„… und der Kriegsgott verteilt blutrote Lorbeeren“: Koblenz im Ersten Weltkrieg

Beate Dorfey (Koblenz)

Aufmarsch einer Landsturmeinheit in Bacharach, August 1914. (Landeshauptarchiv Koblenz)

1. Einleitung

Sitz des Ober­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz, des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten von Ko­blenz,[1]  des Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps und nicht zu­letzt im Au­gust 1914 des Gro­ßen Haupt­quar­tiers mit Kai­ser Wil­helm II. (Re­gent­schaft 1888-1918) an der Spit­ze – Ko­blenz war im Ers­ten Welt­krieg, ins­be­son­de­re in den ers­ten Kriegs­wo­chen, po­li­tisch, mi­li­tä­risch und ver­wal­tungs­tech­nisch ei­ne Dreh­schei­be des Kai­ser­reichs. Um­so er­staun­li­cher ist es, dass die­ser Zeit­ab­schnitt der Ko­blen­zer Ge­schich­te bis­lang weit­ge­hend un­er­forscht ist. So sind in der zwei­bän­di­gen „Ge­schich­te der Stadt Ko­blen­z“ von 1993 dem „Gro­ßen Krie­g“ gan­ze vier Sei­ten ge­wid­met,[2] wo­mit noch die aus­führ­lichs­te Dar­stel­lung der Kriegs­jah­re 1914-1918 in Ko­blenz ge­bo­ten wird.

Das For­schungs­de­fi­zit dürf­te da­mit zu­sam­men­hän­gen, dass die Quel­len­über­lie­fe­rung lü­cken­haft ist, vor al­lem für den mi­li­tä­ri­schen Be­reich. So sucht man ver­geb­lich Do­ku­men­te zum Gro­ßen Haupt­quar­tier, aber auch so auf­schluss­rei­che, für an­de­re Städ­te vor­lie­gen­de Quel­len wie die Im­me­di­at­be­rich­te der Re­gie­rungs­prä­si­den­ten an den Kai­ser sind für Ko­blenz nur frag­men­ta­risch er­hal­ten. An­ge­sichts der schwie­ri­gen Quel­len- und For­schungs­la­ge ver­steht sich die­ser Bei­trag als ei­ne ers­te An­nä­he­rung an das The­ma, wo­bei im Mit­tel­punkt das Ver­hält­nis von Mi­li­tär und Ver­wal­tung in den ers­ten Kriegs­jah­ren ste­hen soll, an­de­re As­pek­te müs­sen wei­te­ren Stu­di­en vor­be­hal­ten blei­ben.

2. „Gewitterhimmel am politischen Horizont“? – Der Weg in den Krieg

Ko­blenz nahm un­ter den Städ­ten des Rhein­lands ei­ne Son­der­stel­lung ein.[3]  Als Sitz des Ober­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz und des Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps war es zu­gleich Ver­wal­tungs- und mi­li­tä­ri­sches Zen­trum. Das trug Ko­blenz den Ruf ein, un­ter den rhei­ni­schen Städ­ten die preu­ßischs­te zu sein, nicht zu Un­recht, wa­ren es doch die Preu­ßen ab 1815 ge­we­sen, die die jahr­hun­der­te­al­te Do­mi­nanz von Eh­ren­breit­stein ge­gen­über der Stadt Ko­blenz be­en­det hat­ten. Die ehe­ma­li­ge Re­si­denz der Trie­rer Kur­fürs­ten war nun ein Vor­ort der Stadt. Auch im Stadt­bild wa­ren preu­ßi­sche Ver­wal­tung und preu­ßi­sches Mi­li­tär über­aus prä­sent: das Ober­prä­si­di­um und das Re­gie­rungs­ge­bäu­de präg­ten die Rhein­front, und über al­lem schweb­te die un­ter den Preu­ßen mas­siv aus­ge­bau­te Fes­tung Eh­ren­breit­stein mit den üb­ri­gen die Stadt um­ge­ben­den Fes­tungs­an­la­gen.[4]

Das re­gie­ren­de Herr­scher­haus der Ho­hen­zol­lern war der Stadt be­son­ders ver­bun­den. Kai­ser Wil­helm I. (Re­gent­schaft ab 1858, preu­ßi­scher Kö­nig 1861-1888, ab 1871 Deut­scher Kai­ser) hat­te hier mit Kai­se­rin Au­gus­ta (1811-1890) ei­ni­ge Jah­re ge­lebt. Auch Wil­helm II. hielt sich gern und oft in der Stadt am Zu­sam­men­fluss von Rhein und Mo­sel auf, wo er 1897 das Denk­mal für sei­nen Gro­ßva­ter Wil­helm I. am Deut­schen Eck ein­ge­weiht hat­te.[5] So nimmt es auch nicht wun­der, dass Wil­helm II. re­gel­mä­ßig bei den jähr­li­chen Kai­ser­ma­nö­vern in Ko­blenz zu­ge­gen war. Als Sitz des Ge­ne­ral­kom­man­dos ei­nes Ar­mee­korps stand Ko­blenz die Eh­re zu, mit ei­ner be­son­de­ren Pa­ra­de auf­zu­tre­ten, die der Kai­ser per­sön­lich ab­nahm – selbst noch im Jahr des Kriegs­aus­bruchs 1914.

Die Vor­be­rei­tung des Kai­ser­ma­nö­vers 1914 lief un­ge­ach­tet al­ler po­li­ti­schen Un­ru­hen ge­wohnt rou­ti­niert und un­auf­ge­regt ab. Am 7.2.1914 in­for­mier­te der Chef des Gro­ßen Ge­ne­ral­sta­bes der Ar­mee, Hel­muth von Molt­ke (1848-1916), den Ober­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz, Ge­org Frei­herr von Rhein­ba­ben, dass für das Kai­ser­ma­nö­ver 1914 fol­gen­de Ge­bie­te sei­ner Pro­vinz be­trof­fen sein wür­den: der Sieg­kreis so­wie die Krei­se Wald­bröl, Al­ten­kir­chen, Neu­wied und Wetz­lar. Mit der Auf­for­de­rung zur Über­sen­dung der Be­le­gungs­lis­ten für die Krei­se ver­band er die Bit­te um ver­trau­li­che Be­hand­lung.[6]

Am 20.3.1914 er­hielt der Ober­prä­si­dent wei­te­re In­struk­tio­nen: Es sei bei der Ein­quar­tie­rung von Trup­pen zu un­ter­schei­den zwi­schen der Be­reit­stel­lung zum Kai­ser­ma­nö­ver und dem ei­gent­li­chen Kai­ser­ma­nö­ver. „In bei­den Fäl­len müs­sen zur Ver­mei­dung zu gro­ßer Marschleis­tun­gen die Trup­pen so eng als mög­lich un­ter­ge­bracht wer­den. Ei­ne vol­le Aus­nut­zung der Un­ter­kunfts­mög­lich­kei­ten ist da­her not­wen­dig.“ Die Be­reit­stel­lung der Trup­pen fin­de am 12. und 13.9.1914 statt. Die Un­ter­kunft müs­se recht­zei­tig den be­tref­fen­den Ge­ne­ral­kom­man­dos an­ge­zeigt und von dort ge­re­gelt wer­den. Es müss­ten da­bei „die höchs­ten in den Lis­ten an­ge­ge­be­nen Zah­len für Mann und Pferd (en­ge Be­le­gung) zu Grun­de ge­legt wer­den.“ Zu­dem müss­ten die Trup­pen im Quar­tier ver­pflegt wer­den, was an­ge­sichts des „ho­hen Be­kös­ti­gungs­gel­des“ durch­aus von Ge­winn für die Un­ter­kunft Stel­len­den sein kön­ne. Das ei­gent­li­che Kai­ser­ma­nö­ver fin­de vom 14. bis 18. Sep­tem­ber im Kreis Wetz­lar statt, wo­bei das Gros der Trup­pe, vor al­lem die Fu­ß­trup­pe, bi­wa­kie­ren wer­de und da­her kei­ne Un­ter­künf­te be­nö­ti­ge. An­bei fin­de der Ober­prä­si­dent ei­ne Kar­te mit den We­gen, die für das Kai­ser­ma­nö­ver be­fes­tigt und da­mit be­fahr­bar ge­macht wer­den müss­ten, ver­bun­den mit dem Wunsch nach Über­sen­dung ei­ner Lis­te der elek­tri­schen Über­land­zen­tra­len zur Fest­stel­lung, „wie weit durch Stark­strom-Ober­lei­tun­gen ei­ne Ge­fähr­dung von Luft­fahr­zeu­gen und mi­li­tä­ri­schen Fern­sprech­lei­tun­gen ein­tre­ten kann.“[7] Am 16.4.1914 er­gänz­te Molt­ke sei­ne An­wei­sun­gen um die Bit­te, wie beim letzt­jäh­ri­gen Kai­ser­ma­nö­ver in Schle­si­en ein Ver­bot des pri­va­ten Kraft­wa­gen­ver­kehrs im Ma­nö­ver­ge­biet aus­zu­spre­chen, um Ge­fähr­dun­gen des Ma­nö­ver­be­triebs aus­zu­schlie­ßen.[8] 

Noch am 27.6.1914 über­sand­te das Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps ei­nen Plan, aus dem für die Zeit vom 4.8.-19.9.1914 al­le Ma­nö­ver und Auf­ent­halts­or­te des VIII. Ar­mee­korps er­sicht­lich sind. So soll­te die Ka­val­le­rie­di­vi­si­on im Au­gust 1914 an Re­gi­ments­übun­gen und Ge­fechts­übun­gen auf dem Trup­pen­übungs­platz El­sen­born[9] teil­neh­men so­wie zum Mo­nats­en­de an ei­ner Auf­klä­rungs­übung in Eus­kir­chen. Das Gros der Ar­mee, al­so die 15. und 16. Di­vi­si­on so­wie die sie be­glei­ten­de Ar­til­le­rie, wür­de nach vor­he­ri­gen Bri­ga­de- und Di­vi­si­ons­ma­nö­vern am 8. Sep­tem­ber an der Kai­ser­pa­ra­de bei Ko­blenz teil­neh­men, um an­schlie­ßend zum ei­gent­li­chen Kai­ser­ma­nö­ver nach Wetz­lar ab­zu­rü­cken.[10] Tags zu­vor, am 26.6.1914, schick­te Molt­ke dem Ober­prä­si­den­ten ei­ne aus­führ­li­che Hand­rei­chung mit dem Ti­tel: „Mit­tei­lun­gen über das Kai­ser­ma­nö­ver 1914“ zur Aus­hän­di­gung an die Zi­vil­be­hör­den, ver­bun­den mit der An­wei­sung, auf Ge­heim­hal­tung zu be­ste­hen.[11] Molt­ke hob er da­bei her­vor, „1. dass die Al­ler­höchs­ten Haupt­quar­tie­re und der Un­ter­kunfts­ort der Ma­nö­ver­lei­tung be­son­ders ge­gen­über der Pres­se mög­lichst lan­ge ge­heim ge­hal­ten wer­den; 2. dass ei­ne Be­kannt­ga­be der Ein­quar­tie­rung für den 12. und 13. Sep­tem­ber in den Kreis­blät­tern nicht statt­fin­de­t“. Und noch am 18.7.1914, als das ös­ter­rei­chi­sche Thron­fol­ger­paar längst in Sa­ra­je­wo er­mor­det wor­den war, mahn­te der Ge­ne­ral­in­spek­teur der Ka­val­le­rie - als sei nichts ge­sche­hen -, per Te­le­gramm beim Ober­prä­si­den­ten an, dass des­sen Ein­ver­ständ­nis zur Durch­füh­rung des Ka­val­le­rie­ma­nö­vers bei Eus­kir­chen noch nicht vor­lie­ge, was dann am sel­ben Tag ge­schah.[12] Hier bricht die Ak­te ab - die Pla­nun­gen wur­den ein­ge­stellt. Sie be­legt ei­nes deut­lich: Die Ko­blen­zer wa­ren an re­gel­mä­ßi­ge Ein­quar­tie­run­gen und die Stadt an be­son­de­re Auf­wen­dun­gen für das Mi­li­tär ge­wöhnt. Es ver­schaff­te den Bür­gern ein will­kom­me­nes Zu­brot durch die Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen und der Stadt ei­ne Mo­der­ni­sie­rung und Ver­bes­se­rung der Ver­kehrs­in­fra­struk­tur.

Nur we­ni­ge Ta­ge nach Er­halt der In­struk­tio­nen für das Kai­ser­ma­nö­ver 1914 ord­ne­te der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent Fried­rich von Sche­ren­berg (1858-1928, Re­gie­rungs­prä­si­dent 1911-1917) an­ge­sichts der dro­hen­den Kriegs­ge­fahr ei­ne ver­schärf­te Be­wa­chung der Mo­sel­brü­cken an.[13] Am 26.5.1914 hat­ten die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten schon die neu­es­ten An­wei­sun­gen in Hän­den, wie im dro­hen­den Kriegs­fall mit „po­li­tisch un­si­che­ren Per­so­nen“ zu ver­fah­ren sei.[14] 

Die­ser Punkt ver­dient be­son­de­re Auf­merk­sam­keit, of­fen­bart das Vor­ge­hen der Be­hör­den hier nicht nur den Um­gang des Kai­ser­reichs mit po­li­ti­schen Geg­nern, son­dern auch, dass die noch bei der Vor­be­rei­tung des Kai­ser­ma­nö­vers zur Schau ge­tra­ge­ne Ge­las­sen­heit mit­nich­ten der tat­säch­li­chen Ein­schät­zung der La­ge der Ver­ant­wort­li­chen ent­sprach.

Be­reits am 6.2.1913 hat­te der Ober­prä­si­dent die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten in der Rhein­pro­vinz auf­ge­for­dert, ihm ei­ne Lis­te po­li­tisch un­zu­ver­läs­si­ger Per­so­nen, die im Kriegs­fal­le aus­zu­wei­sen sei­en,[15] zu­zu­sen­den. Der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent über­sand­te am 5.4.1913 sei­ne Lis­te, die lei­der nicht über­lie­fert ist.[16] Die ge­sam­mel­ten Lis­ten schick­te der Ober­prä­si­dent am 17.4.1913 an das Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps und am 23. April an die Kom­man­dan­tur Ko­blenz-Eh­ren­breit­stein, nach­dem bei­de zu­vor den Ober­prä­si­den­ten am 19.4.1913 auf­ge­for­dert hat­ten, die­se nun­mehr un­auf­ge­for­dert jähr­lich je­weils zum 15. April zu über­sen­den.[17] 

En­de 1913 er­hielt die bis­he­ri­ge Rou­ti­ne ei­ne neue Qua­li­tät. Das Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps bat den Ober­prä­si­den­ten am 19.12.1913, künf­tig nur noch Lis­ten be­züg­lich der Krei­se des Korps­be­zirk zu über­sen­den und er­bat zu­gleich Auf­klä­rung, „in wel­cher Wei­se bei den un­ter­ge­be­nen Orts- und Po­li­zei­be­hör­den Vor­keh­run­gen ge­trof­fen sind, um sämmt­li­che in den Lis­ten ge­nann­ten im ent­schei­den­den Au­gen­blick fest­neh­men zu kön­nen.“[18] Am 1.2.1914 ant­wor­te­te der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent: „Die po­li­tisch un­si­che­ren Per­so­nen […] wer­den von Po­li­zei­or­ga­nen oder Ver­trau­ens­leu­ten un­auf­fäl­lig be­ob­ach­tet. Im ent­schei­den­den Au­gen­blick kön­nen sie auf An­ord­nung der Land­rä­te, die die be­tref­fen­den Ver­mer­ke in ih­ren Mo­bil­ma­chungs-Vor­ar­bei­ten auf­ge­nom­men ha­ben, so­fort fest­ge­nom­men wer­den. Hier in Co­blenz wird die Lis­te der po­li­tisch un­si­che­ren Per­so­nen bei der Kri­mi­nal­po­li­zei ge­führt. Ab­schrift be­fin­det sich bei den Mo­bil­ma­chungs­vor­ar­bei­ten der Kö­nig­li­chen Po­li­zei­di­rek­ti­on. Bei dro­hen­der Kriegs­ge­fahr oder bei po­li­ti­scher Span­nung sind für die Über­wa­chung der Spio­na­ge, gleich­wie die Über­wa­chung von Brü­cken und Kunst­bau­ten, die Kri­mi­nal­be­am­ten be­stimmt, de­nen die po­li­tisch un­si­che­ren Per­so­nen durch die Lis­ten be­kannt sind. Sie hal­ten die frag­li­chen Per­so­nen stän­dig im Au­ge und be­wir­ken er­for­der­li­chen Falls ih­re Fest­nah­me.“[19] D­a­ge­gen teil­te der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent Con­stanz (von) Baltz (1854-1918, Re­gie­rungs­prä­si­dent in Trier 1908-1918) am 29.1.1914 mit, dass von den Po­li­zei­be­hör­den be­reits dort, wo sich po­li­tisch un­si­che­re Per­so­nen auf­hiel­ten, Kri­mi­nal­be­am­te be­stimmt wor­den sei­en, die die­se im Mo­bil­ma­chungs­fall fest­zu­neh­men hät­ten. Zur Ver­ein­heit­li­chung der Vor­ge­hens­wei­se ha­be er zu­dem die „Bür­ger­meis­ter-Po­li­zei­kom­mis­sa­re“ an­ge­wie­sen, dort, wo es nicht be­reits er­folgt sei, die Lis­ten stets auf dem Lau­fen­den zu hal­ten und die mit der Fest­nah­me zu be­auf­tra­gen­den Be­am­ten zu be­stim­men, da­mit im Mo­bil­ma­chungs­fall die Fest­nah­me und Un­ter­brin­gung un­ver­züg­lich er­fol­gen kön­ne.[20] 

Im Fe­bru­ar 1914 wur­de auf der Ba­sis die­ser Rück­mel­dun­gen ei­ne Auf­stel­lung[21] der als po­li­tisch un­si­cher ein­ge­stuf­ten Per­so­nen, ge­glie­dert nach Re­gie­rungs­be­zir­ken und zu­vor fest­ge­leg­ten Un­ter­schei­dungs­kri­te­ri­en, er­ar­bei­tet. Da­bei wur­de un­ter­schie­den nach: „a) Per­so­nen (In­län­der und Aus­län­der), die schon im Frie­den, wenn auch oh­ne tat­säch­li­che Be­wei­se, in ir­gend ei­ner Be­zie­hung als spio­na­ge­ver­däch­tig auf­ge­fal­len sind; b) Per­so­nen (In­län­der und Aus­län­der), die ih­rem gan­zen, im Frie­den er­kann­ten Be­neh­men und ih­rer Stel­lung nach be­arg­wöhnt wer­den könn­ten, im Mo­bil­ma­chungs­fal­le dem Lan­des­feind durch Spio­na­ge­diens­te oder durch Zer­stö­rung von Ei­sen­bah­nen, Brü­cken, Te­le­gra­phen- und Fern­sprech­an­la­gen Vor­schub zu leis­ten; c) Per­so­nen (An­ar­chis­ten, Füh­rer der So­zi­al­de­mo­kra­tie pp.), de­nen ei­ne Stö­rung un­se­rer Mo­bil­ma­chung durch Auf­rei­zen der Be­völ­ke­rung zu Un­ge­hor­sam und Wi­der­setz­lich­keit ge­gen die Mo­bil­ma­chungs­an­ord­nun­gen zu­zu­trau­en ist.“

Im Re­gie­rungs­be­zirk Ko­blenz wa­ren drei Per­so­nen der Ka­te­go­rie A, 16 der Ka­te­go­rie B und zwölf der Ka­te­go­rie C lis­ten­mä­ßig er­fasst wor­den, da­von in der Stadt Ko­blenz zwei aus Ka­te­go­rie A, neun aus B und zwei aus C, in Ko­blenz-Land wa­ren es fünf Per­so­nen in Ka­te­go­rie B und sechs in C. Im Re­gie­rungs­be­zirk Trier wur­den ins­ge­samt neun Per­so­nen in Ka­te­go­rie A ein­ge­stuft, 31 in B und elf in C, wo­von auf Trier-Stadt acht auf Ka­te­go­rie A ent­fie­len, 17 auf B und elf auf C, wäh­rend auf den Rest des Re­gie­rungs­be­zirks le­dig­lich ei­ne Per­son aus Ka­te­go­rie A für den Land­kreis Trier so­wie 14 Per­so­nen aus Ka­te­go­rie B aus Bit­burg ent­fie­len.

Auf die­ser Ba­sis er­ging nach Ab­stim­mung mit dem Ober­prä­si­den­ten am 8.4.1914 fol­gen­der Er­lass des Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps: „[…] bit­tet das Ge­ne­ral­kom­man­do sehr er­ge­benst die un­ter­stell­ten Orts- und Po­li­zei­be­hör­den sehr ge­fäl­ligst an­wei­sen zu wol­len, dass sie bei Er­klä­rung des Kriegs­zu­stan­des oder bei Aus­spruch der Mo­bil­ma­chung [Pas­sa­ge hand­schrift­lich ge­stri­chen mit der An­wei­sung, im Schrei­ben an die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten die­sen Pas­sus aus­zu­las­sen] un­ver­züg­lich und oh­ne be­son­de­re Er­in­ne­rung die in den Lis­ten „Po­li­tisch Un­si­che­re“ un­ter a) und b) auf­ge­führ­ten Per­sön­lich­kei­ten fest­zu­neh­men ha­ben […]“. Die un­ter c) ge­nann­ten Per­so­nen sei­en erst dann zu ver­haf­ten, wenn sie „agi­ta­to­risch tä­tig wer­den“. Es müss­ten be­reits im Frie­den und un­ter strengs­ter Ge­heim­hal­tung al­le er­for­der­li­chen Maß­nah­men vor­be­rei­tet und sich Ge­wiss­heit ver­schafft wer­den, dass im Kriegs­fal­le al­le nö­ti­gen Schrit­te rei­bungs­los durch­ge­führt wür­den. Auf ei­ne Über­füh­rung der Fest­ge­nom­me­nen zur Kom­man­dan­tur Ko­blenz sol­le künf­tig ver­zich­tet wer­den, über die Dau­er der Haft ent­schei­de das Ge­ne­ral­kom­man­do auf An­trag „je nach La­ge“. Die Ge­ne­ral­kom­man­dos des VII., XIV. und XXI. Ar­mee­korps sei­en mit die­sem Vor­ge­hen ein­ver­stan­den, die Kom­man­dan­tur Ko­blenz und das Gou­ver­ne­ment Köln be­nach­rich­tigt.[22] Mit der be­reits er­wähn­ten Wei­ter­lei­tung die­ses Er­las­ses mit dem Ver­merk „Ge­heim! Ei­gen­hän­di­ges Ein­schrei­ben!“ am 26.5.1914 an die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz durch den Ober­prä­si­den­ten[23] wa­ren die Kriegs­vor­be­rei­tun­gen hin­sicht­lich der po­li­ti­schen Geg­ner des Kai­ser­reichs ab­ge­schlos­sen, wäh­rend an­dern­orts in der Ver­wal­tung noch un­be­ein­druckt von der po­li­ti­schen Ent­wick­lung wei­ter Mi­li­tär­pa­ra­den ge­plant wur­den.

