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Ludolf Camphausen zählt zu den zentralen Figuren des rheinischen Liberalismus im Vormärz. Einer Kaufmannsfamilie entstammend, erwarb er sich in den 1830er Jahren durch seine Kompetenzen auf den Gebieten der Wirtschafts- und Verkehrspolitik, aber auch als erfolgreicher Unternehmer ein hohes Ansehen. Im März 1848 in das Amt des preußischen Ministerpräsidenten berufen, war er vor allem um einen Ausgleich zwischen den rivalisierenden politischen Gruppierungen in Deutschland bemüht, worin ihm jedoch kein Erfolg beschieden war.
Gottfried Ludolf Camphausen wurde am 10.1.1803 als zweiter Sohn des Kaufmanns Gerhard Gottfried Camphausen (1771-1813) und dessen Ehefrau Wilhelmine Peuchen (1770-1826) in Hünshoven bei Aachen geboren. Einer seiner Brüder war der spätere preußische Finanzminister Otto von Camphausen (1812-1896). Der Vater, Inhaber einer Ölmühle in Hünshoven, hatte sich auf den Handel mit Tabak und Öl spezialisiert. Nach seinem frühen Tod wurde das Geschäft von der Mutter, die selbst einer Kaufmannsfamilie in Rheydt (heute Stadt Mönchengladbach) entstammte, erfolgreich fortgeführt.
Ludolf Camphausen besuchte die Elementarschule in Rheydt, die Handelsschule in Burg (heute Stadt Solingen) und zuletzt das Gymnasium in Weilburg. Im Anschluss absolvierte er eine vierjährige Ausbildung zum Kaufmann in Düsseldorf, ehe er 1821 an der Seite seines Bruders August (1801-1883) in das elterliche Geschäft einstieg. 1828 heiratete er Elise Lenssen (1804-1890), Tochter des entfernt mit ihm verwandten Spinnereibesitzers Dietrich Lenssen (1777-1823). Aus der Ehe gingen acht Kinder – zwei Töchter und sechs Söhne – hervor.
1830 übersiedelte Camphausen mit seiner Familie nach Köln, wo er mit seinem Bruder bereits seit 1826 eine zweite Ölmühle unterhielt. Die Geschäfte entwickelten sich günstig, die Brüder Camphausen konnten in den lukrativen Handel mit Getreide einsteigen und 1840 ein eigenes Bankhaus unter dem Namen „A. & L. Camphausen“ eröffnen. Schon nach kurzer Zeit brauchte das florierende Unternehmen den Vergleich mit den etablierten Kölner Privatbanken nicht mehr zu scheuen. Ludolf Camphausen hatte sich im elitären Kreis der vermögenden Kölner Oberschicht etabliert.
Parallel zum rasanten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg nahm in den 1830er Jahren auch Camphausens politische Karriere ihren Anfang. Sein Wort gewann vor allem in wirtschaftspolitischen Fragen an Gewicht, zumal er seit 1833 auch der Kölner Handelskammer angehörte und zwischen 1839 und 1847 als ihr Präsident fungierte. Bereits seit 1831 gehörte Camphausen dem Kölner Stadtrat an, 1843 und 1845 vertrat er die Stadt auf den Provinziallandtagen und wurde 1847 in den Vereinigten Landtag gewählt.
Obwohl er die Legitimation der preußischen Monarchie und ihren Anspruch auf die Rheinlande niemals grundsätzlich in Frage stellte, sparte er bereits in jungen Jahren nicht mit Kritik an der preußischen Verkehrs- und Handelspolitik. Er war sich bewusst, dass nur tief greifende, strukturelle Reformen sowie eine konsequente Nutzung technologischer Neuerungen einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung der Rheinprovinz zur Folge haben würden. Stets spielte in seinen konzeptionellen Überlegungen der Standort Köln eine wesentliche Rolle. Die rheinische Metropole, unter preußischer Herrschaft nur ein wirtschaftliches Schattendasein fristend, sah er als künftiges Drehkreuz des internationalen Handels und Verkehrs im preußischen Westen.
Camphausen erkannte ferner, dass die Eisenbahn den europäischen Güterverkehr hinsichtlich Frachtkapazität und Geschwindigkeit revolutionieren würde. Ab 1833 machte er sich daher öffentlich für den Bau zweier direkter Schienenverbindungen zwischen Köln und Minden sowie zwischen Köln und Antwerpen stark, um Handel und Industrie eine alternative Verkehrsader zu der veralteten und zudem durch holländische Schutzzölle stark beeinträchtigten Rheinschifffahrt zu bieten. Am 25.7.1835 wurde er zum Präsidenten der zur Umsetzung des ehrgeizigen Köln-Antwerpener Unterfangens gegründeten „Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft“ gewählt, sah sich aber bereits 1837 wegen Differenzen über die geplante Trassenführung zum Rücktritt gezwungen.
