Karl Jarres

Oberbürgermeister von Duisburg (1874-1951)

Lothar Weiß (Frechen)

Portrait von Karl Jarres, undatiert. (LVR-Zentrum für Medien und Bildung)

Karl Jar­res war ein be­deu­ten­der Kom­mu­nal­po­li­ti­ker im Rhein­land und Reichs­po­li­ti­ker der Wei­ma­rer Re­pu­blik.

Karl Jar­res wur­de am 21.9.1874 in der ber­gi­schen Stadt Rem­scheid als Sohn des evan­ge­li­schen Kauf­manns Ru­dolf Jar­res und sei­ner Frau Ma­ria, ge­bo­re­ne Busch, ge­bo­ren. Nach ei­nem Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten in Bonn, Ber­lin, Lon­don und Pa­ris wur­de Jar­res 1897 in Er­lan­gen zum Dr. jur. pro­mo­viert. Sei­ne stei­le Kar­rie­re in der Kom­mu­nal­po­li­tik be­gann er 1901 mit sei­ner An­stel­lung zum As­ses­sor bei der Stadt Dü­ren. 1903 wur­de er dort zum Bei­ge­ord­ne­ten ge­wählt. Mit sei­nem Wech­sel zur Stadt Köln 1906 ge­lang Jar­res der Sprung von ei­ner klein­städ­ti­schen Ver­wal­tung in die der grö­ß­ten Stadt des Rhein­lands. Von dort kehr­te er 1910 als haupt­amt­li­cher Bür­ger­meis­ter nach Rem­scheid zu­rück. Jar­res be­wies wei­ter­hin gro­ße be­ruf­li­che Ziel­stre­big­keit. Nach nur vier Jah­ren ließ sich Jar­res 1914 zum Ober­bür­ger­meis­ter der Stadt Duis­burg wäh­len. 

Mit dem Wech­sel zu ei­ner be­deu­ten­den rhei­ni­schen Groß­stadt er­reich­te Jar­res den Hö­he­punkt sei­ner kom­mu­nal­po­li­ti­schen Kar­rie­re. Sein Auf­stieg wur­de durch die gleich­zei­ti­ge Mit­glied­schaft für die Stadt Duis­burg im Preu­ßi­schen Her­ren­haus un­ter­stri­chen. Er ge­wann nun er­heb­li­chen po­li­ti­schen Ein­fluss weit über die Stadt­gren­zen hin­aus. 

Für den neu­en haupt­amt­li­chen Chef der städ­ti­schen Ver­wal­tung und Vor­sit­zen­den der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung war die Mon­tan- und Ar­bei­ter­stadt Duis­burg we­gen ih­rer Wirt­schafts­struk­tur und Kri­sen­er­schei­nun­gen wäh­rend des Krie­ges und in der nach­fol­gen­den Zeit ei­ne enor­me Her­aus­for­de­rung. Wäh­rend des Kriegs or­ga­ni­sier­te er er­folg­reich die Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung. In der Zeit der Re­vo­lu­ti­on ver­stand er es, die Ar­beits­fä­hig­keit der Stadt­ver­wal­tung zu er­hal­ten. Der Pro­tes­tant Jar­res kam mit al­len Par­tei­en aus, ins­be­son­de­re mit der in Duis­burg star­ken ka­tho­li­schen Zen­trums­par­tei. Er selbst war der klei­nen rechts­li­be­ra­len Deut­schen Volks­par­tei (DVP) nach ih­rer Grün­dung 1918 bei­ge­tre­ten. Sei­ne grö­ß­ten kom­mu­nal­po­li­ti­schen Leis­tun­gen wa­ren die Wirt­schafts­för­de­rung und die Ein­rich­tung bei­spiel­ge­ben­der so­zia­ler Ein­rich­tun­gen. Da­ne­ben för­der­te der Bil­dungs­bür­ger Jar­res das kul­tu­rel­le Le­ben. 

