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August Bebel zählte zu den bekanntesten Politikern im 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich. Der gelernte Drechslergeselle gehörte zu den „Gründervätern" der deutschen Sozialdemokratie. Als SPD-Vorsitzender, Reichstagsabgeordneter und eloquenter Gegenspieler des Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815-1898) wurde er zur Identifikationsfigur der um politische und soziale Rechte kämpfenden Arbeiterschaft.
Ferdinand August Bebel wurde am 22.2.1840 in den Kasematten von (Köln)-Deutz als Sohn des in preußischen Diensten stehenden Unteroffiziers Johann Gottlieb Bebel (1809-1844) und dessen Frau Wilhelmine (1804-1853) geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters und der Heirat der Mutter mit dem Zwillingsbruder des Verstorbenen verbrachte Bebel zwei Jahre bei seinem Stiefvater, einem Aufseher in der „Provinzial- und Korrektionsanstalt" Brauweiler, wo das Kind in dem düsteren Anstaltsmilieu Zeuge der inhumanen Behandlung der Insassen wurde. Nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes ging Wilhelmine Bebel in ihre Heimatstadt Wetzlar zurück, wo sie sich mühselig mit Heimarbeit den Lebensunterhalt verdiente und schon 1853 verstarb.
August Bebel, dessen größter Wunsch es in seiner Jugend gewesen war, sich „einmal an Butterbrot tüchtig satt essen zu können", galt als begabter Schüler; er konnte jedoch nur die städtische Armenschule besuchen und absolvierte anschließend eine Lehre bei einem Drechslermeister. 1858 begab er sich auf die Gesellen-Wanderschaft, die ihn 1860 nach Leipzig führte. Der Meister, bei dem er Arbeit fand, stellte Tür- und Fenstergriffe her – ein Artikel, mit dem sich Bebel 1864 selbstständig machte. 1866 erwarb er die sächsische Staatsbürgerschaft und heiratete die Putzmacherin Julie Otto.
In Leipzig mit seinen liberalen und demokratischen Zirkeln fand Bebel Anschluss an die organisatorischen und politischen Bestrebungen der Arbeiter und Gesellen. 1861 trat er in den Gewerblichen Bildungsverein (später: Arbeiterbildungsverein) ein, dessen Vorsitzender er 1865 wurde. Bebel, der zunächst der liberalen Fortschrittspartei nahe stand und die Forderungen Ferdinand Lassalles (1852-1864) nach Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts und die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) im Jahr 1863 als verfrüht ablehnte, rückte jedoch bald nach links und entwickelte sich zum „Sozialdemokraten". Gemeinsam mit Wilhelm Liebknecht (1826-1900) gründete er 1866 die Sächsische Volkspartei, wurde im Februar 1867 in den Norddeutschen Reichstag gewählt und im gleichen Jahr Präsident des in Konkurrenz zum ADAV entstandenen Verbands Deutscher Arbeitervereine (VDAV). 1868, auf dem Vereinstag des VDAV in Nürnberg, gelang es Bebel, eine Mehrheit für das Programm der Internationalen Arbeiter-Assoziation zu gewinnen. 1869 gründete er gemeinsam mit Wilhelm Liebknecht in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), aus der 1875, nach der Vereinigung mit dem ADAV, die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) hervorging.
Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/1871 brachte Bebel Staatsmacht und nationalistisches Bürgertum gegen sich auf, als er im Reichstag nach der Niederlage Frankreichs und der Ausrufung der französischen Republik gemeinsam mit Wilhelm Liebknecht weitere Kriegskredite ablehnte, die Annexion Elsaß-Lothringens durch Deutschland verurteilte und später den Pariser Kommuneaufstand von 1871 verteidigte. 1872 wurde er im „Leipziger Hochverratsprozess" zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Sozialdemokraten galten nun als „vaterlandslose Gesellen", die mit allen Mitteln polizeilicher Repression bekämpft wurden. Den Höhepunkt erreichten die staatlichen Unterdrückungsmaßnahmen 1878, als Reichskanzler Otto von Bismarck (Amtszeit 1871-1890) zwei Attentatsversuche auf Kaiser Wilhelm I. (Regierungszeit 1871-1888) zum Vorwand nahm, um im Reichstag das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" („Sozialistengesetz") durchzusetzen. Damit wurden sozialdemokratische Vereine, Zeitungen und Publikationen verboten, nur die sozialdemokratische Reichstagsfraktion konnte noch legal agieren.
Auch Bebel wurde 1881 aus Leipzig ausgewiesen, 1886 wurde er zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe wegen „Geheimbündelei" verurteilt. Bismarck gelang es in den zwölf Jahren des Sozialistengesetzes nicht, die Sozialdemokratie dauerhaft zu unterdrücken. Bei den Reichstagswahlen im Februar 1890 wurde sie zur stimmenstärksten Partei, was sich aufgrund der für sie ungünstigen Wahlkreiseinteilung jedoch nicht in der Zahl der Mandate niederschlug. Sein mutiges Auftreten gegen die Staatsmacht brachte Bebel, der von 1881 bis 1890 auch sächsischer Landtagsabgeordneter war, große Sympathien in der Arbeiterbevölkerung ein. Nach dem Ende des Sozialistengesetzes war er die unbestrittene Führungspersönlichkeit seiner Partei. Er übersiedelte 1890 nach Berlin und wurde 1892 neben Paul Singer (1844-1911) zu einem der beiden Vorsitzenden der SPD gewählt. Mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung im Jahr 1882 gehörte Bebel bis zu seinem Tod dem Deutschen Reichstag an, wo er hauptsächlich den Wahlkreis Hamburg I vertrat. Als „Zählkandidat" trat er jedoch auch mehrfach in seiner „Vaterstadt" Köln an, in der die Sozialdemokratie allerdings aufgrund der starken Stellung der katholischen Zentrumspartei einen schweren Stand hatte.
