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Albert Brülls zählte in den 1950er und 1960er Jahren zu den besten Stürmern im deutschen Fußball. In seinem Verein VfL Borussia Mönchengladbach war er Leistungsträger und Publikumsliebling zugleich; 1960 führte er seine Mannschaft zum ersten Sieg im DFB-Pokal. Als Nationalspieler nahm er an zwei Weltmeisterschaften teil und gehörte 1962 zu den ersten deutschen Fußballern, die als „Legionäre“ in die italienische Liga wechselten.
Albert Brülls wurde am 26.3.1937 als Sohn von Albert und Ida Brülls in Anrath (heute Stadt Willich) als fünftes von insgesamt sieben Kindern geboren. In einer ländlichen Umgebung und unter den bescheidenen Verhältnissen der Kriegs- und Nachkriegszeit aufwachsend, gehörte Brülls zu jener Generation von Straßenkickern, die den bundesdeutschen Fußball bis in die 1970er Jahre prägen sollte. Der Vater arbeitete als Tuchweber in Willich und bestimmte, dass auch seine fünf Söhne diesen Beruf erlernten, um ihren Beitrag zur Ernährung der Familie zu leisten.
Das fußballerische Talent hatte Brülls zweifellos von seinem Vater geerbt, der in seiner Jugend bei Victoria Anrath gespielt hatte. In diesem Verein nahm auch die Karriere seines Sohnes 1945 ihren Anfang. 1952 trug Brülls als Jugendspieler erstmals das Trikot des VfL Borussia Mönchengladbach und bestritt am 28.8.1955 sein erstes Spiel für dessen Oberligamannschaft. Beim 2:3 gegen den Duisburger SV bereitete er den ersten Gladbacher Treffer vor und erzielte den zweiten selbst. Zu diesem Zeitpunkt stand der Verein freilich erst am Anfang einer rasanten Entwicklung, die in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt erreichen sollte, als man neben dem FC Bayern München den deutschen Fußball dominierte. In der Mitte der 1950er Jahre galt es jedoch zunächst, sich in der Oberliga und gegenüber den regionalen Konkurrenten zu behaupten. Der Blick richtete sich nicht auf die obere Tabellenhälfte, der Verein war froh, wenn er die Klasse halten konnte.
In seiner ersten Saison erzielte Brülls in 26 Oberligaspielen acht Tore, wobei die Qualitäten des jungen Stürmers auch den Verantwortlichen für die Nationalmannschaft nicht lange verborgen blieben. Mit seiner Schnelligkeit und Dribbelstärke war er durch seine Gegner nur schwer auszurechnen. Darüber hinaus ließ er sich durch seine Beidfüßigkeit äußerst variabel einsetzen. Mit 19 Jahren gehörte er 1956 zur deutschen Olympiaauswahl bei den Spielen in Melbourne, die allerdings einen enttäuschenden Verlauf nahmen. Die deutsche Auswahl verlor ihr erstes und gleichzeitig letztes Spiel bei diesem Turnier mit 1:2 gegen die Sowjetunion. Brülls kam dabei zwar nicht zum Einsatz, konnte sein Talent in den folgenden Jahren in den verschiedenen Jugendmannschaften des DFB aber eindrucksvoll unter Beweis stellen. Bundestrainer Sepp Herberger (1897-1977) berief ihn schließlich für das Spiel gegen die Schweiz am 4.10.1959 erstmals in den Kader des A-Nationalteams. Beim 4:0 Erfolg der DFB-Auswahl im Berner Wankdorfstadion bestritt Albert Brülls sein erstes von 25 Länderspielen, in denen er insgesamt neun Tore erzielen sollte. Sein Einstand verlief bemerkenswert und machte ihn bundesweit bekannt. Der Debütant hatte sich nicht nur nahtlos in das Spiel der Mannschaft eingefügt, sondern auch das 2:0 erzielt. Glänzende Kritiken waren die Folge, Brülls wurde in der Presse als Nachwuchshoffnung des deutschen Fußballs gefeiert.
Auch im Verein präsentierte er sich in herausragender Verfassung. Nachdem Mönchengladbach 1957 aus der Oberliga hatte absteigen müssen, war es Brülls, der in der Saison 1957/1958 mit 21 erzielten Toren einen entscheidenden Beitrag zum direkten Wiederaufstieg leistete. In der Spielzeit 1958/1959 schoss er in 30 Oberligaspielen 13 Tore und hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Mönchengladbach einem drohenden erneuten Abstieg entging und am Ende den 13. Platz belegte. Brülls war nicht nur zum Leistungsträger und Führungsspieler herangereift, sondern auch zum unumstrittenen Publikumsliebling avanciert. Außerhalb des Fußballplatzes galt er als zurückhaltend, Starallüren blieben ihm fremd. Vielmehr verlor er auch im Erfolg niemals die Bodenhaftung – Attribute, die ihn neben seinen sportlichen Leistungen zeitlebens zu einem Sympathieträger machten.
