„Duisburg - Die Rhein- und Ruhr-Stadt“. Stadtbild und Stadtplanung unter Karl Jarres in Duisburg 1918/1919-1933
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1. Einleitung
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Stadt Duisburg und Oberbürgermeister Dr. Karl Jarres, insbesondere mit dessen Stadtentwicklungspolitik. Die Untersuchung basiert vor allem auf Jarres’ Handakten und den jährlichen Verwaltungsberichten der Stadt. Letztere sind vor allem als zeitgenössische, nur ein bis zwei Jahre verzögerte Situationsbeschreibungen der Stadt aufschlussreich. Karl Jarres war an deren Abfassung in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister und Kulturdezernent beteiligt. In seinen persönlichen Handakten findet sich wiederum Schriftgut, in denen die Sicht des Oberbürgermeisters auf die Stadt beziehungsweise auf Vorstellungen von der Stadt zum Ausdruck kommt.
Die Analyse der Duisburger Stadtentwicklungspolitik unter Karl Jarres erfolgt in vier Schritten: Vor der Darstellung der Ausgangslage nach dem Ersten Weltkrieg soll auf die allgemeinen Bedingungen des Oberbürgermeisteramtes und der Stadtplanung in der Weimarer eingegangen werden. Daraus entwickelt sich die Frage nach Jarres’ persönlichen Vorstellungen zur Fortentwicklung der Industriestadt hinsichtlich des Stadtbildes und der dafür nötigen Stadtplanung. Abschließend wird deren Umsetzung betrachtet. Eine umfassende Analyse von Karl Jarres’ Wirken in den Jahren 1914 bis 1933 - einer ereignis- und krisenreichen Zeit der Duisburger und deutschen Geschichte - ist hier nicht zu leisten.
2. Die Vorbedingungen: Oberbürgermeisteramt und Stadtplanung in der Weimarer Republik
„Die Oberbürgermeister des heutigen Deutschlands sind in Wirklichkeit neben den Großindustriellen die Könige der Gegenwart.“[1] Diese gern zitierte Tagebuchnotiz von Jarres’ Parteifreund Gustav Stresemann (1878-1929) vom 16.5.1925 gibt eine erste zeitgenössische Bewertung von der starken Stellung des Oberbürgermeisters in der Weimarer Republik.
Im Kaiserreich waren infolge der Industrialisierung die Bevölkerungszahlen der Städte sprunghaft angestiegen. Die damit korrespondierenden wachsenden Anforderungen an die städtischen Verwaltungen wurden von den (Ober-)Bürgermeistern – nicht von den Gemeindeparlamenten – persönlich bearbeitet und koordiniert. Neben ihrer Verwaltungsfunktion repräsentierten die Oberbürgermeister des Kaiserreichs sowohl das Stadtbürgertum als auch die preußisch-deutsche Monarchie und fungieren somit als „Klammer zwischen der liberalen Gesellschaft und dem ‚starken’ Staat“[2].
Auch nach der Revolution 1918/1919 blieb die Position des Oberbürgermeisters auf kommunaler Ebene wie gegenüber Ländern und Reich nahezu unverändert. Jedoch wandelte sich die Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlungen: Die bürgerlichen Honoratioren des Dreiklassenwahlrechts wurden von Fraktionen aus Parteipolitikern, die nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht ermittelt wurden, abgelöst. Die rheinische Bürgermeisterverfassung blieb jedoch unangetastet. Die vordergründigen Ergebnisse der Revolution begrenzten sich auf die politische Struktur des kommunalen Systems.
Dennoch wurde die Kommunalpolitik der Oberbürgermeister durch die Krisen und Probleme der Nachkriegszeit verändert. Die schwierige Haushaltslage der Kommunen und die eingeschränkte kommunale Selbstverwaltung, insbesondere hinsichtlich der Finanzautonomie, verengten den Handlungsspielraum kommunaler Politik. Auf der anderen Seite mussten sich die Kommunen um eine fortschrittliche und kostenintensive Stadtentwicklungspolitik bemühen.
