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Adolf Steinberger war fast 25 Jahre Oberbürgermeister von Köln und ist damit bis heute das am längsten amtierende Oberhaupt der Domstadt. In seine Amtszeit fallen maßgebliche innovative Entwicklungen der städtischen Infrastruktur und des Verkehrswesens, unter anderem die Eröffnung der linksrheinischen Bahnstrecke 1844. Dennoch schätzt die Stadtgeschichtsforschung ihn im Vergleich zu führenden zeitgenössischen Kölner Unternehmerpersönlichkeiten wie Ludolf Camphausen oder Peter Heinrich Merkens (1777–1854), aber auch alteingesessenen Honorationen wie Eberhard von Groote oder Heinrich von Wittgenstein als weniger bedeutend ein. Folgt man Eberhard Gothein, lies er den genannten Herren und anderen „angesehenen Leuten […] freie Hand, zu verdienen, wo sich etwas bot, auch an der Stadtverwaltung. Das war nun freilich auch altcölnische Tradition.“ Sein Sekretär, der Stadtarchivar und Chronist Johann Jakob Fuchs (1782–1857), soll zugleich sein bester Freund und ständiger Berater gewesen sein, so dass in Köln angeblich eher „der Sekretär und nicht der Maire regierte.“[1]
Johann Adolf Steinberger wurde am 24.7.1777 in Dormagen als Sohn des Schöffen zu Dormagen Friedrich Steinberger (1736-1802) und seiner Ehefrau Caecilia Otto (1733-1800) geboren. Die Familie war katholisch. Nach dem dreijährigen Studium der Rechtswissenschaften in Köln wurde Adolf Steinberger 1803 Empfänger in Stoffeln[2], anschließend Advokat, 1805 juge supplémentaire in Köln, translateur juré und 1806 Präfektursekretär der französischen Verwaltung in Aachen. Dort war er 1806–1809 als kaiserlicher Notar zugelassen und wickelte unter anderem zahlreiche lukrative Nationalgüterversteigerungen ab. Ab etwa 1803 war er Mitglied des Arrondissementwahlratskollegiums.
Adolf Steinberger heiratete am 27.12.1806 in Bonn Marie Agnes Kauhlen (1781–1861), Tochter des renommierten Anatomen Franz Wilhelm Kauhlen und seiner Frau Anna Marie, geborene Kaufmann (1740–1795). Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.
1809 gelang es Steinberger, als Notar nach Köln zu wechseln, wo er einer der größten Kreditvermittler in der Region wurde. Nach dem Übergang der Rheinlande an Preußen 1815 trat er 1817 in den Kölner Stadtrat ein. Sogleich wurde er mit wichtigen Aufgaben betraut; so war er beispielsweise Mitglied der Kommission zur Formulierung der Adresse an den König, in der die Stadt für eine preußische Verfassung und die Wiedererlangung der reichsstädtischen Autonomie eintrat. Er erarbeitete ein Konzept zur Verbesserung der Armenfürsorge, dass er vor dem Erlass einer neuen städtischen Armenordnung 1818 in der Freimaurerloge „Le sécrèt des trois rois“ vorstellte. Er selbst war seit 1815 Meister vom Stuhle der Freimaurerloge St. Johannis zum Vaterländischen Vereine. Außerdem war er Mitglied einer Reihe von gesellschaftlich einflussreichen Vereinen. So war er in der Casino-Gesellschaft, in der Liedertafel, in einer Kammermusikvereinigung, später auch in der Concert-Gesellschaft beziehungsweise im Gesangverein aktiv. Er förderte den Kölnischen Kunstverein und nicht zuletzt den rheinischen Karneval.
Die preußische Regierung ordnete 1823 die ersten kommunalpolitischen Wahlen an, um die aus der französischen Zeit stammenden Schulden der Gemeinden reguliert zu bekommen. In Köln waren 6.703 Männer wahlberechtigt, wovon 70 Prozent im März 1823 ihre Stimmen abgaben. Gewählt wurde eine Kommission von 24 Bevollmächtigten, von denen Steinberger die zweithöchste Stimmenzahl erhielt. Mit Kabinettsordre vom 11.9.1823 wurde Steinberger zum Oberbürgermeister ernannt, die Amtseinführung fand am 8.11.1823 statt. Die Ratsherren gestanden ihm ein im Vergleich zu anderen Städten überaus großzügiges Gehalt von 3.000 Talern im Jahr zu, da er seine Notariatsgeschäfte niederlegte.[3] Im Gegensatz zu seinen Vorgängern war der von auswärts gekommene Steinberger jedoch nicht in die »Familienbande« der Kölner Ratsherren integriert, das heisst, dass ihm wichtige familiäre und gesellschaftliche Verbindungen in der Domstadt fehlten.
