum der Köl­ner So­zi­al­schu­le.

An­fang bis Mit­te der 1920er Jah­re wur­de in der weit über 600.000 Ein­woh­ner zäh­len­den Dom­stadt am Rhein ein na­tio­nal wie in­ter­na­tio­nal auf­se­hen­er­re­gen­des Pro­jekt durch­ge­führt: Frau­en in Po­li­zei­uni­form pa­trouil­lier­ten in der Ge­gend rund um den Haupt­bahn­hof. Ih­re Auf­ga­be be­stand dar­in, Frau­en und Mäd­chen an­zu­spre­chen, die ver­däch­tig er­schie­nen, der „ge­werb­li­chen Un­zuch­t“ nach­zu­ge­hen. Da­für be­durf­te es ei­ner spe­zi­el­len Aus­bil­dung, die Ama­lie Lau­er in en­ger Zu­sam­men­ar­beit mit dem Wohl­fahrts­amt der Stadt er­ar­bei­te­te. Die­ser Frau­en­be­ruf konn­te sich je­doch letzt­lich nicht durch­set­zen. 

Ne­ben ih­rer an­stren­gen­den Be­rufs­tä­tig­keit ge­hör­te Ama­lie Lau­er von 1919 bis 1921 für das Zen­trum der Ver­fas­sung­ge­ben­den Preu­ßi­schen Lan­des­ver­samm­lung und 1921-1924 so­wie vom 28.2.1925 bis 1933 dem Preu­ßi­schen Land­tag an. In die­ser Funk­ti­on setz­te sie sich schwer­punkt­mä­ßig für die kul­tu­rel­le, so­zi­al­päd­ago­gi­sche und so­zi­al­po­li­ti­sche Ge­stal­tung der Frau­en­ar­beit so­wie für die all­ge­mei­ne Be­rufs­schul­pflicht, die Schul­auf­sicht und Schul­lei­tung an Fach- und Be­rufs­schu­len für das weib­li­che Ge­schlecht ein. Au­ßer­dem wid­me­te sie sich der Re­for­mie­rung des Ehe- und Fa­mi­li­en­rechts, wo­bei sie ei­nen Aus­gleich zwi­schen Pa­tri­ar­cha­lis­mus und In­di­vi­dua­lis­mus such­te, so­wie der Klein­rent­ner­für­sor­ge. Sie war au­ßer­dem Vor­sit­zen­de der Rechts­kom­mis­si­on des Ka­tho­li­schen Deut­schen Frau­en­bun­des, des Frau­en­bei­ra­tes der Zen­trums­par­tei, Mit­glied des Lan­des­ge­wer­be­am­tes und des Lan­des­ge­sund­heits­am­tes, des Ver­ban­des ka­tho­li­scher deut­scher Leh­re­rin­nen, des Ver­eins für länd­li­che Hei­mat- und Wohl­fahrts­pfle­ge, des Ver­eins für so­zia­les Recht so­wie Vor­stands­mit­glied im Ver­ein für Stu­den­tin­nen­hei­me. Fer­ner wirk­te sie durch zahl­rei­che Vor­trä­ge und Schrif­ten und ver­fass­te Bei­trä­ge für die re­nom­mier­te Zeit­schrift „Die Christ­li­che Frau“, dem Or­gan des Ka­tho­li­schen Deut­schen Frau­en­bun­des. Dort er­ör­ter­te sie be­reits 1910 die elen­de be­ruf­li­che Si­tua­ti­on der Kell­ne­rin­nen zwi­schen Aus­beu­tung und Pro­sti­tu­ti­on. Die­ses bri­san­te The­ma be­weg­te sei­ner­zeit durch­wegs die Frau­en­be­we­gung al­ler po­li­ti­schen und kon­fes­sio­nel­len Rich­tun­gen. 

