Hans Ebert

Komponist (1889-1952)

Birgit Bernard (Heidelberg)

Portrait Hans Eberts im Bericht der WERAG (Heft 10 (1929), S. 17). (Fotograf: Lantin)

Hans Ebert war Pia­nist, Ka­pell­meis­ter und ein eben­so viel­sei­ti­ger wie er­folg­rei­cher Kom­po­nist. Ne­ben ge­ho­be­ner Un­ter­hal­tungs­mu­sik und Mu­sik für Büh­ne, Film und Hör­funk schrieb er Opern, Or­ches­ter­wer­ke, Lie­der, Kam­mer­mu­sik und Kla­vier­mu­sik. Zu den Sta­tio­nen sei­nes Be­rufs­le­bens ge­hör­ten das Schau­spiel­haus Düs­sel­dorf so­wie der West­deut­sche Rund­funk AG (WER­AG) in Köln.

Hans Ebert kam am 15.5.1889 in Ber­lin zur Welt und wuchs zu­sam­men mit ei­nem Bru­der und ei­ner Ad­op­tiv­schwes­ter in der Nä­he des Alex­an­der­plat­zes in be­schei­de­nen Ver­hält­nis­sen auf. Über die Fa­mi­lie ist nur we­nig be­kannt. Da Ebert mit der Ma­the­ma­tik auf Kriegs­fuß stand, ab­sol­vier­te er die Volks­schu­le nur mit Mü­he und im An­schluss dar­an ei­ne Kauf­män­ni­sche Leh­re, die ihn nicht be­frie­dig­te. Sei­nen Le­bens­un­ter­halt be­stritt Ebert als Sa­lon- und Kaf­fee­hau­spia­nist. Sein aus­ge­brei­te­tes Wis­sen eig­ne­te er sich au­to­di­dak­tisch an. An­fang der 1930er Jah­re leg­te er das „Künst­lera­b­itur“ ab. Auf­grund ei­ni­ger Lied­kom­po­si­tio­nen wur­de er als Schü­ler von Phil­ip­pe Bar­tho­lo­mé Rü­fer (1844-1919) an­ge­nom­men, der sei­ner­zeit als Päd­ago­ge ho­hes An­se­hen ge­noss.

Von 1910 bis 1912 stu­dier­te Ebert am Stern’schen Kon­ser­va­to­ri­um in Ber­lin, ei­nem der be­deu­tends­ten Kon­ser­va­to­ri­en Eu­ro­pas, Mu­sik­theo­rie bei Wil­helm Klat­te (1870-1930). „Ebert mu­ß­te um 1910 be­reits über ein ho­hes kom­po­si­to­ri­sches Kön­nen ver­fügt ha­ben, um an die­ser re­nom­mier­ten In­sti­tu­ti­on auf­ge­nom­men zu wer­den“, schluss­fol­gert der Mu­sik­wis­sen­schaft­ler Jörg Wyr­schowy.[1] 

 

1912 über­sie­del­te Ebert nach Düs­sel­dorf. Er ar­bei­te­te wie­der­um als Kaf­fee­hau­spia­nist und setz­te gleich­zei­tig sei­ne Stu­di­en am Kon­ser­va­to­ri­um bei Ju­li­us Buths (1851-1920) und Karl Panzner (1866-1923) fort, die ihm un­ent­gelt­lich Kom­po­si­ti­ons­un­ter­richt er­teil­ten.

Nach Düs­sel­dorf be­glei­te­te ihn sei­ne Le­bens­ge­fähr­tin Son­ja Hi­mel­stein, die 1887 in Sluzk (Belarus) ge­bo­re­ne Toch­ter ei­nes jü­disch-rus­si­schen Fa­bri­kan­ten, die 1906 nach Ber­lin emi­griert war. Das Paar lern­te sich an­läss­lich ei­ner De­mons­tra­ti­on für das Frau­en­wahl­recht in Ber­lin auf der Stra­ße Un­ter den Lin­den ken­nen. Wäh­rend Son­ja ei­ne glü­hen­de Kom­mu­nis­tin war, ten­dier­te Ebert in po­li­ti­scher Hin­sicht zur So­zi­al­de­mo­kra­tie. Als über­zeug­ter Pa­zi­fist war er Mit­glied der „Li­ga für Men­schen­rech­te“. In Düs­sel­dorf leb­te das Paar in „Wil­der Ehe“, ver­kehr­te in der Bohè­me und hei­ra­te­te 1913 – heim­lich – in Duis­burg. Zu ih­rem Freun­des­kreis zähl­te bei­spiels­wei­se der Ma­ler Jan­kel Ad­ler (1895-1949). Am 10.2.1923 kam Sohn Wolf­gang Ama­de­us als ein­zi­ges Kind des Paa­res in Düs­sel­dorf zur Welt.

