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Heinrich Welsch war ein hoch angesehener Pädagoge in Kalk (heute Stadt Köln) und Gründungsrektor der dortigen Hilfsschule. Als „Lehrer Welsch“ wurde er in dem Karnevalslied „En d`r Kayjaß Nummero Null“ zu einer Kultfigur des rheinischen Karnevals.
Am 29.5.1848 wurde Heinrich Welsch als erstes Kind des Bauern Michael Welsch und seiner Ehefrau Josefine in dem rund 220 Einwohner zählenden Arzdorf (heute Gemeinde Wachtberg) geboren. Der Vater hatte in das kleine bäuerliche Anwesen eingeheiratet; die im Fachwerkbau errichtete Hofanlage von 1828 am nördlichen Dorfende in Richtung Villip ist bis heute erhalten. Meine Eltern waren fromme, rechtschaffene und überaus fleißige Leute, schrieb Welsch in seinen Lebenserinnerungen. Von den fünf nachfolgenden Kindern der Familie Welsch überlebten vier. Trotz der harten Lebensbedingungen und häufiger Mithilfe auf dem elterlichen Hof verbrachten Heinrich und seine Geschwister eine schöne Kindheit. Geprägt wurde sie vor allem durch den frommen Großvater Christian Krämer.
Heinrich Welsch besuchte ab 1855 die Dorfschule; der gute Schüler wechselte mit 13 Jahren auf die von Geistlichen geführte Rektoratsschule im nahen Städtchen Meckenheim. Seine weitere Ausbildung führte ihn nach Koblenz in die Lehranstalt der katholischen „Schulbrüder“ und ab 1865 in das dortige Lehrerseminar. Als „Externer“ schaffte Heinrich Welsch drei Jahre später die Lehrerprüfung am königlich-preußischen Lehrerseminar in Brühl. Über ein Pensionat für verwaiste Jungen brachte ihn sein beruflicher Weg in Zeiten des Kulturkampfes in das katholische Sauerland, wo er auf Schloss Körtlinghausen (Stadt Rüthen) Hauslehrer bei der Familie des Reichsfreiherrn Friedrich Leopold von Fürstenberg wurde und die vier ersten Söhne der Familie bis zu deren Wechsel aufs Gymnasium unterrichtete.
Anschließend bewarb sich Welsch um eine Anstellung im preußischen Schuldienst. Zum 1.9.1877 schickte ihn die Kölner Bezirksregierung zunächst für kurze Zeit nach Worringen (heute Stadt Köln), danach für drei Jahre nach Köln-Sülz. Mit dem Wechsel nach Köln war Heinrich Welsch in ein völlig anderes Milieu gekommen.
Ab 1881 fand Welsch seine Bestimmung als Lehrer in Kalk. In diesem Jahr wurde der Ort als Folge einer rasanten industriellen Entwicklung zur Stadt erhoben, die allerdings bereits 1910 mangels Ausdehnungsmöglichkeiten nach Köln eingemeindet wurde. Die Kleinsiedlung Kalk in der Bürgermeisterei Deutz mit knapp 100 Einwohnern im Jahre 1843 war in nur wenigen Jahrzehnten zu einem bedeutenden Industriestandort vor allem der chemischen und der Metallverarbeitenden Industrie mit 11.418 Menschen im Jahre 1885 angewachsen. Bis Jahr 1905 stieg die Einwohnerzahl auf 25.478. Seit 1850 besaß Kalk eine Schule, die neben der Kalker Kapelle an der Brückerstraße, der heutigen Hauptstraße errichtet worden war.
Mit der Anstellung in Kalk war es Welsch nun möglich, eine Familie zu gründen. Am 18.8.1886 heiratete er die Lehrerin Katharina Zentner (7.12.1859–21.8.1937) aus Klein Villip. Aus der Ehe gingen zwischen 1893 und 1901 fünf Kinder hervor, von denen nur die Töchter Maria und Martha überlebten.
Als Heinrich Welsch seine Stelle an der Kalker Volksschule antrat, traf er auf einen dynamischen Industriestandort mit einem besonders hohen Anteil an Arbeitern und Tagelöhnern. Die sozialen Probleme waren offenkundig, die Armut saß in den Schulklassen, die Welsch Tag für Tag betrat, mit auf der Bank. Viele Kinder kamen gar nicht erst in die Schule, sie mussten den Lebensunterhalt der Familien mit bestreiten, oder aber die Kinder besaßen keine Schuhe, um in die Schule gehen zu können.nach obenKinder, denen das Lernen schwer fiel oder solche, die geistig nicht normal entwickelt waren, bekamen keinerlei Förderung. Diesem Schicksal begegnete der passionierte, tief im katholischen Glauben verwurzelte Pädagoge Heinrich Welsch 1905 mit der Gründung der ersten Hilfsschule an der Hollweghstraße, in der lernbehinderte Schüler zum ersten Mal eine Chance auf eine Schulbildung erhielten. Offenbar kümmerte er sich nicht nur um seine Schüler, sondern nahm auch ihr soziales Umfeld wahr. So sorgte er sich besonders um die Armen in Kalk und setzte sich für das Los unverheirateter Mütter ein.
