Wilhelm Börger

NSDAP-Politiker, Ministerialbeamter im Reichsarbeitsministerium (1896-1962)

Rüdiger Hachtmann (Berlin)

Fotoaufnahme von Wilhelm Börger aus der NSDAP-Zentralkartei, undatiert. (Bundesarchiv/R 9361-VIII)

Wil­helm Bör­ger, ein ge­lern­ter Schlos­ser und früh in pro­to­fa­schis­ti­schen Be­we­gun­gen en­ga­giert, ab 1929 NS­DAP-Mit­glied, war seit Herbst 1938 ein lei­ten­der Mi­nis­te­ri­al­be­am­ter im Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­um. Ab 1929 trat er als „Reichs­red­ner“ der NS­DAP vor­nehm­lich im Rhein­land auf. Von Mit­te Ju­ni 1933 bis En­de Aug. 1938 am­tier­te Bör­ger als (Reichs-)Treu­hän­der der Ar­beit für das Rhein­land. Sei­ne Kol­le­gen mach­ten ihn nach 1945 zum „fa­na­ti­schen al­ten Pg.“ und „Na­zi-Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor“ – und dis­tan­zier­ten sich nach dem Zu­sam­men­bruch des NS-Re­gimes ve­he­ment von ihm. Da­ge­gen stritt Bör­ger al­le Vor­wür­fe ab, tie­fer in die Ver­bre­chen der Hit­ler-Dik­ta­tur ver­strickt ge­we­sen zu sein.

Ge­bo­ren wur­de Wil­helm Bör­ger am 14.2.1896 in Kray (heu­te Stadt Es­sen) als Sohn ei­nes Fahr­stei­gers. Die Fa­mi­lie war evan­ge­lisch. Nach dem Be­such der Volks­schu­le und der evan­ge­li­schen Prä­pan­de­rie 1910/1911 er­lern­te er das Schlos­ser­hand­werk. Seit April 1914 ar­bei­te­te er als Ge­sel­le zu­nächst in ei­ner Ma­schi­nen­fa­brik in Her­ne, spä­ter auf der Ze­che Dah­l­busch in Gel­sen­kir­chen-Rott­hau­sen. Im Som­mer 1915 mel­de­te er sich als Kriegs­frei­wil­li­ger. Als Ma­ri­ne-Ar­til­le­rie-Me­cha­ni­ker nahm er En­de Mai 1916 an der ein­zi­gen grö­ße­ren See­schlacht des Ers­ten Welt­kriegs am Ska­gerak teil. Nach sei­ner Ent­las­sung En­de 1918 aus der Ma­ri­ne ar­bei­te­te er er­neut als Schlos­ser und Elek­tri­ker auf der Ze­che Dah­l­busch so­wie in ver­schie­de­nen Un­ter­neh­men im Raum Neuss. Zu­letzt war er als Be­triebs­se­kre­tär bei der Stadt Neuss be­schäf­tigt.

Po­li­tisch en­ga­gier­te sich Bör­ger schon früh in pro­to­fa­schis­ti­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen. Noch 1919 schloss er sich dem nach dem Kor­vet­ten­ka­pi­tän, „See­hel­den“ und frü­hen NS­DAP-Mit­glied (1919) Hell­muth vom Mü­cke (1881-1957) be­nann­ten Mü­cke-Bund, von En­de 1922 bis 1927 dann der „Deutsch-völ­ki­sche Frei­heits­par­tei“ so­wie wei­te­ren rechts­ex­tre­men Ver­bän­den an. Bei den bei­den Reichs­tags­wah­len 1924 kan­dier­te er ver­geb­lich für den Völ­kisch-so­zia­len Block. Von der Jah­res­wen­de 1925/1926 bis 1929 war Bör­ger Mit­glied des von Franz Seld­te (1882-1947) ge­führ­ten „Stahl­helm/Bund der Front­sol­da­ten“, der in die­sem Zeit­raum grö­ß­ten rechts­ex­tre­men Mas­sen­or­ga­ni­sa­ti­on der Wei­ma­rer Re­pu­blik, mit aus­ge­präg­ten Sym­pa­thi­en für die Mus­so­li­ni-Dik­ta­tur. An­fang Sep­tem­ber 1929 wech­sel­te Bör­ger vom „Stahl­hel­m“ zur NS­DAP (Mit­glieds­num­mer 150.841) und mach­te an­schlie­ßend in der Hit­ler-Par­tei Kar­rie­re. Von Sep­tem­ber 1930 bis zum En­de des NS-Re­gimes ge­hör­te er für den Wahl­kreis 22 (Düs­sel­dorf Ost) dem Reichs­tag an. 