Von De­zem­ber 1914 bis Au­gust 1918 war Ebert als Ka­pell­meis­ter und Kom­po­nist von Büh­nen­mu­si­ken am Schau­spiel­haus in Düs­sel­dorf en­ga­giert. Par­al­lel da­zu trat er als Kon­zert­pia­nist und Lied­be­glei­ter auf und lehr­te kurz­zei­tig auch am dor­ti­gen Kon­ser­va­to­ri­um. Wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges gas­tier­te er als Ge­gen­leis­tung für die vom Schau­spiel­haus er­reich­te Rück­stel­lung vom Mi­li­tär­dienst auch in Front­thea­tern. Nach 1918 wirk­te er am Schau­spiel Düs­sel­dorf als Re­pe­ti­tor und Lei­ter der Büh­nen­mu­sik. In der Spiel­zeit 1921/22 war Ebert am Les­sing­thea­ter in Ber­lin en­ga­giert, über­warf sich al­ler­dings mit dem In­ten­dan­ten Vik­tor Bar­now­sky (1985-1952).

Schauspielhaus Düsseldorf, Hauptansicht, Ecke Carl-Theodor- und Kasernenstraße, 1905. (Gemeinfrei)

 

1922 kehr­te Ebert nach Düs­sel­dorf zu­rück, be­schäf­ti­gungs­los. So ver­ding­te er sich er­neut als Kaf­fee­haus­mu­si­ker, dies­mal ge­gen De­vi­sen in Schwei­zer Kur­or­ten. Erst 1925 ge­lang die Wie­der­ein­stel­lung als Ka­pell­meis­ter am Schau­spiel­haus. Im Ju­ni 1928 wur­de sein Ver­trag aus fi­nan­zi­el­len Grün­den ge­kün­digt, so dass er ei­ne Stel­le als Mu­sik­leh­rer an ei­nem Ly­ze­um in So­lin­gen an­nahm. In die­sem Jahr leg­te er zu­dem das Ge­sangs­leh­rer­ex­amen ab.

Erst 1927 konn­te sich Ebert den Wunsch er­fül­len, als Pri­vat­schü­ler Kom­po­si­ti­ons­un­ter­richt bei Phil­ipp Jar­nach (1892-1982) zu neh­men, der in Köln an der Mu­sik­hoch­schu­le lehr­te. Leh­rer und Schü­ler wa­ren ein­an­der in ge­gen­sei­ti­ger Wert­schät­zung ver­bun­den. Ebert ver­dank­te Jar­nach nach ei­ge­nen An­ga­ben sei­nen künst­le­ri­schen Auf­stieg, wäh­rend Jar­nach sei­nen Schü­ler für „ein ur­sprüng­li­ches und höchst ori­gi­nel­les Ta­lent hielt.“[2] 

Heu­te ist Hans Ebert so gut wie ver­ges­sen. Da­bei war er ein „äu­ßerst viel­sei­ti­ger Kom­po­nist. Es gibt kaum ein mu­si­ka­li­sches Gen­re, zu dem er kei­nen kom­po­si­to­ri­schen Bei­trag ge­leis­tet hat.“[3]   Er schrieb Opern, Or­ches­ter­wer­ke, Kon­zer­te, Lie­der, Kam­mer­mu­sik und Kla­vier­mu­sik, aber auch ge­ho­be­ne Un­ter­hal­tungs­mu­sik so­wie funk­tio­na­le Mu­sik für Büh­ne, Film und Hör­funk.