Das Kernstück der kommunalen Stadtentwicklung und Stadtplanung in der Weimarer Zeit war der Wohnungsbau. Es fehlte in den Städten ausreichender Wohnraum, da in den Kriegsjahren von öffentlicher und privater Seite nicht investiert worden war. In der Nachkriegszeit kristallisierte sich heraus, dass die Kommunen den privaten Wohnungsbau fördern und zum Teil ersetzen mussten. Die Geldwertstabilisierung, der Dawes-Plan und die Einführung der Hauszinssteuer führten zu einem Anstieg des Wohnungsbaus nach 1924, der von verschiedenen städtebaulichen Diskussionen begleitet wurde. Die Finanzierung städtischer Ausgaben, zum Beispiel mit Hilfe ausländischer Kredite, wurde infolge der Weltwirtschaftskrise erschwert. Reich und Länder verlangten von den Kommunen Spardisziplin. Folglich reduzierten sich die städtischen Investitionen während des konjunkturellen Abschwungs gegenüber den gesetzlichen Sozialleistungen. Wolfgang Heindl spricht ab dem Jahr 1930 von einem kommunalen „Wohlfahrtshaushalt“[3]. Der Oberbürgermeister war auch in der Weimarer Republik das Leitungsorgan der Stadtverwaltung und der kommunalen Legislative. Entsprechend dieser Doppelfunktion gingen von ihm und seinem Mitarbeiterkreis maßgeblich Anstoß und Planung der Stadtentwicklung aus.
3. Die Ausgangslage: Die Stadt Duisburg 1918/1919
Dr. Karl Jarres hatte sein Amt als Duisburger Oberbürgermeister am 1.7.1914 im Alter von 40 Jahren angetreten. Die Stadt setzte sich damals aus dem südlich der Ruhr gelegenen Alt-Duisburg mit der Enklave Wanheim-Angerhausen und der 1905 eingemeindeten Hafenstadt Ruhrort, sowie dem 1910 eingemeindeten Industriedorf Meiderich zusammen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verwehrte Jarres in diesen Jahren die Möglichkeit, wirtschaftliche, kulturelle oder soziale Akzente zu setzen. Das Ziel der Stadtverwaltung in den vier Kriegsjahren war es, die Versorgung der Stadt und ihrer Bevölkerung aufrechtzuerhalten und sicherzustellen. Dass das gelang, wurde Jarres parteiübergreifend bescheinigt.
Der verlorene Krieg, die politische Revolution und ihre links- wie rechtsradikalen Folgeerscheinungen stellten ebenso wie die französisch-belgische Besetzung Duisburgs und das damit einhergehende separatistische Intermezzo, die Stadtführung - neben ihrer sozialen Verpflichtung - vor zum Teil unlösbare Probleme. So verwundert es nicht, dass es Karl Jarres erst langsam gelang, seine geschäftsordnungsmäßig starke Stellung auszuspielen.
In Duisburg - wie auch in den anderen deutschen Großstädten - bestand ein großer Nachholbedarf in der Schaffung von Wohnungsraum. Darüber hinaus war die Infrastruktur in weiten Teilen der Stadt noch nicht auf die enorme Industrie- und Bevölkerungsdichte ausgerichtet. So waren zum Beispiel die Stadtteile nördlich der Ruhr schlecht an die Innenstadt angebunden. Dem Wohnungsmangel begegnete die Stadtverwaltung in den Jahren bis 1924 sowohl mit vermehrtem Eigenbau als auch Förderung von genossenschaftlichem Wohnungsbau. Die Duisburger „Gemeinnützige Baugesellschaft“ wurde sogar kommunalisiert. Verkehrstechnische Maßnahmen waren schon unter Jarres’ Vorgänger, Oberbürgermeister Carl Lehr, entwickelt, aber infolge des Krieges nicht weiterverfolgt worden. Die erste Phase von Jarres’ Wirken in Duisburg endete jedoch am 17.2.1923 mit seiner Ausweisung aus dem Sanktionsgebiet. Erst am 2.2.1925 konnte er sein Amt wieder antreten. Während seiner Abwesenheit hielt er Kontakt zu seinem Vertreter Otto Maiweg (1871-1962) und anderen Verwaltungsmitgliedern.
4. Der Protagonist: Karl Jarres’ Vision von Duisburg
Karl Jarres hatte ohne ein ausgefertigtes kulturpolitisches oder stadtplanerisches Programm das Amt des Oberbürgermeisters angetreten. Gleichwohl gewann in seinen Reden und Schriften ein Stadtbild Konturen, das er in der Weimarer Republik versuchte umzusetzen. Dazu sei bemerkt, dass Jarres sein Amt in Duisburg als Lebensaufgabe verstand.