In­ner­halb der 1931/1932 ge­grün­de­ten Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Be­triebs­zel­len-Or­ga­ni­sa­ti­on war er als In­spek­tor be­zie­hungs­wei­se Lan­des­ob­mann West ei­ner der füh­ren­den Funk­tio­nä­re die­ser pseu­do-ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on. Zen­tral war sei­ne Rol­le auch beim Auf­bau der Deut­schen Ar­beits­front (DAF): Im Früh­jahr 1933 fun­gier­te er als kom­mis­sa­ri­scher Lei­ter des Deut­schen Tex­til­ar­bei­ter-Ver­ban­des und des Deut­schen Me­tall­ar­bei­ter-Ver­ban­des so­wie als rhei­ni­scher Be­zirks­lei­ter der DAF – der grö­ß­ten NS-Mas­sen­or­ga­ni­sa­ti­on, de fac­to frei­lich ei­ne pa­ter­na­lis­ti­sche So­zi­al­be­hör­de im Vor­feld der NS­DAP. Auf­grund sei­ner re­la­ti­ven Pro­mi­nenz im Rhein­land mach­te ihn die Uni­ver­si­tät Köln ab Früh­jahr 1933 zum Lehr­be­auf­trag­ten für „Grund­fra­gen des So­zia­lis­mus“ und am 16.7.1935 zum Ho­no­rar­pro­fes­sor.

Auf aus­drück­li­chen Vor­schlag der bei­den NS­DAP-Gau­lei­ter Jo­sef Grohé (Köln-Aa­chen) un­d Gus­tav Si­mon (Ko­blenz-Trier) wur­de Bör­ger am 13.6.1933 zum „Treu­hän­der der Ar­beit“ für das Rhein­land er­nannt. Die­se „Treu­hän­der“ wa­ren nach der Zer­schla­gung der Ge­werk­schaf­ten und da­mit der Be­sei­ti­gung der (schon seit 1930 zu­neh­mend aus­ge­he­bel­ten) Ta­rif­ver­trä­ge not­wen­dig ge­wor­den: Sie fi­xier­ten die bis­he­ri­gen Ta­rif­ver­trä­ge als Ta­rif­ord­nun­gen und lie­ßen in ih­rer Funk­ti­on als höchs­te ta­rif­po­li­ti­sche In­stanz in rasch wach­sen­dem Ma­ße Un­ter­schrei­tun­gen der oh­ne­hin nied­ri­gen ta­rif­li­chen Lohn­sät­ze zu. Mit­hin tru­gen sie ma­ß­geb­lich zur Re­duk­ti­on der Lohn­kos­ten und da­mit auch zur Fi­nan­zie­rung der Auf­rüs­tung bei. Ad­mi­nis­tra­tiv wa­ren sie, bis 1938/1939, an das Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­um an­ge­bun­den. Als ho­he Be­am­te des Ar­beits­mi­nis­te­ri­ums, das seit En­de Fe­bru­ar 1933 vom Stahl­helm-Füh­rer Franz Seld­te ge­lei­tet wur­de, soll­ten sie die­ses über ih­re Rol­le als Ta­rif­kom­mis­sa­re hin­aus in den re­gio­na­len NS-Mi­lieus ver­an­kern. Im Un­ter­schied zu den ho­hen Be­am­ten des Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­ums wa­ren die „Treu­hän­der der Ar­beit“ lang­jäh­ri­ge NS­DAP-Mit­glie­der, „Al­te Kämp­fer“ so­wie dar­über hin­aus au­ßer­dem oft hoch­ran­gi­ge SS-Mit­glie­der.

 

Bör­ger steht hier ex­em­pla­risch: Er war ein im Rhein­land all­seits an­er­kann­ter „Alt-Par­tei­ge­nos­se“ so­wie seit An­fang 1939 als „Bri­ga­de­füh­rer“ – ein Rang, der dem des Ge­ne­ral­ma­jors ent­sprach – auch ein hoch­ran­gi­ges SS-Mit­glied. Im Ju­li 1939 soll Bör­ger als „Reichs­red­ner der Par­tei“ auf dem NS­DAP-Gau­tag in Lü­ne­burg in ei­ner Re­de über den „Da­seins­kampf des deut­schen Vol­kes, das jetzt end­lich zu den Ur­kräf­ten sei­ner See­le und sei­nes Blu­tes zu­rück­ge­fun­den“ ha­be, das ver­harm­lo­sen­de Wort „Reichs­kris­tall­nacht“ für die an­ti­se­mi­ti­schen Po­gro­me am 9. und 10.11.1938 ge­prägt ha­ben.[1]