Am An­fang sei­ner Kar­rie­re stan­den vor­nehm­lich Lied­ver­to­nun­gen. Zwi­schen 1916 und 1918 er­schie­nen zahl­rei­che Lie­der­zy­klen im Mu­sik­ver­lag Breit­kopf und Här­tel. Am er­folg­reichs­ten war der Lie­der­zy­klus „Exo­ti­sche Lie­der op 9-13“ nach Tex­ten von Hans Be­th­ge (1876-1946) aus der Ge­dicht­samm­lung „Die chi­ne­si­sche Flö­te“. Ei­ne Teil­auf­füh­rung fand am 11.11.1916 im Ibach-Saal in Düs­sel­dorf statt. Nach Kriegs­en­de wand­te sich Ebert der In­stru­men­tal­mu­sik zu. Zu nen­nen wä­ren in die­sem Kon­text das Streich­quar­tett op 25 (1925) und die „Bib­li­schen Bal­la­den für So­pran, Oboe, Kla­ri­net­te, Sa­xo­phon und Streich­quin­tett“ nach Tex­ten von El­se Las­ker-Schü­ler (1869-1945). Das Werk wur­de beim Ton­künst­ler­fest des All­ge­mei­nen Deut­schen Mu­sik­ver­eins (AD­MV) 1928 in Schwe­rin un­ter der Lei­tung von Her­mann Scher­chen (1891-1966) mit Lot­te Leo­nard (1884-1976) ur­auf­ge­führt. 1930 folg­te die Ur­auf­füh­rung des Wer­kes „Mu­sik für Or­ches­ter op 31“ von 1929 beim Ton­künst­ler­fest in Kö­nigs­berg. Es gab Pfif­fe im Pu­bli­kum und ei­nen de­mons­tra­ti­ven Ap­plaus des Kom­po­nis­ten Al­ban Berg (1885-1935). Am 15.2.1929 wid­me­te ihm der West­deut­sche Rund­funk ei­ne Sen­dung in­ner­halb der Rei­he „Zeit­ge­nös­si­sche Ton­set­zer“.

1930 er­hielt Hans Ebert ei­ne er­sehn­te Fest­an­stel­lung als Ton­meis­ter bei der West­deut­schen Rund­funk AG (WER­AG) und zog mit sei­ner Fa­mi­lie nach Köln. 1932 wur­de er zu­dem Lei­ter der Mu­sik­ab­tei­lung. Als Au­tor steu­er­te er mu­sik­päd­ago­gi­sche Sen­dun­gen zum Pro­gramm bei, so et­wa in der 1931 aus­ge­strahl­ten Sen­de­rei­he „Von der Flö­te zur Pau­ke“. Sei­nen be­deu­tends­ten Bei­trag beim Sen­der leis­te­te er je­doch, in­dem er funk­tio­na­le Mu­sik für Hör­spie­le kom­po­nier­te. War Ebert 1929 am Schau­spiel­haus in Düs­sel­dorf mit dem Prin­zi­pal Gus­tav Lin­de­mann an­ein­an­der­ge­ra­ten, weil die­ser mein­te, Ebert be­trei­be zu viel Auf­wand für sie­ben Mi­nu­ten Mu­sik zu Mo­liè­res Ko­mö­die „Der Arzt als Lieb­ha­ber“, so war Eberts Mu­sik zu Hör­spie­len bei der WER­AG als es­sen­zi­el­ler Be­stand­teil der In­sze­nie­rung hoch­ge­ach­tet.

Gagenberechnungszettel von Hans Ebert, 1919. (Theatermuseum Düsseldorf/ Dumont-Lindemann-Archiv)

 

So schrieb Ebert die Mu­sik zu drei le­gen­dä­ren Hör­spiel­pro­duk­tio­nen, die heu­te als Mei­len­stei­ne des frü­hen Hör­spiels gel­ten. Sie wur­den un­ter der Re­gie des WER­AG-In­ten­dan­ten Ernst Hardt rea­li­siert, der sich als Schrift­stel­ler und ehe­ma­li­ger Thea­ter­in­ten­dant um die Ent­wick­lung der neu­en Kunst­form ver­dient mach­te. Ebert soll­te Hardt in le­bens­lan­ger Freund­schaft ver­bun­den blei­ben.