 

3. „Heil Dir im Siegerkranz“: Kriegsausbruch in Koblenz

Als am 31.7.1914 die Mo­bil­ma­chung aus­ge­ru­fen wur­de, herrsch­te auch in Ko­blenz gro­ßer Ju­bel.[24] Ei­nen gu­ten Ein­druck von der Stim­mung in der Stadt ver­mit­telt der Be­richt vom 17.12.1915 von Rek­tor Butz in der Schul­chro­nik von Ko­blenz-Lüt­zel. „17 Mo­na­te Welt­krieg! Welch ei­ne Zeit liegt hin­ter uns! Reich an glor­rei­chen Sie­gen und herr­li­chen Er­fol­gen war sie, aber auch reich an har­ten Ver­lus­ten. […] War da ei­ne Be­geis­te­rung, als am Nach­mit­tag 6 Uhr – am 1. Au­gust – ei­nem Sams­tag – der Ruf er­schall­te: Mo­bil! Zu den Waf­fen! Was war da ein Le­ben auch in un­se­rem Schul­or­te, un­se­rer Stadt! Wa­gen, Au­to­mo­bi­le, Rad­fah­rer ras­ten durch die Stra­ßen. Über­all er­tön­ten va­ter­län­di­sche Lie­der. Mit ent­blö­ß­tem Haup­te sang man: ‚Heil Dir im Sie­ger­kranz‘. Hoch­ru­fe und Hur­ra durch­bre­chen die Luft. Noch am Abend des 1. Au­gust rück­ten die hie­si­gen In­fan­te­rie­re­gi­men­ter Nr. 28 und 68 und das Ar­til­le­rie­re­gi­ment Nr. 23 aus, dem Fein­de ent­ge­gen. Und wie rück­ten sie aus, mit fun­kel­na­gel­neu­er Aus­rüs­tung. Ei­ne Lust war es, die be­geis­ter­ten Trup­pen ab­rü­cken zu se­hen.“[25] 

Schon in Frie­dens­zei­ten war Ko­blenz ei­ne star­ke Gar­ni­son mit 5.000 Mann und das VIII. Ar­mee­korps ein be­ein­dru­cken­der Kampf­ver­band mit wei­tem Zu­stän­dig­keits­be­reich, dem im Ein­zel­nen un­ter­stan­den: die 15. Di­vi­si­on in Köln, die 16. Di­vi­si­on in Trier, die Ma­schi­nen­ge­wehr-Ab­tei­lung Nr. 2 in Trier, die Fes­tungs-Ma­schi­nen­ge­wehr-Ab­tei­lung Nr. 2 in Köln, das Schles­wig-Hol­stei­ni­sches Fu­ßar­til­le­rie-Re­gi­ment Nr. 9 in Eh­ren­breit­stein und Köln, das Kom­man­do der Pio­nie­re des VIII. Ar­mee­korps 1. Rhei­ni­sches Pio­nier-Ba­tail­lon Nr. 8 in Eh­ren­breit­stein, das 3. Rhei­ni­sches Pio­nier-Ba­tail­lon Nr. 30 in Eh­ren­breit­stein, das Te­le­gra­phen-Ba­tail­lon Nr. 3 in Ko­blenz und Darm­stadt, die Fes­tungs-Fern­sprech-Kom­pa­nie Nr. 6 in Köln, das Luft­schiff-Ba­tail­lon Nr. 3 in Köln, Düs­sel­dorf und (vor­läu­fig) Metz, das Flie­ger-Ba­tail­lon Nr. 3 in Köln, Han­no­ver und Darm­stadt und die 1. Rhei­ni­sche Train-Ab­tei­lung Nr. 8 vor­läu­fig in Eh­ren­breit­stein.[26] In­ner­halb we­ni­ger Ta­ge wur­den – we­gen der stra­te­gi­schen La­ge in Front­nä­he, aber weit ge­nug ent­fernt für di­rek­te feind­li­che An­grif­fe, und der her­vor­ra­gen­den ver­kehrs­tech­ni­schen An­bin­dung der Stadt für den Auf­marsch an die West­front – aus den 5.000 Mann über 40.000 Sol­da­ten, die un­ter­zu­brin­gen und zu ver­pfle­gen wa­ren. Die Ko­blen­zer leis­te­ten bei­des, auch wenn es bis­wei­len be­deu­te­te, das ei­ge­ne Dienst­per­so­nal aus­zu­quar­tie­ren und in Ho­tels un­ter­zu­brin­gen.[27] Doch zahl­te das Mi­li­tär für die Ein­quar­tie­run­gen ei­nen mehr als aus­kömm­li­chen Preis.[28] Auch Schu­len wur­den ge­räumt, sei es zur Ein­quar­tie­rung von Sol­da­ten oder zur Ein­rich­tung von La­za­ret­ten. Auf An­ord­nung des Ko­blen­zer Ober­bür­ger­meis­ters wur­den be­reits am 2. Au­gust die fünf Klas­sen­zim­mer der Schen­ken­dorf­schu­le im Erd­ge­schoss aus­ge­räumt, um sie als La­za­rett ein­zu­rich­ten, und der Un­ter­richt ein­ge­stellt.[29] 

Auf den ers­ten Blick ver­mit­teln die ers­ten Kriegs­ta­ge in Ko­blenz ei­nen recht ge­ord­ne­ten Ab­lauf. Te­le­gram­me der Land­rä­te vom 1. Au­gust be­rich­te­ten von kei­nen oder nur mi­ni­ma­len Preis­stei­ge­run­gen, so dass ein ge­setz­li­ches Ein­schrei­ten nicht er­for­der­lich er­schien. Der Po­li­zei­di­rek­tor von Ko­blenz mel­de­te noch am 1. Au­gust die Be­schlag­nah­mung pri­va­ter Spreng­stoff- und Schie­ß­pul­ver­vor­rä­te.[30] Selbst die Brü­cken­be­wa­chung funk­tio­nier­te plan­mä­ßig. So konn­te der Bür­ger­meis­ter von Tra­ben-Trar­bach den Re­gie­rungs­prä­si­den­ten noch am 1. Au­gust dar­über in­for­mie­ren, dass seit 12 Uhr mit­tags die Mo­sel­brü­cke von ei­nem mi­li­tä­ri­schem Kom­man­do be­wacht wer­de und die Gen­dar­men nach An­tre­ten der mi­li­tä­ri­schen Brü­cken­wa­che so­fort ab­ge­löst wor­den sei­en. Die po­li­zei­li­che Über­wa­chung wer­de am Tag durch den Brü­cken­wär­ter und ei­nen Po­li­zei­ser­gean­ten und nachts durch drei Feu­er­wehr­leu­te „an je­dem Land­pfei­ler ein Man­n“ aus­ge­übt.[31] 

Wäh­rend zwei Ta­ge spä­ter, am 3.8.1914, die te­le­gra­phi­sche An­wei­sung des Reich­sin­nen­mi­nis­ters zur Ver­haf­tung sämt­li­cher des Lan­des­ver­rats ver­däch­ti­ger Per­so­nen ein­ging, frag­te am sel­ben Tag das Ober­hof­mar­schall­amt aus Ber­lin an, wel­che kö­nig­li­chen Schlös­ser „für Zwe­cke des Ro­ten Kreu­zes“ zur Ver­fü­gung ge­stellt wür­den und ob dies das Ko­blen­zer Schloss ein­schlie­ße. An­schei­nend kam in Ber­lin kei­ne Ant­wort an, denn am 10. Au­gust er­bat das Ober­hof­mar­schall­amt er­neut um ent­spre­chen­de An­ga­ben. Die An­fra­ge lös­te in Ko­blenz Ver­wun­de­rung aus, da dem Ober­prä­si­den­ten nichts der­glei­chen vor­lag. Ei­ne of­fen­kun­dig hek­ti­sche, aber nicht über­lie­fer­te Rück­fra­ge beim Pro­vin­zi­al­ver­ein des Ro­ten Kreu­zes er­gab, dass man vor­läu­fig von der Be­nut­zung des Ko­blen­zer Schlos­ses Ab­stand ge­nom­men hat­te, doch wür­de man auf das An­er­bie­ten zu­rück­kom­men.[32] Tat­säch­lich ver­füg­te Ko­blenz über drei Gar­ni­sons­la­za­ret­te, ein Mi­li­tär-Seu­chen­la­za­rett und meh­re­re Hilfs­la­za­ret­te in und au­ßer­halb der Stadt, war al­so auch oh­ne das Schloss gut ge­rüs­tet.[33] 

Zwar wur­den auch in Ko­blenz be­reits nach we­ni­gen Ta­gen die Be­schrän­kun­gen für den pri­va­ten Au­to­ver­kehr auf­ge­ho­ben, doch wa­ren auch hier die von an­de­ren Or­ten be­kann­ten An­zei­chen er­höh­ter Ner­vo­si­tät und An­span­nung fest­zu­stel­len. In den ers­ten Au­gust­ta­gen wur­den meh­re­re Fahn­dun­gen nach ver­däch­ti­gen Au­to­mo­bi­len durch den Ober­prä­si­den­ten an­ge­sto­ßen, da mit die­sen Geld und Gold au­ßer Lan­des ge­bracht wer­den soll­te. Doch nicht nur ver­meint­li­cher De­vi­sen­schmug­gel er­reg­te in die­sen Ta­gen die Ge­mü­ter. Of­fen­kun­dig war die Be­völ­ke­rung so über die Ma­ßen ner­vös und an­ge­spannt, dass sich das Ober­kom­man­do der Ar­mee am 8. Au­gust ver­an­lasst sah, mit­tels Te­le­gramm fol­gen­de Be­kannt­ma­chung an­zu­wei­sen: „Deut­sche Flug­zeu­ge sind wie­der­holt von ei­ge­nen Trup­pen be­schos­sen wor­den. Es wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass nur auf Flug­zeu­ge ge­schos­sen wird, die mit ab­so­lu­ter Si­cher­heit als Feind er­kannt sind. Er­ken­nungs­zei­chen der fran­zös. Flug­zeu­ge: blau weiß ro­te Ko­kar­de auf der un­te­ren Sei­te der Trag­flä­chen. Um um­ge­hen­de all­ge­mei­ne Be­kannt­ga­be auch durch die Zei­tun­gen wird ge­be­ten.“ Und auch der Re­gie­rungs­prä­si­dent muss­te sei­ne Land­rä­te auf Fehl­ver­hal­ten der Be­völ­ke­rung hin­wei­sen: „Heu­te ist hö­he­rer Of­fi­zier im Au­to von Land­sturm­pos­ten be­schos­sen und In­ten­dan­tur­be­am­ter in Och­ten­dung fest­ge­hal­ten wor­den. Be­dro­hung er­folgt häu­fig auch durch min­der­jäh­ri­ge Per­so­nen mit Ge­wehr. Ich er­su­che um so­for­ti­ge Auf­klä­rung der Be­völ­ke­rung und Maß­nah­men, durch wel­che der­ar­ti­ge Vor­komm­nis­se un­be­dingt ver­hü­tet wer­den. Orts­po­li­zei­be­hör­de gleich­falls be­leh­ren.“ Hin­ter­grund war ei­ne Mel­dung des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps vom sel­ben Tag, dass sei­tens der Land­rä­te, Bür­ger­meis­ter und Orts­be­hör­den „viel­fach noch Son­der­si­che­run­gen und zwar im schärfs­ten und aus­ge­dehn­tes­ten Maß ge­trof­fen wor­den beim Ab­sper­ren der We­ge und Stra­ßen etc. Es wird hier­durch aber die Be­fehls­über­mitt­lung, wel­che jetzt meist per Au­to er­folgt, der­art be­hin­dert, dass ei­ne recht­zei­ti­ge Aus­füh­rung von Be­feh­len in Fra­ge ge­stellt wird. Ich bit­te die vor­ge­nann­ten Per­so­nen und Be­hör­den mit ent­spre­chen­der Wei­sung zu ver­se­hen, und vor al­len Din­gen dar­auf hin­zu­wei­sen, dass den mi­li­tä­risch be­setz­ten und mit Pass­kar­ten ver­se­he­nen Mi­li­tär-Au­to­mo­bi­len von sei­ten der Orts­ein­woh­ner kei­ne Schwie­rig­kei­ten in der Pas­sa­ge ge­macht wer­den.“[34] 

Doch der er­eig­nis­rei­che 8.8.1914 brach­te auch Ent­span­nung. Der Re­gie­rungs­prä­si­dent er­hielt den Be­fehl des Ober­prä­si­den­ten auf Ver­an­las­sung des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps, dass al­le Ver­däch­ti­gen der Lis­te A und B frei­zu­las­sen sei­en, wor­auf­hin er sei­ne Land­rä­te auf­for­der­te, ihm bis zum 11. Au­gust zu mel­den, ob Be­den­ken hin­sicht­lich der Frei­las­sung Ein­zel­ner be­stün­den, was die Land­rä­te von Ahr­wei­ler, St. Goar und Ko­blenz prompt ver­nein­ten, wäh­rend die Ant­wort der üb­ri­gen nicht über­lie­fert ist.[35] 

Nicht nur in der Stadt, auch auf dem Land herrsch­ten Un­si­cher­heit und an­ge­spann­te Ner­vo­si­tät. So be­rich­tet die Chro­nik der Schu­le von Her­schwie­sen-Op­pen­hau­sen von der er­geb­nis­lo­sen Jagd auf ver­meint­li­che rus­si­sche Spio­ne im Huns­rück, die sich als zwei äl­te­re deutsch-rus­si­sche Da­men, Ver­wand­te ei­nes Jagd­päch­ters im Ort, ent­pupp­ten.[36] Doch wie im Re­gie­rungs­be­zirk Trier war auch im länd­li­chen Raum rund um Ko­blenz ei­ne deut­lich ge­rin­ge­re Kriegs­be­geis­te­rung als in der Stadt fest­zu­stel­len. Die Schul­chro­ni­ken be­rich­ten von Not­e­in­käu­fen, ins­be­son­de­re bei Salz und Zu­cker,[37] oder dem an­hal­ten­den Ar­beits­kräf­te­man­gel bei der Ern­te, für de­ren Ein­brin­gung auch hier Schü­le­rin­nen und Schü­ler her­an­ge­zo­gen wur­den.[38] In El­gert und Win­des­heim spra­chen die Chro­nis­ten so­gar von ge­drück­ter Stim­mung.[39] 

Der­weil en­ga­gier­ten sich die Ko­blen­ze­rin­nen in zahl­rei­chen Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, wo­bei die Ver­pfle­gung der durch­zie­hen­den Sol­da­ten Prio­ri­tät ge­noss. Da­bei un­ter­schie­den die Da­men nach An­sicht vie­ler nicht hin­rei­chend ge­nug zwi­schen Freund und Feind, was den Kom­man­dan­ten von Ko­blenz-Eh­ren­breit­stein, Ge­ne­ral­leut­nant Erich von Luck­wald (1852-1929), am 30. Au­gust so­gar ver­an­lass­te, per öf­fent­li­cher Be­kannt­ma­chung dem Trei­ben Ein­halt zu ge­bie­ten: „Die aus­rei­chen­de Ver­pfle­gung der durch­kom­men­den Ge­fan­ge­nen­trans­por­te auf den Bahn­hö­fen er­folgt durch die Hee­res­ver­wal­tung. Als Lie­bes­ga­be darf den Ge­fan­ge­nen nur Brot, Was­ser und al­ko­hol­frei­es Ge­tränk durch Män­ner ver­ab­reicht wer­den.“[40] 

Sonderblatt der Coblenzer Volkszeitung vom 31.7.1914 zur Verkündung des Kriegszustands. (Stadtarchiv Koblenz)

 

Auch die Of­fi­ziers­gat­tin El­len van den Bergh kri­ti­sier­te hef­tig die­sen all­zu freund­li­chen Um­gang mit den Ge­fan­gen in den Brie­fen an ih­ren Mann Hu­go, der als Of­fi­zier im Ge­ne­ral­stab des VIII. Ar­mee­korps mit die­sem bei Kriegs­aus­bruch Ko­blenz in Rich­tung Lu­xem­burg und Bel­gi­en ver­las­sen hat­te. Am 10. Au­gust em­pör­te sie sich: „Dort [im La­za­rett, wo sie Dienst tat] hör­te ich von ei­ner an­de­ren jun­gen Frau, […], daß „Da­men“ auf dem Eh­ren­breit­stein ge­we­sen sei­en um die lie­ben ar­men Ge­fan­ge­nen (3-4 sind schon seit ei­ni­gen Ta­gen oben) zu füt­tern und zu ver­pfle­gen. Wo­rob ein Offz. sich ihr ge­gen­über ent­rüs­tet ge­äus­sert hät­te. Ich sag­te so­fort wü­tend, es kä­me mir gar­nicht dar­auf an her­auf zu ge­hen, die Sa­che fest zu­stel­len, und die Na­men zu ver­öf­fent­li­chen. Dem müss­te gleich von An­fang an ge­steu­ert wer­den, da­mit es nicht so gin­ge wie 70 da­mit! Sie bat sich an­schlie­ßen zu dür­fen. Ver­ab­re­dung 6 Uhr N. an der Wa­ge an der Schiff­brü­cke tref­fen. Nun ha­be ich aber der­weil schon an­de­re, wirk­sa­me­re Schrit­te ge­tan. Näm­lich bei Ge­le­gen­heit des Te­le­fon­ge­sprä­ches mit Dir, be­sorg­te mir Hpt.v. Duis­burg den An­schluß, (ver­tritt Ic) dem trug ich die Sa­che vor, und er wird sie „zur Er­mitt­lung!“ an die Kom­man­dan­tur ge­ben. Mor­gen er­kun­di­ge ich mich, ev. auch bei En­ec­cee­rus, und wenn es wahr ist, ma­che ich wie­der mal ein „Ein­ge­sand­t“ aber an al­le Zei­tun­gen in C. und dro­he mit Ver­öf­fent­li­chung der Na­men bei der ge­rings­ten Wie­der­ho­lung, im Na­men von „wirk­li­chen Deut­schen Frau­en!“ Ein­ver­stan­den? Da muß ei­nen doch ein hei­li­ger Zorn an­kom­men!!“ Schon am 18. Au­gust konn­te sie ih­rem Mann ers­te Er­fol­ge be­rich­ten: „Heu­te kam Ver­öf­fent­li­chung der Kom­man­dan­tur, die ver­bie­tet ir­gend weib­li­che We­sen an die Ge­fan­ge­nen her­an­zu­las­sen. Ge­fan­ge­nen­trans­por­te sei­en nur mit Wa­ßer u. Brod zu ver­sor­gen, die Lie­bes­ga­ben an die Be­gleit­mann­schaf­ten von Sol­da­ten zu über­rei­chen! Ha­be mich sehr dar­über ge­freut.“

Über­haupt konn­te sie den Ge­fan­ge­nen ge­gen­über we­nig Mit­leid auf­brin­gen, wie sie am 22. Au­gust schrieb: „Heu­te Mor­gen sah ich die ers­ten Ge­fan­ge­nen. Meh­re­re Zi­vi­lis­ten, und ei­nen Sol­da­ten. Die ty­pi­schen ro­ten Ho­sen, blau­en Rock mit nach hin­ten ge­knöpf­ten Schö­ßen, oh­ne Helm, mit blo­ßem Kopf und fins­te­rem Ge­sicht. War­um nimmt man die ge­fan­ge­nen Zi­vi­lis­ten über­haupt mit? Ich den­ke die wer­den gleich er­schos­sen, wenn sie mit­ge­kämpft ha­ben? Im­mer si­che­rer wird man über un­se­rer gu­ten Sa­che.“

Auch an an­de­rer Stel­le zei­gen die Brie­fe, wie we­nig tat­säch­lich rei­bungs­los funk­tio­nier­te. So be­klag­te El­len van den Bergh den un­zu­ver­läs­si­gen Post­dienst eben­so wie aus­blei­ben­de, doch fest zu­ge­sag­te fi­nan­zi­el­le Zu­wen­dun­gen oder wi­der­sprüch­li­che Be­feh­le bei Brü­cken­sper­run­gen. Trotz­dem scheint die La­ge in Ko­blenz al­les in al­lem deut­lich ge­ord­ne­ter ge­we­sen zu sein als im na­he­ge­le­ge­nen Trier, ins­be­son­de­re was die Ver­sor­gung und die Preis­ent­wick­lung be­traf. 