Im No­vem­ber 1938 wech­sel­te Bör­ger in das Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­um. Zum Mi­nis­te­ri­al­di­ri­gen­ten be­för­dert, avan­cier­te er dort zum Lei­ter der für al­le die Per­so­nal­po­li­tik und al­le Haus­halts­an­ge­le­gen­hei­ten des Mi­nis­te­ri­ums zu­stän­di­gen Haupt­ab­tei­lung I. Das war ein un­ge­wöhn­li­cher Kar­rie­re­sprung: „Treu­hän­der“ be­zie­hungs­wei­se (wie sie seit April 1937 hie­ßen) „Reich­streu­hän­der der Ar­beit“ wur­den sehr sel­ten in die ho­he Be­am­ten­schaft der Zen­tral­be­hör­de in Ber­lin auf­ge­nom­men. Ein No­vum war zu­dem, dass mit Bör­ger je­mand zum lei­ten­den Mi­nis­te­ri­al­be­am­ten auf­stieg, dem als Schlos­ser­ge­sel­len die üb­li­chen aka­de­mi­schen Wei­hen fehl­ten – fast al­le der ton­an­ge­ben­den Be­am­ten in die­sem Mi­nis­te­ri­um wa­ren pro­mo­vier­te Voll­ju­ris­ten. 

Was prä­des­ti­nier­te Bör­ger für die­sen Auf­stieg? Seld­te be­rief ihn, so steht zu ver­mu­ten, weil er auf des­sen Loya­li­tät auf­grund ge­mein­sa­mer Stahl­helm-Zei­ten zäh­len konn­te. Vor al­lem aber schien Bör­ger als „Alt-Par­tei­ge­nos­se“ gu­te Be­zie­hun­gen zum „Brau­nen Haus“ um den Stell­ver­tre­ter des Füh­rers Ru­dolf Heß (1894-1987) so­wie Mar­tin Bor­mann (1900-1945), aber auch zu Ro­bert Ley, der nicht nur Lei­ter der DAF war, son­dern als NS­DAP-Reichs­or­ga­ni­sa­ti­ons­lei­ter auch in der Par­tei ei­ne wich­ti­ge Rol­le spiel­te. Auch zu an­de­ren NS-In­sti­tu­tio­nen ge­lang es ihm, Kon­tak­te auf­bau­en und in sen­si­blen per­so­nal­po­li­ti­schen Fra­gen mit den Prot­ago­nis­ten der Hit­ler-Par­tei ein­ver­neh­men zu er­rei­chen. Letz­te­res ge­lang ihm, auch wenn sich Bör­ger zu den Zen­tren der NS-Mi­lieus kei­nen Zu­tritt ver­schaf­fen konn­te. 

Den­noch än­der­te sich an der Ein­stel­lungs- und Be­för­de­rungs­pra­xis des Ar­beits­mi­nis­te­ri­ums un­ter Bör­ger grund­sätz­lich nichts: Ent­schei­den­des Kri­te­ri­um blie­ben fach­li­che Qua­li­fi­ka­tio­nen, nicht po­li­ti­sche Ver­diens­te. Ihm als dem Lei­ter der für Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten ma­ß­geb­li­chen Ab­tei­lung war es au­ßer­dem haupt­säch­lich zu ver­dan­ken, dass drei nach den NS-Ras­se­ge­set­zen als „Halb­ju­den“ gel­ten­de Be­am­te im Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­um ver­blei­ben konn­ten; al­ler­dings wur­de ei­ne sol­che Pra­xis vom NS-Re­gime auch in zahl­rei­chen an­de­ren Fäl­len to­le­riert, wenn Men­schen mit ei­nem als jü­disch gel­ten­den El­tern­teil oder zwei jü­di­schen Gro­ß­el­tern fach­lich nur schwer zu er­set­zen wa­ren. Die­ser Schutz lang­jäh­ri­ger Mi­nis­te­ri­al­be­am­ter kon­tras­tier­te zu­dem scharf mit dem kalt­her­zi­gen Um­gang der ver­ant­wort­li­chen Ak­teu­re des Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­ums et­wa mit jü­di­schen Ver­si­cher­ten oder auch der Vor­rei­ter­rol­le der Mi­nis­te­ri­al­be­am­ten beim „Ar­beits­ein­sat­z“ jü­di­scher Zwangs­ar­bei­ter in se­pa­ra­ten „ge­schlos­se­nen Ko­lon­nen“ ab 1938 so­wie auch dem un­barm­her­zi­gen Um­gang mit Fremd­ar­bei­tern und -ar­bei­te­rin­nen, na­ment­lich Ost­ar­bei­tern und -ar­bei­te­rin­nen.[2] 