Stets nüchtern und rational in seinen unternehmerische Aktivitäten vorgehend, hatte er sich wegen der nur schwer kalkulierbaren Mehrkosten gegen einen Anschluss Aachens an die Direktverbindung ausgesprochen, sich dabei aber einer einflussreichen oppositionellen Mehrheit unter der Führung des Aachener Unternehmers David Hansemann und des Kölner Bankiers Abraham Oppenheim gegenüber gesehen und aus dieser für ihn unbefriedigenden Machtkonstellation die einzig mögliche Konsequenz gezogen. Der Rückzug aus dem Direktorium sollte 1837 nicht der einzige Rückschlag in Camphausens politischer Karriere bleiben. Als energischer Befürworter des Eisenbahnbaus hatte er sich fast zwangsläufig die Gegnerschaft der einflussreichen Kölner Schifffahrtskommission zugezogen und sah sich darüber hinaus durch sein Eintreten für die Abschaffung des alten Kölner Zwangsstapels in wirtschaftspolitischer Hinsicht weitgehend isoliert. 1837 wurde er weder in den Stadtrat noch in die Kölner Handelskammer gewählt und gehörte diesen Institutionen erst ab 1839 wieder an.
Eine der wichtigsten unternehmerischen Leistungen im Leben Camphausens stellte die Gründung der „Kölner Dampfschleppschiffahrts-Gesellschaft“ im Jahr 1841 dar. Der traditionelle Gütertransport auf dem Wasserweg mittels veralteter Segelschiffe zeigte sich im Zeitalter der Frühindustrialisierung als wenig zuverlässig, zu langsam und gemessen an den hohen Kosten als äußerst ineffizient. Camphausen erkannte auch hier sowohl die Notwendigkeit einer tief greifenden Modernisierung als auch die Möglichkeiten, die ihm hierzu durch den technologischen Fortschritt im Schiffsbau boten. Zur Umsetzung seiner Pläne wusste sich Camphausen die Unterstützung der führenden Kölner Privatbanken zu sichern. Mit einer Flotte von unabhängig vom Wasserstand einsetzbaren Schleppschiffen und eisernen Lastkähnen sowie der Kombination von Transport und Fracht sollte Camphausens Gesellschaft die Rheinschifffahrt ab 1842 in technischer und organisatorischer Hinsicht revolutionieren. Gleichzeitig gelang es ihm, die starke holländische Konkurrenz entscheidend in die Schranken zu weisen. In staatspolitischer Hinsicht vertrat Camphausen gemäßigt liberale Positionen. Wohl hatte er sich seit den 1830er Jahren als Kritiker preußischer Handels- und Verkehrspolitik gezeigt. In seiner Funktion als Vertreter Kölns auf den rheinischen Provinziallandtagen hatte er sich mit Nachdruck für Pressefreiheit und vor allem für die im Wiener Kongresses beschlossene Berufung einer Volksvertretung sowie die Einhaltung des Verfassungsversprechens vom 22.5.1815 eingesetzt, doch stand er den von Frankreich ausgehenden revolutionären Ereignissen des Jahres 1848 ablehnend gegenüber. Nicht gewaltsamer Umbruch, sondern nur ein konstruktives Zusammenwirken zwischen den Herrscherhäusern und bürgerlicher Opposition konnte die seiner Ansicht nach notwendigen Reformen gewährleisten.
Es war nicht zuletzt diese Haltung, die ihn im März 1848 in den Augen der politisch bedrängten Konservativen zu einem durchaus akzeptablen Partner bei der Überführung Preußens von einer absolutistischen in eine konstitutionelle Monarchie werden ließ. Nachdem er die Übernahme des Finanzressorts unter dem konservativen preußischen Ministerpräsidenten Heinrich von Arnim-Boitzenburg (1803-1868) abgelehnt hatte, übernahm er nach dessen Rücktritt am 29.3.1848 als erster Bürgerlicher in der preußischen Geschichte das Amt des Ministerpräsidenten. Camphausen fühlte sich jedoch im Grunde keineswegs zu einer Funktion wie dieser berufen. Letztlich sah er sich im März 1848 mehr in die politische Verantwortung gedrängt, als dass er sie aus eigenem Ehrgeiz angestrebt hätte.
An der Spitze der preußischen Regierung stehend, widmete er sich nun umgehend der Erledigung dringlicher Aufgaben wie der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung nach den politischen Turbulenzen der zurückliegenden Wochen, der Vorbereitung der Wahlen zur Nationalversammlung sowie der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs. Camphausens Regierungsstil war von einem Bemühen um einen Ausgleich zwischen Liberalen und Konservativen gekennzeichnet, orientierte sich aber tendenziell eher an den Interessen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (Regentschaft 1840-1858). Diese Haltung brachte ihm nicht nur unausweichlich den Widerstand der Demokraten sondern auch die Gegnerschaft liberaler Parteigänger wie Gustav von Mevissen ein. Trotzdem scheute Camphausen auch die Konfrontation mit dem Monarchen nicht, so als er eine von diesem angeordnete Parade der Berliner Bürgerwehr kurzerhand verbot. Auch die Inhalte des am 22.5.1848 unterzeichneten preußischen Verfassungsentwurf trug eine eindeutig liberale Handschrift und fand nicht die uneingeschränkte Zustimmung des Königs. Zunehmend den Rückhalt der Bevölkerung und seiner eigenen Parteigenossen verlierend, aber auch gezwungen, Entscheidungen treffen zu müssen, die er persönlich für falsch hielt, gab Camphausen am 20.6.1848 seinen Rücktritt bekannt.
