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Ernst von Bodelschwingh, Spross einer alten westfälischen Ritterfamilie, war ein preußischer Spitzenbeamter, der in politisch schwierigen Zeiten in den preußischen Westprovinzen hohe Verwaltungsämter innehatte sowie zwischen 1842 und 1848 preußischer Staatsminister war, zunächst der Finanzen, dann des Innern.
Ernst Albert Karl Wilhelm Ludwig von Bodelschwingh wurde am 26.11.1794 in Velmede (heute Bergkamen-Weddinghofen) als Sohn des Franz Christoph Gisbert Friedrich Wilhelm von Bodelschwingh (1754-1827), Herrn auf Velmede, und der Friederike Sophie Wilhelmine Henriette geborene Freiin von Plettenberg (1786-1850) geboren. Die Familie war evangelischer Konfession. Bodelschwingh heiratete am 27.7.1822 in Methler (heute Stadt Kamen) Charlotte von Diest (1793-1869), Tochter des Geheimen Regierungsrats in Kleve und späteren Tribunalpräsidenten in Burgsteinfurt Friedrich von Diest auf Halsaff und Wolfskuhl, und seiner Ehefrau Maria von Oven. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor, darunter der Begründer der Bethelschen Anstalten, Friedrich von Bodelschwingh d. Ä.(1831-1910), und eine Tochter.
Bodelschwingh besuchte das Gymnasium in Hamm in Westfalen, studierte zunächst an der Forstakademie Dillenburg (1811), anschließend Rechts- und Kameralwissenschaften in Berlin (1812-1814) und Göttingen (1814). Als Sekondelieutenant im 2. Garde-Regiment zu Fuß nahm er vom 10.2.1813 bis 1815 an den Befreiungskriegen teil, wurde am 21.10.1813 bei Freyburg an der Unstrut schwer verwundet (Lungenschuss) und mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet. Am 24.11.1814 legte er in Münster die Prüfung zum Regierungsreferendar ab, wurde allerdings erst am 28.11.1817 in die Stelle eingeführt. Am 13.3.1820 absolvierte er die Große Staatsprüfung („sehr gut“) und war ab 24.5.1820 als Regierungsassessor bei den Regierungen Münster und Kleve (ab 31.5.1820) tätig, wurde am 6.4.1821 vorübergehend in das preußische Finanzministerium berufen, jedoch schon am 15.11.1821 der Regierung in Arnsberg überwiesen. Aus dieser Stellung wurde er am 28.3.1822 zum Landrat des Kreises Tecklenburg ernannt. 1830 wurde er für den Wahlbezirk Mark in den Westfälischen Provinziallandtag gewählt, dem er bis 1833 angehörte, 1833 als stellvertretender Landtagsmarschall.
Nach fast 10-jähriger Amtszeit im nördlichen Münsterland wechselte er im Mai 1831 als Oberregierungsrat und Vertreter des Regierungspräsidenten nach Köln, um bereits am 31.10.1831 zum Regierungspräsidenten in Trier ernannt zu werden. Am 30.4.1834 bestellte ihn König Friedrich Wilhelm III. (Regentschaft 1797-1840) zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz. Die Stelle trat Bodelschwingh am 12. Juni in Koblenz an und übernahm damit in politisch unruhigen Zeiten die höchste Stelle, die der preußische Staat im Rheinland zu vergeben hatte. Ein erstarkendes Bürgertum versuchte zunehmend seine politischen Mitwirkungsrechte wahrzunehmen, auch in den von der Zensur bedrängten Medien, die katholische Kirche ließ sich nicht so leicht ducken wie der Protestantismus („Kölner Wirren“), die Industrialisierung erforderte Antworten auf neue Fragen, die neue Regelung der Kommunalverhältnisse war zu bewerkstelligen, wie sie schließlich in der Rheinischen Gemeindeordnung von 1845 festgelegt wurden. Mit der letzteren hatte sich von Bodelschwingh noch nach seinem am 1.5.1842 erfolgten Ausscheiden aus dem Amt des Oberpräsidenten zu beschäftigen. So bat der preußische Innenminister Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg (1803-1868, Innenminister 1842-1845) am 5.9.1842 den nunmehrigen Finanzminister von Bodelschwingh „um geneigte Mitteilung Ihrer erleuchteten, auf die Kenntnis der Provinz gegründeten Ansicht [zur Gemeindeordnung] ganz ergebenst bitten zu dürfen.[1] Diese „erleuchteten“ Erkenntnisse sind leider nicht überliefert.