Sanitätssoldaten bei der Verteilung von „Liebesgaben“ am Koblenzer Hauptbahnhof 1914, Privatbesitz. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

4. „…der Mittelpunkt der gesamten militärischen Operationen“: Das Große Hauptquartier in Koblenz

Am 16.8.1914 er­reich­te Ober­prä­si­dent von Rhein­ba­ben ein Te­le­gramm aus Ber­lin, wo­nach der Kai­ser mit dem Zug Rich­tung Mainz auf­ge­bro­chen sei.[41]  „Er­su­che un­ver­züg­lich Maß­nah­men zu tref­fen und dar­auf zu ach­ten, dass die ge­sam­te Pres­se ih­res Ver­wal­tungs­be­zirks sich le­dig­lich auf die Ver­brei­tung die­ser Nach­richt des Wolff’schen Te­le­gra­phi­schen Bu­re­aus be­schränkt und kei­ner­lei Be­trach­tun­gen und Er­wä­gun­gen über den tat­säch­li­chen oder mut­ma­ß­li­chen Auf­ent­halts­ort sei­ner Ma­jes­tät an­stellt.“[42] Der Kai­ser reis­te, zu­sam­men mit dem kom­plet­ten Ge­ne­ral­stab un­ter der Lei­tung von Molt­ke, dem Reichs­kanz­ler, dem Kriegs­mi­nis­ter, dem Chef des Ad­mi­ral­stabs und den Chefs des Mi­li­tär-, des Ma­ri­ne- und des Zi­vil­ka­bi­netts[43] – kurz­um: dem Gro­ßen Haupt­quar­tier – nach Ko­blenz, wo er noch am 16.8.1914 ein­traf und in der Pri­vat­woh­nung des Ober­prä­si­den­ten in der heu­ti­gen Stre­se­mann­stra­ße un­ter­ge­bracht wur­de. Für den Ge­ne­ral­stab wur­de das Städ­ti­sche Kai­ser-Wil­helm-Re­al­gym­na­si­um (heu­te Ei­chen­dorff-Gym­na­si­um) ge­räumt, als Un­ter­kunft dien­ten die Ko­blen­zer Ho­tels, al­len vor­an das Ho­tel Mo­no­pol-Me­tro­po­le in der Schloss­stra­ße.[44]

Außenansicht des Kaiser-Wilhelm-Realgymnasiums, 1914 Sitz des Großen Hauptquartiers. (Stadtarchiv Koblenz)

 

Zwei Wo­chen lang, bis zum 30.8.1914, war Ko­blenz der Mit­tel­punkt des Kriegs­ge­sche­hens im Kai­ser­reich. Ge­treu der An­wei­sung aus Ber­lin schwieg die Pres­se und ver­öf­fent­lich­te erst am 31.8.1914 ei­ne Dank­adres­se des Kai­sers und Molt­kes für die ge­währ­te Gast­freund­schaft.[45] Amt­li­che Do­ku­men­te müs­sen we­gen der Zer­stö­rung des Kriegs­ar­chivs in Pots­dam im Bom­ben­ha­gel des Zwei­ten Welt­kriegs als ver­lo­ren gel­ten. So ist ei­ne Re­kon­struk­ti­on der Er­eig­nis­se nur bruch­stück­haft an­hand pri­va­ter Kor­re­spon­denz mög­lich, wie der der Of­fi­ziers­gat­tin El­len van den Bergh, so­wie ei­nes län­ge­ren Be­richts aus der Schul­chro­nik der Schen­ken­dorf­schu­le und des „Jah­res­be­richts über das Schul­jahr 1914-15“ des Kai­ser­li­chen Re­al­gym­na­si­ums, in dem sich die Ge­schäfts­zim­mer des Gro­ßen Ge­ne­ral­stabs be­fan­den.[46] Die­ser Jah­res­be­richt, ver­fasst von dem kom­mis­sa­ri­schen Di­rek­tor, Pro­fes­sor und Re­al­gym­na­si­um-Ober­leh­rer An­ton Ens­te[47], schil­dert aus­führ­lich die Ein­rich­tung und den Auf­ent­halt des Ge­ne­ral­stabs im Re­al­gym­na­si­um am Kai­ser-Wil­helm-Ring (heu­te Fried­rich-Ebert-Ring) in un­mit­tel­ba­rer Nä­he zum Schloss und der Pri­vat­woh­nung des Ober­prä­si­den­ten, in der der Kai­ser mit sei­nem engs­ten Ge­fol­ge lo­gier­te. Da­nach er­fuh­ren der Ko­blen­zer Ober­bür­ger­meis­ter, Karl Ort­mann (1859-1914, Ober­bür­ger­meis­ter 1900-1914), und der Di­rek­tor des Re­al­gym­na­si­ums, Dr. Bredt­mann, am Abend des 12. Au­gust durch zwei Of­fi­zie­re des Gro­ßen Ge­ne­ral­stabs, dass die­ser be­ab­sich­ti­ge, in den Räu­men des Re­al­gym­na­si­ums die Ge­schäfts­zim­mer des Gro­ßen Ge­ne­ral­stabs ein­zu­rich­ten. Am nächs­ten Mor­gen be­gann man mit der Aus­räu­mung der Zim­mer, ver­stau­te Bän­ke und Pul­te im Kel­ler oder im 2. Ober­ge­schoss, selbst die Bi­blio­thek und die Sä­le für Phy­sik, Che­mie und Na­tur­wis­sen­schaf­ten wur­den ge­räumt. Im Hof wur­de ein Sen­de­mast er­rich­tet, Iso­la­to­ren an den Wän­den an­ge­bracht, da­mit von drau­ßen kei­ne Ge­sprä­che be­lauscht wer­den konn­ten, zahl­lo­se Dräh­te ge­spannt, da­mit der rei­bungs­lo­se Te­le­gra­fen- und Fern­sprech­ver­kehr zwi­schen dem Ko­blen­zer Schloss, dem Kai­ser in der Woh­nung des Ober­prä­si­den­ten, dem Ho­tel Mo­no­pol und dem Ho­tel Co­blen­zer Hof, wo wei­te­re Of­fi­zie­re und ein Teil des Ge­fol­ges des Kai­sers un­ter­ge­bracht wa­ren, ge­si­chert war, aber auch der Nach­rich­ten­fluss von und zu den Kriegs­schau­plät­zen. Molt­ke be­zog den Kon­fe­renz­raum, selbst der Di­rek­tor des Re­al­gym­na­si­ums muss­te sein Bü­ro räu­men, durf­te aber als ein­zi­ge Zi­vil­per­son im­mer­hin im Ge­bäu­de in sein ei­ge­nes Vor­zim­mer ver­bannt ver­blei­ben. Das Ge­bäu­de wur­de am 15.8.1914 um 1 Uhr mit­tags für je­den nicht zum Ein­tritt Be­rech­tig­ten ge­schlos­sen, al­le Ein­gän­ge scharf be­wacht. Mit dem Ein­tref­fen des Kai­sers am 16. Au­gust stell­te Leh­rer Ens­te vol­ler Stolz fest: „Un­ser Schul­ge­bäu­de war nun ge­wis­ser­ma­ßen der Mit­tel­punkt der ge­sam­ten mi­li­tä­ri­schen Ope­ra­tio­nen ge­wor­den.“ Na­he­zu je­den Mit­tag ge­gen 11.30 Uhr sei der Kai­ser hier­her zur La­ge­be­spre­chung mit Molt­ke ge­kom­men. „Sei­ne Ma­jes­tät fuhr dann stets am Ein­gang am Kai­ser-Wil­helm-Ring – das Haupt­tor an der Ecke war ge­schlos­sen – im Au­to vor und ver­ließ das Ge­bäu­de ge­gen 1 Uhr wie­der durch das Hof­tor an der Ca­si­no­stra­ße, bei sei­ner An­kunft und Ab­fahrt je­des­mal be­geis­tert be­grü­ßt von der vor der Schu­le Sei­ner har­ren­den Volks­men­ge.“ Über­haupt ha­be vor dem Ge­bäu­de stets re­ger Kraft­wa­gen­ver­kehr ge­herrscht, und selbst des Nachts sei das Ge­bäu­de durch­ge­hend hell er­leuch­tet ge­we­sen, „ein Zei­chen, welch eif­ri­ge Tä­tig­keit hier an­dau­ernd bei der Lei­tung un­se­rer Kriegs­hee­re ge­leis­tet wur­de.“ Zu­dem ha­be der Kai­ser nach dem Sieg über Metz und in den Vo­ge­sen auf der Kart­hau­se ei­ne gro­ße Sie­ges­pa­ra­de ab­ge­hal­ten, an der auch die Schü­ler des Re­al­gym­na­si­ums, die dem Pfad­fin­der­trupp bei­ge­tre­ten wa­ren, hät­ten teil­neh­men und im An­schluss an die Sol­da­ten auch am Kai­ser vor­bei­zie­hen dür­fen.[48] „Beim Ab­schied be­auf­trag­te Sei­ne Ma­jes­tät den Herrn Ober­bür­ger­meis­ter, der Bür­ger­schaft der Re­si­denz­stadt Co­blenz für die zum Aus­druck ge­brach­te pa­trio­ti­sche Ge­sin­nung Al­ler­höchst sei­nen Dank aus­zu­spre­chen und gab sei­ner Freu­de Aus­druck, dass er die erns­ten und be­deut­sa­men Ta­ge der letz­ten Zeit in ei­ner Stadt ha­be ver­brin­gen kön­nen, mit der er schon seit frü­he­rer Zeit durch en­ge Be­zie­hun­gen ver­bun­den ist.“

Der Chef des Ge­ne­ral­sta­bes rich­te­te an den Di­rek­tor Dr. Bredt­mann fol­gen­des Dank­schrei­ben: „Gro­ßes Haupt­quar­tier, den 29. Au­gust 1914. Be­vor ich mit mei­nem Sta­be die Stadt Co­blenz ver­las­se, kann ich nicht um­hin Ih­nen, ver­ehr­ter Herr Di­rek­tor, mei­ne Freu­de dar­über aus­zu­drü­cken, dass das Schul­kol­le­gi­um mit der grö­ß­ten Be­reit­wil­lig­keit die Räu­me des Kai­ser-Wil­helm-Re­al­gym­na­si­ums mir für Bu­reau­zwe­cke zur Ver­fü­gung ge­stellt hat. Durch Ihr per­sön­li­ches Ent­ge­gen­kom­men ha­ben Sie Of­fi­zie­ren und Be­am­ten ih­re ar­beits­rei­che Tä­tig­keit sehr er­leich­tert und so­mit zu der glat­ten Ab­wick­lung der Dienst­ge­schäf­te we­sent­lich bei­ge­tra­gen. Ich bit­te Sie, hier­für mei­nen auf­rich­ti­gen Dank ent­ge­gen­neh­men zu wol­len. v. Molt­ke.“[49] Über­aus ge­schmei­chelt teil­te Dr. Bredt­mann an­schlie­ßend auf An­re­gung des Kol­le­gi­ums Molt­ke mit, dass er zur Er­in­ne­rung an die­se Ta­ge ein gro­ßes Bild von ihm für den Kon­fe­renz­raum an­ge­schafft ha­be und bat um ei­ni­ge Wor­te mit ei­gen­hän­di­ger Un­ter­schrift. Be­reits am fol­gen­den Ta­ge er­hielt er die fol­gen­de hand­schrift­li­che No­tiz: „Co­blenz, den 16. – 30. Au­gust 1914, Deutsch­land, Deutsch­land über al­les! v. Molt­ke, Ge­ne­ral­ober­s­t“. Dem Wunsch der Schü­ler nach ei­ner er­beu­te­ten fran­zö­si­schen Ka­no­ne moch­te der Chef des Ge­ne­ral­stabs je­doch nicht ent­spre­chen.[50] Das Au­to­graph von Molt­ke be­fand sich noch Jahr­zehn­te spä­ter im Dienst­zim­mer des Di­rek­tors des Ei­chen­dorff-Gym­na­si­ums.

Ab­ge­se­hen von der täg­li­chen La­ge­be­spre­chung im Ge­ne­ral­stab ver­brach­te Wil­helm II. sei­ne Ta­ge in Ko­blenz vor­nehm­lich mit La­za­rett­be­su­chen. Von ei­nem sol­chen Be­such be­rich­te­te El­len van den Bergh ih­rem Mann Hu­go, zu die­sem Zeit­punkt in Bas­to­gne, und schrieb am 25. Au­gust, dass an die­sem Mor­gen um halb 11 Uhr der Kai­ser ins La­za­rett ge­kom­men sei, ge­mein­sam mit dem Kö­nig von Würt­tem­berg und dem Reichs­kanz­ler[51]: „Der Kai­ser ging dann von ei­nem Zim­mer, von ei­nem Bett zum an­de­ren. Gab je­dem Ver­wun­de­ten die Hand, und ei­ne Blu­me und sprach mit ihm. wir konn­ten durch die nied­ri­gen, weil of­fe­nen Fens­ter al­les se­hen, und dann wur­de ich ganz zu­fäl­lig mit­ge­scho­ben bis an das Au­to vom Kai­ser, und stand, zwi­schen 2 Mä­dels durch­se­hend 2 Schritt von ihm ent­fernt als er sich ins Au­to setz­te, vor­her mit 2 Ver­wun­de­ten sprach, die den Arm in der Bin­de drau­ßen her­um­gin­gen. Wie grau sieht er aus, und wie viel wei­cher und freund­li­cher ist sein Ge­sicht als die Bil­der es wie­der­ge­ben. Das war heu­te ei­ne lan­ge Pau­se die wir da­durch mach­ten. Mor­gen hei­ßt es dop­pelt fleis­sig sein das Ver­säum­te wie­der ein­zu­ho­len. Aber ich freue mich doch ihn ge­se­hen zu ha­ben, und da­zu noch so gut und nah. Es wur­de kein Hur­rah ge­ru­fen, aber wir al­le wink­ten mit den Hän­den, und er wink­te wie­der. All das war ge­dämpft durch die Nach­richt von den ers­ten Ver­lus­ten die be­kann­te Per­so­nen be­tra­fen.“[52] Sie be­rich­te­te auch vom Ein­tref­fen des Gro­ßen Haupt­quar­tiers in Ko­blenz, ent­hüll­te da­bei De­tails, die so si­cher­lich nicht Teil der of­fi­zi­el­len Dar­stel­lung wa­ren: „Mein Liebs­ter, Al­so wirk­lich das Kai­ser­li­che Haupt Quar­tier oder nennt es sich an­ders? ist hier­her ge­kom­men. Ich woll­te es nicht glau­ben, ha­be es heu­te mor­gen aber mit ei­ge­nen Au­gen ge­se­hen. Al­ler­dings ge­hör­te ich nicht zu de­nen die nach dem Bahn­hof lie­fen, son­dern war viel­leicht die Ein­zi­ge pünkt­li­che in un­se­rer Apo­te­ke, aber ich sah die lee­ren kai­ser­li­chen Au­tos hin­fah­ren, und das Ge­wim­mel von Ge­ne­ral­stäb­lern, Kriegs­mi­nis­te­ri­el­len und mir to­tal frem­den Uni­for­men im Ho­tel Mo­no­pol (das ganz für die Her­ren be­reit steht) und in der Schloß­stra­ße. Die Sa­che ist hier erst vor 2 Ta­gen über­ra­schend an­ge­kün­digt wor­den. Rhein­ba­bens Pri­vat­woh­nung steht dem Kai­ser zur Ver­fü­gung. Rhein­ba­bens selbst woh­nen in 2 Man­sar­den­stüb­chen in ih­rem ei­ge­nen Hau­se, ih­re Lo­gier­gäs­te ha­ben sie bei an­de­ren Re­gie­rungs­be­am­ten die Platz hat­ten un­ter­ge­bracht. Das Schloß ist näm­lich ab­so­lut nicht in Stand. Soll­te erst zum Kai­ser­ma­nö­ver fer­tig wer­den, und nun fehlt noch al­les drin. We­nigs­tens ist noch gänz­lich un­ge­nü­gend Was­ser­lei­tung, W.C. Elek­tri­zi­tät, Ba­de­ein­rich­tun­gen usw. Al­so das wird nun wohl, zu Bü­ro­räu­men be­nutzt wer­den, denn Be­trieb ist auch dar­in, das steht fest, und Mäx­chen[53] wird dort wohl auch zu ar­bei­ten ha­ben. 2 Ma­schi­nen­ge­weh­re ste­hen auf dem fla­chen Dach über dem Mit­tel­bau. Die Zei­tun­gen schwei­gen ab­so­lut, es soll al­so wohl nicht be­kannt wer­den.“[54] 

Autograph von Generaloberst von Moltke für das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium Koblenz vom 30.08.1914, Eichendorff-Gymnasium Koblenz. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

Mit ih­rer Schil­de­rung wi­der­sprach El­len van den Bergh den Aus­füh­run­gen der Chro­nik von Leh­rer Sie­ben­born der Schen­ken­dorf­schu­le, wo­nach der Kai­ser nur des­halb in der Pri­vat­woh­nung des Ober­prä­si­den­ten un­ter­ge­bracht wor­den sei, weil das Schloss zu La­za­rett­zwe­cken ge­nutzt wür­de, was aber – wie er­wähnt – zu­min­dest zu die­sem Zeit­punkt nicht der Fall war.[55] Auch die Schul­chro­nik er­wähnt die Pa­ra­de auf der Kart­hau­se am 22. Au­gust und den Be­such des würt­tem­ber­gi­schen Kö­nigs in Ko­blenz am 25. Au­gust. Bei ih­rem ge­mein­sa­men Be­such in meh­re­ren La­za­ret­ten der Stadt hät­ten sich Kai­ser und Kö­nig mit Ver­wun­de­ten un­ter­hal­ten, die ih­nen von der „ver­rä­te­ri­schen Hal­tung der bel­gi­schen Lan­des­ein­woh­ner“ be­rich­tet hät­ten. Auch am fol­gen­den Tag, beim Emp­fang des baye­ri­schen Kö­nigs, ha­be der Kai­ser Ver­wun­de­te ge­trös­tet, eben­so bei sei­ner Fahrt nach Nas­sau am 28. Au­gust, wo er die Kai­se­rin traf und am fol­gen­den Tag in Bad Ems das dor­ti­ge La­za­rett auf­such­te. Zu­dem ha­be er zu­sam­men mit Ver­wun­de­ten an zwei Dank­got­tes­diens­ten in der Schloss­kir­che teil­ge­nom­men. In sei­ner Er­ho­lungs­zeit ha­be der Kai­ser häu­fig Spa­zier­gän­ge am Rhein und auf der Halb­in­sel Ober­werth un­ter­nom­men, bei de­nen ihn der Leh­rer Sie­ben­born zu sei­ner grö­ß­ten Freu­de be­grü­ßen durf­te.[56] Auch El­len van den Bergh be­rich­te­te ih­rem Mann von den re­gel­mä­ßi­gen Aus­rit­ten des Kai­sers am Rhein­ufer.[57] 

Am 30.8.1914 um 10.30 Uhr ver­lie­ßen der Kai­ser und mit ihm der Tross des Gro­ßen Haupt­quar­tiers Ko­blenz in Rich­tung Lu­xem­burg. In der „Co­blen­zer Zei­tun­g“ er­schie­nen die Dank­adres­sen des Kai­sers und von Molt­kes. Die Stadt kehr­te zur Nor­ma­li­tät zu­rück.

Mi­li­tä­risch war die Zeit des Gro­ßen Haupt­quar­tiers in Ko­blenz – so­weit die lü­cken­haf­te Quel­len­über­lie­fe­rung ei­ne zu­tref­fen­de Ein­schät­zung zu­lässt – eher ei­nem „ru­hi­gen Frie­dens­le­ben“ ähn­lich, wie es Mo­riz Frei­herr von Lyncker (1853-1932) in sei­nen kürz­lich edier­ten Ta­ge­bü­chern und Brie­fen an sei­ne Frau am 18.8.1914 be­schrieb. Kla­ge führ­te er nur über das stän­dig glei­che Ge­richt, das ih­nen ser­viert wer­de und die Tat­sa­che, dass Molt­ke stets al­lein dem Kai­ser be­rich­te, so dass der In­for­ma­ti­ons­fluss über die Ope­ra­tio­nen nicht aus­rei­chend sei.[58] Auch in den fol­gen­den Ta­gen be­män­gel­te er, dass er – ob­wohl der un­mit­tel­ba­ren Um­ge­bung des Kai­sers als Chef des Mi­li­tär­ka­bi­netts zu­ge­hö­rig – nur we­nig über die Front er­fah­re. Die Ta­ge zeich­ne­ten sich durch die im­mer glei­che Rou­ti­ne aus: „Die Abend­ta­fel ist pünkt­lich um 7 ½ Uhr, um 9 ½ Uhr zieht sich der Kai­ser zu­rück und auch Al­les an­de­re geht zur Ru­he. Im Schloss dür­fen kei­ne er­leuch­te­ten Fens­ter sein, auf dem Dach ste­hen Ma­schi­nen Ge­weh­re zur Ab­wehr von Flie­gern. Es kom­men aber si­cher­lich kei­ne hier­her. Das ist fast aus­ge­schlos­sen.“ Auf we­nig Ge­gen­lie­be stieß bei ihm auch die Nach­richt vom bal­di­gen Ein­tref­fen der Kai­se­rin. „Das fin­de ich ei­ne höchst un­glück­li­che Idee. Die Kai­se­rin im mo­bi­len Haupt­quar­tier? Sie hat hier gar Nichts zu su­chen! Das wird kei­nen gu­ten Ein­druck ma­chen, Ich bin ganz ent­setzt über die­se Idee! Sie ist doch sonst klug ge­nug. Aber dies ein ei­ne gro­be Dumm­heit.“[59] Die we­ni­gen Nach­rich­ten, die von Lyncker er­hielt, be­tra­fen den eher güns­ti­gen Ver­lauf der Ope­ra­tio­nen an der West­front, wäh­rend über die zu­nächst we­ni­ger güns­tig ver­lau­fen­den Er­eig­nis­se an der Ost­front nur we­nig durch­drang.[60] Das mag auf den ers­ten Blick we­nig glaub­haft er­schei­nen, doch be­le­gen auch an­de­re Quel­len, wie se­lek­tiv der Kai­ser und da­mit sei­ne en­ge­re Um­ge­bung über die mi­li­tä­ri­schen Er­eig­nis­se un­ter­rich­tet wur­den, was bis­wei­len zur The­se führ­te, der Kai­ser sei we­ni­ger Obers­ter Kriegs­herr als viel­mehr nur „obers­ter Tee­trin­ker“ ge­we­sen.[61] Doch trotz der spär­li­chen Nach­rich­ten herrsch­te im Gro­ßen Haupt­quar­tier die­ser Ta­ge gro­ße Zu­ver­sicht. „Hier im Haupt­quar­tier ist die Stim­mung auch [be­zo­gen auf den Ju­bel in Ber­lin über den Er­folg bei Metz] ge­ho­ben und zu­ver­sicht­lich, dass wir al­le lie­ber vor­ne wä­ren als hier hin­ten in Si­cher­heit zu le­ben, ver­steht sich von selbst.“[62] Zwei Jah­re spä­ter wird der­sel­be Mo­riz Frei­herr von Lyncker sei­ner Frau schrei­ben: „Heut vor 2 Jah­ren fuh­ren wir von Ber­lin nach Co­blenz. Wir dach­ten uns an­ders den Krieg. Was liegt Al­les da­zwi­schen für 1000 und aber 1000, und auch für uns. Und was mag noch kom­men!“[63] 

5. „…haben aber meinen Anweisungen Folge zu leisten“: Militär und Verwaltung im Krieg

Wenn in ei­ner Stadt so­wohl mi­li­tä­ri­sche als auch Ver­wal­tungs­spit­ze zu­sam­men­kom­men,[64] stellt sich au­to­ma­tisch die Fra­ge nach de­ren Zu­sam­men­wir­ken, ins­be­son­de­re, wenn wie im Fal­le der preu­ßi­schen Rhein­pro­vinz nicht nur das Ge­ne­ral­kom­man­do ei­nes Ar­mee­korps und seit Kriegs­aus­bruch auch das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do[65], son­dern gleich meh­re­re Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­dos an­we­send wa­ren. Die Rhein­pro­vinz um­fass­te die ne­ben dem VIII. Ar­mee­korps mit der Stadt Ko­blenz, den Land­krei­sen Ko­blenz-Land, An­der­nach, St. Goar, St. Goar­shau­sen, dem Un­ter­lahn­kreis, dem Un­ter­wes­ter­wald­kreis und dem Kreis Neu­wied, al­so wei­ten Tei­len des Re­gie­rungs­be­zirks Ko­blenz, auch den Be­zirk des XXI. Ar­mee­korps (Sitz Saar­brü­cken) mit den Land­krei­sen Trier, Bad Kreuz­nach, Mei­sen­heim und Sim­mern des Re­gie­rungs­be­zirks Trier so­wie des VII. Ar­mee­korps (Sitz Müns­ter) mit weit­ge­hen­den Zu­stän­dig­kei­ten in den nörd­li­chen Re­gie­rungs­be­zir­ken Köln, Aa­chen und Düs­sel­dorf, die hier nicht zu be­rück­sich­ti­gen sind.[66]

Ei­nen ers­ten Hin­weis auf die Ge­stal­tung des Ver­hält­nis­ses zwi­schen Ar­mee- und Ver­wal­tungs­spit­ze bil­det die am 31.7.1914 vom Kom­man­dan­ten von Ko­blenz und Eh­ren­breit­stein ver­kün­de­te Be­kannt­ma­chung über den Be­la­ge­rungs­zu­stand, wor­in er er­klär­te, dass er die voll­zie­hen­de Ge­walt über­neh­me für die Stadt und den Land­kreis Ko­blenz so­wie die Land­krei­se St Goar, St. Goar­shau­sen, Un­ter­lahn­kreis, Un­ter­wes­ter­wald­kreis und Kreis Neu­wied. „Die Zi­vil­ver­wal­tungs- und Ge­mein­de­be­hör­den ver­blei­ben in Tä­tig­keit, ha­ben aber mei­nen An­wei­sun­gen Fol­ge zu leis­ten.“[67] In der Pra­xis ver­blieb dem Ober­prä­si­den­ten tat­säch­lich ge­ra­de in den ers­ten Kriegs­mo­na­ten häu­fig nur die Rol­le ei­nes hoch­be­zahl­ten Post­ver­tei­lers, wie das Bei­spiel der Re­kru­tie­rung für Ar­mee und Land­sturm be­legt.