Am 21.3.1942 wur­de der thü­rin­gi­sche NS­DAP-Gau­lei­ter Fritz Sau­ckel (1894-1946) von Adolf Hit­ler (1889-1945) und Her­mann Gö­ring (1893-1946) zum „Ge­ne­ral­be­voll­mäch­tig­ten für den Ar­beits­ein­sat­z“ er­nannt. Sau­ckel un­ter­stell­te sei­nem per­so­nell über­schau­ba­ren Son­der­kom­mis­sa­ri­at die Haupt­ab­tei­lun­gen III und V des Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beits­recht und Lohn­po­li­tik so­wie den „Ar­beits­ein­sat­z“ un­mit­tel­bar und ver­schaff­te sich in den fol­gen­den Mo­na­ten Zu­griff auf das ge­sam­te Mi­nis­te­ri­um. Der für sei­ne bru­ta­len Me­tho­den bei der „Fremd­ar­bei­ter­re­kru­tie­run­g“ - die de fac­to Skla­ven­jag­den gleich­ka­men - be­rüch­tig­te Sau­ckel be­rief Bör­ger nicht nur zu sei­nem „Be­auf­trag­ten für Pres­se- und Pro­pa­gan­da­auf­ga­ben“, son­dern mach­te ihn be­reits am 3.4.1942[3] auch of­fi­zi­ell zu sei­nem „Ver­bin­dungs­man­n“ im Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­um. Da­mit ver­schaff­te sich Sau­ckel den Zu­griff auf die per­so­nal­po­li­tisch und or­ga­ni­sa­ti­ons­tech­nisch zen­tra­le Schalt­stel­le des Mi­nis­te­ri­ums.

Es war mit­hin un­zu­tref­fend, wenn Bör­ger Mit­te April 1947 vor ei­nem Ent­na­zi­fi­zie­rungs­aus­schuss be­haup­te­te, er ha­be „nie zu Sau­ckel ge­ho­er­t“ (der als Ver­ant­wort­li­cher für die elen­de La­ge und den Tod von Mil­lio­nen von „Fremd­ar­bei­tern“ zum To­de ver­ur­teilt und am 16.10.1946 in Nürn­berg ge­henkt wor­den war) und sich zu ei­ner Art Bo­te sti­li­sier­te, der Per­so­nal­vor­schlä­ge und Etat­plä­ne sei­nen „Vor­ge­setz­ten“ Mi­nis­ter Seld­te und Staats­se­kre­tär Fried­rich Sy­rup (1881-1945) le­dig­lich „ab­ge­ge­ben“ ha­be.[4] Eben­so frag­wür­dig sind um­ge­kehrt al­ler­dings auch Fest­stel­lun­gen sei­ner ehe­ma­li­gen Kol­le­gen aus der Lei­tung des Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­ums, die den „Na­zi-Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor“ Bör­ger als ei­nen „Faust­kämp­fer und Klopf­fech­ter in po­li­ti­schen Ver­samm­lun­gen“ und „fa­na­ti­schen al­ten Pg.“ so­wie als ei­nen „ra­bia­ten Chris­ten­has­ser“ (wohl weil die­ser am 20.3.1935 aus der evan­ge­li­schen Kir­che aus­ge­tre­ten war) be­zeich­ne­ten.[5] Z­war hat­te Bör­ger tat­säch­lich die ka­tho­li­sche Kir­che bis weit in die drei­ßi­ger Jah­re hin­ein mit hef­ti­gen Wor­ten at­ta­ckiert, et­wa als er kei­ne drei Mo­na­te nach sei­nem Kir­chen­aus­tritt vom „po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus“ als ei­ner „Macht ne­ben der jü­di­schen“ sprach, „die die glei­chen Zie­le hat wie die jü­di­schen Herr­schafts­an­sprü­che über die Er­de.“[6] Wenn füh­ren­de Be­am­te des ehe­ma­li­gen Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­ums Bör­ger als „Chris­ten­has­ser“ de­nun­zier­ten, dann war dies gleich­wohl kei­nes­wegs nur von be­rech­tig­ter Em­pö­rung, son­dern auch von ei­nem apo­lo­ge­ti­schen Kal­kül ge­tra­gen. Sie woll­ten vor al­lem sich selbst auf die­se Wei­se in ein mög­lichst güns­ti­ges Licht stel­len und von ei­ge­ner Schuld an den NS-Ver­bre­chen rein­wa­schen – ein nach 1945 üb­li­ches Mus­ter.