Am 25.7.1930 wur­de das Hör­spiel „Der Narr mit der Ha­cke“ von Edu­ard Rei­n­ach­er (1892-1968) aus­ge­strahlt, Karl Karst zu­fol­ge der „Be­ginn des mo­der­nen li­te­ra­ri­schen Hör­spiel­s“ und das „bis­lang meist zi­tier­te und wohl auch meist pro­du­zier­te Hör­spiel der Rund­funk­ge­schich­te.“[4]  Die zwei­te be­deu­ten­de Pro­duk­ti­on war das Hör­spiel „To­ter Man­n“ des Ar­bei­ter­schrift­stel­lers Kar­lau­gust Düp­pen­gie­ßer (1899-1987). „To­ter Man­n“ wur­de am 23.1.1931 im Rah­men ei­ner The­men­wo­che zu Ar­beits­lo­sig­keit ur­auf­ge­führt und the­ma­ti­siert die psy­cho-so­zia­len Fol­gen von Be­schäf­ti­gungs­lo­sig­keit. Die Haupt­rol­le des Han­nes Ra­der spiel­te Wolf­gang Lang­hoff (1901-1966) vom Schau­spiel­haus Düs­sel­dorf.

Als sei­nen be­deu­tends­ten Bei­trag zum Hör­spiel be­trach­te­te Ebert je­doch die Mu­sik zur In­sze­nie­rung von Goe­thes „Faust. Der Tra­gö­die zwei­ter Teil“ in der Hör­spiel­fas­sung und un­ter der Re­gie von Ernst Hardt bei der Ber­li­ner Funk­stun­de. Die Pro­duk­ti­on mit Lo­thar Müt­hel (1896-1964) als Faust und Alex­an­der Gra­nach (1890-1945) als Me­phis­to ging am 22.3.1932 über al­le deut­schen Sen­der, und die Pres­se, so Karl Karst, „sprüht vor Be­geis­te­rung.“[5] 

Ebert ge­hör­te al­so an der Wen­de zu den 1930er Jah­ren zu den ar­ri­vier­ten zeit­ge­nös­si­schen Nach­wuchs­kom­po­nis­ten. Ei­ne mu­sik­wis­sen­schaft­li­che Be­wer­tung und Kon­textua­li­sie­rung sei­nes Wer­kes steht je­doch bis­lang aus, Ton­trä­ger sind – mit Aus­nah­me der Hör­spiel­mu­sik - nicht über­lie­fert, wohl aber Par­ti­tu­ren im Be­stand der Staats­bi­blio­thek Ber­lin. Die zeit­ge­nös­si­sche Kri­tik hob An­klän­ge an Ar­nold Schön­berg (1874-1951) und Ri­chard Strauss her­vor (1864-1949), wäh­rend Wolf­gang Ebert kol­por­tiert, Schön­berg ha­be ge­nau wie Gus­tav Mah­ler (1860-1911) zu den Kom­po­nis­ten ge­hört, von de­nen mein Va­ter ler­nen soll­te, aber nicht woll­te. Mit die­sem Bon­mot ist die kom­pli­zier­te fa­mi­liä­re Si­tua­ti­on im Hau­se Ebert an­ge­spro­chen, die sein Sohn Wolf­gang in sei­nem au­to­bio­gra­phi­schen sa­ti­ri­schen Ro­man mit dem be­zeich­nen­den Ti­tel „Das Por­zel­lan war so ner­vös. Me­moi­ren ei­nes ver­wöhn­ten Kin­des“ ein­drück­lich be­schrie­ben hat. Hans Ebert un­ter­lag nicht nur dem Zwang, den er­höh­ten Geld­be­darf der Fa­mi­lie durch im­mer neue Kom­po­si­ti­on von Ge­brauchs­mu­sik si­cher­zu­stel­len, son­dern auch dem un­ab­läs­si­gen Drän­gen von Son­ja Ebert zu ge­nü­gen, als klas­si­scher Kom­po­nist ein hoch­be­deu­ten­des Werk zu schaf­fen - wo­zu ihm in­des­sen die Mu­ße in dem äu­ßerst tur­bu­len­ten Haus­halt fehl­te. Ab­ge­se­hen da­von ge­hört Ebert, wie so vie­le sei­ner Ge­ne­ra­ti­on, zu de­nen, de­ren Ent­wick­lung durch den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ge­hemmt oder ver­ei­telt wur­de und die nach Kriegs­en­de, mo­dern, aber nicht zur mu­si­ka­li­schen Avant­gar­de zäh­lend, durch zeit­ge­nös­si­sche Mu­sik­strö­mun­gen wie die Elek­tro­ni­sche oder die se­ri­el­le Mu­sik ins Ab­seits ge­rie­ten.