Im Mit­tel­punkt stand wäh­rend des ge­sam­ten Krie­ges als wich­tigs­te Auf­ga­be des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos die Ver­sor­gung der Ar­mee mit Sol­da­ten. Am 27.8.1914 er­teil­te das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps dem Ober­prä­si­den­ten da­zu fol­gen­de Wei­sung: „Die An­la­ge zur ge­neig­ten Kennt­nis­nah­me mit der Bit­te er­ge­benst über­sandt, not­wen­dig er­schei­nen­de Be­stim­mun­gen zu tref­fen: das Ge­ne­ral­kom­man­do muss es im Hin­blick auf die ge­wal­ti­ge Zahl der aus­zu­bil­den­den Kriegs­frei­wil­li­gen und Re­kru­ten als un­be­dingt not­wen­dig be­zeich­nen, die vor­han­de­nen Lü­cken im Füh­rer- und Aus­bil­dungs­per­so­nal durch Her­an­zie­hung al­ler noch ver­füg­ba­ren Kräf­te aus­zu­fül­len […]“, um am 30. Au­gust zu prä­zi­sie­ren, dass in der In­ten­dan­tur Be­am­ten­stel­len zu be­set­zen sei­en. Man bat um Be­nen­nung von Be­am­ten, die sich frei­wil­lig da­für zur Ver­fü­gung stell­ten. „Es kom­men nur sol­che Be­am­te in Be­tracht, von de­nen an­zu­neh­men ist, dass sie sich in kur­zer Zeit mit den ein­schlä­gi­gen Be­stim­mun­gen so ver­traut ma­chen, dass sie er­for­der­li­chen Fal­les auch als Feld­be­am­te ver­wen­det wer­den kön­nen.“[68] Der Ober­prä­si­dent star­te­te dar­auf­hin ei­ne ent­spre­chen­de Um­fra­ge bei den Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, al­ler­dings mit dürf­ti­gem Er­geb­nis. Der Re­gie­rungs­prä­si­dent von Ko­blenz mel­de­te im­mer­hin am 6. Sep­tem­ber ei­nen Be­am­ten von 60 Jah­ren, der „kör­per­lich sehr rüs­ti­g“ sei, ge­dient und ei­ne Qua­li­fi­ka­ti­on als Un­ter­of­fi­zier ha­be. „Ob er in der La­ge sein wird, sich in kur­zer Zeit mit den ein­schlä­gi­gen Be­stim­mun­gen so ver­traut zu ma­chen, dass er er­for­der­li­chen­falls als Feld­in­ten­dan­tur­be­am­ter ver­wen­det wer­den kann, scheint mir nach sei­ner Vor­bil­dung und sei­nen dienst­li­chen Leis­tun­gen in der Re­gie­rung zwei­fel­haft.“ Der Re­gie­rungs­prä­si­dent von Trier mel­de­te wie al­le an­de­ren am 7. Sep­tem­ber gleich knapp „Fehl­an­zei­ge“. Und die­sem Vo­tum schloss sich auch der Ober­prä­si­dent am 11. Sep­tem­ber ge­gen­über dem Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­do an und be­dau­er­te, dass kei­ne ge­eig­ne­ten Be­am­ten be­nannt wer­den könn­ten.[69] 

Im­mer wie­der war das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do ge­zwun­gen, um die Ver­sor­gung der Ar­mee mit Sol­da­ten si­cher­zu­stel­len, auf die Un­ter­stüt­zung des Ober­prä­si­den­ten zu­rück­zu­grei­fen, zu­mal selbst die be­reits ein­ge­zo­ge­nen Sol­da­ten zu­min­dest in den ers­ten Kriegs­wo­chen an­schei­nend nicht im­mer die mi­li­tä­ri­schen Spiel­re­geln be­herrsch­ten. So muss­te das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps am 8.9.1914 den Ober­prä­si­den­ten bit­ten, über die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten zu ver­an­las­sen, dass die Land­rä­te und sämt­li­che Orts- und Po­li­zei­be­hör­den da­für Sor­ge trü­gen, dass sie „ein­zel­ne in der Pro­vinz an­ge­trof­fe­ne Per­so­nen des Sol­da­ten­stan­des, so bald sie nicht von ir­gend­ei­ner mi­li­tä­ri­schen Dienst­stel­le ei­nen dienst­lich un­terstem­pel­ten Aus­weis über ihr Rei­se­ziel ha­ben, dem nächs­ten Re­ser­ve­la­za­rett zu über­wei­sen. Das be­zieht sich auch auf die In­sas­sen ein­zel­ner Ver­wun­de­ten-Nes­ter, die in der Re­gel sei­ner­zeit von der Etap­pe als Orts­la­za­ret­te ein­ge­rich­tet und nicht auf­ge­löst sind. Es liegt drin­gend im In­ter­es­se ei­ner ge­nau­en Lis­ten­füh­rung für das Zen­tral­nach­weis­bü­ro des Kriegs­mi­nis­te­ri­ums, wie auch für die Be­ur­tei­lung spä­te­rer Ver­sor­gungs­an­sprü­che, dass sol­che Leu­te, wenn sie auch an Ort und Stel­le gut un­ter­ge­bracht und ver­sorgt er­schei­nen, zu­nächst den staat­li­chen Re­ser­ve­la­za­ret­ten zu­ge­führt wer­den, aus de­nen sie mit al­len Un­ter­la­gen ver­se­he­nen trans­port­fä­hi­gen dem nächst­ge­le­ge­nen Ver­eins­la­za­rett oder den Er­satz­for­ma­tio­nen ih­rer Trup­pen­tei­le über­wie­sen wer­den.“[70] 

Auch beim Nach­weis über Mu­ni­ti­on, Waf­fen und an­de­re Mi­li­tär­gü­ter muss­te die staat­li­che Ver­wal­tung auf An­wei­sung des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps wei­ter­hel­fen. So wur­den die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten auf des­sen Ver­an­las­sung Mit­te Sep­tem­ber 1914 durch den Ober­prä­si­den­ten auf­ge­for­dert zu be­rich­ten, ob und wie sie er­beu­te­te Ge­schüt­ze auf­ge­stellt hät­ten. Wäh­rend der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent Fehl­an­zei­ge mel­de­te, war sein Trie­rer Kol­le­ge, des­sen Zu­stän­dig­keits­be­reich viel nä­her an der Front lag, ge­zwun­gen an­zu­ge­ben: „In der Stadt Saar­brü­cken ste­hen zur Zeit 26 er­beu­te­te Ge­schüt­ze, sämt­li­che oh­ne Prot­ze. An 24 feh­len die Ver­schlüs­se. Ob die­se et­wa in mi­li­tä­ri­schem Ge­wahr­sam sind, ist nicht be­kannt.“[71] 

Ge­ra­de zu­rück­ge­las­se­ne Mi­li­tär­gü­ter wur­den von der Be­völ­ke­rung vor Ort ger­ne als will­kom­me­ne „Beu­te“ be­trach­tet. „Sei­tens der Zi­vil­be­hör­den kom­men die Mel­dun­gen über zu­rück­ge­blie­be­nes Mi­li­tär­gut (Be­klei­dung, Waf­fen, Fahr­zeu­ge, Vieh pp.) erst sehr spät zur Kennt­nis der zu­stän­di­gen Mi­li­tär­be­hör­de. So sind in ei­nem Or­te 4 Last­wa­gen mit Le­bens­mit­teln be­la­den we­gen Mo­tor­scha­dens lie­gen ge­blie­ben. Der Vor­fall wur­de erst nach zehn Ta­gen hier be­kannt, nach­dem die Le­bens­mit­tel an­fin­gen zu ver­der­ben.“[72] 

Aber auch die Trup­pe selbst ver­hielt sich nicht im­mer vor­bild­lich, was den kom­man­die­ren Ge­ne­ral des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­rals­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps, Paul von Ploetz (1847-1930), zu fol­gen­der Be­kannt­ma­chung ver­an­lass­te: „Es ist mir zur Kennt­nis ge­kom­men, dass ver­ein­zelt noch Flur­schä­den ge­macht wer­den, die ver­mie­den wer­den konn­ten.“ „In mehr­fa­chen Er­las­sen“ ha­be er be­reits dar­auf hin­ge­wie­sen, dass „mit Le­bens­mit­teln un­be­dingt von der ge­sam­ten Be­völ­ke­rung und so­mit auch von den Trup­pen haus­häl­te­risch ge­spart wer­den muss, da­mit die aus­kömm­li­che Er­näh­rung des Vol­kes si­cher­ge­stellt wird.“ Es sei da­her nicht hin­nehm­bar, wenn bei Trup­pen­übun­gen „wert­vol­le Feld­früch­te sinn­los ver­nich­te­t“ wür­den. „Ich ma­che es den Trup­pen-Vor­ge­setz­ten zur be­son­de­ren Pflicht, Feld­dienstü­bun­gen und Mär­sche so ein­zu­rich­ten, dass Flur­schä­den jeg­li­cher Art pein­lichst ver­mie­den wer­den.“ Denn: „Wer Flur­schä­den macht, han­delt die­sen va­ter­län­di­schen Be­stre­bun­gen [Un­ab­hän­gig­keit der Er­näh­rung von Zu­lie­fe­run­gen aus dem Aus­land] zu­wi­der.“[73] 

Weihnachten im Lazarett. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

An­fang Ja­nu­ar 1915 hat­ten sich die Ver­hält­nis­se sta­bi­li­siert und das preu­ßi­sche Bü­ro­kra­tie­ver­ständ­nis hat­te Ein­zug ge­hal­ten. Ei­ne of­fi­zi­el­le Ge­schäfts­ord­nung des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps in ge­druck­ter Form wur­de am 16.1.1915 er­las­sen und durch den Ober­prä­si­den­ten an die nach­ge­ord­ne­ten Be­hör­den zur Kennt­nis und Be­ach­tung ge­ge­ben.[74] 

Mit fort­schrei­ten­der Kriegs­dau­er und den ste­tig wach­sen­den Ver­lus­ten wur­de die aus­rei­chen­de Ver­sor­gung der Ar­mee mit Per­so­nal je­doch schwie­ri­ger, die Ge­su­che um Rück­stel­lung der Ein­be­ru­fung häuf­ten sich. So mehr­ten sich laut ei­nem Schrei­ben des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps vom 18.2.1915 die Ge­su­che von Fir­men, die im Hee­res­in­ter­es­se ar­bei­ten, um Frei­stel­lung von Mit­ar­bei­tern vom Kriegs­dienst. Das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps schlug ei­ne Be­schleu­ni­gung des Ge­schäfts­gangs vor, wo­nach ihm sol­che Ge­su­che di­rekt zu­ge­hen soll­ten und von die­sem be­ar­bei­tet wür­den, oh­ne – wie vor­ge­se­hen – zu­nächst ei­ne Stel­lung­nah­me des Ober­prä­si­den­ten ein­zu­ho­len.[75] Schnell of­fen­bar­te sich der Hin­ter­grund die­ses An­sin­nens: Am 28. März muss­te das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps dem Ober­prä­si­den­ten mit­tei­len, dass „die Zahl der beim stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­do ein­lau­fen­den, tat­säch­lich un­be­grün­de­ten Ge­su­che um Be­frei­ung vom Hee­res­dienst oder um Be­ur­lau­bung in er­schre­cken­der Wei­se meh­ren. Es scheint, als ob die Tat­sa­che, dass zahl­rei­che Ar­bei­ter für die im Hee­res­dienst ar­bei­ten­den Be­trie­be zu­rück­ge­stellt wer­den, und dass sich das stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do in weit­ge­hends­ter Wei­se be­reit er­klärt hat, Be­ur­lau­bun­gen im volks­wirt­schaft­li­chen In­ter­es­se ein­tre­ten zu las­sen, zu der Auf­fas­sung ge­führt hat, dass je­der ein Recht hat, sich we­nigs­tens zeit­wei­se dem Hee­res­dient zu ent­zie­hen. Das Ge­fühl, dass je­der in ers­ter Li­nie da­zu be­ru­fen ist, in der jet­zi­gen Zeit dem Va­ter­land mit der Waf­fe in der Hand zu die­nen, kann dar­un­ter lei­den.“ Der Ober­prä­si­dent wur­de ge­be­ten, in ge­eig­ne­ter Wei­se Auf­klä­rung der Be­völ­ke­rung über die nach­ge­ord­ne­ten Stel­len zu be­trei­ben. Er sol­le da­hin wir­ken, „dass die per­sön­li­chen In­ter­es­sen des Ein­zel­nen in das rich­ti­ge Ver­hält­nis zum gro­ßen va­ter­län­di­schen In­ter­es­se ge­bracht wer­den müs­sen, und dass hier­zu Op­fer un­ver­meid­lich sind. Für die­sen Zweck wür­de es auch dien­lich sein, wenn die zur Stel­lung­nah­me ver­pflich­te­ten Be­hör­den un­be­grün­de­te Ge­su­che von vorn­her­ein in strengs­ter Wei­se zu­rück­wie­sen.“[76] Der Köl­ner Re­gie­rungs­prä­si­dent re­agier­te leicht un­ge­hal­ten und ver­wies auf sei­ne Ein­zel­fall­prü­fun­gen, die er stets ge­wis­sen­haft durch­ge­führt ha­be und wag­te so­gar ei­ne ver­steck­te Kri­tik, wo­nach es hilf­reich zur Ur­teils­fin­dung sei, ob ein An­trag be­grün­det sei oder nicht, wenn man wüss­te, wie das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps zu ent­schei­den pfle­ge. Er bat da­her den Ober­prä­si­den­ten, da­für zu sor­gen, dass die Ent­schei­dun­gen des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps den nach­ge­ord­ne­ten Zi­vil­ver­wal­tun­gen mit­ge­teilt wür­den, da­mit man we­nigs­tens ei­ne Richt­schnur ha­be.[77] Und tat­säch­lich leg­te das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps am 17.9.1915 ei­ne Art „Check­lis­te“ vor, an­hand de­rer die zu­stän­di­gen Stel­len die Be­rech­ti­gung von Ur­laubs­ge­su­chen aus den Be­rei­chen Land­wirt­schaft und Wein­bau we­gen der ho­hen ein­ge­hen­den Zahl prü­fen konn­ten.[78] Am 28.9.1915 folg­te ein neu­er Er­lass, wo­nach die nicht mehr feld­dienst­taug­li­chen Be­am­ten und Un­ter­be­am­ten ge­gen die als un­ab­kömm­lich er­klär­ten, aber kriegs­dienst­taug­li­chen Be­am­ten aus­ge­tauscht wer­den müss­ten, um den Nach­schub des Hee­res zu si­chern.[79] Am 10.12.1915 wur­den so­gar die bis­her zu­rück­ge­stell­ten land­sturmpf­lich­ti­gen Be­am­ten zum Hee­res­dienst ver­pflich­tet, wenn sie kriegs­dienst­fä­hig und vor 1876 ge­bo­ren wa­ren.[80] 

Das Ver­fah­ren zur Ein­be­ru­fung wur­de im Lau­fe der kom­men­den Mo­na­te im­mer for­ma­li­sier­ter, auch auf An­wei­sung von Ber­lin, so dass nur noch we­nig ori­gi­när mit der Re­gi­on be­fass­ter Schrift­ver­kehr vor­han­den ist, sieht man von ge­le­gent­li­chen be­am­ten­ty­pi­schen Kla­gen des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps ab, die nach­ge­ord­ne­ten Be­hör­den füll­ten die For­mu­la­re und Fra­ge­bo­gen nach wie vor nicht or­dent­lich aus.[81] 

6. „Annäherung ist verboten“ : Der Umgang mit Kriegsgefangenen und aus dem Ausland heimkehrenden Deutschen

In ei­ner Fes­tungs­stadt wie Ko­blenz spiel­te der Um­gang mit Kriegs­ge­fan­ge­nen ei­ne be­son­de­re Rol­le, zu­mal die­se eben­falls dem Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps un­ter­stellt wa­ren. Be­reits am 13.8.1914 über­sand­te der In­nen­mi­nis­ter die „Be­stim­mun­gen über die Un­ter­brin­gung der Kriegs­ge­fan­ge­nen“ in Fes­tungs­wer­ken, auf Trup­pen­übungs­plät­zen so­wie Ar­til­le­rie­schie­ß­plät­zen.[82] Bei Fes­tun­gen sei­en es die Ka­se­mat­ten, die für die Un­ter­brin­gung ge­nutzt wer­den soll­ten. Noch dreh­te sich da­bei al­les um die Ge­stal­tung und Aus­stat­tung der Kriegs­ge­fan­ge­nen­un­ter­künf­te, den Raum­be­darf für Of­fi­zie­re und Mann­schaf­ten, die Be­leuch­tung, sa­ni­tä­re Ver­sor­gung und so wei­ter.[83] Doch es dau­er­te nicht lan­ge und Kom­fort spiel­te kei­ner­lei Rol­le mehr, statt­des­sen rück­ten er­war­tungs­ge­mäß die Si­cher­heits­fra­gen im­mer mehr in den Vor­der­grund. So teil­te das Kriegs­mi­nis­te­ri­um am 8.1.1915 dem Ober­prä­si­den­ten mit, den Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos sei „an­heim­ge­stellt wor­den, den Gen­dar­men wäh­rend des Krie­ges fol­gen­de Er­mäch­ti­gung zu er­tei­len: „Die Gen­dar­men sind be­fugt, auf Kriegs­ge­fan­ge­ne (Mi­li­tär- und Zi­vil-), die sich der Ge­fan­gen­schaft durch Flucht ent­zie­hen wol­len, nach ein­ma­li­gem vor­he­ri­gen An­ruf zu schie­ßen.‘“[84] Der Kom­man­die­ren­de Ge­ne­ral von Ko­blenz sah sich ver­an­lasst, in ei­ner Be­kannt­ma­chung am 21.10.1916 deut­lich schär­fe­re Vor­schrif­ten zu er­las­sen mit ei­ner stark er­wei­ter­ten De­fi­ni­ti­on des Be­griffs des Kriegs­ge­fan­ge­nen, der jetzt auch Zi­vil­per­so­nen aus­län­di­scher Her­kunft ein­schloss, so­wie stren­ge Auf­la­gen mach­te be­züg­lich des Kon­takts der Be­völ­ke­rung mit Ge­fan­ge­nen. Die­ser sei auf das für den Ar­beits­ein­satz Er­for­der­li­che zu be­schrän­ken. Es wur­de ein aus­drück­li­ches Ver­bot von Be­sor­gun­gen und Zu­wen­dun­gen al­ler Art aus­ge­spro­chen, ins­be­son­de­re sei „je­der ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­sto­ßen­de Ver­kehr weib­li­cher Per­so­nen mit Kriegs­ge­fan­ge­nen strengs­tens ver­bo­ten“. Flucht­hil­fe war eben­so ver­bo­ten wie der Ver­kauf von al­ko­ho­li­schen Ge­trän­ken oder Knei­pen­be­su­che. Ei­ne stren­ge Kon­trol­le des Post­ver­kehrs von und an Kriegs­ge­fan­ge­ne wur­de an­ge­ord­net und ei­ne Haft­stra­fe von ei­nem Jahr bei Zu­wi­der­hand­lun­gen an­ge­droht.[85] 

Doch die ver­schärf­ten Be­stim­mun­gen lös­ten kei­nes­wegs über­all nur Zu­stim­mung aus. Ins­be­son­de­re die am 18.10.1916 er­las­se­ne Aus­wei­tung der Er­mäch­ti­gung zum Schuss­waf­fen­ge­brauch bei Flucht­ver­su­chen stieß auf Kri­tik. Der Re­gie­rungs­prä­si­dent von Ko­blenz hielt in­ter­es­san­ter­wei­se ei­ne Aus­deh­nung auf Po­li­zei­be­am­te ge­ne­rell „für un­rat­sam“. Zu­vor soll­ten „be­son­de­re Er­mitt­lun­gen und Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen wer­den“, um zu ge­währ­leis­ten, dass nur zu­ver­läs­si­ge Po­li­zei­be­am­te hier­zu er­mäch­tigt wür­den. „Da­ge­gen hal­te ich die Über­tra­gung der Schieß­be­fug­nis auf die zu Po­li­zei­be­am­ten be­stell­ten Forst­be­am­ten und Forstan­ge­stell­ten für un­be­denk­lich, da bei de­ren Aus­wahl und Aus­bil­dung, eben­so wie bei den Gen­dar­men doch die Si­cher­heit vor­liegt, dass Miss­bräu­che mög­lichst ver­mie­den wer­den.“[86] Ähn­lich äu­ßer­te sich auch der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent am 12.11.1916: „Im Hin­blick auf die Zu­nah­me der Fäl­le von Kriegs­ge­fan­ge­nen-Ent­wei­chun­gen er­scheint es, um die Fest­nah­me der Ent­wi­che­nen mög­lichst zu si­chern, ge­bo­ten, die den Gen­dar­men über­tra­ge­ne Be­fug­nis zum Ge­brauch der Schuss­waf­fe ge­gen­über den Kriegs­ge­fan­ge­nen auch auf die Forst- und Ge­mein­de­po­li­zei­be­am­ten – auf letz­te­re je­doch nur so­weit sie als ge­nü­gend zu­ver­läs­sig an­zu­se­hen sind – aus­zu­deh­nen.“ Er füg­te des­halb auch gleich Lis­ten der ge­eig­ne­ten Per­so­nen bei, für die er ei­ne sol­che Er­mäch­ti­gung er­bat.[87] 

Im­mer­hin schei­nen die vor­han­de­nen Un­ter­brin­gungs­ka­pa­zi­tä­ten aus­rei­chend ge­plant ge­we­sen zu sein. Als am 30.8.1915 der Auf­trag an den Ober­prä­si­den­ten zur Er­mitt­lung ge­eig­ne­ter Bau­lich­kei­ten für kriegs­ge­fan­ge­ne Of­fi­zie­re er­ging, ver­bun­den mit der Bit­te um Mit­tei­lung wei­te­rer ge­plan­ter Maß­nah­men, konn­te die­ser am 20. Ok­to­ber für Ko­blenz wie auch Trier „Fehl­an­zei­ge“ mel­den.[88] 

Nicht nur die aus­län­di­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen wur­den mit Sor­ge und Miss­trau­en be­trach­tet. Ei­ne be­son­de­re Epi­so­de, die ein be­mer­kens­wer­tes Licht auf die Stim­mung und die Un­si­cher­hei­ten in den ers­ten Kriegs­wo­chen wirft, war das Pro­blem der Un­ter­brin­gung der aus frem­den Staa­ten aus­ge­wie­se­nen deut­schen Staats­bür­ger, die nun ins Reich zu­rück­kehr­ten. Aus­lö­ser war ein Te­le­gramm des In­nen­mi­nis­ters vom 1.11.1914 an den Ober­prä­si­den­ten: „In nächs­ter Zeit Rück­kehr deut­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger weib­li­cher Per­so­nen, Kna­ben, al­ter Män­ner aus Frank­reich nach Deutsch­land zu er­war­ten. Zahl un­be­stimmt. Viel­leicht ei­ni­ge Tau­sen­de. Trans­port über Schweiz nach Sin­gen und Stutt­gart. Für Preu­ßen Sam­mel­ort Frank­furt am Main, wo Po­li­zei­prä­si­di­um zu­stän­dig. Frei Ei­sen­bahn­fahrt ge­si­chert. Bit­te für al­le mit­tel­lo­sen Preu­ßen in Rhein­pro­vinz durch Land­rä­te Quar­tier vor­be­rei­ten nach Mus­ter mi­li­tä­ri­scher Ein­quar­tie­rung, gro­ße Städ­te und Haupt­in­dus­trie­ge­bie­te da­bei frei­las­sen. We­gen Ent­schä­di­gung wird Ent­ge­gen­kom­men der Ge­mein­den er­hofft. Für Fäl­le von Ent­schä­di­gung wird be­merkt, dass zum Bei­spiel in Bran­den­burg für Er­wach­se­ne täg­lich ei­ne Mark und für Kin­der un­ter vier­zehn Jah­re fünf­zig Pfen­ni­ge als Ein­heits­preis vom Staat in ähn­li­chen Fäl­len be­wil­ligt sind. Bit­te auch für Ver­pfle­gung und Trans­port durch Ver­ei­ne Sor­ge tra­gen. Er­lass folgt.“[89] 