Aufgrund der Statuten der Handelskammer, die noch auf französischem Recht beruhten, war er als Oberbürgermeister 1823-1831 zugleich Präsident der Handelskammer.
In der Folgezeit gelang es Steinberger, die kommunalen Interessen gegenüber äußeren Eingriffen zu wahren und in enger Zusammenarbeit mit der Armenverwaltung und der Handelskammer durchzusetzen. Dazu gehörte unter anderem die Bewältigung mehrerer globaler Krisen, die 1817/1818, 1830/1831 und 1845/1846 zur Teuerung der Lebensmittel und zum Anstieg von Armut und Unzufriedenheit in der stetig wachsenden Stadtbevölkerung führten. Als Präsident der Handelskammer konnte er für den Verlust des aus dem Spätmittelalter überkommenen Kölner Stapelrechts 1831 eine hohe staatliche Entschädigung aushandeln, die sich bis 1838 auf 232.000 Taler belief.
Steinberger vertrat die Stadt zusammen mit seinem Vorgänger Karl Joseph von Mylius (1778–1838), seinem erfahrenen Beigeordneten Franz Jacob Joseph von Herwegh (1773–1848) und dem Präsidenten der Armenverwaltung Eberhard von Groote 1837-1841 im Rheinischen Provinziallandtag. Als Jurist und Repräsentant Kölns war er dort an der Verteidigung des Rheinischen Rechts und der Diskussion um das sogenannte Kölner Ereignis von 1837 beteiligt. Die Inhaftierung des Kölner Erzbischofs Clemens August Droste zu Vischering brachte ihn in eine schwierige Vermittlerrolle zwischen dem preußischen König und der katholischen Kirche. Zusammen mit Eberhard von Groote setzte er sich für eine friedliche Beilegung des aufsehenerregenden Konfliktes ein und beteuerte seine Heilige Pflicht, die Angelegenheit in Berlin persönlich angesprochen zu haben.[4] Im Landtag lehnten beide eine Petition für die Freilassung des Erzbischofs und somit eine öffentliche Parteinahme für die katholische Kirche und die katholische Bevölkerungsmehrheit im Rheinland ab.[5] Dass sie dafür in Köln mit Katzenmusik statt wie sonst üblich mit Ehren empfangen wurden, führte Steinberger erstmals vor Augen, was für ihn und andere rheinische Stadtoberhäupter im Vormärz zu einer schier unlösbaren Aufgabe wurde: Als Vertreter der Bevölkerung und des Staates konnten divergierende Interessen in der Öffentlichkeit im Laufe der 1840er Jahre nicht mehr auf einen Nenner gebracht werden.
1831 gab er sowohl das Abgeordnetenmandat als auch die Präsidentschaft der Handelskammer an den protestantischen Unternehmer und Präsidenten der Kölner Eisenbahngesellschaft Ludolf Camphausen ab. Mit der Unterstützung Steinbergers gelang es Camphausen, innovative Wirtschaftsreformen wie den Bau der rheinischen Eisenbahn umzusetzen und damit die regionale wie überregionale Mobilität zu revolutionieren. Weitere infrastrukturelle Neuerungen kamen mit der Anlegung von Straßen, Gaslaternen, eines Sicherheitshafens in Köln und der Einrichtung eines regelmäßigen Dampfschifffahrtsverkehrs hinzu. Darüber hinaus fielen in Steinbergers Amtszeit Prestigeprojekte wie 1824-1826 der Bau des Appellationsgerichts am Appellhofplatz und der Anstoß zur Fortführung des Kölner Dombaus. Dabei setzte die Vollendung des Kölner Doms eine über das Rheinland und Preußen hinausgehende Bewegung in Gang, die tausende Menschen und der preußische König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) unterstützten.
An der Spitze der Bewegung stand der Präsident des Zentral-Dombau-Vereins Heinrich von Wittgenstein, während Steinberger im Vorstand vermittelte und als Gastgeber der fulminanten Eröffnungsfeierlichkeiten fungierte.
Wie Camphausen gehörte Wittgenstein als Spross einer der führenden Familien und Sohn des letzten französischen Maires Mitglied der Armenverwaltung und erster Präsident der Karnevalsgesellschaft zu den einflussreichsten Persönlichkeiten, die Steinberger im Stadtrat unterstützten. Gemeinsam wurden sie in der Revolution 1848/1849 in leitende Positionen berufen, wohingegen Steinberger am 12.10.1848 auf eigenen Wunsch in den Ruhestand und somit endgültig in den Hintergrund trat.