Nach der Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ge­hör­te Ebert zur ers­ten Wel­le der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter, die im März 1933 die Kün­di­gung er­hiel­ten. Am 20. März wur­de er vom Dienst sus­pen­diert und er­hielt die Kün­di­gung zum En­de des Jah­res. Auf der Ba­sis des „Ge­set­zes zur Wie­der­her­stel­lung des Be­rufs­be­am­ten­tums“ wur­de die­se auf­grund von „po­li­ti­scher Un­zu­ver­läs­sig­keit“ und sei­ner „geis­ti­ge[n] Ver­bun­den­heit mit kom­mu­nis­ti­schem Ge­dan­ken­gut“ auf den 30. Ju­ni rück­da­tiert. Da­mit stan­den wir prak­tisch vor dem Nichts, re­sü­miert Wolf­gang Ebert, zu­mal Hans Ebert mit ei­nem Auf­füh­rungs­ver­bot auf der Büh­ne und im Ra­dio be­legt wur­de. Di­ver­se Mal wur­de ihm in den fol­gen­den Jah­ren das An­ge­bot un­ter­brei­tet, das Auf­füh­rungs­ver­bot kön­ne re­vi­diert wer­den, wenn er sich von sei­ner jü­di­schen Frau schei­den las­se – Ebert lehn­te ab.

Nach Eberts Ent­las­sung bei der WER­AG zog die Fa­mi­lie nach Ber­lin. Hier schlug sich Ebert zu­nächst als Thea­ter­mu­si­ker durch. So kom­po­nier­te er un­ter an­de­rem die Mu­sik zum Mär­chen­spiel „Rum­pel­stilz­chen“ für das Thea­ter am Nol­len­dorf­platz. Als weg­wei­send er­wies sich der Kon­takt zur UFA. Von 1933 bis 1944 kom­po­nier­te Ebert die Mu­sik zu Kul­tur­fil­men wie „Die Ju­gend der Lip­pi­za­ner“, das hei­ßt Do­ku­men­tar­fil­men, die im Vor­pro­gramm von Ki­no­pro­duk­tio­nen ge­zeigt wur­den. Selbst­iro­nisch äu­ßer­te Ebert über die­se Brot­ar­beit, er wis­se nicht, o_b das Al­les et­was mit Kunst zu tun ha­be, Mit Kul­tur hat es aber si­cher et­was zu tun, denn es ist ein Kul­tur­film_. Wolf­gang Ebert er­in­nert sich, die Kul­tur­fil­me der UFA sei­en be­leh­rend ge­we­sen und sehr lang­wei­lig. Die Mu­sik zu die­sen Fil­men ha­be sein Va­ter mit der Stopp­uhr in der Hand kom­po­niert. Ab­ge­se­hen da­von ha­be er Tei­le des Olym­pia-Films von Le­ni Rie­fen­stahl (1902-2003) in­stru­men­tiert und die vor­rü­cken­den Pan­zer des „Afrikakorps“ für Wo­chen­schau­en mit Mu­sik un­ter­legt.

Ob­wohl die Ar­beit ihn künst­le­risch nicht zu­frie­den stell­te, bot die en­ge An­bin­dung an die UFA doch zwei Vor­tei­le. Zum ei­nen er­öff­ne­te sie die Mög­lich­keit, Mu­sik zu Spiel­fil­men zu schrei­ben. Eberts Fil­mo­gra­fie weist die Mit­wir­kung an zahl­rei­chen Pro­duk­tio­nen auf. Da die UFA dar­über hin­aus ei­ne Rei­he von Film­mu­si­ken ver­öf­fent­lich­te, et­wa Eberts Ti­tel „Voll Mu­sik ist die Nach­t“ aus dem Spiel­film „Der grü­ne Kai­ser“ von 1939, ver­dien­te er ex­zel­lent. Al­lein für sei­ne Film­mu­sik flos­sen jähr­lich Tan­tie­men in Hö­he von bis zu 60.000 RM. Wolf­gang Ebert re­sü­miert: Da­von leb­ten wir, und das nicht schlecht. Ja, je ge­fähr­de­ter un­se­re Si­tua­ti­on im Lauf der Jah­re wur­de, des­to bes­ser ging es uns fi­nan­zi­ell.