Propagandakarte. (Stadtarchiv Koblenz)

 

Noch am sel­ben Tag fand ei­ne Zu­sam­men­kunft der Land­rä­te der Krei­se Kreuz­nach, Ahr­wei­ler, St. Goar und Ko­blenz un­ter dem Vor­sitz des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten von Ko­blenz statt, in der man sich ei­nig war, dass die Städ­te we­ni­ger be­rück­sich­tigt wer­den soll­ten, da sie durch die mi­li­tä­ri­schen Ein­quar­tie­run­gen be­reits hin­rei­chend be­las­tet sei­en und statt­des­sen ei­ne Un­ter­brin­gung in den länd­li­chen Ge­gen­den be­vor­zugt wer­de. Eben­falls hiel­ten al­le ei­ne Ent­schä­di­gungs­zah­lung ge­mäß den Sät­zen für Ein­quar­tie­run­gen (Er­wach­se­ne 1,40 Mark pro Tag) be­zie­hungs­wei­se ana­log der kürz­lich er­folg­ten Zah­lun­gen in Hes­sen-Nas­sau bei der Auf­nah­me der Met­zer Flücht­lin­ge (Er­wach­se­ne in den Ge­mein­den am Rhein 1,50 Mark, auf dem Land 1,35 Mark, Kin­der un­ter 14 Jah­ren 1,20 Mark) für un­ver­zicht­bar. Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen wur­den die Quo­ten für die ein­zel­nen Krei­se fest­ge­legt, wo­bei Ko­blenz-Land – nach Neu­wied mit 3.000 – mit 2.500 auf­zu­neh­men­den Flücht­lin­gen den grö­ß­ten An­teil hat­te. Hin­zu ka­men wei­te­re 1.000 für die Stadt Ko­blenz. Mei­sen­heim, Co­chem und Zell wie­sen die ge­rings­te Zahl auf mit je 500, der Rest soll­te zwi­schen 1.000 und 1.500 Per­so­nen auf­neh­men. Ins­ge­samt ging man von 15.500 un­ter­zu­brin­gen­den Flücht­lin­gen aus.[90] 

Am 28.11.1914 er­hielt der Ober­prä­si­dent den Be­richt des mit der Über­nah­me be­trau­ten Re­gie­rungs­ra­tes Braun aus Sin­gen, der den ak­tu­el­len Stand re­fe­rier­te. Dem­nach ver­lau­fe die Über­nah­me der deut­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen nur zö­ger­lich, es sei­en auch kei­ne ge­nau­en Zah­len be­kannt, da selbst in­ter­na­tio­na­le Ein­rich­tun­gen wie das Gen­fer Ko­mi­tee für Flücht­lings­fra­gen nur sehr un­ge­nü­gend von Frank­reich in­for­miert wür­den. Die ge­schil­der­ten „Miss­stän­de dürf­ten al­lein in der man­gel­haf­ten Or­ga­ni­sa­ti­on Frank­reichs be­ru­hen […]“. Tat­säch­lich sei­en die Zah­len der in den Re­gie­rungs­be­zirk Ko­blenz zu über­füh­ren­den Per­so­nen weit­aus ge­rin­ger als bis­lang an­ge­nom­men, da der grö­ß­te Teil zu Ver­wand­ten und Fa­mi­li­en wei­ter­rei­sen wol­le. „An ‚Zi­el­lo­sen‘ bleibt da­her nur ein ge­rin­ger Bruch­teil üb­rig; ih­re Ge­samt­zahl stellt sich von Be­ginn der Trans­por­te bis ges­tern auf 101 Per­so­nen, da­von sind nur 83 auf den Be­zirk Co­blenz über­führt wor­den, die an­de­ren ha­ben an­der­wei­ti­ge Un­ter­kunft ge­fun­den. Von die­sen 83 sind über­führt wor­den: 19 nach Co­blenz-Stadt, 11 nach St. Goar, 9 nach Sim­mern, 10 nach May­en, 13 nach Ahr­wei­ler, 3 nach Co­chem, 10 nach Neu­wied.“ Nach die­sen Er­fah­run­gen „wird al­so ei­ne we­sent­li­che Be­las­tung des Re­gie­rungs­be­zirks Co­blenz aus­ge­schlos­sen sein“.[91] Auch am 3.12.1914 war die Zahl der un­ter­ge­brach­ten Per­so­nen im Re­gie­rungs­be­zirk Ko­blenz nach ei­nem Schrei­ben des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten an den Ober­prä­si­den­ten erst auf 122 Per­so­nen an­ge­wach­sen.[92] 

Die be­trof­fe­nen Ge­mein­den focht die ge­rin­ge Zahl nicht an. Am 29.12.1914 be­rich­te­te der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent dem Ober­prä­si­den­ten über den drin­gen­den Wunsch der Ge­mein­den, trotz der deut­lich ge­rin­ge­ren Zah­len der zu über­neh­men­den Per­so­nen die Hö­he der staat­li­chen Zu­wen­dun­gen für die Ge­mein­den un­an­ge­tas­tet zu las­sen, da die­se durch die Be­las­tun­gen des Trup­pen­auf­marschs hart ge­nug ge­trof­fen sei­en. Doch auch der Re­gie­rungs­prä­si­dent muss­te zu­ge­ben, dass vor­aus­sicht­lich die Zahl von 260 der im Re­gie­rungs­be­zirk un­ter­zu­brin­gen­den Per­so­nen wohl nicht über­schrit­ten wer­de.[93] Ei­ne Lis­te sämt­li­cher im Re­gie­rungs­be­zirk un­ter­ge­brach­ter Per­so­nen deut­scher Staats­an­ge­hö­rig­keit, die in Frank­reich in­ter­niert wa­ren, nach Land­krei­sen ge­ord­net, wur­de am 12.2.1915 vom Re­gie­rungs­prä­si­den­ten dem Ober­prä­si­den­ten über­sandt und be­leg­te die deut­lich ge­rin­ge­ren Zah­len.[94] Auch fi­nan­zi­ell hat­te man sich ver­schätzt: Von den 3.000 Mark des zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Fonds zur Ver­sor­gung die­ser Per­so­nen wa­ren le­dig­lich 309 Mark aus­ge­ge­ben wor­den, da­von wa­ren al­lein 200 Mark dem zu­stän­di­gen Re­gie­rungs­rat di­rekt aus­ge­hän­digt und nur 109 Mark un­mit­tel­bar an die Be­trof­fe­nen ge­zahlt wor­den.[95] 

Kindergarten des Vaterländischen Frauenvereins Koblenz, Privatbesitz. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

Auch wenn der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent noch­mals am 15.4.1915 in ei­nem Schrei­ben dar­auf hin­wies, dass die Ent­schä­di­gungs­sät­ze nur die Kos­ten für Un­ter­kunft und Ver­pfle­gung ab­deck­ten, nicht aber für Klei­dung, ärzt­li­che Be­hand­lung oder Schu­lung der Kin­der etc. und es bil­lig er­schei­ne, die Kos­ten auf Staats­mit­tel zu über­neh­men, be­ein­druck­te dies in Ber­lin nur we­nig.[96] Am 5.5.1915 wies der In­nen­mi­nis­ter un­ter Hin­weis auf die noch er­heb­li­chen ver­füg­ba­ren Mit­tel des Fonds je­de wei­te­re For­de­rung zu­rück und be­kräf­tig­te am 21. Mai, dass er die An­ge­le­gen­heit für er­le­digt hal­te.[97] Die noch im No­vem­ber 1914 er­war­te­ten Zah­len wur­den tat­säch­lich nie er­reicht. In ei­nem Be­richt vom 18.5.1917 hielt der In­nen­mi­nis­ter fest, dass sich bis Ja­nu­ar 1917 im ge­sam­ten Reich rund 6.500 Per­so­nen deut­scher Staats­an­ge­hö­rig­keit, die aus dem Aus­land über­führt wor­den sei­en, in der Ob­hut des Ro­ten Kreu­zes be­fän­den und nicht in der La­ge sei­en, für ih­ren ei­ge­nen Un­ter­halt zu sor­gen. In der ge­sam­ten Rhein­pro­vinz selbst trä­fe dies auf 839 Er­wach­se­ne und 575 Kin­der zu.[98] In Ko­blenz hat­te man sich in die­ser Sa­che gründ­lich ver­schätzt.

Da­bei stand man den zu­rück­keh­ren­den Deut­schen zu­min­dest an­fangs recht miss­trau­isch ge­gen­über. Als ein nach jahr­zehn­te­lan­gem Auf­ent­halt in Brüs­sel nach Ko­blenz zu­rück­ge­kehr­ter Herr von Berg am 25.9.1914 sein In­si­der­wis­sen über Bel­gi­en dem Re­gie­rungs­prä­si­den­ten von Ko­blenz an­bot, frag­te die­ser vor­sich­tig beim deut­schen Ge­ne­ral­gou­ver­neur von Bel­gi­en nach, was da­von zu hal­ten sei. „Ew. Ex­cel­lenz, wer­den in­zwi­schen das Schrei­ben ei­nes Herrn v. Berg er­hal­ten ha­ben, wor­in er sei­ne gu­ten Diens­te für die deut­sche Ver­wal­tung in Bel­gi­en an­bie­tet. H.v.Berg, der 24 Jah­re als wohl­ha­ben­der Pri­vat­mann in Brüs­sel ge­wohnt hat, ist bei Aus­bruch des Krie­ges aus­ge­wie­sen wor­den und hat sich als frü­he­rer ak­ti­ver Of­fi­zier trotz sei­ner 58 Jah­re so­fort bei der Trup­pe ge­mel­det und ist auch ins Feld ge­rückt, wo er am Ge­fech­te teil­ge­nom­men hat. Da in­des­sen sein Ge­sund­heits­zu­stand den Feld­zugs­stra­pa­zen auf die Dau­er nicht ge­wach­sen war, wur­de er auf Ver­an­las­sung des Re­gi­ments­arz­tes zu­rück­ge­schickt und hat jetzt wie­der die Aus­bil­dung ei­ner Land­sturm­com­pa­nie über­nom­men. Er ist durch sei­nen lang­jäh­ri­gen Auf­ent­halt in Bel­gi­en mit den dor­ti­gen Ver­hält­nis­sen sehr ver­traut, steht mit Füh­rern der vlä­mi­schen Be­we­gung in en­ger Füh­lung und hat auch beim Cle­rus ein­fluss­rei­che Be­kann­te. Der Herr Reichs­kanz­ler hat ihn wäh­rend der An­we­sen­heit des Gro­ßen Haupt­quar­tiers hier zwei Mal zum Vor­trag be­foh­len und sei­nen Aus­füh­run­gen an­schei­nend gro­ßes In­ter­es­se ent­ge­gen­ge­bracht und ihm zu ver­ste­hen ge­ge­ben, daß man s.Z. auf sei­ne gu­ten Diens­te wohl rech­nen wür­de. V. Berg ist Ar­chäo­lo­ge und auf dem Ge­bie­te der Kunst sehr gut er­fah­ren. Ein­fü­gung v. Berg dürf­te da­her dem mit der Prü­fung, Samm­lung und Er­hal­tung der bel­gi­schen Kunst­tü­mer be­auf­trag­ten H. Geh. Reg. Rat v. Fal­ke ei­ne wert­vol­le Stüt­ze sein kön­nen. Da v. Berg auch ein sprach­ge­wand­ter Mann ist, so wür­de ich es be­grü­ßen, wenn Eu­er Ex­cel­lenz sei­nem An­er­bie­ten ei­ne wohl­wol­len­de Auf­merk­sam­keit der Prü­fung zu­wen­den wer­den.“ Die dan­kend ab­leh­nen­de Ant­wort er­folg­te prompt und un­miss­ver­ständ­lich.[99] So rich­tig ver­trau­en woll­te man die­sem Herrn an­schei­nend nicht.

7. „Maßnahmen sind getroffen“ - Die Organisation der Lebensmittelversorgung

Mit Kriegs­aus­bruch am 1.8.1914 wünsch­te sich der Ober­prä­si­dent ein Bild von den Preis­stei­ge­run­gen zu ma­chen.[100]  Noch am sel­ben Tag über­sand­te der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent die Be­rich­te sei­ner Land­rä­te zum The­ma Preis­ent­wick­lung. Dem­nach gab es in Ahr­wei­ler Preis­stei­ge­run­gen bei Salz und Kar­tof­feln, ge­eig­ne­te Maß­nah­men sei­en je­doch ein­ge­lei­tet. Adenau mel­de­te da­ge­gen „er­heb­li­che Preis­stei­ge­run­gen ein­zel­ner Le­bens­mit­tel sind in Adenau be­reits ein­ge­tre­ten, wei­te­re un­na­tür­li­che Preis­stei­ge­run­gen sind zu er­war­ten, zwangs­wei­se Fest­stel­lung der Prei­se ist drin­gend er­wünscht.“ Al­ten­kir­chen hat­te nur ge­rin­ge Preis­stei­ge­run­gen und wirk­te be­reits auf Händ­ler ein, auch Co­chem konn­te kei­ne auf­fal­len­den Preis­stei­ge­run­gen mel­den, hat­te aber die Bür­ger­meis­ter be­reits an­ge­wie­sen, dies ge­nau zu be­ob­ach­ten. In St. Goar wur­den in den Or­ten am Rhein Preis­stei­ge­run­gen fest­ge­stellt, „doch han­delt es sich nicht um be­son­ders be­mer­kens­wer­te Preis­trei­be­rei. Die Ge­schäfts­in­ha­ber sind ge­warnt, dem wei­te­ren Ge­bah­ren wird Be­ach­tung ge­schenkt.“ Kreuz­nach mel­de­te nur ge­rin­ge Preis­stei­ge­run­gen, die zu­dem wie­der im Rück­gang be­grif­fen sei­en, May­en no­tier­te klei­ne Preis­stei­ge­run­gen, „war­nen­de Be­kannt­ma­chung be­reits von mir er­las­sen“, zu­dem sei mit dem Vor­stand des kauf­män­ni­schen Ver­eins Ver­bin­dung auf­ge­nom­men wor­den. „Wer­de falls Not­stand ein­tre­ten wird, wei­te­re Maß­nah­men er­grei­fen.“ Neu­wied muss­te Preis­stei­ge­run­gen „in al­len Ort­schaf­ten“ fest­stel­len, „Maß­nah­men sind ge­trof­fen“. Sim­mern mel­de­te zwar Preis­stei­ge­run­gen in ei­ni­gen Be­rei­chen, „im Gan­zen je­doch nicht in er­heb­li­chem Ma­ße“. Zell konn­te kei­ne Preis­stei­ge­run­gen be­ob­ach­ten, Ko­blenz da­ge­gen schon in ver­schie­de­nen Ge­mein­den, vor al­lem bei Mehl und Salz ha­be es ei­nen „er­heb­li­chen Preis­auf­schla­g“ ge­ge­ben, der aber der­zeit wie­der zu­rück­ge­he. Den­noch: „Land­rat emp­fiehlt Zwangs­maß­nah­men.“[101] 

Auch die Wirt­schaft be­ton­te noch am sel­ben Tag ih­re va­ter­län­di­sche Ge­sin­nung hin­sicht­lich der Preis­ge­stal­tung. Ei­ne Be­kannt­ma­chung des „Co­blen­zer De­tail­lis­ten-Ver­ein. Ver­ein zur Wah­rung städ­ti­scher und ge­schäft­li­cher In­ter­es­sen. Ver­ein ka­tho­li­scher Kauf­leu­te“ ver­kün­de­te am 1.8.1914: Die Vor­stän­de der Ver­ei­ne „er­klä­ren ein­stim­mig es für ih­re selbst­ver­ständ­li­che Pflicht, auch ih­rer­seits dem Ernst der po­li­ti­schen La­ge in un­se­rem Va­ter­lan­de Rech­nung zu tra­gen und mit al­lem Nach­dru­cke auf ih­re Be­rufs­ge­nos­sen da­hin ein­zu­wir­ken, dass die Preis­fest­stel­lun­gen für die not­wen­di­gen Le­bens­mit­tel sich in an­ge­mes­se­nen Gren­zen hal­ten. […] Zu­gleich wen­den wir uns an das Pu­bli­kum mit der Bit­te, nicht durch über­mä­ßi­ge Käu­fe die vor­han­de­nen Wa­ren­be­stän­de vor­zei­tig zu er­schöp­fen, weil da­durch bei der Er­gän­zung der Vor­rä­te Preis­stei­ge­run­gen her­vor­ge­ru­fen wer­den.“[102] 

Viel ge­hol­fen hat­te es aber an­schei­nend nicht. So be­rich­te­te El­len van den Bergh am 1.8.1914 ih­rem Mann Hu­go von re­gel­rech­ten Hams­ter­käu­fen in der Stadt Ko­blenz: „Al­le Her­ren- und Mi­li­tär-Ge­schäf­te sind über­lau­fen, und auch die Le­bens­mit­tel­ge­schäf­te wer­den ge­stürmt. Dies letz­te­re ist to­tal blöd­sin­nig, da wir ja in kei­ner ge­schlos­se­nen Fes­tung le­ben, wo Hun­gers­not ent­ste­hen könn­te. Aber die Men­schen sind wie ver­rückt, und weil das in Straß­burg und Metz ge­schieht, da muss es auch hier sein! Heu­te er­schien schon ein Er­lass des Po­li­zei­chefs der Stadt, dass wenn die Le­bens­mit­tel­ge­schäf­te mit den Prei­sen nicht so­fort auf nor­ma­le Hö­he her­un­ter gin­gen, ei­ne amt­li­che Ta­xe ein­ge­führt wer­den wür­de nach der sie ver­kau­fen müss­ten.“[103] 

An­schei­nend hat­ten sich die Ver­hält­nis­se recht bald nor­ma­li­siert. So konn­te der Re­gie­rungs­prä­si­dent von Ko­blenz be­reits am 25.9.1914 dem Ober­prä­si­den­ten mit­tei­len, dass in sei­nem Zu­stän­dig­keits­be­reich bis­lang kei­ne Not­wen­dig­keit von Preis­fest­stel­lun­gen im Gro­ßhan­del her­vor­ge­tre­ten sei. Im Klein­han­del sei­en Höchst­prei­se fest­ge­setzt wor­den in den Krei­sen Adenau und Sim­mern für Kar­tof­feln, in der Stadt Wetz­lar für Kar­tof­feln, But­ter und Ei­er. „Von den Po­li­zei­ver­wal­tun­gen in Co­blenz und der Stadt Wetz­lar sind noch Po­li­zei­ver­ord­nun­gen be­tref­fend den Aus­hang der Le­bens­mit­tel­prei­se er­las­sen wor­den. Die­se Maß­nah­me ver­spricht in­so­fern Er­folg, als es der Bür­ger­schaft da­durch er­mög­licht wird, die Prei­se in den ein­zel­nen Ge­schäf­ten mit ein­an­der zu ver­glei­chen und ih­re Kund­schaft den bil­ligs­ten Be­zugs­quel­len zu­zu­wen­den.“[104] 

Tat­säch­lich lis­tet ei­ne „Vor­rats­fest­stel­lung des Kai­ser­li­chen Lie­fer­ver­ban­des für den Re­gie­rungs­be­zirk Ko­blenz nach dem Stand von An­fang Ju­li 1914“ Land­kreis für Land­kreis die Be­stän­de an Vieh, Brot­ma­te­ri­al und Ge­trei­de auf, um in Re­la­ti­on zur Be­völ­ke­rungs­zahl den Stand der Ver­sor­gung er­mit­teln zu kön­nen. Die Stadt Ko­blenz mit ih­ren (Stand 1.12.1910) 56.487 „See­len“ ver­füg­te dem­nach (Stand 1.12.1913) über 376 Stück Rind­vieh, 356 Schwei­ne, 227 Ham­mel und 635 Pfer­de, von de­nen im Mo­bi­li­sie­rungs­fall 331 aus­ge­ho­ben wür­den, so dass 304 ver­blie­ben.[105] 

An­ders als in Trier  war im Re­gie­rungs­be­zirk Ko­blenz die Fest­set­zung von Höchst­prei­sen für ei­ne deut­lich län­ge­re Zeit nicht er­for­der­lich. Erst am 19.10.1914 sah sich der Re­gie­rungs­prä­si­dent ge­zwun­gen, ei­ne Ver­fü­gung be­tref­fend den Höchst­preis für Kar­tof­feln zu er­las­sen: Sei­ne Er­mitt­lun­gen hät­ten er­ge­ben, dass auch in sei­nem Be­zirk die An­wen­dung des Ge­set­zes vom 4. Au­gust nicht län­ger zu um­ge­hen sei. „Wer­den an ein­zel­nen Stel­len Prei­se ge­for­dert, die mit dem güns­ti­gen, das Mit­tel­maß durch­weg über­schrei­ten­den Aus­fall der Ern­te und den ört­li­chen Ver­hält­nis­sen nicht in Ein­klang zu brin­gen sind, so ge­ben an vie­len an­de­ren Or­ten die Land­wir­te trotz weit­ge­hen­der Geld­an­ge­bo­te die Kar­tof­feln über­haupt nicht we­der für den un­mit­tel­ba­ren Ver­kehr noch für den Han­del ab, son­dern kel­lern sie ein in der aus­ge­spro­che­nen Er­war­tung spä­ter und na­ment­lich im kom­men­den Früh­jahr hö­he­re Prei­se zu er­zie­len. Dies hat jetzt zu be­denk­li­chen wirt­schaft­li­chen Miss­stän­den und zu be­greif­li­cher Er­re­gung in al­len Schich­ten der Be­völ­ke­rung ge­führt.“ Un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler Fak­to­ren hielt er ei­nen Preis von 3 Mark pro Zent­ner und 3 Pfen­nig für das Ein­zel­pfund bei Ent­nah­me vom Pro­du­zen­ten so­wie 3,30 Mark für den Zent­ner im Zwi­schen­han­del für „ge­recht­fer­tigt und aus­rei­chen­d“. Aus­nah­men sei­en für be­son­de­re ed­le Sor­ten auf An­trag mög­lich. Die Land­rä­te wur­den auf­ge­for­dert, nach bei­lie­gen­dem Mus­ter Be­kannt­ma­chun­gen vor­zu­neh­men und ihm nach zwei Wo­chen Be­richt über die Er­geb­nis­se zu er­stat­ten. Die­ses Mus­ter ent­hielt am Schluss aber auch ei­nen deut­li­chen Hin­weis auf die Vor­läu­fig­keit die­ser Re­ge­lung und die Mög­lich­keit der Ab­än­de­rung, wenn die Ver­hält­nis­se es er­for­der­ten oder zu­lie­ßen.[106] Am 28. Ok­to­ber er­gänz­te er die­se Ver­fü­gung um den Zu­satz, dass im Ein­zel­ver­kauf nicht mehr als 10 Pfen­ni­ge für das Pfund Kar­tof­feln ver­langt wer­den dürf­ten.[107] 