Der Maßstab seines kommunalpolitischen Handelns war seine wirtschaftsliberale Grundhaltung, weshalb der Schwerpunkt seiner kommunalen Arbeit auch auf der regionalen Wirtschaftspolitik lag. Er verstand die Duisburger Industrie als „Werkstätten des Wiederaufbaues“[4] in Deutschland nach dem Weltkrieg. Folglich richtete er die Stadtentwicklung an einer Aufwertung des Standorts Duisburg aus. In einem Beitrag für die „Kölnische Zeitung“, dessen Überschrift „Duisburg, die Rhein- und Ruhr-Stadt“ auch für diesen Aufsatz titelgebend ist, verwies Jarres auf die ungünstigen Entwicklungsstränge in Duisburgs Vergangenheit und Gegenwart. Von der Rheinverlagerung im Mittelalter bis zur Besatzungszeit entwarf er dem Leser eine leidgeprüfte Stadtgeschichte. Jarres kritisierte, dass Duisburg gegenüber seinen Nachbarstädten zu wenig Anerkennung erfahre. Die Stadt würde von außen nur als Arbeiterstadt wahrgenommen.
Die wirtschaftsaffine Standortpolitik wurde flankiert von einer auf persönlichen Vorlieben beruhende Kulturpolitik sowie einem Ausbau der Freizeit- und Sportanlagen. Der Ausbau des kulturellen Angebots - wobei hiermit ausdrücklich die Hochkultur gemeint war - sollte der Aufwertung Duisburgs dienen, denn „das Image einer Stadt [...] hat zugleich sozial-integrativen Charakter und einen ökonomischen ‚Firmenwert’“[5]. War das kulturelle Angebot schichtspezifisch ausgelegt, intendierte Karl Jarres mit dem Ausbau der Grün- und Sportflächen gesundheitspolitische Ziele für breite Bevölkerungskreise. Damit einher ging die Wohnungsbauförderung, wo jedoch keine eigene spezifische Strategie erkennbar war. Jarres war sich bewusst, dass eine kommunale Sozialpolitik auf die Steuereinnahmen aus der Wirtschaft angewiesen blieb. So hielt er mit den Vertretern der Wirtschaft stets Rücksprache.
Die Ausdehnung des Duisburger Stadtgebiets auf die Nachbargemeinden war während seiner gesamten Amtszeit ein Hauptanliegen des Oberbürgermeisters. Schon unmittelbar nach Kriegsende hatte er seine Eingemeindungsvorschläge, die alle seine nachfolgenden Bemühungen kennzeichneten, formuliert: Nach Norden (Stadt Hamborn), Westen (Landkreis Moers) und Süden (Landkreis Düsseldorf) sah Jarres im Rahmen der Stadt Duisburg Ausdehnungspotential. Jarres’ Ziel war der Brückenschlag über den Rhein durch die Eingemeindung der Stadt Homberg und der Gemeinde Rheinhausen. Darüber hinaus war er dem Vorschlag eines Zusammenschlusses der westlichen Städte des Ruhrgebiets, der in den 1920er Jahren aus Wirtschaftskreisen eingebracht wurde, nicht abgeneigt, sah er doch in Duisburg den historischen Kern einer so genannten Ruhrmündungsstadt.
Im Ballungsraum Rhein-Ruhrgebiet waren das persönliche Ansehen des Oberbürgermeisters und die Außenwirkung der Stadt ein nicht zu unterschätzender Faktor. Die Stadtentwicklung wurde als Prestigeangelegenheit verstanden, so auch von Karl Jarres. Die Stadtverwaltung arbeitete demgemäß an dem „Herausarbeiten eines der Bedeutung und den Aufgaben der Stadt entsprechenden Stadtbildes durch Errichtung von Monumentalbauten“[6] mit deren Einmaligkeit, Repräsentativität und Wiedererkennungswert für die Stadt geworben werden sollte. So wurden in Fachzeitschriften der rege Baubetrieb und die erstrebten Planungen angepriesen.
5. Die Umsetzung: Stadtbau und Stadtkultur
Die Stadtverwaltung gab in Karl Jarres’ Amtszeit Anstoß zu einer Vielzahl städtebaulicher Vorhaben, die im Interesse des Oberbürgermeisters und seiner Planung waren. Dabei war der finanzielle Spielraum durch externe Einflüsse streng limitiert, höchstens im Jahrfünft der Jahre 1924 bis 1929 war die Finanzierung mehrerer Großprojekte mit Hilfe ausländischer und inländischer Kredite möglich. Mit Hilfe der Inflation konnte die Stadt ihre inländischen Kriegs- und Nachkriegsschulden begleichen und war Ende 1923 kurzfristig fast schuldenfrei. Doch wurden 1931 infolge der Weltwirtschaftskrise Neubauprojekte von der Reichsregierung per Notverordnung untersagt.