Auf der an­de­ren Sei­te be­deu­te­te die Zu­sam­men­ar­beit mit der UFA macht­vol­le Pro­tek­ti­on für den „Kul­tur­bol­sche­wis­ten“ Ebert und ei­ne Le­bens­ver­si­che­rung für sei­ne jü­di­sche Frau Son­ja. Er wur­de zwar 1938 of­fi­zi­ell aus der Reichs­kul­tur­kam­mer aus­ge­schlos­sen, er­hielt je­doch auf Druck der UFA ei­ne Son­der­er­laub­nis, die ihm die Wei­ter­be­schäf­ti­gung in der Film­bran­che er­mög­lich­te. In ei­nem Brief an Ernst Hardt vom April 1944 be­rich­tet Ebert, Pro­pa­gan­da­mi­nis­ter Jo­seph Go­eb­bels (1897-1945) ha­be für ihn hö­he­ren Or­tes Für­spra­che ge­hal­ten. Auch ist von der Ar­beit an der Mu­sik zu ei­nem Film über die Fa­mi­lie Go­eb­bels als Ge­burts­tags­ge­schenk für den Mi­nis­ter die Re­de. Mein Va­ter mu­ß­te oft nach Schwa­nen­wer­der fah­ren, wo die Fa­mi­lie Go­eb­bels ei­ne Vil­la be­wohn­te. Da­bei er­ga­ben sich auch Ge­le­gen­hei­ten, mit Frau Go­eb­bels vier­hän­dig Kla­vier zu spie­len.

1940 sorg­te die zeit­glei­che Ur­auf­füh­rung sei­ner Oper „Hil­le Bob­be“ am 16.11.1940 in Darm­stadt, Nürn­berg und Kö­nigs­berg für Fu­ro­re. Von der NS-Kri­tik wur­de sie zwar als de­ka­dent ge­brand­markt, je­doch ge­le­gent­lich auf­ge­führt, so auch zwei Jah­re spä­ter in Ber­lin, was zu ei­ner Be­schwer­de des „Reichs­dra­ma­tur­gen“ Rai­ner Schlös­ser (1899-1945) im Pro­pa­gan­da­mi­nis­te­ri­um führ­te. Auf Be­trei­ben des Si­cher­heits­diens­tes der SS, dem SD, wur­de „Hil­le Bob­be“ nach zehn Auf­füh­run­gen an der Deut­schen Oper ab­ge­setzt. Das Li­bret­to stamm­te von ei­nem Freund Eberts, Wil­ly Loewen­thal, den er wäh­rend sei­ner kauf­män­ni­schen Leh­re ken­nen­ge­lernt hat­te. Da Loewen­thal Ju­de war, gab sich Ebert in bei­der­sei­ti­gem Ein­ver­ständ­nis als Li­bret­tist aus.

1942 er­hielt er den Auf­trag zur Kom­po­si­ti­on ei­ner Oper „Flo­ri­an Gey­er“ nach dem Li­bret­to von Jo­seph Gre­gor (1888-1960). Er mach­te sich nur wi­der­wil­lig an die Ar­beit, wie er an Ernst Hardt schrieb, weil der Text […] un­sag­bar scheu­ß­lich ist, war sich aber zu­gleich be­wusst, an­de­rer­seits muß ich et­was tun für den Schutz, der mir von oben zu­teil wird. Die Aus­füh­rung ver­schlepp­te er nach Kräf­ten, da er sich auf­grund der re­gel­mä­ßig von der BBC emp­fan­ge­nen Nach­rich­ten si­cher war, dass der Krieg ver­lo­ren sei.