Das The­ma Kar­tof­fel­prei­se stand dann auch im Mit­tel­punkt ei­nes Spit­zen­ge­sprächs am 10.11.1914 in Köln. Un­ter dem Vor­sitz des Ober­prä­si­den­ten der Rhein­pro­vinz, Frei­herr von Rhein­ba­ben, und un­ter Mit­wir­kung des Ober­prä­si­den­ten von West­fa­len, Karl Prinz von Ra­ti­bor und Cor­vey (1860-1931, Ober­prä­si­dent 1911-1919), ka­men die Spit­zen der Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VII. und VIII. Ar­mee­korps mit den staat­li­chen und kom­mu­na­len Ver­wal­tungs­spit­zen der Rhein­pro­vinz[108] im Köl­ner Re­gie­rungs­prä­si­di­um zu ei­nem Ge­spräch zur Fest­le­gung der Höchst­prei­se für Kar­tof­feln zu­sam­men. Ein­füh­rend wies von Rhein­ba­ben auf die Not­wen­dig­keit ei­ner pro­vinz­über­grei­fen­den Lö­sung hin, da sonst ein Ab­wan­dern der Kar­tof­fel­pro­duk­ti­on in an­de­re Re­gio­nen zu be­fürch­ten sei. Be­reits jetzt hät­ten die re­gio­nal fest­ge­setz­ten Kar­tof­fel­prei­se den un­er­wünsch­ten Ne­ben­ef­fekt ge­zeigt, dass in der Rhein­pro­vinz Kar­tof­feln nur noch schwer zu er­wer­ben sei­en. Ber­lin ha­be bis­lang auf An­fra­gen hin­sicht­lich ei­ner reichs­wei­ten Fest­le­gung aus­wei­chend und zö­ger­lich ge­ant­wor­tet, auch wenn sich jetzt „Pri­vat­nach­rich­ten“ ver­brei­te­ten, die auf ei­nen Stim­mungs­um­schwung hin­deu­te­ten. Er selbst ha­be ge­gen ei­ne Fest­set­zung von Höchst­prei­sen stets Be­den­ken ge­äu­ßert, da die Ver­schie­den­heit der Ver­hält­nis­se in der Rhein­pro­vinz und in West­fa­len ei­ne Lö­sung er­schwe­re. „Es be­ste­he je­doch ein Miss­stand schwers­ter Art, da der klei­ne Mann jetzt 5 Mark und noch mehr für den Zent­ner Kar­tof­feln, al­so Prei­se zah­len müs­se, die als über­mä­ßig an­zu­se­hen sind.“ Ein mo­dera­ter Höchst­preis, der nicht zu nied­rig an­ge­setzt sei, kön­ne ei­nen spar­sa­men Ver­brauch be­güns­ti­gen, was durch­aus im ge­samt­wirt­schaft­li­chen In­ter­es­se sei und ver­hin­dern, dass Kar­tof­feln nur noch in Ge­bie­ten oh­ne Höchst­prei­se zu er­wer­ben sei­en. Zu­dem müs­se be­dacht wer­den, dass in die­sem Jahr die Ern­te durch die Ein­be­ru­fun­gen und da­mit das Feh­len von Ar­beits­kräf­ten, aber auch durch die Aus­he­bung von Pfer­den und die au­ßer­or­dent­li­che Teue­rung bei den Fut­ter­mit­teln un­ter er­schwer­ten Be­din­gun­gen statt­ge­fun­den ha­be. In der an­schlie­ßen­den Ge­ne­ral­aus­spra­che gin­gen die Mei­nun­gen weit aus­ein­an­der. Die Ver­tre­ter der Ge­ne­ral­kom­man­dos plä­dier­ten für ei­ne reichs­wei­te Lö­sung, sprich Fest­le­gung des Höchst­prei­ses und lehn­ten re­gio­na­le Vor­ge­hens­wei­sen als nicht ziel­füh­rend ab. In den Stel­lung­nah­men der Ver­tre­ter der staat­li­chen und kom­mu­na­len Stel­len wur­de deut­lich, wel­che gro­ßen Un­ter­schie­de es in den Pro­vin­zen gab. Die Ver­tre­ter der eher länd­li­chen Re­gio­nen sa­hen kei­ne Not­wen­dig­keit, wäh­rend die städ­ti­schen Ver­tre­ter auf ra­sche Lö­sun­gen dräng­ten. Vor al­lem der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent Baltz dräng­te zum Han­deln. Er „ist da­für, nicht ab­zu­war­ten. Es sei drin­gend er­for­der­lich, dass un­ver­züg­lich et­was ge­sche­he, und zwar sei die Re­ge­lung für das gan­ze Reich an­zu­stre­ben.“ Den­noch lehn­te auch er ei­ne Re­ge­lung nur für Rhein­land und West­fa­len als nicht aus­rei­chend ab.[109] Sein Ko­blen­zer Kol­le­ge Sche­ren­berg teil­te mit, „dass der Grund des Zu­rück­hal­tens der Land­wir­te mit den Kar­tof­feln in über­stürz­ten Käu­fen sei­tens der Mi­li­tär­ver­wal­tung zu er­bli­cken sei. Die Fest­set­zung von Höchst­prei­sen für den Klein­han­del sei wert­los, wenn nicht gleich­zei­tig die­sel­be Maß­nah­me für den Gro­ßhan­del im Be­rei­che der gan­zen Mon­ar­chie, wo­für er ein­tre­te, ge­trof­fen wer­de.“[110] Mit dem Vo­tum aus Ko­blenz war die Ge­ne­ral­aus­spra­che be­en­det. Von Rhein­ba­ben zeig­te sich we­nig über­rascht von der Un­ter­schied­lich­keit der Stand­punk­te. Ein­deu­tig sprach er sich ge­gen ein wei­te­res Ab­war­ten aus, da sich die Ver­hält­nis­se nach sei­ner Ein­schät­zung in ab­seh­ba­rer Zeit nicht än­dern wür­den. Er er­kann­te aber ei­ne deut­li­che Mehr­heit zu­guns­ten ei­ner reichs­wei­ten Re­ge­lung und sag­te mit Zu­stim­mung der Ver­samm­lung zu, in die­sem Sin­ne er­neut an Ber­lin her­an­zu­tre­ten. Die fol­gen­de De­bat­te über Hö­he und Dau­er der Preis­fest­set­zung ver­lief noch kon­tro­ver­ser. Am En­de konn­te man sich le­dig­lich dar­auf ei­ni­gen, die Hö­he des Kar­tof­fel­prei­ses durch die ört­li­chen In­stan­zen fest­le­gen zu las­sen. Hin­sicht­lich der Dau­er war noch we­ni­ger Ei­ni­gung zu er­zie­len, so dass in dem Be­richt an Ber­lin nur an­ge­deu­tet wer­den soll­te, dass ab 1.2.1915 ei­ne Preis­er­hö­hung mög­li­cher­wei­se nö­tig sei. Die Fra­ge der zwangs­wei­sen Durch­set­zung strich man da­nach lie­ber gleich von der Ta­ges­ord­nung.[111] Das Pro­to­koll die­ses Spit­zen­ge­sprächs be­legt nicht nur das Stre­ben nach ei­ner ein­heit­li­chen Li­nie, es zeigt zu­gleich, wie ge­ring die Er­folgs­aus­sich­ten da­für wa­ren an­ge­sichts der un­ein­heit­li­chen Sicht­wei­sen. Da ver­wun­dert es nicht, dass sei­tens der Ver­wal­tung so we­ni­ge Im­pul­se ka­men und statt­des­sen das Heft des Han­delns oft dem Mi­li­tär über­las­sen oder Wei­sung aus Ber­lin ab­ge­war­tet wur­de – es sei denn, man be­fand sich in un­mit­tel­ba­rer Nä­he zur Front und konn­te, wie der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent es sah, ein­fach nicht war­ten, bis man sich an­dern­orts end­lich zum Han­deln durch­rang.

Doch kurz nach die­ser Sit­zung han­del­te Ber­lin be­züg­lich der Kar­tof­fel­prei­se. Im Nach­gang des am 23.11.1914 end­lich ver­ab­schie­de­ten Ge­set­zes zur Fest­set­zung von Höchst­prei­sen für Kar­tof­feln in­for­mier­te der Re­gie­rungs­prä­si­dent von Ko­blenz am 11.12.1914 die Land­rä­te über sei­ne Aus­le­gung des Ge­set­zes­tex­tes und bat um ent­spre­chen­de Ver­an­las­sung. Die Er­mes­sens­be­fug­nis er­streck­te sich dem­nach auf die Fest­set­zung der Prei­se zwi­schen Klein­händ­lern und Kon­su­men­ten so­wie zwi­schen Pro­du­zen­ten und Kon­su­men­ten bei Ver­käu­fen von we­ni­ger als ei­ner Ton­ne. Die Land­rä­te und Bür­ger­meis­ter der gro­ßen Städ­te des Be­zirks soll­ten nach ei­ge­nem Er­mes­sen die bis­he­ri­ge Höchst­preis­fest­set­zung „ein­fach auf­he­ben“ und durch ei­ne neue ge­mäß ih­ren neu­en Be­fug­nis­sen er­set­zen.LHA­KO Best. 403 Nr. 12312, S. 615-619.

Zu den bald in das Blick­feld kom­men­den Le­bens­mit­teln ge­hör­te auch Mehl. Am 13.11.1914 be­un­ru­hig­te die Hand­werks­kam­mer Ko­blenz, dass man es in „be­tei­lig­ten Krei­sen“ nicht für aus­ge­schlos­sen hiel­te, dass auch für Mehl Höchst­prei­se fest­ge­legt wer­den müss­ten und bat nach­drück­lich um vor­he­ri­ge „An­hö­rung der Sach­ver­stän­di­gen“, ehe ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ord­nung er­las­sen wür­de.[112] Um der dro­hen­den Ver­knap­pung ent­ge­gen zu wir­ken, for­der­ten öf­fent­li­che Aus­hän­ge am 14.12.1914: „Seid spar­sam mit den Weih­nachts­bä­cke­rei­en!“ Den Weih­nachts­ga­ben an die Sol­da­ten sei zwar auch in die­sem Jahr wie­der das „lieb ge­wor­de­ne Weih­nachts­ge­bä­ck“ als „Gruß aus der Hei­ma­t“ zahl­reich bei­ge­fügt wor­den, um­so mehr sei­en die Da­heim­ge­blie­be­nen in der, „Pflicht, sich selbst Be­schrän­kun­gen auf­zu­er­le­gen“, weil es sich da­bei um ei­ne „zwin­gen­de pa­trio­ti­sche Pflich­t“ han­de­le.[113] 

Ins­ge­samt je­doch konn­te die Ver­wal­tung mit ih­ren Maß­nah­men durch­aus zu­frie­den sein. Der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent konn­te in sei­nem Be­richt vom 22.12.1914 an das Mi­nis­te­ri­um für Han­del und Ge­wer­be, für Land­wirt­schaft und des In­ne­ren für sei­nen Be­zirk be­züg­lich der Be­kannt­ma­chung des Bun­des­ra­tes vom 28.10.1914 über den Um­gang mit Brot be­frie­digt fest­stel­len, dass „Zu­wi­der­hand­lun­gen ge­gen die Be­kannt­ma­chun­gen [es wa­ren wohl meh­re­re an dem Tag] des Bun­des­ra­tes von ei­ni­gen Aus­nah­men ab­ge­se­hen bis­her nicht fest­ge­stellt wor­den“ sei­en. Die in Fra­ge kom­men­den Be­trie­be sei­en „sehr drin­gen­d“ auf die Be­ach­tung hin­ge­wie­sen wor­den. Er gab aber zu be­den­ken, dass das Ver­füt­te­rungs­ver­bot in den klei­nen, weit von­ein­an­der ent­fernt lie­gen­den Ort­schaf­ten sei­nes Be­zirks „nur schwer zu über­wa­chen“ sei. „Doch wird es durch Be­leh­rung in den land­wirt­schaft­li­chen Lo­kal­ver­ei­nen und der Pfar­rer beim sonn­täg­li­chen Got­tes­dienst ge­lin­gen, es all­ge­mein zur Durch­füh­rung zu brin­gen.“ Es wer­de aber von ihm ge­for­dert, die zum mensch­li­chen Ver­zehr oh­ne­hin un­ge­eig­ne­te drit­te Sor­te Rog­gen­mehl zur Ver­füt­te­rung frei­zu­ge­ben. In ei­ni­gen Müh­len sei es nicht mög­lich, Wei­zen und Rog­gen in der ge­wünsch­ten Form aus­zu­mah­len, da die dor­ti­gen Müh­len le­dig­lich 65 Pro­zent Er­trag er­zie­len könn­ten und nicht die ge­for­der­ten 70 Pro­zent bei „sie­ben­ma­li­gem Auf­schüt­ten“. Um dies zu­tref­fend be­ur­tei­len zu kön­nen, be­nö­ti­ge er ei­nen Sach­ver­stän­di­gen. An sach­ver­stän­di­gen Prü­fern ha­be es aber auch bei den po­li­zei­li­chen Re­vi­sio­nen der Bä­cke­rei­be­trie­be ge­man­gelt, die Po­li­zis­ten ver­füg­ten je­den­falls nicht über die er­for­der­li­che Sach­kennt­nis. Nach Rück­spra­che mit der Ko­blen­zer Hand­werks­kam­mer wür­den nun von dort „sach­ver­stän­di­ge Bä­cker“ den ein­zel­nen Land­rä­ten be­nannt, die ge­mein­sam mit den Po­li­zei­be­am­ten die Re­vi­sio­nen durch­füh­ren wür­den. Schlie­ß­lich sei aus ei­ni­gen Krei­sen die Aus­kunft er­teilt wor­den, dass es an Kar­tof­fel­mehl als Er­satz für Rog­gen­mehl man­ge­le, weil kei­ne Be­zugs­quel­le für Kar­tof­fel­mehl be­kannt sei oder der Preis noch über dem von Rog­gen­mehl ge­le­gen ha­be. Er ha­be nun­mehr zwei zu­ver­läs­si­ge und güns­ti­ge Quel­len in Ko­blenz und Ber­lin nen­nen kön­nen. „Die Kla­gen wer­den da­her in kur­zer Zeit ver­stum­men.“ Aus­drück­lich lob­te er in die­sem Zu­sam­men­hang auch die kur­ze In­halts­an­ga­be der Be­schlüs­se des Bun­des­ra­tes durch die adres­sier­ten Mi­nis­te­ri­en, die er „für so glück­lich ge­fasst und dem all­ge­mei­nen Ver­ständ­nis na­he­ge­brach­t  [hielt], dass ich sie in ei­nem be­son­de­ren Ein­zel­merk­blatt dru­cken las­se und sämt­li­chen Bä­cker und Gast- und Schank­wir­ten des Be­zirks zu­ge­hen las­sen wer­de.“ Er schloss mit: „Ich hof­fe, dass es mei­nen Be­mü­hun­gen ge­lin­gen wird, die ge­wis­sen­haf­tes­te Durch­füh­rung der Bun­des­rats­ver­ord­nun­gen zu er­rei­chen.“[114] 

Dem­ge­gen­über be­klag­te der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent in sei­nem Schrei­ben an den Mi­nis­ter für Land­wirt­schaft, Do­mä­nen und Fors­ten vom 23.1.1915, dass zwar Maß­nah­men er­grif­fen wor­den sei­en zur Un­ter­bin­dung der Ver­füt­te­rung von Brot­ge­trei­de an Nutz­tie­re, nicht aber das Schro­ten von Rog­gen zum Zwe­cke des Schnaps­bren­nens, „ei­nem zwei­fel­los in jet­zi­ger Zeit völ­lig ent­behr­li­chen Ge­nuss­mit­tel“. „Ei­ne der­ar­ti­ge Ver­wen­dung kann nur als höchst un­er­wünscht be­zeich­net wer­den.“ Er ver­wies auf mo­ra­li­sche Em­pö­rung in der Be­völ­ke­rung und die Not­wen­dig­keit, dass die Be­völ­ke­rung von der „Ge­rech­tig­keit“ der be­hörd­li­chen Maß­nah­men über­zeugt wer­den müs­se, wenn die­se Er­folg ha­ben soll­ten. Er ha­be da­her die Po­li­zei­be­hör­den be­reits an­ge­wie­sen, das Ver­bren­nen von Rog­gen zu Schnaps zu un­ter­bin­den. „Ich ver­heh­le mir aber nicht, dass die Zu­läs­sig­keit die­ser An­ord­nung in recht­li­cher Hin­sicht zwei­fel­haft sein kann.“ Er bat da­her um nach­träg­li­che Ge­neh­mi­gung durch ent­spre­chen­de An­ord­nung des Mi­nis­ters.[115] 

Die Quel­len ver­mit­teln ins­ge­samt den Ein­druck, als sei die Ver­sor­gungs­la­ge in Ko­blenz ent­spann­ter und bes­ser als in Trier ge­we­sen und die Zwangs­maß­nah­men, wie sie Trier schon früh an­ord­ne­te, hier we­ni­ger nö­tig ge­we­sen.[116] Wo­her ka­men die­se Un­ter­schie­de zwi­schen den Re­gie­rungs­be­zir­ken Ko­blenz und Trier? Wa­ren Bau­ern der Ko­blen­zer Ge­gend tat­säch­lich et­wa we­ni­ger „schwer­fäl­li­g“ als die der Ei­fel, über die der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent so häu­fig klag­te? Oder war es die mi­li­tä­ri­sche zen­tral­ört­li­che Funk­ti­on, die Ko­blenz in Ver­sor­gungs­fra­gen be­güns­tig­te?

Da­bei stell­te das Mi­li­tär sei­ne ei­ge­nen An­for­de­run­gen, die im rück­wär­ti­gen Raum der Front deut­lich stär­ker zum Tra­gen kam als in un­mit­tel­ba­rer Front­nä­he. Im Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz ist ei­ne gan­ze Ak­te über die Be­wirt­schaf­tung von Roh­stof­fen über­lie­fert, die an­schei­nend nach ih­rer Wich­tig­keit für die Ar­mee nach­ein­an­der re­gu­liert wur­den. Erst ging es um Brenn­stof­fe, vor al­lem Ben­zin, dann um Gro­ß­tier­häu­te, dann Wol­le. Das Ver­fah­ren da­bei war im­mer das­sel­be: Das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do (bei Ben­zin vor al­lem das des VII. Ar­mee­korps, bei Wol­le das des VIII. Ar­mee­korps) er­ließ die ent­spre­chen­de Ver­ord­nung, der Ober­prä­si­dent sorg­te für die Ver­tei­lung an die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten mit der Bit­te um Um­set­zung. Am Bei­spiel der Wol­le sei es kurz dar­ge­legt: Ein Schrei­ben des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps an Re­gie­rungs­prä­si­den­ten der Pro­vinz vom 26.11.1914 bat um An­wei­sung an die ih­nen un­ter­stell­ten Po­li­zei­be­hör­den, auf den Woll­han­del „be­son­de­res Au­gen­mer­k“ zu rich­ten. „Ver­däch­ti­ge Auf­käu­fer sind an­zu­hal­ten und ih­re Per­son und der Zweck ih­res Trei­bens fest­zu­stel­len. Er­gibt sich die Ab­sicht der Aus­fuhr, so sind die Per­so­nen fest­zu­neh­men und ih­re Be­stän­de an Wol­le zu be­schlag­nah­men.“[117] In der zu­ge­hö­ri­gen Be­kannt­ma­chung wur­de die Ge­fahr der „Preis­trei­be­rei oder gar der Aus­fuhr ins Aus­lan­d“ als Be­grün­dung für die er­höh­te Wach­sam­keit der Po­li­zei­be­hör­den ge­nannt. „Die Prei­se für Wol­le und Woll­wa­ren ha­ben in ein­zel­nen Ge­schäf­ten ei­ne un­ge­bühr­li­che Stei­ge­rung er­fah­ren. Das Ver­hal­ten der­je­ni­gen, die in der Not der Zeit aus der­ar­ti­gen Ge­schäf­ten un­lau­te­ren Ge­winn zu zie­hen su­chen, ist be­son­ders ver­werf­lich, weil jetzt ge­ra­de Wol­le in grö­ße­rem Um­fan­ge zur Ver­sor­gung der An­ge­hö­ri­gen im Fel­de be­nö­tigt wird.“[118] Am 11.1.1915 ver­ord­ne­te das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps  die vor­läu­fi­ge Be­schlag­nah­mung sämt­li­cher Woll- und Filz­de­cken, die Be­stän­de ver­blie­ben zu­nächst zur al­lei­ni­gen Ver­fü­gung des Kriegs­mi­nis­te­ri­ums.[119] Am 30.1.1915 wur­de die Ver­ord­nung je­doch schnell wie­der auf­ge­ho­ben, da fest­ge­stellt wur­de, dass der Be­darf auch durch An­kauf zu de­cken sei und die An­kün­di­gung der Be­schlag­nah­mung sich sehr ne­ga­tiv auf die Pro­duk­ti­on aus­ge­wirkt ha­be.[120] 

Schulfrühstück in der Kriegsküche am Koblenzer Florinsmarkt 1917. (Stadtarchiv Koblenz)

 