Neben den Ausgaben für den Wohnungsneubau, der auch in der Verwaltungsstruktur durch die Einrichtung eines Wohnungsbauamtes im Jahre 1922 aufgewertet wurde, verfolgte die Stadtverwaltung über die Weimarer Jahre mehrere Projekte von überregionaler Dimension. Der Bau des Wedaustadions auf dem ehemaligen Krupp-Gelände im Duisburger Südosten wurde schon im Jahre 1919 begonnen und war - zusammen mit dem städtischen Ankauf von privaten Grünflächen beziehungsweise Parkanlagen im Stadtgebiet (zum Beispiel dem Böninger-Gelände in Duisburg-Hochfeld) - ein gesundheitspolitisches Bauprojekt „im Interesse der Volksgesundheit“[7]. Dem gleichen Ziel folgte die kommunale Verkehrspolitik „die sowohl in verkehrstechnischer als auch in hygienischer Hinsicht allen Anforderungen des Großstadtverkehrs genügen“[8] sollte. Weitere Neubauten konzentrierten sich um die neue innenstädtische Mitte am Königsplatz. Hier baute die Stadt in Eigenregie ein neues Verwaltungshaus (das so genannte. Stadthaus) und das repräsentative Hotel „Duisburger Hof“. Auf dem Platz wurde 1927 Wilhelm Lehmbrucks „Kniende“ ausgestellt.
Als weiteres Großprojekt galt der neue Hauptbahnhof, welcher 1928 begonnen, erst 1934 fertiggestellt werden konnte, aber auch während der Krisenjahre weitergebaut wurde. Die Stadt ließ die Baustelle entgegen der Forderung der Kommunalaufsicht nicht stilllegen Mit dem neuen Bahnhofsgebäude sollte die städtische Infrastruktur wieder an das Fernverkehrsnetz angeschlossen werden. Großbaustellen dienten über die Weimarer Jahre hinweg als Beschäftigungsprogramm für Erwerbslose, die zum Beispiel beim Bau des Stadions, der Regattabahn oder beim Hauptbahnhofsneubau zum Einsatz kamen. Die Stadt legte im Februar 1933 - noch ohne nationalsozialistischen Einfluss - ein infrastrukturelles Arbeitsbeschaffungsprogramm auf.
Nach seiner Rückkehr aus der Reichspolitik im Januar 1925 engagierte sich Jarres verstärkt für die Eingemeindungswünsche Duisburgs und suchte die Initiative gegenüber der preußischen Regierung. Wie gezeigt, hatte sich Jarres weitreichende Ziele gesteckt und mit Nachdruck verfolgt. Die Stadtverwaltung warb mit der wirtschaftlichen Stabilität und Stärke Duisburgs und schuf Vorleistungen für die verkehrstechnische Verknüpfung der neuen Gebiete mit Alt-Duisburg. Dennoch mussten Duisburg und Karl Jarres sich mit einer Kompromisslösung zufriedengeben. Das im Jahre 1929 erlassene Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets vergrößerte das Duisburger Stadtgebiet um die Stadt Hamborn und Teile des Landkreises Dinslaken im Norden sowie Teile des Landkreises Düsseldorf südlich der bisherigen Stadtgrenze. Die Angliederung linksrheinischer Gebiete an Duisburg wurde darin nicht vollzogen.
Der Ausbau des Kulturlebens in der Stadt wurde schon 1921 in Angriff genommen. Die Opernehe mit Düsseldorf wurde aufgelöst und stattdessen eine Verbindung mit Bochum eingegangen. Unter ihrem Intendanten Dr. Saladin Schmitt (1883-1951) zählte sie zu den bedeutendsten Spielstätten in Deutschland. Karl Jarres war über die ganzen Jahre hinweg Kulturdezernent der Stadt und der anspruchsvolle Förderer (mit eigener Loge, keine Operettenaufführungen) von Oper und Theater. Dass Duisburg „in den Zwanzigerjahren das ‚Bayreuth des Niederrheins’ genannt“[9] wurde, unterstrich den damaligen kulturellen Stellenwert der Stadt in Deutschland. Jarres war in der Weltwirtschaftskrise auch nicht bereit, die Kulturstätten als Sparmaßnahme zu schließen. Jarres verwahrte sich gegen den Vorwurf, Kulturpolitik sei eine „Luxusausgabe“. In dieser sah er vielmehr eine sozialpolitische Zukunftsinvestition.