Par­al­lel da­zu ar­bei­te­te Ebert an der En­de 1945 ur­auf­ge­führ­ten Oper „Der ar­me Vil­lon“. Das Li­bret­to nach ei­ner Dich­tung von Paul Zech (1881-1946) stamm­te wie­der­um von Wil­ly Loewen­thal. 1943 folg­te mit der „Mu­sik für Or­ches­ter Nr. 2“ ein Werk, für das er den Ro­bert-Schu­mann-Preis der Stadt Düs­sel­dorf er­hielt, das je­doch we­gen sei­nes pre­kä­ren po­li­ti­schen Sta­tus nicht zur Ur­auf­füh­rung ge­lang­te. Trotz sei­ner Be­schäf­ti­gung bei der UFA er­hielt Ebert im Au­gust 1944 schlie­ß­lich doch noch ein Be­rufs­ver­bot als Kom­po­nist, ob­wohl die Oper „Flo­ri­an Gey­er“ noch nicht voll­endet war. Grund war Eberts „Misch­ehe“.  

Im Früh­jahr 1945 spitz­te sich die Si­tua­ti­on zu: In­ner­halb von we­ni­gen Ta­gen tra­fen zwei Vor­la­dun­gen der Ge­sta­po bei uns ein, die bei­de für mei­nen Va­ter und mich be­stimmt wa­ren. En­de März 1945 ge­lang dem Ehe­paar Ebert die Flucht aus Ber­lin nach Bad Wö­ris­ho­fen durch die Pro­tek­ti­on des Be­set­zungs­bü­ros der UFA. Die­ses re­kla­mier­te bei­de als „Kos­tüm­be­ra­ter“ für ei­nen Film. So er­hiel­ten sie ei­ne Son­der­er­laub­nis, die es ih­nen er­mög­lich­te, Ber­lin zu ver­las­sen. Die Ret­tung kam wie­der von der UFA, er­in­ner­te sich Wolf­gang Ebert. Das Le­ben ging wei­ter – und kei­ner zeig­te Lust, es noch im letz­ten Au­gen­blick zu ver­lie­ren. Dar­um wur­den al­le Dreh­bü­cher um­ge­schrie­ben, so daß die Hand­lung auf ein­mal Au­ßen­auf­nah­men in den Al­pen er­for­der­lich mach­te. Un­se­re Chan­ce. Schon seit 1943 hat­ten sie sich in An­be­tracht der Bom­bar­die­rung der Reichs­haupt­stadt im­mer öf­ter in den be­kann­ten Kur­ort zu­rück­ge­zo­gen. Hier er­leb­ten sie das En­de des Krie­ges un­be­scha­det.

Ebert nahm sei­ne Tä­tig­keit als Kom­po­nist wie­der auf, er­teil­te Kla­vier­un­ter­richt und tin­gel­te mit ei­nem klei­nen Un­ter­hal­tungs­en­sem­ble im Auf­trag der US Ar­my. Sei­ne Hoff­nung auf ei­ne Be­ru­fung an die Münch­ner Mu­sik­aka­de­mie oder zu „Ra­dio Mün­chen“ zer­schlu­gen sich je­doch. Das An­ge­bot Wolf­gang Lang­hoffs, der 1946 zum In­ten­dan­ten des Deut­schen Thea­ters in Ost-Ber­lin avan­cier­te, schlug Ebert aus, da er im­mer noch auf ei­nen Lehr­stuhl für Kom­po­si­ti­ons­leh­re hoff­te. Ei­ne Zeit­lang lieb­äu­gel­te die Fa­mi­lie mit ei­ner Aus­wan­de­rung in die USA, wo Son­ja Eberts dort le­ben­de Schwes­ter be­reits al­les Not­wen­di­ge in die We­ge ge­lei­tet hat­te.

Durch Ver­mitt­lung von Ernst Hardt, mit dem die Fa­mi­lie Ebert nach wie vor in en­gem Kon­takt stand, er­hielt er zum 1.9.1946 ei­ne Po­si­ti­on als Ab­tei­lungs­lei­ter Mu­sik beim Nord­west­deut­schen Rund­funk in Ham­burg. Auf­grund der pre­kä­ren Ver­sor­gungs­la­ge blieb sei­ne Fa­mi­lie zu­nächst in Bay­ern und ging 1950 nach Ber­lin zu­rück. An Ernst Hardt schrieb Ebert im De­zem­ber 1946, und wenn ich ja auch ei­gent­lich von mor­gens bis abends Hun­ger ha­be, so muss ich doch sa­gen, dass die Ar­beit aus­ser­or­dent­lich Spaß macht. Sein Ver­trag en­de­te je­doch schon En­de Fe­bru­ar 1947, mög­li­cher­wei­se auf­grund von De­fi­zi­ten Eberts im Ver­wal­tungs­be­trieb ei­ner Haupt­ab­tei­lung. 1948 er­hielt Ebert den Ers­ten Preis in ei­nem Kom­po­si­ti­ons­wett­be­werb des NW­DR, ab Sep­tem­ber 1950 wur­de er als frei­er Kom­po­nist und Ar­ran­geur vom NW­DR Ham­burg be­schäf­tigt.