Da­bei wur­den tat­säch­lich al­le An­stren­gun­gen un­ter­nom­men, um ei­ne Ver­knap­pung von Gü­tern zu ver­mei­den. So über­sand­te am 27.11.1914 das Mi­nis­te­ri­um für Land­wirt­schaft, Do­mä­nen und Fors­ten dem Ober­prä­si­den­ten zur Wei­ter­lei­tung ein Rund­schrei­ben zum The­ma „Müll­ver­wer­tun­g“, in dem Hin­wei­se auf die Ver­mei­dung von un­nüt­zem Müll be­zie­hungs­wei­se die Ver­schwen­dung von Nah­rungs­mit­teln und statt­des­sen de­ren sinn­vol­ler Ein­satz zum Bei­spiel zur Nutz­tie­rernäh­rung ge­ge­ben wer­den.[121] Schon am 30.1.1915 leg­te der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent ei­nen Be­richt vor über die sei­ner Mei­nung nach vor­bild­li­chen An­stren­gun­gen sei­nes Re­gie­rungs­be­zirks auf die­sem Ge­biet. Im Be­gleit­schrei­ben an das Mi­nis­te­ri­um, das er in Ab­schrift dem Ober­prä­si­den­ten zur Kennt­nis über­sand­te, be­ton­te er, dass in Trier so­fort nach Aus­bruch des Kriegs mit der Ver­wen­dung von Ab­fäl­len zur Nutz­tie­rernäh­rung be­gon­nen wor­den sei, ei­ne ge­werb­li­che Nut­zung der Ab­fäl­le bis­lang „vor­läu­fig aus­ge­setzt ist, bis die dring­li­che­ren Auf­ga­ben der Ge­gen­wart ge­löst sind.“ Ei­ne ge­werb­li­che Nut­zung und Ver­wer­tung der Ab­fall­stof­fe sei nur sinn­voll, wenn die­se in grö­ße­ren Men­gen an­fie­len, als dies in sei­nem Zu­stän­dig­keits­be­reich der Fall sei. Selbst in den bei­den gro­ßen Städ­ten hät­ten Er­he­bun­gen ge­zeigt, dass es sich ein­fach nicht loh­ne. Be­reits in Frie­den­zei­ten sei­en al­le er­for­der­li­chen Maß­nah­men ge­trof­fen wor­den, zu­dem wer­de die Be­völ­ke­rung im­mer wie­der zum spar­sa­men Um­gang mit Nah­rungs­mit­teln und der Ver­wer­tung der fri­schen Ab­fäl­le als Fut­ter­mit­tel an­ge­hal­ten. „In der Stadt Trier ist der Ober­bür­ger­meis­ter mit den hier be­ste­hen­den zahl­rei­chen Klös­tern und an­de­ren An­stal­ten, die Schwei­ne hal­ten, in Ver­bin­dung ge­tre­ten, da­mit sie sich be­reit er­klä­ren, die Kü­chen­ab­fäl­le ab­zu­ho­len und sie zur Schwei­ne­füt­te­rung zu ver­wen­den. Er glaubt be­son­ders auf die Mit­wir­kung der Bür­ger­schaft rech­nen zu kön­nen, weil die­se dann das Ge­fühl ha­be, mit der Über­las­sung der An­fäl­le gleich­zei­tig ei­ne ge­wis­se Spen­de an die ihr sym­pa­thi­schen Wohl­tä­tig­keits­an­stal­ten zu ge­ben. Nach der hier vor­lie­gen­den Lis­te kom­men in Trier 48 An­stalts- und Gast­hof­be­trie­be in Fra­ge, wel­che schon im Frie­den die Ab­fäl­le in grö­ße­ren Men­gen ver­wer­ten. Die Klös­ter sind schon durch ih­re Or­dens­vor­schrif­ten ge­hal­ten, ei­ne vol­le Ver­wen­dung der Kü­chen­ab­fäl­le vor­zu­neh­men. […] Ich wer­de die­ser wich­ti­gen Fra­ge mei­ne gan­ze Auf­merk­sam­keit wid­men.“[122] 

Nach An­sicht des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps war aber die Ver­wer­tung von Kü­chen­ab­fäl­len den­noch nicht oder nur un­zu­rei­chend ge­re­gelt, wes­halb man den Ober­prä­si­den­ten am 16.2.1915 an­wies, ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ord­nung an al­le Re­gie­rungs­prä­si­den­ten der Pro­vinz wei­ter­zu­lei­ten, da­mit nicht wei­ter­hin gro­ße Men­gen von Ab­fäl­len ver­lo­ren gin­gen, „die zur Füt­te­rung an Vieh die nütz­lichs­te Ver­wen­dung fin­den könn­ten. Es scheint des­halb ge­bo­ten, die Auf­be­wah­rung der zur Ver­füt­te­rung ge­eig­ne­ten Über­res­te für den ge­sam­ten Korps­be­reich ein­heit­lich zu re­geln und nö­ti­gen Fal­les auch zwangs­wei­se durch­zu­set­zen.“ In neun Pa­ra­gra­phen wur­de der kor­rek­te Um­gang mit Kü­chen­ab­fäl­len von der De­fi­ni­ti­on, was da­zu zu zäh­len ist, über die Müll­tren­nung bis hin zu or­ga­ni­sa­to­ri­schen Zu­stän­dig­kei­ten mi­nu­ti­ös fest­ge­hal­ten.[123] 

Gro­ßes Ge­wicht maß man auch der Auf­klä­rung und Schu­lung der Be­völ­ke­rung bei. Die Hand­werks­kam­mer Ko­blenz be­rich­te­te am 3.2.1915 über die er­folg­rei­che An­wer­bung ei­nes Fach­man­nes, der be­reits mit zahl­rei­chen Pu­bli­ka­tio­nen zur bes­se­ren Ver­wer­tung von Nah­rungs­mit­teln her­vor­ge­tre­ten sei und der nun nicht nur der Hand­werks­kam­mer selbst be­ra­tend zur Ver­fü­gung ste­he, son­dern auch für ent­spre­chen­de In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen für die Öf­fent­lich­keit ein­ge­setzt wer­den kön­ne.[124] Zahl­lo­se Bro­schü­ren zum The­ma spar­sa­mes Haus­hal­ten, Kriegs­kü­che usw. wur­den ge­druckt: Der „Fer­ti­ge Kriegs­kü­chen­zet­tel für den ein­fa­chen Haus­hal­t“ ent­hielt vie­le Re­zep­te und ei­ne Be­die­nungs­an­lei­tung zum Ko­chen mit der Koch­kis­te, ei­ne Lis­te der „10 Kriegs­ge­bo­te“ wie „1. Iss nicht mehr als nö­tig. Ver­mei­de über­flüs­si­ge Zwi­schen­mahl­zei­ten“ oder „3. Spa­re an But­ter und Fet­ten“ oder „6.Ko­che Kar­tof­fel nur mit der Scha­le“ oder „7. Min­de­re Dei­nen Be­darf an Bier und an­de­ren al­ko­ho­li­schen Ge­trän­ken“ wur­den an al­le Haus­hal­te ver­teilt. Denn: „Be­ach­te bei al­len die­sen Ge­bo­ten, dass Du für das Va­ter­land sparst!“[125] 

Propagandazeichnung zur Nahrungsmittelverknappung 1915, Privatbesitz. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

Wie viel be­deut­sa­mer das Mi­li­tär und des­sen Re­gu­lie­rungs­kraft in Ko­blenz war, zeigt auch die per Ge­setz am 6.12.1916 in Ko­blenz er­folg­te Ein­rich­tung ei­ner von drei Krieg­s­amts­stel­len der Rhein­pro­vinz.[126] Ein Schrei­ben des In­nen­mi­nis­ters vom 25.11.1916 hat­te zu­vor de­fi­niert, was der Dienst be­inhal­te­te: „Als sol­cher Dienst dient au­ßer dem Dienst bei Be­hör­den und be­hörd­li­chen Ein­rich­tun­gen ins­be­son­de­re die Ar­beit in der Kriegs­in­dus­trie, in der Land­wirt­schaft, in der Kran­ken­pfle­ge und in den kriegs­wirt­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen je­der Art so­wie in sons­ti­gen Be­trie­ben, die für Zwe­cke der Kriegs­füh­rung oder Volks­ver­sor­gung un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar von Be­deu­tung sind.“ Man schloss mit der Auf­for­de­rung an die Kom­mu­nen, sich ent­spre­chend vor­zu­be­rei­ten und mit der Aus­wahl ge­eig­ne­ter Per­so­nen zu be­gin­nen. Am 16. De­zem­ber er­folg­te die of­fi­zi­el­le Ein­rich­tung der Krieg­s­amts­stel­le, und zwar beim Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps, nicht et­wa beim Ober­prä­si­den­ten oder ei­ner an­de­ren staat­li­chen Stel­le. Als Auf­ga­ben die­ser Stel­le wur­den be­nannt: „A. Be­schaf­fung und Ver­wen­dung der Ar­beits­kräf­te für die im kriegs­wirt­schaft­li­chen In­ter­es­se tä­ti­gen öf­fent­li­chen und pri­va­ten Be­trie­be, au­ßer­dem Frau­en, Ge­fan­ge­ne und an­de­re Aus­län­der, Hilfs­dienst­pflich­ti­ge, Kriegs­be­schä­dig­te und Wehr­pflich­ti­ge. B. Über­wa­chung und För­de­rung der ge­sam­ten kriegs­wirt­schaft­li­chen Pro­duk­te des Korps­be­zir­kes. C. Mit­wir­kung bei Fra­gen der Volks­er­näh­rung für die kriegs­wirt­schaft­lich tä­ti­ge Be­völ­ke­rung. D. Über­wa­chung der Zu­füh­rung der Roh­stof­fe für die Kriegs­wirt­schaft. E. Ein- und Aus­fuhr­fra­gen. F. Markt­er­for­schun­gen.“ Der Oberst z. V. Heint­zmann wur­de zum Vor­stand er­nannt.[127] Als Mit­glie­der der Aus­he­bungs­aus­schüs­se wur­den am 20.1.1917 für Ko­blenz als Vor­sit­zen­der zu­nächst der stell­ver­tre­ten­de Land­rat Kurt von Let­tow-Vor­beck (1879-1960) be­ru­fen, am 3.8.1918 mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust hand­schrift­lich kor­ri­giert auf den Land­rat Franz Bar­ton gen. von Sted­mann (1848-1938); für An­der­nach wur­den der Land­rat Dr. Pe­ter Pe­ters (1876-1922) in May­en, für Neu­wied der Land­rat Dr. Kurt von El­be (1871-1957), für Kreuz­nach der Land­rat Er­win von Nas­se (1869-1920) be­nannt.[128] 

Frauen beim Packen von Verbandpäckchen im Auftrag des Vaterländischen Frauenvereins Koblenz. (Stadtarchiv Koblenz)

 

So­weit die Theo­rie. In der Pra­xis folg­ten stän­di­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Be­hör­den und Be­trie­ben, ob nun die Ar­bei­ter kriegs­wich­tig sei­en oder nicht, wel­che Sank­tio­nen bei Ver­wei­ge­rung vor­ge­se­hen sei­en bis hin zur „Schaf­fung ei­ner recht­li­chen Grund­la­ge zur Er­zwin­gung ge­gen­sei­ti­ger Hül­fe­leis­tun­g“, wie es der Ober­prä­si­dent im Schrei­ben vom 6.3.1917 an die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten an­kün­dig­te. Im Ju­ni 1917 wur­den Aus­schüs­se zur Fest­stel­lung, Ein­be­ru­fung und Schlich­tung ein­ge­rich­tet, die für ein ein­heit­li­ches und ge­re­gel­tes Vor­ge­hen sor­gen und Streit­fäl­le ver­mei­den be­zie­hungs­wei­se lö­sen soll­ten.[129] 

Das „Liebesgaben-Auto“ des Vaterländischen Frauenvereins Koblenz, Privatbesitz. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

Im Früh­jahr 1917 wur­de in Ko­blenz der wach­sen­den Be­deu­tung der Frau­en in der Kriegs­wirt­schaft or­ga­ni­sa­to­risch Rech­nung ge­tra­gen. Am 10.4.1917 in­for­mier­te der Lei­ter der Krieg­s­amts­stel­le den Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, dass in­fol­ge der star­ken Ver­meh­rung von weib­li­chen Ar­beits­kräf­ten die Kriegs­wirt­schaft nun­mehr ein Re­fe­rat Frau­en bei der Krieg­s­amts­stel­le Ko­blenz ein­ge­rich­tet wor­den sei, das sich dem „Pro­blem der Frau­en“ wid­men wer­de. Die Auf­ga­be „be­ste­he dar­in, die Frau­en prak­tisch der­art in die deut­sche Ar­beit ein­zu­glie­dern, dass ih­re Ge­sund­heit und Sitt­lich­keit, so­wie die Er­zie­hung der Kin­der nicht lei­det, die Not von ih­rer Fa­mi­lie fern­ge­hal­ten wird und zu­gleich al­le ent­behr­li­chen Män­ner­kräf­te für die Front und die schwers­te Ar­beit frei ge­macht wer­den.“ Un­ter­schie­den wur­de or­ga­ni­sa­to­risch in Frau­en­ar­beits­ne­ben­stel­len, die mit der Durch­füh­rung der ge­plan­ten Maß­nah­men be­auf­tragt wur­den, und den ko­or­di­nie­ren­den an­wei­sen­den Frau­en­ar­beits­haupt­stel­len, die bei den Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos an­ge­sie­delt wa­ren. Kon­kret wur­de be­stimmt, „dass den Re­fe­ra­ten Frau­en nun­mehr die Prü­fung der all­ge­mei­nen Ar­bei­te­rin­nen­fra­gen, der Lohn- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ih­re mög­lichst ra­tio­nel­le Ver­wen­dung in der Pro­duk­ti­on, der Fra­ge des best­mög­li­chen Aus­gleichs von An­ge­bot und Nach­fra­ge etc. und al­le dies­be­züg­li­chen Maß­nah­men ob­lie­gen, wäh­rend die Frau­en­ar­beits­haupt­stel­len das Ge­biet der rei­nen Für­sor­ge, vor al­lem die Sor­ge für das per­sön­li­che Wohl­be­fin­den der Ar­bei­te­rin­nen und ih­rer Fa­mi­li­en [sic!] um­spannt.“ „Das bei der Krieg­s­amts­stel­le Co­blenz er­rich­te­te Re­fe­rat Frau­en und die Frau­en­ar­beits­haupt­stel­le um­fas­sen den ge­sam­ten ört­li­chen Be­reich des VIII. Ar­mee­korps. Die Re­fe­ren­tin ist Fräu­lein Dr. jur. von Langsdorff.“ Das Re­fe­rat wer­de sich be­mü­hen, „durch ste­te Füh­lung­nah­me und Ver­stän­di­gung die Be­zie­hun­gen zwi­schen der Krieg­s­amts­stel­le und den Ci­vil­be­hör­den mög­lichst in­nig zu ge­stal­ten […]“.  Am 26. April folg­te die Über­sen­dung ei­nes am­bi­tio­nier­ten Ar­beits­plans, des­sen Ziel es war, „dass al­le Ar­beits­hemm­nis­se für die Frau­en nach Mög­lich­keit hin­weg­ge­räumt wer­den.“ Das Auf­ga­ben­spek­trum reich­te von der Markt­be­ob­ach­tung hin­sicht­lich An­ge­bot und Nach­fra­ge von Frau­en­ar­beit, über den Ge­sund­heits­schutz, die Ver­bes­se­rung der Be­för­de­rungs­mög­lich­kei­ten bis hin zur Schaf­fung ge­eig­ne­ter Für­sor­ge­maß­nah­men, wie zum Bei­spiel die Ver­bes­se­rung der Or­ga­ni­sa­ti­on der Nah­rungs­mit­tel­be­schaf­fung, die Be­reit­stel­lung von Er­ho­lungs­räu­men oder die Ver­bes­se­rung der Un­ter­brin­gung von Kin­dern.[130] 

Sitzung des Vorstands des Vaterländischen Frauenvereins Koblenz unter dem Vorsitz von Freifrau von Rheinbaben, Privatbesitz. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

Doch al­le Maß­nah­men der Krieg­s­amts­stel­le konn­ten die im Lau­fe des Krie­ges im­mer stär­ker auf­tre­ten­den Ver­sor­gungs­eng­päs­se nicht ver­hin­dern. Auch in der Stadt Ko­blenz herrsch­ten bald Hun­ger und Not. Im Ja­nu­ar 1915 wur­de die ers­te Volks­kü­che er­öff­net, ab Som­mer 1916 muss­ten die wich­tigs­ten Le­bens­mit­tel durch Be­zugs­schei­ne ra­tio­niert wer­den. Vor al­lem der als so­ge­nann­ter „Steck­rü­ben­win­ter“ be­kannt ge­wor­de­ne Win­ter 1917/1918 traf die Be­völ­ke­rung hart.[131] 

Auch phy­sisch kam der Krieg der Stadt nä­her. Ab Herbst 1916 war die Ko­blen­zer Zi­vil­be­völ­ke­rung un­mit­tel­bar von Kampf­hand­lun­gen be­droht.

Schneiderei des Vaterländischen Frauenvereins Koblenz, Privatbesitz. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

9. „…als gäbe es keine feindlichen Flieger“ : Luftangriffe und Fliegerabwehr in Koblenz

An­ders als in Trier hielt man in Ko­blenz den Schutz vor feind­li­chen Flie­gern lan­ge Zeit nicht für er­for­der­lich[132] – trotz der Ma­schi­nen­ge­weh­re, die man auf dem Dach des Ko­blen­zer Schlos­ses in­stal­liert hat­te, als der Kai­ser im Au­gust 1914 dort re­si­dier­te.[133] Ein deut­li­cher Be­leg da­für ist, dass es das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps noch am 13.7.1915 nicht für er­for­der­lich hielt, die Be­kannt­ma­chung des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des XVIII. Ar­mee­korps vom 21.6.1915 über die rich­ti­gen Ver­hal­tens­maß­nah­men bei Flie­ger­an­grif­fen[134] in sei­nem Korps­be­zirk zu ver­brei­ten und statt­des­sen den Zei­tun­gen ei­ne Ver­öf­fent­li­chung an­heim­stell­te. Im­mer­hin be­für­wor­te­te der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent am 9.9.1915 ei­ne Ver­schär­fung der Warn­maß­nah­men für Fa­bri­ken und In­dus­trie­ein­rich­tun­gen we­gen der Häu­fung von Flie­ger­an­grif­fen. Lau­te­re Si­gnal­tö­ne, kla­re Ver­hal­tens­re­geln im Alarm­fall und ge­le­gent­li­che Pro­ben soll­ten aber aus­rei­chen.[135] 

Doch schon am 11.9.1915 war man zum Um­den­ken ge­zwun­gen. Die Kom­man­dan­tur von Ko­blenz über­sand­te Re­gie­rungs­prä­si­dent Sche­ren­berg ei­ne Po­li­zei­ver­ord­nung zur Flie­ger­ab­wehr als Bei­spiel mit Bit­te um Er­lass ei­ner sol­chen, „da ein Flie­ger­an­griff auf Co­blenz und Um­ge­bung durch­aus in den Be­reich der Mög­lich­keit fällt […]“. Die Ver­öf­fent­li­chung er­folg­te prompt am 13.9.1915 und be­stimm­te: Kein Auf­ent­halt im Frei­en bei Flie­ger­alarm, son­dern so­for­ti­ger Rück­zug in die Häu­ser, auch sol­le sich nie­mand an Fens­tern, Tü­ren, Bal­ko­nen oder Dä­chern zei­gen, Haus­tü­ren sol­len un­ver­schlos­sen blei­ben, um an­de­ren bei An­griff die Mög­lich­keit zur Flucht ins Haus zu er­lau­ben, Fuhr­wer­ke müs­sen die Stra­ße ver­las­sen und un­ter Tor­bö­gen Schutz su­chen, Stra­ßen­bah­nen ha­ben an­zu­hal­ten, ih­re Fahr­gäs­te und Per­so­nal die nächst­ge­le­ge­nen Häu­ser auf­zu­su­chen, Bom­ben oder Ge­schoss­split­ter dür­fen nicht von Zi­vil­per­so­nen an­ge­fasst wer­den, ei­ne Geld­stra­fe bei Zu­wi­der­hand­lung wur­de an­ge­droht. „Trotz recht­li­cher und sach­li­cher Be­den­ken“ er­teil­te auch der Be­zirks­aus­schuss am 7.10.1915 nach­träg­lich sei­ne Zu­stim­mung zur Po­li­zei­ver­ord­nung.[136] 

Zwar lehn­te der Mi­nis­ter des In­ne­ren es am 28.9.1915 ab, die An­schaf­fung von zwei Si­re­nen für den Po­li­zei­be­zirk Ko­blenz auf Staats­kos­ten zu über­neh­men, da die Aus­ga­be „zu den mit­tel­ba­ren Po­li­zei­kos­ten“ zu rech­nen sei. Aber die An­schaf­fung er­folg­te den­noch, und zwar aus städ­ti­schen Mit­teln. Ei­nen ers­ten Pro­be­alarm gab es am 29.11.1915. Mit Schrei­ben vom 7.12.1915 teil­te der Re­gie­rungs­prä­si­dent dem Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps zu­frie­den mit, dass nach sei­ner Auf­fas­sung al­le er­for­der­li­chen Maß­nah­men zum Schutz der Be­völ­ke­rung bei Flie­ger­an­grif­fen ge­trof­fen sei­en.[137] 

Grö­ßer als die Angst vor feind­li­chen Flie­gern schien zu die­sem Zeit­punkt die Sor­ge vor feind­li­chen Spio­nen zu sein. Das zeigt die nach­drück­li­che Er­mah­nung vom 17.9.1915, dass bei Lan­dun­gen von Flie­gern un­ver­züg­lich das nächs­te Gar­ni­sons­kom­man­do zu ver­stän­di­gen sei, auch wenn es sich nach­weis­lich um deut­sche Flie­ger han­de­le. Feind­li­che Flie­ger müss­ten bis zum Ein­tref­fen ei­nes mi­li­tä­ri­schen Kom­man­dos un­ter „schärfs­te Be­wa­chun­g“ ge­stellt wer­den. Auch der Mi­nis­ter des In­ne­ren er­in­ner­te am 1.11.1915 an­läss­lich ei­nes kon­kre­ten Fal­les dar­an, dass An­fra­gen aus dem Aus­land oder von aus­län­di­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen mit Fra­gen zu Ein­rich­tun­gen zur Ab­wehr von Flie­ger­an­grif­fen un­ter das Ge­heim­hal­tungs­ge­bot fie­len, und ver­pflich­te­te al­le Re­gie­rungs­prä­si­den­ten und Po­li­zei­be­hör­den, sol­che An­fra­gen un­ver­züg­lich Ber­lin zu mel­den.[138] 