1960 führte er seine Mannschaft mit überragenden Leistungen in das DFB-Pokalfinale: Im Endspiel um den Westdeutschen Pokal hatten die Gladbacher zunächst mit 3:1 über den 1. FC Köln triumphiert und zwei Wochen später den amtierenden Deutschen Meister Hamburger SV überraschend mit 2:0 geschlagen. Der Gegner des Finales am 5.10.1960 im Düsseldorfer Rheinstadion war der Karlsruher SC. Gladbach behielt am Ende dieses umkämpften Spiels die Oberhand und gewann mit 3:2. Brülls leistete für die ersten beiden Treffer die Vorarbeit und erzielte den Siegtreffer selbst.
Während sich in den bedeutenden Fußballnationen der Profifußball längst etabliert und den Vereinsmannschaften einen weiten Vorsprung vor den deutschen Konkurrenten verschafft hatte, hielten die Verantwortlichen beim DFB zu Beginn der 1960er Jahre nach wie vor am Amateurprinzip fest. Auch Brülls, der als einer der ersten deutschen Spieler die Einführung des Profitums forderte, hätte von seinem Gehalt beim VfL Mönchengladbach nicht leben können und war während seiner ersten Jahre als Spieler noch dem erlernten Beruf als Weber nachgegangen. Ab 1960 betrieb er in Mönchengladbach nahe dem Stadion am Bökelberg eine Tankstelle.
Nach dem Pokalsieg begann die Mehrfachbelastung durch die Ausübung des Sportes einerseits und der beruflichen Existenzsicherung andererseits auch von Brülls ihren Tribut abzufordern. Vor allem im Verein gelang es ihm nicht, an die Leistungen der Vorjahre anzuknüpfen: In der Spielzeit 1960/1961 gelang ihm nur ein einziger Treffer in 25 Oberligaspielen, in der darauf folgenden Saison waren es immerhin drei bei 28 Einsätzen. Auch von schweren Verletzungen blieb er nicht verschont. In seinem vierten Länderspiel am 20.12.1959 zog er sich einen Bruch des rechten Wadenbeins zu und fiel über längere Zeit aus.
In der Nationalmannschaft blieb Brülls trotz der schwankenden Leistungen im Verein dennoch eine feste Größe und hatte auch in der erfolgreichen Qualifikation zur Weltmeisterschaftsendrunde 1962 in Chile durch starke Leistungen und drei Toren in vier Spielen zu überzeugen gewusst. Bei der Weltmeisterschaft wurde er in allen vier Spielen der deutschen Mannschaft eingesetzt. Die strikte Defensivtaktik Herbergers ließ ihn jedoch nur selten zur erhofften Entfaltung seiner Offensivqualitäten kommen. Immerhin gelang ihm beim 2:1 Sieg im Gruppenspiel gegen die Schweiz der erste deutsche Treffer des Turniers, beim Sieg gegen Chile bereitete er das 2:0 durch Uwe Seeler (geboren 1936) vor. Im Viertelfinale gegen Jugoslawien spielte Brülls auf Rechtsaußen, jedoch vermochte auch er trotz guter Leistung die ernüchternde 0:1 Niederlage und das frühe Ausscheiden der DFB-Auswahl nicht zu verhindern.
Wenige Wochen später, am 10.7.1962, wurde sein Wechsel zum italienischen Erstligisten AC Modena bekannt gegeben. Mönchengladbach kassierte die für die damaligen Verhältnisse spektakuläre Ablösesumme von 250.000 Mark. Noch bevor Brülls Abschied von seiner niederrheinischen Heimat nahm, heiratete er am 24.7.1962 die ebenfalls aus einer Fußballerfamilie stammende Doris Winkler. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.