Durch sei­ne Mit­glied­schaft im Preu­ßi­schen Staats­rat und sei­ne Äm­ter im Deut­schen Städ­te­tag, dem Ver­band der Groß­städ­te, konn­te er die In­ter­es­sen Duis­burgs in der Wei­ma­rer Re­pu­blik ef­fek­tiv ver­tre­ten. Die schwie­rigs­te Zeit als Ober­bür­ger­meis­ter er­leb­te Jar­res mit dem Ein­marsch fran­zö­si­scher und bel­gi­scher Trup­pen An­fang 1923. Er wur­de ge­gen sei­nen Wi­der­stand im Zu­ge der Ruhr­be­set­zung sei­nes Am­tes ent­ho­ben und zu zwei Mo­na­ten Ge­fäng­nis ver­ur­teilt.   

Die Re­gie­run­gen des Reichs und Preu­ßens sa­hen in Jar­res den wich­tigs­ten Ver­trau­ens­mann im Rhein­land, auf den sie sich we­gen sei­ner un­be­ding­ten Loya­li­tät ver­las­sen konn­ten, weil für Jar­res ein Aus­ein­an­der­fal­len des Deut­schen Reichs un­ter kei­nen Um­stän­den in Be­tracht kam. Kon­se­quent stell­te er sich ge­gen den Se­pa­ra­tis­mus mit dem Ziel ei­ner Ab­tren­nung der Rhein­lan­de vom Reich. Aus die­ser Hal­tung her­aus ver­lang­te Jar­res ei­nen schar­fen Kurs des pas­si­ven Wi­der­stand ge­gen die al­li­ier­ten Be­sat­zungs­mäch­te. Sein en­er­gi­sches Auf­tre­ten ge­gen die Ver­tre­ter der bel­gi­schen Be­sat­zung mach­te Jar­res reichs­weit be­kannt.Im No­vem­ber 1923 wur­de der „Held der Na­ti­on" Reichs­mi­nis­ter des In­nern un­ter Reichs­kanz­ler Gus­tav Stre­se­mann (1878-1929). In die­ser Funk­ti­on ge­hör­te Jar­res auch den bei­den fol­gen­den Ka­bi­net­ten Wil­helm Marx bis Ja­nu­ar 1925 an. 

Nach dem plötz­li­chen Tod des Reichs­prä­si­den­ten Fried­rich Ebert (1871-1925) be­warb sich Jar­res 1925 im ers­ten Wahl­gang für das Amt des Reichs­prä­si­den­ten als Kan­di­dat des „Reichs­blocks" na­tio­na­lis­ti­scher, kon­ser­va­ti­ver und rechts­li­be­ra­ler Par­tei­en. Jar­res er­hielt mit 38,8% die re­la­ti­ve, nicht aber die er­for­der­li­che ab­so­lu­te Mehr­heit der Stim­men. Er ver­zich­te­te auf die Kan­di­da­tur im zwei­ten Wahl­gang zu­guns­ten des pen­sio­nier­ten und im­mer noch po­pu­lä­ren kai­ser­li­chen Ge­ne­ral­feld­mar­schalls Paul von Hin­den­burg (1847-1934), um die Wahl­chan­cen der po­li­ti­schen Rech­ten letzt­lich er­folg­reich zu ver­bes­sern. 

 

In die zwei­te Hälf­te der Amts­zeit Jar­res' als Ober­bür­ger­meis­ter Duis­burgs von 1925 bis 1933 fie­len die Neu­ord­nung der kom­mu­na­len Gren­zen im Ruhr­ge­biet und die 1929 ein­set­zen­de Welt­wirt­schafts­kri­se. Bei der kom­mu­na­len Neu­ord­nung En­de der 1920er Jah­re schweb­te ihm ein Duis­burg in den Gren­zen vor, wie sie die Stadt erst 1975 er­reich­te. Die Ein­ge­mein­dun­gen von 1929 er­füll­ten zwar nicht al­le Am­bi­tio­nen Jar­res', brach­ten Duis­burg aber ei­nen er­heb­li­chen Zu­wachs durch den Zu­sam­men­schluss mit der Stadt Ham­born und klei­ne­ren Ge­bie­ten, der kurz­zei­tig den Na­men „Duis­burg-Ham­born" trug. Die Welt­wirt­schafts­kri­se ver­hin­der­te Kon­so­li­die­rungs­er­fol­ge der grö­ßer ge­wor­de­nen Stadt. Nun zeig­ten sich die fa­ta­len wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Fol­gen des Kon­junk­tur­ein­bruchs im Berg­bau und in der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie, auf die sich die Stadt im­mer noch stütz­te. 

Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit, Ver­ar­mung und Zu­sam­men­bruch der Fi­nan­zen ver­lang­ten von Jar­res au­ßer­or­dent­li­che Fä­hig­kei­ten als haupt­amt­li­cher Kri­sen­ma­na­gers ei­ner Groß­stadt. Sei­ne Wie­der­wahl im Jahr 1930 war die brei­te An­er­ken­nung sei­ner bis­he­ri­gen Ver­diens­te um die Stadt. Jar­res konn­te die Früch­te sei­ner Po­li­tik nicht mehr im Amt er­le­ben. 1933 über­nah­men die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten die Macht in der Stadt und dräng­ten Jar­res im Mai des­sel­ben Jah­res mit fa­den­schei­ni­gen Ar­gu­men­ten aus dem Ober­bür­ger­meis­ter­amt. Im No­vem­ber 1933 wur­de Jar­res auf ei­ge­nen An­trag hin in den Ru­he­stand ver­setzt. 

Wäh­rend der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Dik­ta­tur war Jar­res in der Wirt­schaft tä­tig. Er hat­te bis 1951 den Vor­sitz in Auf­sichts­rä­ten meh­re­rer Un­ter­neh­men im Ruhr­ge­biet in­ne. Au­ßer­dem war er Vor­stands­mit­glied ver­schie­de­ner re­nom­mier­ter In­dus­trie­un­ter­neh­men wie der De­mag AG in Duis­burg. Mit dem Un­ter­neh­mer Pe­ter Klöck­ner un­ter­hielt er ei­ne en­ge Freund­schaft. Bis in den Zwei­ten Welt­krieg hin­ein war er Vor­ste­her des Was­ser­ver­ban­des Schwam­men­au­el in der Ei­fel, der dort die gro­ße Rur­talsper­re bau­te. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg setz­te er sich für den Wie­der­auf­bau der Ruhr­in­dus­trie ein, wur­de aber nicht mehr in der Po­li­tik ak­tiv. Karl Jar­res starb am 20.11.1951 in Duis­burg. 

Für Karl Jar­res gilt be­son­ders, was für die üb­ri­gen „gro­ßen Ober­bür­ger­meis­ter" cha­rak­te­ris­tisch war: Er war ein Mann des Über­gangs von der Mon­ar­chie zur Re­pu­blik. An ihm zeig­te sich, dass „das Ober­bür­ger­meis­ter-Amt in ei­ner Groß­stadt am Rhein Vor­stu­fe zu ei­nem Mi­nis­ter­amt im Reich oder in Preu­ßen wer­den konn­te." (Wal­ter Först) 

Literatur

Dün­ne­ba­cke, Paul Heinz, Karl Jar­res im Kai­ser­reich und in den ers­ten Jah­ren der Wei­ma­rer Re­pu­blik, Müns­ter i.W. 1976.
Först, Wal­ter, Karl Jar­res, in: Först, Wal­ter (Hg.), Po­li­tik und Land­schaft, Köln, Ber­lin 1969, S. 142-147.
Kru­se-Jar­res, Jür­gen D., Karl Jar­res. Ein be­weg­tes Po­li­ti­kerle­ben. Vom Kai­ser­reich zur Bun­des­re­pu­blik, Mün­chen 2006.
Ro­meyk, Horst, Die lei­ten­den staat­li­chen und kom­mu­na­len Ver­wal­tungs­be­am­ten der Rhein­pro­vinz 1816-1945, Düs­sel­dorf 1994, S. 554-555.

Online

Dün­ne­ba­cke, Paul Heinz, Ar­ti­kel "Jar­res, Karl", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 10 (1974), S. 358-359. [On­line]
Karl Jar­res (Edi­ti­on "Ak­ten der Reichs­kanz­lei. Wei­ma­rer­Re­pu­blik" on­line des Bun­des­ar­chivs und der His­to­ri­schen Kom­mis­si­on Mün­chen). [On­line]

Karl Jarres, Porträtfoto. (Stadtarchiv Duisburg)

 
Literatur
Kruse-Jarres, Jürgen D.
S. 554-555
Zitationshinweis

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Weiß, Lothar, Karl Jarres, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-jarres-/DE-2086/lido/578e1c9cd65737.66513734 (abgerufen am 13.12.2024)