Der bewährte Verwaltungsbeamte von Bodelschwingh war am 24.3.1842 zum preußischen Finanzminister ernannt worden und übernahm das Amt am 1. Mai. Fast genau zwei Jahre später, am 3.5.1844 schied er aus dem Amt aus, wurde jedoch am selben Tage von König Friedrich Wilhelm IV. (Regentschaft 1840-1858, gestorben 1861) zum Geheimen Staats- und Kabinettsminister (Minister ohne Ressort) ernannt. Am 8.7.1845 wurde ihm zunächst interimistisch die Leitung des Ministeriums des Innern übertragen, am 10.7.1846 wurde er definitiv zum Minister des Innern ernannt. In dieser Stellung geriet er in die Auseinandersetzungen um die seit 1815 schwelende Verfassungsfrage. Selbst von der Notwendigkeit einer Konstitution überzeugt, musste er als Regierungskommissar die unzureichenden Zugeständnisse des Königs vor dem ersten Vereinigten Landtag 1847 vertreten.
Als Minister gehörte er auch von 1842 bis 1848 dem preußischen Staatsrat an. Am 19.3.1848 schied er im Zusammenhang mit der Märzrevolution auf Gesuch aus seinen Ämtern als Staats- und Kabinettsminister aus. Sein Verhalten in Berlin während des 18.3.1848 blieb umstritten und wurde unter anderem von Otto von Bismarck (1815-1898) heftig kritisiert.
Die nächsten Jahre blieb er ohne öffentliches Amt, nahm jedoch einige politische Mandate wahr: Von 1849 bis 1852 war er im Wahlkreis Arnsberg gewähltes Mitglied der preußischen Zweiten Kammer (Abgeordnetenhaus) für die Rechte Fraktion, im Jahr 1850 für die Bahnhofpartei im Wahlkreis Berlin 4 gewählter Abgeordneter im Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments und dort zugleich Vorsitzender des Verfassungsausschusses. Zudem war er von September 1849 bis März 1850 Vorsitzender des Verwaltungsrats der verbündeten deutschen Regierungen. Er galt als gemäßigt konservativer Politiker, dem Zentrum nahestehend.
Mit der Ernennung zum Regierungspräsidenten in Arnsberg am 1.11.1851 trat er wieder in den Staatsdienst ein. In dieser Stellung verstarb der Wirkliche Geheime Rat mit Prädikat „Exzellenz“ am 18.5.1854 im sauerländischen Medebach an einer Lungenentzündung, für die ihn ein Lungenschuss aus dem Krieg 1813 besonders anfällig gemacht hatte. Für seine Verdienste war er mit dem Roten Adlerorden 1. Klasse mit Eichenlaub geehrt worden.
Quellen
Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38, hg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Jürgen Kocka und Wolfgang Neugebauer (Acta Borussica NF 1), Band 3: 9. Juni 1840–14. März 1848, bearb. von Bärbel Holtz, Hildesheim [u.a.] 2000; Band 4, 1 u. 2, 30. März 1848–27. Oktober 1858, bearb. von Bärbel Holtz, Hildesheim [u.a.] 2003.
Rheinische Briefe und Akten zur Geschichte der politischen Bewegung 1830–1850.Gesammelt und hg. von Joseph Hansen, Band 1: 1830-1845, Essen/Leipzig 1919, Nachdruck Düsseldorf 1997.
Literatur
Bär, Max, Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, Bonn 1919, Nachdruck Düsseldorf 1998.
Häming, Josef, Die Abgeordneten des Westfalenparlaments 1826-1978, Münster 1978.
Haunfelder, Bernd, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus 1949-1867, Düsseldorf 1994, S. 67 Nr. 168.
Lengemann, Jochen, Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850. Ein Handbuch: Mitglieder, Amtsträger, Lebensdaten, Fraktionen, München/Jena 2000, S. 85-86 [biographische Daten].
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945, Düsseldorf 1994, S. 360-361.
Wegmann, Dietrich, Die leitenden Verwaltungsbeamten der Provinz Westfalen 1815-1918, Münster 1969, S. 246.
Online
Bußmann, Walter, Bodelschwingh, Ernst von, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 350-351. [Online]
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Lilla, Joachim, Ernst von Bodelschwingh, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-von-bodelschwingh/DE-2086/lido/5b6abda14699f5.86472420 (abgerufen am 06.10.2024)