Als preußischer Bevollmächtigter bei der provisorischen Zentralgewalt der Frankfurter Nationalversammlung übernahm er im Juli in ein neues politisches Amt. Seine Arbeit war hier erneut von der Anstrengung gekennzeichnet, eine einvernehmliche Lösung zwischen der Nationalversammlung, den deutschen Regierungen und dem preußischen König zum Zwecke einer gemeinsamen Verfassung zu erwirken. Die Souveränität Preußens sollte dabei gewahrt bleiben, wobei ihm aber die führende Rolle in einem vor allem wirtschaftlich geeinten deutschen Föderalstaat nach Vorbild des Deutschen Bundes zufallen sollte.
Mit der von ihm im Namen der preußischen Regierung entworfenen und an die deutschen Regierungen gerichtete Zirkularnote vom 23.1.1849 sah er sich unmittelbar vor der Verwirklichung seiner liberal-konstitutionellen Ziele. Sein Optimismus beruhte jedoch auf der irrigen Annahme, der Unterstützung Friedrich Wilhelms IV. sicher zu sein. Dessen überraschende Zurückweisung des Verfassungsentwurfs und die ihm angetragene Kaiserkrone am 3.4.1849 bereitete diesen Hoffnungen allerdings ein jähes Ende. Auf diese wohl empfindlichste Niederlage seiner politischen Laufbahn reagierte Camphausen mit seinem Rücktritt am 22.4.1849.
Die Revolutionsjahre 1848 und 1849 markierten trotz seines Scheiterns den Zenit der politischen Karriere Camphausens und die Zeit seines größten Einflusses. Seine Treue zur preußischen Krone wurde ihm 1850 mit der Verleihung des Roter Adler Ordens erster Klasse und einem ständigen Sitz im preußischen Herrenhaus honoriert. Als Abgeordneter gehörte er 1849 der ersten Kammer des preußischen Landtags und 1850 dem Erfurter Unionsparlament an. Auch hier verfolgte er das Ziel einer Erneuerung des Deutschen Bundes unter preußischer Führung. Zwischen 1867 und 1871 gehörte er als Mitglied der Altliberalen dem Norddeutschen Reichstag an, trat aber dabei nicht mehr an führender Stelle in Erscheinung. Wie zahlreiche liberale und demokratische Oppositionelle des Vormärz unterstützte er in dieser Zeit die deutsche Einigungspolitik Otto von Bismarcks (1815-1898).
Aus seinen Geschäften zog sich Camphausen im Jahr 1868 zurück, um sich fortan in erster Linie seiner Familie und seinen ambitionierten naturwissenschaftlichen Forschungen auf den Gebieten der Astronomie und Physik zu widmen. Zu diesem Zweck hatte er sich auf seinem Landsitz in Rüngsdorf (heute Stadt Bonn) eine eigene Sternwarte errichten lassen. 1860 erhielt der in Fachkreisen hochgeschätzte Autodidakt den Titel eines Ehrendoktors der Universität Berlin verliehen.
Ludolf Camphausen starb am 3.12.1890 in Köln. Die Stadt Köln würdigte ihn mit der Aufnahme in das Figurenprogramm am Kölner Rathausturm. Die 1991 übergebene Statue wurde von dem Bildhauer Michael Eichhorn gestaltet.
Werke
Zur Eisenbahn von Köln nach Antwerpen, Köln 1835.
Versuch eines Beitrages zur Eisenbahn-Gesetzgebung, Köln 1838.
Literatur
Angermann, Erich, Ludolf Camphausen (1803-1890), in: Rheinische Lebensbilder 2 (1966), S. 195-219.
Hofmann, Jürgen, Das Ministerium Camphausen-Hansemann. Zur Politik der preußischen Bourgeoisie in der Revolution 1848/49, Berlin 1981.
Padtberg, Beate-Carola, Ludolf Camphausen (1803-1890), in: Dascher, Ottfried (Hg.), Petitionen und Barrikaden, Münster 1998, S. 108-110.
Schwann, Matthieu, Ludolf Camphausen, 3 Bände, Essen 1915.
Online
Angermann, Erich, Artikel "Camphausen, Gottfried Ludolf", in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 112-115. [Online]
Ludolf Camphausen in der Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten (Informationsportal der Bayerischen Staatsbibliothek). [Online]
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Thomann, Björn, Ludolf Camphausen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ludolf-camphausen/DE-2086/lido/57c687cbb5eeb8.47976539 (abgerufen am 12.12.2024)