Der bei den armen Leuten hoch angesehene, patriarchalisch wirkende Mann schied kurz vor dem Ersten Weltkrieg aus dem Schuldienst aus. Er starb am 7.6.1935 und wurde auf dem Friedhof „Am Kratzweg“ in Köln-Merheim begraben. Sein Grab wird heute als Ehrengrab der Stadt Köln gepflegt.
Drei Kalker Jungen erinnerten sich besonders gerne an den freundlichen älteren Herrn, den in Kalk jeder kannte; vor allem die Kinder mochten ihn, weil er immer Bonbons für die „Pänz“ dabei hatte. So kam es, dass diese Jungen – inzwischen bekannt als das Original Kölner Gesangs-Trio „Die Laachduve“ – aus einer Kölschlaune heraus ein Lied auf den Lehrer Welsch machten: Hermann Kläser komponierte und Will Herkenrath schrieb den Text. Heraus kam 1938 das legendäre Karnevalslied „En d`r Kayjaß Nummero Null“. Zum karnevalistischen Evergreen, den in jeder Session bis heute Tausende mitsingen, wurde es jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch die „Vier Botze“.
En d'r Kayjass Nummero Null
steit en steinahl Schull
Un do hammer dren studiert.
Unsere Lehrer, dä heess Welsch,
sproch e unverfälschtes Kölsch
Un do hammer bei jeliehrt.
Joh un mer han off hin un her üvverlaat
un han för dä Lehrer jesaat:
_
Nä, nä, dat wesse mer nit mih, janz bestemp nit mih,
Un dat hammer nit studiert.
Denn mer woren beim Lehrer Welsch en d'r Klass
Do hammer sujet nit jeliehrt.
Dreimol Null es Null es Null
Denn mer woren en d'r Kayjass en d'r Schull
Dreimol Null es Null es Null_
Denn mer woren en d'r Kayjass en d'r Schull
Dass die „Drei Laachduve“ mit ihren Versen die Wirkungsstätte von Heinrich Welsch in die linksrheinische Kaygasse verlegt haben, mag ganz sachliche Gründe haben. Zwar gab es in der Kaygasse keine Hilfsschule, aber die Gegend war ein sozialer Brennpunkt ganz ähnlich dem Milieu in Kalk. Heute hat sich die nahe der Kaygasse gelegene Katholische Hauptschule am Großen Griechenmarkt der Pflege des Nachruhms des engagierten Pädagogen angenommen. An der Ecke Kaygasse/Großer Griechenmarkt erinnert eine Gedenktafel mit dem Liedtext „En d`r Kayjaß Nummero 0“ an den Lehrer Heinrich Welsch aus Arzdorf. Seit 2004 vergibt der Kölner Verband des Vereins Deutsche Sprache, der vor allem gegen die Verwendung von Anglizismen in der deutschen Sprache kämpft, jährlich den Lehrer-Welsch-Preis. Die Rheinische Förderschule für Sprache, Sekundarstufe I, des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in Köln-Flittard heißt seit 2006 „Heinrich-Welsch-Schule“. Im LVR-Freilichtmuseum Kommern ist Heinrich Welsch in der Ausstellung „WirRheinländer“ vertreten.
Literatur
Hausmanns, Barbara, En d`r Kaygass Numero 0, in: Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 2005 (2004), S. 42–48.
Hausmanns, Barbara, Die Frau an seiner Seite – Das Leben der Katharina Welsch aus Klein Villip, in: Die Kapelle Maria Himmelskönigin, Köln 2010, S. 37–43.
Oelsner, Wolfgang, Artikel Welsch, Heinrich, in: Soénius, Ulrich S./ Wilhelm, Jürgen Kölner Personenlexikon, Köln 2008, S. 569-570.
Rheinischer Städteatlas X Nr. 54: Kalk, bearb. von Henriette Meynen, Brigitte Wübbeke und Harald Müller, Köln/Bonn 1992.
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Hausmanns, Barbara, Heinrich Welsch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-welsch/DE-2086/lido/57c92c6e2a7935.83689040 (abgerufen am 05.10.2024)