We­gen ei­ner Pro­fes­sur für So­zi­al­päd­ago­gik am Köl­ner Be­rufs­päd­ago­gi­schen In­sti­tut von Mai 1930 bis En­de April 1931 ließ sie sich von ih­rem Pos­ten als Schul­lei­te­rin be­ur­lau­ben. Wäh­rend die­ser Zeit wur­de sie von der Ju­ris­tin Lui­se Be­ring (1886-1953) ver­tre­ten, die be­reits ab 1925 zu­neh­mend Lei­tungs­auf­ga­ben über­nom­men hat­te, da Ama­lie Lau­er als Land­tags­ab­ge­ord­ne­te und Vor­sit­zen­de des Frau­en­bei­ra­tes der Zen­trums­par­tei häu­fig ab­we­send war. Die Pro­fes­sur leg­te sie bald nie­der, zu­mal die Ent­wick­lung des In­sti­tuts nicht ih­ren Vor­stel­lun­gen ent­sprach. Am 30.6.1932 ver­lor Ama­lie Lau­er ih­re Stel­le als Di­rek­to­rin der städ­ti­schen Wohl­fahrts­schu­le. Laut amts­ärzt­li­chem Gut­ach­ten über ih­ren Ge­sund­heits­zu­stand war sie dau­ernd dienst­un­fä­hig, wie es in der of­fi­zi­el­len Mit­tei­lung des Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ters Kon­rad Ade­nau­er hieß.[2] Der ver­mut­lich po­li­tisch mo­ti­vier­ten Ent­las­sung kam sie zu­vor und reich­te selbst ein ent­spre­chen­des Ge­such ein. Sie konn­te kei­nes­falls ak­zep­tie­ren, dass sich die Zen­trums­par­tei als Ver­tre­te­rin des ka­tho­li­schen Deutsch­lands und des po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus, Mit­te 1932 um Kon­tak­te mit der NS­DAP auf po­li­tisch-par­la­men­ta­ri­scher Ebe­ne be­müh­te und Ade­nau­er selbst ei­ner Kom­mis­si­on des Zen­trums an­ge­hör­te, die mit der NS­DAP in Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen tre­ten soll­te.[3] 

Werbeprospekt der Kölner Wohlfahrtsschule. (Ida-Seele-Archiv)

 

In den Jah­ren vor Be­ginn der NS-Ge­walt­herr­schaft be­müh­te sich die Land­tags­ab­ge­ord­ne­te in zahl­rei­chen Vor­trä­gen, die (christ­li­che) weib­li­che Wäh­ler­schaft ge­gen­über dem auf­kei­men­den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus zu im­mu­ni­sie­ren. An­fang 1932 pu­bli­zier­te sie ei­ne 40 Sei­ten um­fas­sen­de po­li­ti­sche Auf­klä­rungs­schrift „Die Frau in der Auf­fas­sung des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus“, die im Köl­ner Gör­res­haus er­schien. Die Pu­bli­ka­ti­on, die sich aus­drück­lich an al­le Frau­en, un­ab­hän­gig von welt­an­schau­lich-po­li­ti­schen Stand­punk­ten, wand­te, ging aus Vor­trä­gen her­vor, die die Ver­fas­se­rin zur The­ma­tik in bür­ger­lich-li­be­ra­len Krei­sen und ka­tho­li­schen Frau­en­or­ga­ni­sa­tio­nen so­wie an So­zia­len Aka­de­mi­en und ver­schie­den­ar­ti­gen Frau­en­fach­schu­len im rhei­nisch-west­fä­li­schen Raum ge­hal­ten hat­te. Da­bei wer­te­te sie NS-Schrif­ten aus, wie Adolf Hit­lers (1889-1945) „Mein Kampf“, Al­fred Ro­sen­bergs (1892-1946) „Der My­thus des 20. Jahr­hun­derts“, Al­fred Ro­sen­bergs „We­sen, Zie­le und Grund­ge­dan­ken des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus“ so­wie die Pe­ri­odi­ka „Völ­ki­scher Be­ob­ach­ter“, „Rhein­fron­t“ und „Ers­te Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Frau­en­zei­tung". In der cou­ra­gier­ten Pu­bli­ka­ti­on ver­ur­teil­te die Au­to­rin die frau­en­ver­ach­ten­de NS-Ideo­lo­gie, die „ras­si­sche Züch­tungs­po­li­ti­k“ und stell­te die Re­du­zie­rung der Frau­en auf ih­re Re­pro­duk­ti­ons­auf­ga­ben als be­son­ders be­droh­lich her­aus. Da der Wert der Frau sich für das „Drit­te Reich“ vor al­lem als Er­hal­te­rin und Rein­hal­te­rin der ari­schen Ras­se dar­stel­le, warn­te sie da­vor, dass der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus über Volk, Na­ti­on, Re­li­gi­on und Mensch in un­er­bitt­li­cher Vor­herr­schaft den Ras­se­ge­dan­ken stel­len wür­de. Die­ser sei für den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ei­ne „Re­li­gi­on“. Als Me­ne­te­kel, stand dar­in wei­ter, dass der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ei­nen neu­en Krieg schü­re.[4] 