In der Nacht vom 30. auf den 31.8.1952 er­lag Hans Ebert in Ber­lin ei­ner Krebs­er­kran­kung. Die Bei­set­zung er­folg­te am 4. Sep­tem­ber auf dem Wald­fried­hof Zeh­len­dorf.

Werke (Auswahl)

Hans Eberts künst­le­ri­scher Nach­lass wird in der Staats­bi­blio­thek zu Ber­lin Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz auf­be­wahrt. Ein voll­stän­di­ges, nicht edier­tes Werk­ver­zeich­nis be­fin­det sich im Nach­lass sei­nes Soh­nes Wolf­gang Ebert in der Mo­na­cen­sia im Hil­de­brand­haus in Mün­chen.

Exo­ti­sche Lie­der op 9-13 (1916)

Streich­quar­tett op 25 (1925)

Bib­li­sche Bal­la­den für So­pran, Oboe, Kla­ri­net­te, Sa­xo­phon und Streich­quin­tett (1928)

Mu­sik für Or­ches­ter op 31 (1930)

Hil­le Bob­be. Oper in drei Ak­ten (UA 1940)
 
Mu­sik für Or­ches­ter Nr. 2 (1943)

Der ar­me Vil­lon (UA 1945)

Literatur

Ber­nard, Bir­git, „Den Men­schen im­mer mehr zum Men­schen ma­chen“. Ernst Hardt (1876-1947), Es­sen 2015.

Ber­nard, Bir­git, „ ... und wie das Ge­socks al­les hei­ßt“. Der West­deut­sche Be­ob­ach­ter und die Kri­tik am Mu­sik­pro­gramm des West­deut­schen Rund­funks (1930-1933), in: Me­di­en und Mu­sik­jour­na­lis­tik in Köln um 1933. Drei Schlag­lich­ter auf ei­ne Usur­pa­ti­on. Ein­ge­führt und hg. v. Ro­bert von Zahn, Ber­lin 2005, S. 7-61.

Ebert, Hans, Le­ben und Schaf­fen von ihm selbst er­zählt, in: Die Wer­ag 4 (1929), H. 10 vom 10.3.1929, S. 17.

Ebert, Wolf­gang, Das Por­zel­lan war so ner­vös. Me­moi­ren ei­nes ver­wöhn­ten Kin­des, Frank­furt/M./Ber­lin 1987.

Jens, Nor­bert (Hg.), Phil­ipp Jar­nach: Schrif­ten zur Mu­sik, Kas­sel 1994. Karst, Karl, Ernst Hardt (1876-1947), in: Ge­schich­te im Wes­ten 7(1992), S. 99-116. 

Karst, Karl, Edu­ard Rei­n­ach­er und das frü­he Hör­spiel. Ma­nu­skript ei­ner Sen­dung des Baye­ri­schen Rund­funks vom 27.9.1985.

Prie­berg, Fred K., Hand­buch deut­sche Mu­si­ker 1933-1945, Kiel 2004.

Wyr­schowy, Jörg, Der Kom­po­nist Hans Ebert (1889-1952). Ein vor­läu­fi­ger Be­richt, un­ver­öff. Ab­schluss­ar­beit In­sti­tut für In­for­ma­ti­on und Do­ku­men­ta­ti­on Pots­dam, 1997.

Ernst Hardt WERAG-Intendant (Westdeutsche Rundfunk Aktiengesellschaft) von 1926 bis 1933, 1927. (© WDR im Bild, 1377547)

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Bernard, Birgit, Hans Ebert, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hans-ebert/DE-2086/lido/62ff4f2d4dfe64.06654554 (abgerufen am 10.12.2024)