Dass Steinberger „im Vormärz nicht der starke Mann in der Stadt gewesen ist, von dem entscheidende Impulse ausgingen oder bei dem die Fäden der politischen Macht zusammenliefen“, wird in der neueren Forschung bestätigt – und zugleich relativiert. „Seine Rolle lag vor allem darin, in einer gesellschaftlich und wirtschaftlich bewegten Zeit möglichst breiten Teilen der auseinanderdriftenden Stadtgesellschaft eine Identifikationsmöglichkeit zu bieten.“ Diese Integrationsfunktion wurde durch seine vermeintlich fehlenden Netzwerke innerhalb der Kölner Stadtgesellschaft zunächst begünstigt, stieß aber im Revolutionsjahr 1848/1849 an ihre Grenzen.[6]
Bei Steinbergers Eintritt in den Ruhestand drückte der Stadtrat sein Bedauern darüber in der Kölnischen Zeitung und in einer „stillen Feier“ im Theatersaal anlässlich seines 25-jährigen Dienstjubiläums aus, „um der anerkannten Bescheidenheit Steinbergers nicht zu nahe zu treten.“ Obwohl das Fest unmittelbar während der revolutionären Unruhen am 8.11.1848 stattfand, sollen Deputationen der Beamtenschaft, der Justiz, der Vereine, der Gesellschaften, der Gewerbe und „alle musicalischen Kräfte der Stadt mit der freudigsten Bereitschaft“ daran teilgenommen haben. Seine Verdienste wurden mit einer „von vielen Hunderten unterzeichneten“ Dankadresse aus der Bürgerschaft, einem goldenen Ehrenpokal sowie der Verleihung des Roten Adler-Ordens zweiter Klasse (den Roten Adler-Orden dritter Klasse hatte er bereits 1831 erhalten) gewürdigt und in den Kölner Lokal-Nachrichten nochmals in Erinnerung gerufen, als er nach längerer Krankheit am 14.9.1866 in Köln starb.[7] Unter den Ehrungen, die Steinberger in seiner Amtszeit erhalten hatte, war auch die Ernennung zum Geheimen Regierungsrat. Die Grabstätte der Familie Steinberger auf dem Kölner Friedhof Melaten ist erhalten. In Köln-Nippes erinnert die Steinbergerstraße an den langjährigen Kölner Oberbürgermeister.
Quellen
Ungedruckte Quellen
Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 403 A, Nr. 35 Sitzungsprotokolle der Rheinischen Provinziallandtage, 6. Landtag, 2 Bände, 1841.
Gedruckte Quellen
Hansen, Joseph, Rheinische Briefe und Akten zur Geschichte der politischen Bewegung 1830–1850, Band 1: 1830–1845, Essen/Leipzig 1919, ND Düsseldorf 1997.
Kölnische Zeitung 1848, 1866.
Literatur
Gothein, Eberhard, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Cöln vom Untergang der Reichsfreiheit bis zur Errichtung des deutschen Reiches. Die Stadt Cöln im ersten Jahrhundert unter Preußischer Herrschaft 1815 bis 1915, Band 1, Köln 1916.
Herres, Jürgen, Köln in preußischer Zeit 1815-1871, Köln 2012 (Geschichte der Stadt Köln 9).
Mettele, Gisela, Bürgertum in Köln 1775–1870. Gemeinsinn und freie Association, München 1998.
Pilger, Kathrin, Der Kölner Zentral-Dombauverein im 19. Jahrhundert. Zur Konstituierung des Bürgertums durch formale Organisation, Köln 2004.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz, Düsseldorf 1994, S. 765. Spiertz, Willi, Eberhard von Groote. Leben und Werk eines Kölner Sozialpolitikers und Literaturwissenschaftlers (1798–1864), Köln [u.a.] 2007.
Torunsky, Vera (Bearb.), Die Abgeordneten der Rheinischen Provinziallandtage und Landschaftsversammlungen. Ein biographisches Handbuch, Band 1: Die Abgeordneten der Provinziallandtage und ihre Stellvertreter 1825-1888, Köln/Bonn 1998, S. 464.
- 1: Gothein, S. 218–219.
- 2: Heute eine Wüstung auf dem Düsseldorfer Stadtgebiet.
- 3: Mettele, S. 129–132, 144–149; Herres, S. 109–112; Spiertz, S. 120–128, 222–226.
- 4: Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 403 A 35, Band 1, Sitzung vom 18.6.1841, fol. 130; vgl. Spiertz, S. 234.
- 5: Zum Kölner Ereignis s. Herres, S. 147-156.
- 6: Mettele, S. 132.
- 7: Kölnische Zeitung Nr. 302 vom 9.11.1848 und Nr. 256 vom 14.9.1866.
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Thielen, Katharina, Adolf Steinberger, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolf-steinberger/DE-2086/lido/6401e7a4937507.67999244 (abgerufen am 06.10.2024)