1893 hielt Bebel auf dem SPD-Parteitag in Köln seine berühmte Rede gegen den Antisemitismus. Im Zentrum von Bebels politischer Arbeit stand die Auseinandersetzung um die sozialen und politischen Rechte der Arbeiter, die zum Beispiel durch das in Preußen geltende Dreiklassenwahlrecht massiv benachteiligt waren. Bebel, der von der Notwendigkeit der Landesverteidigung durchaus überzeugt war, prangerte in zahlreichen Reichstagsreden den preußisch-deutschen Militarismus und die Soldatenmisshandlungen im Heer an. Auch warnte er immer wieder vor der aggressiven Außen- und Kolonialpolitik unter Wilhelm II. und der damit verbundenen Gefahr eines Weltkriegs.
Bebel zählte zu den engagiertesten Vorkämpfern für das Frauenwahlrecht und trat in vielen seiner Reichstagsreden für die rechtliche Gleichstellung und die gesellschaftliche Emanzipation der Frauen ein. Unter den zahlreichen politischen Schriften, die er verfasste, wurde vor allem sein in viele Sprachen übersetztes Buch „Die Frau und der Sozialismus" (1879) berühmt, in dem er zugleich die Vision einer sozialistischen „Zukunftsgesellschaft" entwarf.
August Bebel prägte den politischen Kurs der deutschen Sozialdemokratie maßgeblich. Beeinflusst von der revolutionären Theorie von Karl Marx und Friedrich Engels, mit denen er auch persönlich in Kontakt stand, war er vom bevorstehenden Zusammenbruch der kapitalistischen Gesellschaft und der Entstehung eines sozialistischen „Zukunftsstaates" zutiefst überzeugt. Dennoch behielt sich Bebel in politischen Fragen stets eigenständige Entscheidungen vor; dazu gehörte auch die pragmatische Nutzung der parlamentarischen Arbeit für seine Ziele – ein Spannungsverhältnis, das auch in dem 1891 beschlossenen „Erfurter Programm" der SPD angelegt war: Dort standen neben revolutionären Erwartungen in dem von Karl Kautsky (1854-1938) verfassten ersten Teil die von Eduard Bernstein (1850-1932) formulierten „Gegenwartsforderungen" im zweiten Teil. Bebels innerparteilicher Autorität gelang es, die verschiedenen Flügel innerhalb der SPD zusammenzuhalten, wobei er sich vehement gegen die einsetzende theoretische Revision des Marxismus durch Eduard Bernstein wandte.
Innerhalb der Sozialistischen Internationale, an deren Kongressen und Diskussionen er sich beteiligte, zählte Bebel bald zu den prominentesten Persönlichkeiten. Bebels politische Einstellung war unübersehbar geprägt vom politischen System des Kaiserreichs, das echte demokratische Partizipation nicht vorsah und immer wieder mit repressiven Mitteln gegen die nach Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und politischer Gleichberechtigung strebende Arbeiterschaft vorging
In seinen letzten Lebensjahren war Bebels politische Arbeit zunehmend von längeren Krankheiten beeinträchtigt. August Bebel starb am 13.8.1913 in Passugg im Schweizer Kanton Graubünden während eines Kuraufenthalts. Dem Trauerzug des „Arbeiterkaisers" zum Friedhof Sihlfeld in Zürich, auf dem Bebel beigesetzt wurde, folgten fast 10.000 Menschen.
Quellen
August Bebel. Ausgewählte Reden und Schriften, bearb. von Anneliese Beske u.a., München 1995-1997.
Fischer, Ilse, August Bebel und der Verband deutscher Arbeitervereine 1867/68. Brieftagebuch und Dokumente, Bonn 1994.
Herrmann, Ursula (Hg.), August und Julie Bebel. Briefe einer Ehe, Bonn 1997.
Literatur
Carsten, Francis L., August Bebel und die Organisation der Massen, Berlin 1991. Hermann, Ursula / Emmerich, Volker u.a., August Bebel: Eine Biographie, Berlin 1989. Jung, Werner, August Bebel: Deutscher Patriot und internationaler Sozialist. Seine Stellung zu Patriotismus und Internationalismus, Pfaffenweiler 1988. Seebacher, Brigitte, Bebel: Künder und Kärrner im Kaiserreich, 2. durchges. Auflage, Bonn 1991.
Online
Bebel, August, Aus meinem Leben, 2 Teile, Stuttgart 1910-1912 (Projekt Gutenberg). [Online]
Heuss, Theodor, Artikel "Bebel, August", in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 683-685. [Online]
Website der August-Bebel-Gesellschaft. [Online]
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Fischer, Ilse, August Bebel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/august-bebel-/DE-2086/lido/57c5765a68d355.99194317 (abgerufen am 09.12.2024)