Trotz der intensiven Standortpolitik konnte die Stadtverwaltung keine neuen Großfirmen in ihr Stadtgebiet locken. Vielmehr verlor sie durch die Fusionen in der Schwerindustrie, vor allem durch die Bildung der Vereinigten Stahlwerke AG, die höheren Beamten und Verwaltungssitze an die Nachbarstädte. Hier zeigte sich, dass Duisburg den Rückstand an Prestige und Wertschätzung als Wohnstadt in den Amtszeiten von Jarres nicht hatte aufholen können. Vor allem hinsichtlich der Außenwahrnehmung blieb das Stadtbild der Arbeiter- und Industriestadt trotz der Stadtentwicklungspolitik unter Karl Jarres erhalten.
6. Das Erreichte: Ein Fazit
Am 16.5.1933 musste Karl Jarres auf Druck der Nationalsozialisten sein Oberbürgermeisteramt niederlegen. Doch schon vor der Kanzlerschaft Adolf Hitlers (1889-1945) war das einmütige Regieren von Oberbürgermeister und Stadtverordnetenversammlung in Duisburg stetig erschwert worden. Die Wahlen zum preußischen Landtag sowie zum Reichstag im Jahr 1932 hatten auch in Duisburg-Hamborn eine Mehrheit aus KPD und NSDAP zur Folge. In der seit 1929 amtierenden Stadtverordnetenversammlung bestimmten noch die gemäßigten Fraktionen die Mehrheitsverhältnisse. Aber auch das von SPD und Zentrumspartei dominierte Gemeindeparlament verweigerte Jarres ab 1931 immer wieder die Zusammenarbeit, so dass die erforderlichen Beschlüsse, beispielsweise die Zwangseinführung neuer Steuern, nur über den Regierungspräsidenten in Kraft treten konnten. Jarres schaffte es nicht mehr, sich uneingeschränkt als überparteilicher Vermittler zu gerieren.
Schon unter Jarres’ Vorgänger Carl Lehr wurden mit dem Neubau des Rathauses und der spendenfinanzierten Errichtung des Stadttheaters großstädtische Akzente gesetzt. In den Jahren 1919 bis 1933 gab neben weiteren städtebaulichen Einzelprojekten auch ganzheitliche Entwicklungen. Die Stadt betrieb einen planmäßigen Wohnbau mit der Schaffung neuer Siedlungen, errichtete Grün- und Sportanlagen und forcierte den Erwerb eines neuen Industrie- und Wohngebiets über Grundstückserwerb und Eingemeindung.
Jarres’ Bemühen galt dabei primär der Schaffung eines neuen, differenzierteren Stadtbildes. Jenseits des Images als Arbeiter- und Industriestadt warb er für die Kultur- und Wohnstadt Duisburg. So schrieb er 1928: „Rüstig schreitet die Stadt als Schrittmacherin der Wirtschaft des Industriegebiets vorwärts, und auch ihre Leistungen auf dem Gebiete der deutschen Kultur finden mit Recht weithin Beachtung.“[10] Das kulturelle Angebot der Stadt galt ihm als wichtiger Werbefaktor. Es zeigte sich, dass Karl Jarres ein Konzept für die Stadt besaß und mit Nachdruck für dessen Umsetzung agitierte.
Die Bauten und Schöpfungen aus der Weimarer Republik prägen noch heute das Duisburger Stadtbild und haben zum Teil überregionale Bedeutung erlangt (so der Sportpark Wedau). Doch über weite Strecken – auch bedingt durch die schweren Startbedingungen nach dem Ersten Weltkrieg – gelangen Karl Jarres nur Teilerfolge. Das Aussehen und der Ruf der Stadt wurden behutsam verbessert, aber der große Wurf in einem Atemzug mit den rheinischen Zentren Düsseldorf und Köln genannt zu werden, wurde nur seiner Person, aber nicht der Stadt Duisburg zuteil.
Quellen
Artikel für die „Kölnische Zeitung“: Duisburg, die Rhein- und Ruhr-Stadt (Stadtarchiv Duisburg 150/60). Artikel für die „Deutsche Allgemeine Zeitung“: Zur Rheinischen Jahrtausendfeier (Stadtarchiv Duisburg 150/60).