Dies fiel ih­nen leicht. Denn Bör­ger war kei­nes­wegs das „Un­schulds­lam­m“, zu dem er sich nach dem Krieg zu sti­li­sie­ren ver­such­te. Kurz nach der Be­frei­ung fest­ge­nom­men, wur­de Bör­ger bis Ju­ni 1948 in­ter­niert, zu­nächst in Hes­sisch Lich­ten­au, spä­ter im Jus­tiz­ge­fäng­nis Nürn­berg und an­schlie­ßend in ei­nem La­ger in der Nä­he von Fal­ling­bos­tel in Nie­der­sach­sen. Im März 1949 wur­de er zu­nächst als „Min­der­be­las­te­ter“ (Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ka­te­go­rie III), im No­vem­ber des­sel­ben Jah­res als „Mit­läu­fer“ (Ka­te­go­rie IV) ein­ge­stuft. Be­reits 1948 aus der In­ter­nie­rungs­la­ger Fal­ling­bos­tel nach Hüll­horst bei Lüb­be­cke zu sei­ner Fa­mi­lie ent­las­sen, ge­lang es Bör­ger nicht mehr im öf­fent­li­chen Dienst Fuß zu fas­sen. 1948/1949 schlug er sich als Hilfs­ar­bei­ter durch, da­nach als kauf­män­ni­scher An­ge­stell­ter in ei­nem Un­ter­neh­men für Fein­me­cha­nik in Löh­ne. 1950–1955 ar­bei­te­te er mit Wohn­sitz Es­sen als Ver­tre­ter für Far­ben, La­cke und Ar­beits­hand­schu­he.

Zwar trat Bör­ger nach 1945 kei­ner Par­tei mehr bei, wur­de aber für die nord­rhein-west­fä­li­schen FDP „be­ra­ten­d“ tä­tig, die in den 1950er Jah­ren ein Sam­mel­be­cken ehe­mals ho­her Na­tio­nal­so­zia­lis­ten war. So ge­hör­te er zum so­ge­nann­ten Nau­mann-Kreis.[7] Auch zur rechts­ex­tre­men „Deut­schen Reichs­par­tei“ soll Bör­ger en­ge­re Kon­tak­te un­ter­hal­ten ha­ben.

Wil­helm Bör­ger starb am 29.6.1962 in Hei­del­berg.

Quellen

Bun­des­ar­chiv Ber­lin (BArch), N 2032 (Nach­lass)

BArch Ber­lin, R 3901/20029, 20336

Staats­ar­chiv (StA) Nürn­berg, Rep. 502 VI, B 115 (KV-An­kla­gen, In­ter­ro­ga­ti­ons), Ver­neh­mung Bör­gers am 17.4.1947. 

Literatur

Bal­dow, Bea­te, Epi­so­de oder Ge­fahr? Die Nau­mann-Af­fä­re, Diss. FU Ber­lin 2012.

Hacht­mann, Rü­di­ger, Vom Wil­hel­mi­nis­mus zur Neu­en Staat­lich­keit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Das Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­um 1918 bis 1945, 2 Bän­de, Göt­tin­gen 2023.

Lil­la, Joa­chim (Be­arb.), Sta­tis­ten in Uni­form. Die Mit­glie­der des Reichs­tags 1933-1945. Ein bio­gra­phi­sches Hand­buch, Düs­sel­dorf 2004, Spal­te 49-50.

Schmid, Ha­rald, Er­in­nern an den „Tag der Schul­d“. Das No­vem­ber­po­grom von 1938 in der deut­schen Ge­schichts­po­li­tik, Ham­burg 2001. 

Online

Ab­ge­ord­ne­ten­da­ten­bank des Reichs­tags, 5.-11. Wahl­pe­ri­ode [On­line]

Wilhelm Börger, Auszug aus der personenbezogenen Kartei der SS, undatiert. (Bundesarchiv/R 9361-III/517952)

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Hachtmann, Rüdiger, Wilhelm Börger, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-boerger/DE-2086/lido/65549c435d28d2.76006198 (abgerufen am 27.04.2024)