Die Zen­trums­po­li­ti­ke­rin ge­hör­te ne­ben Gus­si Ade­nau­er (1895-1948), An­to­nie Hop­mann, Bar­ba­ra Joos (1883-1939), Chris­ti­ne Teusch und Ka­tha­ri­na Zin­ni­cken (1893-1987) zu den pro­mi­nen­ten Köl­ne­rin­nen, die am 25.2.1933 ei­nen Mahn­ruf an die „Sehr ver­ehr­te Frau!“ zu den be­vor­ste­hen­den Reichs­tags­wah­len am 5.3.1933 ver­öf­fent­lich­ten. Die Zei­len warn­ten vor dem ins ma­ß­lo­se ge­wach­se­nen Ra­di­ka­lis­mus und hem­mungs­lo­sen Hass, der für das deut­sche Volk ein Un­glück und ei­ne Ge­fahr für Va­ter­land und Kir­che be­deu­te und selbst die Ju­gend mit sol­chen Ge­dan­ken ver­gif­te. Da­her war die Vor­sit­zen­de des Frau­en­bei­rats der Zen­trums­par­tei zu­tiefst be­trof­fen, dass ih­re Frak­ti­on mit gro­ßer Mehr­heit am 23.3.1933 be­schlos­sen hat­te, dem „Er­mäch­ti­gungs­ge­setz“ Adolf Hit­lers zu­zu­stim­men.

Da sie nach der Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ge­fähr­det war, zog sich Ama­lie Lau­er, zu­sam­men mit ih­rer um 17 Jah­re jün­ge­ren Le­bens­part­ne­rin, der An­wäl­tin Mar­ga­re­the Esch (1899-1966), in ihr Wo­chen­end­haus in Bens­berg (heu­te Stadt Ber­gisch Glad­bach) zu­rück. Da­bei war sie stets dem Druck der Be­spit­ze­lung und Be­dro­hung aus­ge­setzt. Als am 20. Ju­li 1944 das At­ten­tat auf Adolf Hit­ler miss­lang, be­gann im Rah­men der Ver­fol­gungs­ak­ti­on „Ge­wit­ter“ ei­ne gna­den­lo­se Jagd der Ge­sta­po auf al­le „ver­däch­ti­gen“ und un­lieb­sa­men Per­so­nen. Da­zu ge­hör­te auch die über­zeug­te Ka­tho­li­kin und Ver­fech­te­rin der De­mo­kra­tie Ama­lie Lau­er. Nur durch ei­nen glück­li­chen Zu­fall ent­ging sie ei­ner Ver­haf­tung, weil sich ih­re Le­bens­part­ne­rin wei­ger­te, der Ge­sta­po Lau­ers An­schrift mit­zu­tei­len und sie warn­te. 

Nach dem Zu­sam­men­bruch des „Drit­ten Rei­ches“ sah sich die Stadt Köln nicht im­stan­de, der in­zwi­schen 62-Jäh­ri­gen ei­ne ad­äqua­te Be­schäf­ti­gungs­mög­lich­keit an­zu­bie­ten. Ama­lie Lau­er en­ga­gier­te sich nicht mehr po­li­tisch, zu sehr war sie von der Ver­führ­bar­keit der „Mas­sen“ des­il­lu­sio­niert. So schrieb sie am 12.7.1947 an den ehe­ma­li­gen so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Kol­le­gen Wil­helm Soll­mann: „Ich ste­he heu­te äus­ser­lich dem po­li­ti­schen u. öf­fent­li­chen Le­ben fern. Es war schon da­mals rauh, voll Wi­der­spruch u. Un­ehr­lich­keit, aber nach dem to­ta­len Zu­sam­men­bruch ist die Ent­fes­se­lung al­ler In­stink­te noch lan­ge nicht be­en­det.“[5] 

Ihr neu­es Zu­hau­se in Köln-Nip­pes ent­wi­ckel­te sich zu ei­nem Ort der Be­geg­nung von Stu­den­tin­nen, Aka­de­mi­ke­rin­nen und Ar­bei­te­rin­nen, wo un­ter an­de­rem über zu­künf­ti­ge frau­en­po­li­ti­sche, so­zia­le und kul­tu­rel­le The­men dis­ku­tiert wur­de. Ama­lie Lau­er starb am 15.10.1950 in ei­nem Ful­da­er Kran­ken­haus an den Fol­gen ei­ner Le­ber­er­kran­kung. Bei­ge­setzt wur­de sie im Fa­mi­li­en­grab auf dem Born­hei­mer Fried­hof ih­rer Ge­burts­stadt Frank­furt am Main.

Schriften (Auswahl)

Ge­werb­li­cher Kin­der­schutz, Mön­chen-Glad­bach 1908.
 
Ju­gend­ge­richts­hö­fe II u. III, in: Die Christ­li­che Frau 7 (1909), S. 30-32, 60-64. 

Frau­en­gut im Ehe­recht, in: Die Christ­li­che Frau 7 (1909), S. 145-152, 181-188. 

Die Kell­ne­rin­nen­fra­ge, in: Die Christ­li­che Frau 8 (1910), S. 109-116.