Bernhard, Henry (Hg.), Gustav Stresemann. Vermächtnis, Band 2: Locarno und Genf, Berlin 1932.
Brief an Herrn Geheimrat Emil Kirdorf vom 24.12.1925 (Stadtarchiv Duisburg 150/70).
Brief an Herrn Generaldirektor Vögler vom 30.12.1925 (Stadtarchiv Duisburg 150/70).
Jarres, Karl (Hg.), Duisburg 925-1925. Die Jubelfeier 1925, [Duisburg 1925].
Protokolle der Stadtverordnetenversammlung 1919-1921 (Stadtarchiv Duisburg 100A/1/11).
Städtische Hochbauverwaltung Duisburg (Hg.), Duisburg (Deutschlands Städtebau), 2. Auflage, Berlin 1925.
Städtisches Statistisches Amt Duisburg (Hg.), Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Duisburg in den Rechnungsjahren 1912 bis 1924 (1. April 1912 bis 31. März 1925), Duisburg [1928].
Städtisches Statistisches Amt Duisburg (Hg.), Verwaltungsbericht der Stadt Duisburg für 1927, Duisburg [1929].
Literatur
Dünnebacke, Paul-Heinz, Karl Jarres im Kaiserreich und in den ersten Jahren der Weimarer Republik
Heindl, Wolfgang, Die Haushalte von Reich, Ländern und Gemeinden in Deutschland von 1925 bis 1933. Öffentliche Haushalte und Krisenverschärfung, Frankfurt a. M. [u. a.] 1984.
Hofmann, Wolfgang, Zwischen Rathaus und Reichskanzlei. Die Oberbürgermeister in der Kommunal- und Staatspolitik des Deutschen Reiches von 1890 bis 1933, Stuttgart 1974.
Kähler, Gert, Nicht nur Neues Bauen! Stadtbau, Wohnung, Architektur, in: Kähler, Gert. (Hg.), Geschichte des Wohnens, Band 4: 1918-1945. Reform, Reaktion, Zerstörung, Ludwigsburg/Stuttgart 1996, S. 303-452.
Kruse-Jarres, Jürgen D., Karl Jarres. Ein bewegtes Politikerleben – vom Kaiserreich zur Bundesrepublik, München 2006.
von Roden, Günter, Geschichte der Stadt Duisburg, Band 2: Die Ortsteile von den Anfängen. Die Gesamtstadt seit 1905, Duisburg 1974.
Weiß, Lothar, Rheinische Großstädte während der Weltwirtschaftskrise (1929-1933). Kommunale Finanz- und Sozialpolitik im Vergleich, Köln/Weimar/Wien 1999.
- 1: Jahrtausendfeier der Rheinlande, in: Bernhard (Hg.), Gustav Stresemann Vermächtnis, Band 2, S. 299-300, hier S. 300.
- 2: Hofmann, Zwischen Rathaus und Reichskanzlei, S. 56.
- 3: Heindl, Die Haushalte von Reich, Länder und Gemeinden in Deutschland von 1925 bis 1933. Öffentliche Haushalte und Krisenverschärfung, Reihe 5, Bd. 565), Frankfurt a. M. [u.a.] 1984, S. 223.
- 4: Jarres, Karl, Zum Geleit, in: Städtische Hochbauverwaltung Duisburg (Hg.): Duisburg (Deutschlands Städtebau), 2. Auflage, Berlin 1925, S. 5.
- 5: Hofmann, Rathaus, S. 99.
- 6: Städtisches Statistisches Amt Duisburg, Bericht 1912 bis 1924, S. 497.
- 7: Städtisches Statistisches Amt Duisburg, Bericht 1912 bis 1924, S. 498.
- 8: Städtisches Statistisches Amt Duisburg, Bericht 1912 bis 1924, S. 516.
- 9: von Roden, Geschichte der Stadt Duisburg, Band 2, S. 619.
- 10: Jarres, Karl, Zum Geleit, in: Städtische Hochbauverwaltung Duisburg (Hg.): Duisburg, S. 5.
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Olenik, Alexander, „Duisburg - Die Rhein- und Ruhr-Stadt“. Stadtbild und Stadtplanung unter Karl Jarres in Duisburg 1918/1919-1933, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/duisburg---die-rhein--und-ruhr-stadt.-stadtbild-und-stadtplanung-unter-karl-jarres-in-duisburg-19181919-1933/DE-2086/lido/578e17abb05538.63182436 (abgerufen am 06.10.2024)