In Italien fand Brülls schließlich jene äußeren Umstände vor, die er zuvor in Deutschland vergeblich eingefordert hatte. Allein für die Unterzeichnung des Vertrages erhielt er eine Summe von 150.000 Mark. Frei von existentiellen Sorgen konnte er sich nun ganz auf die Ausübung seines Sportes konzentrieren. Der Umstand, dass der AC Modena sportlich nicht mit den italienischen Spitzenvereinen mithalten konnte und er sich als Stürmer dem „Catenaccio“, der Ergebnis orientierten, von Defensivzwängen bestimmten iatlienischen Spielweise, unterzuordnen hatte, trübten das positive Gesamtbild nur wenig. In den 107 Spielen, die er zwischen 1962 und 1968 in der ersten italienischen Liga bestritt, erzielte er zwölf Treffer.
Nach der Spielzeit 1964/1965 stieg Modena ab, woraufhin Brülls eine Offerte des AC Brescia annahm und für drei Jahre seinen Lebensmittelpunkt in der Lombardei nahm. Die Entscheidung zum Wechsel nach Italien hatte 1962 eine Unterbrechung seiner Karriere in der deutschen Nationalelf nach sich gezogen, da die Vereine zu jener Zeit nicht verpflichtet waren, ausländische Spieler für Länderspiele freizustellen. Bei der Unterzeichnung des Kontraktes mit Brescia hatte sich Brülls dieses Recht jedoch vertraglich zusichern lassen. In der seit 1963 von Helmut Schön (1915-1996) betreuten Nationalelf feierte er im März 1966 beim 4:2 Sieg über die Niederlande in Rotterdam ein durchwachsenes Comeback.
Obwohl er zum offensiv ausgerichteten Spiel der deutschen Mannschaft noch keine rechte Bindung hatte finden können, wurde er von Schön in den Kader der Weltmeisterschaft 1966 in England berufen. Dabei bestritt Brülls das Auftaktspiel gegen die Schweiz (5:0) und gehörte auch gegen Argentinien (0:0) zur Stammelf. Eine in diesem Spiel erlittene schwere Oberschenkelverletzung machte jedoch nicht nur seinen Einsatz im abschließenden Gruppenspiel gegen Spanien, sondern auch im Viertel- und Halbfinale unmöglich. Brülls wurde durch den Dortmunder Lothar Emmerich (1941-2003) ersetzt und schließlich verdrängt. Zwar wäre Brülls im Finale gegen England wieder einsatzfähig gewesen, doch hielt Schön auch in diesem Spiel an Emmerich fest, obwohl dieser in den Spielen zuvor nicht den besten Eindruck hinterlassen hatte. Die Weltmeisterschaft 1966, die seine Karriere hätte krönen sollen, endete für Brülls somit mit einer großen Enttäuschung, das legendäre 2:4 gegen England verfolgte er lediglich als Zuschauer. Nach dem Turnier sparte er nicht mit öffentlicher Kritik am Bundestrainer, woraufhin dieser ihn nicht mehr nominierte.
Allmählich neigte sich die Karriere von Albert Brülls ihrem Ende entgegen. Nach zwei weiteren Jahren beim AC Brescia wechselte er 1968 als Spielertrainer in die Schweiz zu Young Boys Bern. 1970 kehrte er mit seiner Familie nach Deutschland zurück, wo er noch zwei Jahre beim VfR Neuss in der Regionalliga aktiv war, ehe er die Fußballschuhe 1972 mit 35 Jahren endgültig an den Nagel hängte.
In den darauf folgenden Jahren arbeitete Brülls als Trainer, allerdings ohne hierin Bestimmung und Erfüllung finden zu können. Auch der Versuch, sich als Gastronom mit einem Restaurant für italienische Küche selbständig zu machen, scheiterte. Brülls zog sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Auch zu seinem alten Verein Borussia Mönchengladbach suchte er keinen näheren Kontakt mehr. Er fand schließlich eine ihn ausfüllende Anstellung bei der Medienstelle in Neuss und genoss die Zeit, die er mit seiner Familie verbringen konnte.
Am 28.3.2004 starb Albert Brülls an Krebs. Er wurde auf dem Hauptfriedhof in Mönchengladbach beigesetzt. Die Erinnerung an das Fußballidol der 1950er und 1960er Jahre wird durch seinen alten Verein lebendig gehalten. In Mönchengladbach und in seinem Geburtsort Anrath wurden Straßen nach ihm benannt.
Literatur
Aretz, Markus/Rütten, Ingo/Lessenich, Michael, Borussias Legenden. 11 Torjäger. Von Albert Brülls bis Oliver Neuville, Göttingen 2008, S. 9-26.
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Thomann, Björn, Albert Brülls, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/albert-bruells-/DE-2086/lido/57c589f6f2e398.28247749 (abgerufen am 05.10.2024)