Stel­lung und Aus­bil­dung der tech­ni­schen Leh­re­rin, in: Die Christ­li­che Frau 10 (1911), S. 397-405.

Die deut­sche Volks­wirt­schaft und der Krieg, in: Die Christ­li­che Frau 13 (1915), S. 26-30, 53-58.

Land­wirt­schaft und Heim­ar­beit in Deutsch­land, Diss. jur. Tü­bin­gen, Bor­na-Leip­zig 1915.

Zur La­ge der Klein­rent­ner, in: Die Christ­li­che Frau 26 (1928), S. 78-83.

Zur Re­form des Fa­mi­li­en­rechts, in: Bar­den­he­wer, Lui­se/Fran­ken, Aen­ne (Hg.), Die ka­tho­li­sche Frau in der Zeit, Düs­sel­dorf 1931, S. 41-53.

Weck­ruf aus der ka­tho­li­schen Stu­den­tin­nen­be­we­gung, in: Die Christ­li­che Frau 30 (1932), S. 89-92.

Die Frau in der Auf­fas­sung des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, Köln 1932. 

Literatur

Ber­ger, Man­fred, Lau­er, Ama­lie, in: Mai­er, Hu­go (Hg.), Who is who der So­zia­len Ar­beit, Frei­burg/Br. 1998, S. 345-347.

Ber­ger, Man­fred, Lau­er, Ama­lie, in: Bautz, Trau­gott (Hg.), Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon (BBKL), Band 22, Nord­hau­sen 2003, Spal­ten 768–775.

Eberl, Im­mo/Mar­con, Hel­mut, 150 Jah­re Pro­mo­ti­on an der Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Tü­bin­gen. Bio­gra­phi­en der Dok­to­ren, Eh­ren­dok­to­ren und Ha­bi­li­tier­ten 1830-1980, Stutt­gart 1984, S. 167.

Fran­ken, Ire­ne, Frau­en in Köln, Köln 2008, S. 223-227.

Jan­sen, Ro­se­ma­rie, An­spra­che (26.2.1993) an­lä­ß­lich der Ent­hül­lung der Sta­tue von Ama­lie Lau­er für den Rat­haus­turm in Köln, Köln 1993 [un­ver­öf­fent­lich­tes Ma­nu­skript]. 

Jan­sen, Ro­se­ma­rie/Jan­sen, Hans Hel­mut, Prof. Dr. phil. Ama­lie Lau­er 1882-1950. Zum Ge­dächt­nis ei­ner füh­ren­den Per­sön­lich­keit der ka­tho­li­schen Frau­en­be­we­gung, in: Die Christ­li­che Frau 49 (1960), S. 141-144.

Kuhn, An­net­te/Ro­the, Va­len­ti­ne, Frau­en im deut­schen Fa­schis­mus, Band 1, Düs­sel­dorf 1982, S. 77-80.

Pré­gar­dier, Eli­sa­beth/Mohr, An­na, An­to­nie Hop­mann (1882-1941). We­ge zum We­sent­li­chen. Ein Le­ben für Frau­en­be­we­gung und So­zi­al­po­li­tik, Ann­wei­ler/Es­sen 1991.

Pré­gar­dier, Eli­sa­beth/Mohr, An­na, Po­li­tik als Auf­ga­be. En­ga­ge­ment christ­li­cher Frau­en in der Wei­ma­rer Re­pu­blik, Ann­wei­ler/Es­sen 1990. Rei­ni­cke, Pe­ter, Die Aus­bil­dungs­stät­ten der so­zia­len Ar­beit in Deutsch­land 1899-1945, Ber­lin 2012, S. 305-307.

Sack, Bir­git, Dr. Ama­lie Lau­er 1882-1950, in: „10 Uhr pünkt­lich Gür­ze­nich“. Hun­dert Jah­re be­weg­te Frau­en in Köln, Köln 1995, S. 135-139.

Sack, Bir­git, Ama­lie Lau­er (1882-1950), in: Aretz, Jür­gen/Mor­sey, Ru­dolf/Rau­scher, An­ton (Hg.), Zeit­ge­schich­te in Le­bens­bil­dern, Band 12, Müns­ter 2007, S. 34-47.

Sack, Bir­git, Zwi­schen re­li­giö­ser Bin­dung und mo­der­ner Ge­sell­schaft. Ka­tho­li­sche Frau­en­be­we­gung und po­li­ti­sche Kul­tur in der Wei­ma­rer Re­pu­blik (1918/19-1933), Müns­ter 1998. 

Amalie Lauers politische Aufklärungsschrift, 1932. (Ida-Seele-Archiv)

 
Zitationshinweis

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Berger, Manfred, Amalie Lauer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/amalie-lauer/DE-2086/lido/65a114995ca832.49084292 (abgerufen am 27.04.2024)