Ein be­son­ders ku­rio­ser Fall der Lan­dung feind­li­cher Flie­ger er­eig­ne­te sich im letz­ten Kriegs­som­mer auf dem Huns­rück und er­reg­te so­gar die Auf­merk­sam­keit des Kai­sers. Am 21.7.1918 er­reich­te ein Te­le­gramm aus Düs­sel­dorf das Ober­prä­si­di­um: „Sei­ne Ma­jes­tät der Kai­ser und Kö­nig ha­ben aus der Ta­ges­pres­se die Mel­dung des El­ber­fel­der Ge­ne­ral­an­zei­gers von der Ge­fan­gen­nah­me der bei­den In­sas­sen des fran­zö­si­schen Dop­pel­de­ckers im Huns­rück­dor­fe Schwar­zen durch den 16 jäh­ri­gen Gym­na­si­as­ten Ger­lach er­se­hen und wün­schen durch mich nä­he­ren Be­richt über die mu­ti­ge Tat. Er­bit­te hier­über nä­he­re Mit­tei­lung. Re­gie­rungs­prä­si­dent.“ Rasch trug man die In­for­ma­tio­nen zu­sam­men und stütz­te sich vor al­lem auf den Be­richt aus Kirch­berg vom dor­ti­gen Bür­ger­meis­ter vom 14.7.1918, der eben­so de­tail­liert wie preu­ßisch kor­rekt Aus­kunft gab: „Ge­gen 10 Uhr abends be­merk­ten die Be­woh­ner von Schwar­zen das Nie­der­ge­hen ei­nes Flug­zeu­ges in un­mit­tel­ba­rer Nä­he des Or­tes im Fel­de, rechts der Stra­ße nach Wür­rich. Als ers­ter eil­te der im land­wirt­schaft­li­chen In­ter­es­se be­fris­tet vom Hee­res­dienst ent­las­se­ne Land­wirt Ju­li­us Bonn von Schwar­zen auf das Flug­zeug zu und rief den bei­den In­sas­sen, wel­che dem Flug­zeug in­zwi­schen ent­stie­gen wa­ren, ein „Hän­de hoch“ ent­ge­gen. Bonn re­de­te wei­ter auf die bei­den Flie­ger, die er als frem­de Of­fi­zie­re er­kann­te, ein. Letz­te­re ver­stan­den of­fen­sicht­lich aber nicht und bo­ten dem Bonn ei­ne Zi­ga­ret­te an. Nun ka­men wei­ter die Gym­na­si­as­ten Wil­li Ger­lach und Al­fred Mi­chel aus El­ber­feld, Jo­han­ni­stra­ße 2, zu der Grup­pe. Die Gym­na­si­as­ten sind z.Zt. als Jung­man­nen zur Ern­tear­beit nach Schwar­zen kom­man­diert. Sie spra­chen die Flie­ger fran­zö­sisch an, Letz­te­re ver­stan­den nun, ga­ben sich als die ame­ri­ka­ni­schen Of­fi­zie­re Do­nald und Strong be­kannt und lie­ßen ver­lau­ten, ge­lan­det zu sein in der Mei­nung, sich auf fran­zö­si­schem Bo­den zu be­fin­den. Die Gym­na­si­as­ten be­lehr­ten die bei­den Of­fi­zie­re dar­über, dass sie auf deut­schem Bo­den und nun­mehr Ge­fan­ge­ne sei­en. Wei­ter kam nun der Land­wirt Ot­to Rech von Schwar­zen hin­zu, seit Kriegs­aus­bruch zum Hee­re ein­be­ru­fen, zur Zeit Ser­geant der Flack-Bat­te­rie 88 und in Schwar­zen auf Ur­laub. Rech ord­ne­te Be­wa­chung des Flug­zeu­ges an. Wach­dienst über­nah­men für die ers­te Nacht und am fol­gen­den Mor­gen der be­reits ge­nann­te Gym­na­si­ast Mi­chel, der Land­wirt Ot­to Mohr, die Kriegs­in­va­li­den Land­wir­te Ot­to Ham­men, Gus­tav Ro­den­bisch und Au­gust Strö­her, al­le in Schwar­zen wohn­haft. Wei­ter er­stat­te­te Rech die te­le­pho­ni­sche Mel­dung nach Kirch­berg und es wur­den nun­mehr die bei­den Of­fi­zie­re un­ter sei­ner Füh­rung un­ter Zu­zie­hung der be­reits ge­nann­ten pp. Bonn und Ger­lach so­wie des Sa­ni­täts­ko­lon­nen­füh­rers Weck­mann aus Es­sen (Ruhr), der sich z.Zt. in Schwar­zen auf Ur­laub be­fin­det, hier­her ge­bracht.“

Dem Land­rat hat­te der Bür­ger­meis­ter von Kirch­berg da­zu am 14. Ju­li zu­dem über sei­ne ei­ge­nen Maß­nah­men eben­falls Re­chen­schaft ge­ge­ben: Ihm sei noch am Abend des 10. Ju­li durch Fern­spre­cher ge­mel­det wor­den, dass in Schwar­zen ein Flug­zeug ge­lan­det und die bei­den In­sas­sen fest­ge­nom­men wor­den sei­en. „Ich ord­ne­te an, dass die Letz­te­ren un­ter si­che­rer Be­de­ckung hier­her zu trans­por­tie­ren sei­en, dass zu­vor aber al­le Kar­ten, Pa­pie­re pp. in Si­cher­heit ge­bracht wer­den müss­ten. Die wei­ter von mir als er­for­der­lich be­zeich­ne­te Be­wa­chung des Flug­zeu­ges war, wie mir bei der Un­ter­re­dung am Fern­spre­cher ge­mel­det wur­de, be­reits an­ge­ord­net. Ge­gen 12 ½ Uhr nachts traf der Trans­port in Kirch­berg ein. Ich ord­ne­te die ge­trenn­te Un­ter­brin­gung der bei­den Ge­fan­ge­nen, ame­ri­ka­ni­sche Of­fi­zie­re, im hie­si­gen Kö­nig­li­chen Fi­li­al­ge­fäng­nis an. Am 11. ds. Mts. früh er­folg­te die vor­ge­schrie­be­ne Be­nach­rich­ti­gung der mi­li­tä­ri­schen Dienst­stel­len, teils durch Fern­spre­cher, teils auf dem Draht­we­ge. Am Abend des­sel­ben Ta­ges traf von der Ab­tei­lung L. des stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral-Kom­man­dos 21 Ar­mee­korps in Saar­brü­cken ei­ne Of­fi­zier-Ab­ord­nung hier ein, wel­che we­gen des Trans­ports der Ge­fan­ge­nen, so­wie der Ab­mon­ta­ge des Flug­zeu­ges das Er­for­der­li­che ver­an­lass­te.“[139] Für die Ver­wal­tung war in die­sem Zu­sam­men­hang vor al­lem ei­nes wich­tig, näm­lich ob und wie die be­tei­lig­ten Per­so­nen bei die­sem Ein­satz be­lo­bigt wer­den müss­ten. Der Bür­ger­meis­ter be­für­wor­te­te ei­ne Be­lo­bi­gung für die bei­den Jung­man­nen durch die zu­stän­di­ge mi­li­tä­ri­sche Dienst­stel­le, nicht je­doch ei­ne Be­loh­nung. Für den Land­wirt Bonn kam ei­ne Be­loh­nung durch Geld in Be­tracht, eben­so ei­ne Geld­be­loh­nung für die am Wach­dienst Be­tei­lig­ten. Der Ser­geant ha­be da­ge­gen nur sei­ne Pflicht ge­tan. Auch das zu­stän­di­ge stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des XXI. Ar­mee­korps be­eil­te sich, am 26.7.1918 kurz und sach­lich Be­richt zu er­stat­ten. In den Land­krei­sen Zell und Sim­mern sei die Lan­dung von drei feind­li­chen Flie­gern ge­mel­det wor­den. „Die Be­sat­zun­gen sind ge­fan­gen ge­nom­men, die Flug­zeu­ge teils un­be­schä­digt ge­bor­gen. Um die Ber­gung und Ge­fan­gen­nah­me ha­ben sich Orts­ein­woh­ner und Ur­lau­ber be­son­ders ver­dient ge­macht.“ Die­sen soll­te ne­ben of­fi­zi­el­ler Be­lo­bi­gung und Geld­be­loh­nung auch der Ber­ge­lohn zu­ge­spro­chen wer­den.[140] Lei­der ist die Re­ak­ti­on des Kai­sers auf die­se Be­rich­te aus dem Huns­rück nicht über­lie­fert.

Groß war sei­tens der Be­hör­den die Sor­ge vor Un­fäl­len mit den Hin­ter­las­sen­schaf­ten auf deut­schen Flie­ger­übungs­plät­zen. Nach ei­nem tra­gi­schen Un­fall mit neun Kin­dern, von de­nen ei­ni­ge ge­tö­tet, an­de­re schwer ver­letzt wur­den, weil sie nicht-ex­plo­dier­te Bom­ben auf ei­nem Übungs­platz nach ei­ner mi­li­tä­ri­schen Flie­ger­übung auf­ge­grif­fen hat­ten, ord­ne­te der In­nen­mi­nis­ter am 1.3.1916 an, dass Zi­vil­per­so­nen der Zu­gang zu mi­li­tä­ri­schem Übungs­ge­län­de drin­gend un­ter­sagt wer­den müs­se. Die Trup­pen sei­en nach­drück­lich zu grö­ße­rer Sorg­falt und sys­te­ma­ti­scher Ver­nich­tung nicht-ex­plo­dier­ter Spreng­stof­fe auf­ge­for­dert wor­den.[141] 

Ab dem Früh­jahr 1916 nahm die Ge­fahr von Flie­ger­an­grif­fen auf die Stadt be­droh­lich zu. Am 30.3.1916 teil­te der Chef des Ge­ne­ral­sta­bes des Feld­hee­res aus dem Gro­ßen Haupt­quar­tier mit, dass da­von aus­zu­ge­hen sei, dass die Fran­zo­sen ih­re An­grif­fe zu­neh­mend in die Nacht­stun­den ver­le­gen wür­den. Da die Ab­wehr­mög­lich­kei­ten durch Bal­lon-Ab­wehr-Ka­no­nen und durch ei­ge­ne Flug­zeu­ge mehr als be­schränkt sei­en, blei­be als ein­zi­ge sinn­vol­le Schutz­maß­nah­me nur die Ver­dun­ke­lung, wes­halb man emp­feh­le, „hier­von den aus­gie­bigs­ten Ge­brauch zu ma­chen“. Die Ver­dun­ke­lung ei­nes Strei­fens von 150 Ki­lo­me­tern hin­ter der Front wur­de als „völ­lig aus­rei­chend emp­fun­den“, wes­halb die völ­li­ge Ver­dunk­lung da­mals nur für Trier (im Be­reich des Ober­prä­si­di­ums der Rhein­pro­vinz) emp­foh­len wur­de. Glei­che Be­din­gun­gen für al­le Or­te kön­ne es aber nicht ge­ben, zu­dem kön­ne die Ver­dunk­lung auch nicht dau­ernd gel­ten, son­dern müs­se an­ge­mes­sen ge­stal­tet sein. Soll­ten sich im An­griffs­fall grö­ße­re Men­schen­men­gen in ei­nem Raum auf­hal­ten, so ist von ei­ner Alar­mie­rung ganz ab­zu­se­hen, „um je­de Be­un­ru­hi­gung zu ver­mei­den“. Das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps lei­te­te dies am 16.7.1916 an den Re­gie­rungs­prä­si­den­ten von Ko­blenz zur Be­ach­tung wei­ter, am 28.7.1916 be­kräf­tigt von der Kom­man­dan­tur von Ko­blenz und Eh­ren­breit­stein mit dem Hin­weis, dass die Kom­man­dan­tur nicht den Be­fehl zur In­be­trieb­nah­me der Si­re­nen er­tei­len wer­de. Der Re­gie­rungs­prä­si­dent wur­de um Äu­ße­rung ge­be­ten, ob ei­ne ent­spre­chen­de An­pas­sung der be­ste­hen­den Po­li­zei­ver­ord­nung als sinn­voll er­ach­tet wer­de und die Emp­feh­lung aus­ge­spro­chen, Po­li­zei­be­hör­den dar­auf hin­zu­wei­sen, dass bei Men­schen­an­samm­lun­gen im Thea­ter oder ähn­li­chem kei­ne Mit­tei­lung von ei­nem kurz be­vor­ste­hen­den oder be­reits be­gon­ne­nen Flie­ger­an­griff ge­macht wer­de. Der Re­gie­rungs­prä­si­dent sah in sei­ner Ant­wort vom 4. Au­gust je­doch kei­ne Not­wen­dig­keit ei­ner Än­de­rung oder Er­gän­zung der Po­li­zei­ver­ord­nung, son­dern be­für­wor­te­te statt­des­sen häu­fi­ge­re In­for­ma­ti­on und Auf­klä­rung der Be­völ­ke­rung durch Zei­tungs­be­rich­te. Als wich­tigs­te Ver­hal­tens­ma­ß­re­gel sah er ei­nen ru­hi­gen und ge­ord­ne­ten Rück­zug der Be­völ­ke­rung in die Häu­ser an, wo­bei die Men­schen dar­auf ach­ten soll­ten, sich gut zu ver­tei­len, denn: „Je bes­ser die Ver­tei­lung der Men­schen in Ge­bäu­den ist, des­to ge­rin­ger wer­den die Ver­lus­te sein.“ Den Auf­ent­halt bei Tü­ren und Fens­tern gel­te es als ge­fähr­lich zu ver­mei­den, auch hielt er die Kel­ler der mo­der­nen Wohn­häu­ser für nicht bom­ben­si­cher. „Un­be­ding­ten Schutz ge­gen Voll­tref­fer bie­ten nur sehr star­ke Ge­wöl­be und der­glei­chen. Die Kel­ler­ge­wöl­be un­se­rer neu­zeit­li­chen Wohn­häu­ser, eben­so Kir­chen, sind kei­nes­wegs bom­ben­si­cher.“[142] 

Doch wo­her kam die plötz­li­che Sor­ge vor feind­li­chen Flie­ger­an­grif­fen in Ko­blenz? Ein Te­le­gramm des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps bie­tet ers­te An­halts­punk­te: „Sehr zu­ver­läs­si­ger Agent hat aus ver­trau­ens­wür­di­ger Schwei­zer Quel­le fol­gen­de fran­zö­si­sche An­sicht be­züg­lich Flie­ger­an­grif­fe auf of­fe­ne deut­sche Plät­ze und Ort­schaf­ten ge­hört: Deutsch­land lei­de nach­ge­wie­se­ner­ma­ßen Hun­ger. Die Be­völ­ke­rung wol­le Frie­den. Frank­reich ver­fol­ge mit den Flie­ger­an­grif­fen den Zweck, durch stän­di­ge Be­un­ru­hi­gung die deut­sche Be­völ­ke­rung noch schnel­ler reif für den Frie­den zu ma­chen. Man kön­ne im Hin­blick auf die­ses Ziel kei­ne Rück­sicht auf un­schul­di­ge Op­fer neh­men. Fran­zö­si­sche Hee­res­lei­tung ha­be wei­te­re Flie­ger­an­grif­fe auf deut­sche Städ­te und Ort­schaf­ten, mög­li­cher­wei­se Köln, Frank­furt so­gar deut­sche Ha­fen­plät­ze, vor­ge­se­hen.“[143] 

Jetzt re­agier­te das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps und ord­ne­te am 2.10.1916 die völ­li­ge Ver­dunk­lung ab 21 Uhr in sei­nem Zu­stän­dig­keits­be­reich an. Bis da­hin war be­schränk­te Stra­ßen­be­leuch­tung ge­stat­tet, eben­so Er­leuch­tung von Ge­schäfts­räu­men und Schau­fens­tern. Die Fens­ter der Woh­nun­gen wa­ren vor Ein­set­zen der Dun­kel­heit ab­zu­blen­den. Die am 19.12.1916 er­las­se­nen Richt­li­ni­en für die Durch­füh­rung der Alar­mie­rung und des Ei­gen­schut­zes des Hei­mat­ge­bie­tes des Kom­man­die­ren­den Ge­ne­rals der Luft­streit­kräf­te aus dem Gro­ßen Haupt­quar­tier zei­gen an­hand ei­ner Kar­te die Ver­dunk­lungs­zo­nen: In der Rhein­pro­vinz wa­ren nur Trier und Saar­brü­cken/Saar­land als be­son­ders be­droh­te Ge­bie­te, für die Ver­dunk­lungs­ma­ß­re­geln vor­ge­schrie­ben wa­ren, ge­kenn­zeich­net, der Rest, al­so auch Ko­blenz, war ge­kenn­zeich­net als Ge­biet, „in dem Si­che­rungs­maß­nah­men ge­gen feind­li­che Luft­an­grif­fe er­for­der­lich sin­d“. Doch am 1.2.1917 wur­de die Li­nie be­reits deut­lich nach Wes­ten ver­scho­ben und schloss jetzt auch Witt­lich und Co­chem ein.[144] Im Gro­ßen Haupt­quar­tier war man mit den Er­geb­nis­sen der Ver­dunk­lungs­maß­nah­men un­zu­frie­den. Ei­ne Prü­fung an­hand von Luft­schif­fer­kun­den, un­ter an­de­rem in Trier, ha­be be­legt: „Die Durch­füh­rung der dau­ern­den Ver­dunk­lung ist noch sehr ver­schie­den. An ein­zel­nen Stel­len ist das Be­stre­ben, ei­ne mög­lichst voll­kom­me­ne Ab­dunk­lung zu er­zie­len, deut­lich er­kenn­bar, an an­de­ren Stel­len ist die Ver­dunk­lung noch durch­aus un­ge­nü­gend. Die Ver­dunk­lung ver­fehlt ih­ren Zweck, wenn sie erst zu ei­ner will­kür­lich ge­wähl­ten Abend­stun­de ein­setzt.“ Die Ei­sen­bahn­tras­sen und ins­be­son­de­re die Bahn­hö­fe wur­den als be­son­de­re Schwach­stel­len aus­ge­macht.[145] 

Auch die Stadt Ko­blenz fiel ab dem 15. Sep­tem­ber auf Er­lass des Kriegs­mi­nis­te­ri­ums un­ter die Ver­dunk­lungs­pflicht. Al­le Aus­nah­me­re­ge­lun­gen für die Stadt wa­ren auf­ge­ho­ben. Ei­ne wei­te­re Prü­fung der Ver­dunk­lung der Städ­te und Dör­fer durch die Kampf-Ein­sit­zer-Staf­fel Nr. 9 am 26.9.1917 er­brach­te ein für Ko­blenz ver­nich­ten­des Er­geb­nis: „Bahn so­wohl wie Stadt wa­ren hell er­leuch­tet und bo­ten ein gu­tes An­flug­ziel. Die Bahn­stre­cke zwi­schen Eh­ren­breit­stein und Ober­lahn­stein war eben­falls sehr hell er­leuch­tet.“ Das gel­te auch für Brau­bach, aber nicht für Ems und Nas­sau, die vor­bild­lich ab­ge­dun­kelt wa­ren. Es sei beim Über­flie­gen so­gar die Be­ob­ach­tung ge­macht wor­den, dass vie­le über­flo­ge­ne Or­te die Licht­quel­len noch ver­mehr­ten, um bes­ser se­hen zu kön­nen! Drin­gend wur­de da­her Ab­hil­fe an­ge­mahnt, aber er­folg­los. Am 12.2.1918 stell­te die Li­ni­en­kom­man­dan­tur Saar­brü­cken er­neut fest: „Fer­ner ist wie­der­holt be­ob­ach­tet wor­den, dass die Stadt Co­blenz hell und weit­hin zu se­hen ist, so­wohl in­fol­ge star­ker Be­leuch­tung der Bahn­an­la­gen, we­gen de­ren Ver­dunk­lung bis zur äu­ßers­ten Gren­ze der Be­triebs­si­cher­heit z.Zt. noch Ver­hand­lun­gen schwe­ben, als auch die Stra­ßen- und Woh­nungs­be­leuch­tung.“ In ei­nem Ver­merk vom 22. Fe­bru­ar er­klär­te der Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­dent Sche­ren­berg da­zu, dass man we­gen der Be­leuch­tung der Bahn­an­la­gen be­reits mehr­fach sei­tens der Kom­man­dan­tur in Ver­bin­dung mit der Bahn­di­rek­ti­on ge­tre­ten sei, je­doch oh­ne Er­folg. „Die Stra­ßen­be­leuch­tung in Ko­blenz ist der­art ge­ring, dass es m.E. aus­ge­schlos­sen er­scheint, dass sie auf­ge­fal­len sein kann.“ Die Kla­gen ver­stumm­ten je­doch nicht. Am 4. 10.1918 mel­de­te die Bahn­hofs­kom­man­dan­tur Bin­ger­brück, dass ei­ne Be­sich­ti­gung er­ge­ben ha­be, dass auch die Ka­jü­ten­fens­ter der Schif­fe auf dem Rhein nicht ord­nungs­ge­mäß ab­ge­dun­kelt wa­ren, eben­so we­nig die Ort­schaf­ten links und rechts des Rheins. „Man er­hält den Ein­druck, als ob die Be­völ­ke­rung so le­be, als gä­be es kei­ne feind­li­chen Flie­ger.“[146] 

Krea­ti­ve Lö­sun­gen beim Ver­dunk­lungs­ge­bot wa­ren eben­falls nicht ger­ne ge­se­hen: Der Reichs­kom­mis­sar für die Koh­len­ver­tei­lung wies am 15.11.1917 dar­auf hin, dass ein dunk­ler An­strich der Fens­ter zwecks Er­fül­lung des Ver­dunk­lungs­ge­bots le­dig­lich ei­nen er­höh­ten Koh­len­ver­brauch zur Fol­ge ha­be, weil das zu ei­nem er­höh­ten Ver­brauch an Elek­tri­zi­tät und da­mit Koh­le füh­re, da die Räu­me zu dun­kel wür­den. Dies sol­le des­halb un­ter­bun­den wer­den sol­le.[147] 

Auch die Be­völ­ke­rung ver­stand den Sinn man­cher Maß­nah­men zur Flie­ger­ab­wehr nicht im­mer: Zwei Ge­mein­den ba­ten das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des XXI. Ar­mee­korps dar­um, doch zu ver­an­las­sen, dass Flug­ab­wehr­ka­no­nen erst dann mit dem Be­schuss der Flie­ger be­gin­nen soll­ten, wenn die­se in der Nä­he der zu schüt­zen­den Ob­jek­te sei­en. Dies hielt das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des XXI. Ar­mee­korps aber für kon­tra­pro­duk­tiv, weil es dann be­reits viel zu spät sei. Die Be­völ­ke­rung müs­se bes­ser auf­ge­klärt wer­den und et­wai­ge Nach­tei­le eben in Kauf neh­men. „Wenn die Ab­wehr­ge­schos­se als Blind­gän­ger in Ort­schaf­ten fal­len, ist die­ses ge­wiss sehr be­dau­er­lich, lässt sich aber nicht im­mer ver­mei­den."[148] 

Im Fe­bru­ar 1918 sah sich die Stadt Ko­blenz nun auch ge­zwun­gen, hin­sicht­lich des Schut­zes ih­rer Be­völ­ke­rung spür­bar auf­zu­rüs­ten. Am 28.2.1918 in­for­mier­te der Ober­bür­ger­meis­ter den Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, dass die Stadt be­schlos­sen ha­be, „zur Ver­stär­kung des Flie­ger­alarms Si­gnal­bom­ben ein­zu­füh­ren“. Als Ter­min zur „Be­sich­ti­gung der Si­gnal­bom­ben­ein­rich­tun­g“ schlug er Mon­tag, den 4. März 11 ½ Uhr am Wöl­lers­hof vor. Mit Schrei­ben vom 5. März kün­dig­te er ei­nen Pro­be­alarm mit Si­gnal­bom­ben für den 12. März, 12.30 Uhr, an. Die Be­völ­ke­rung wer­de durch Zei­tun­gen vor­ab in­for­miert. Statt­des­sen er­folg­te aber am 12. März um 12 Uhr ein Flie­ger­an­griff mit zu­nächst ge­mel­de­ten fünf To­ten, spä­ter am Tag kor­ri­giert auf neun To­te und 26 Ver­wun­de­te. Zwei Ta­ge spä­ter muss­te der Po­li­zei­di­rek­tor in ei­nem wei­te­ren Be­richt er­neut die Op­fer­zah­len kor­ri­gie­ren und füg­te ein Ver­zeich­nis der 21 ver­letz­ten Per­so­nen bei, die in Zi­vil­kran­ken­häu­sern der Stadt la­gen, da­von neun Schwer­ver­letz­te. Die Lis­te um­fass­te aber nicht die 20 Ver­letz­ten (da­von fünf Schwer­ver­letz­te), die im Fes­tungs­la­za­rett la­gen, da die­se sich in der Zu­stän­dig­keit des Mi­li­tärs be­fan­den. Die An­schaf­fung der Si­gnal­bom­ben er­folg­te al­so zu spät, da­bei lag be­reits am 4. Fe­bru­ar ein Be­richt des Po­li­zei­di­rek­tors vor, es ha­be sich bei der in der ver­gan­ge­nen Wo­che er­folg­ten In­be­trieb­nah­me der Heul­si­re­nen er­ge­ben, „dass die Si­re­nen nicht über­all von der Be­völ­ke­rung ge­hört wer­den kön­nen und dass sie da­her ih­ren Zweck nicht er­fül­len. Wie ich aus den Ma­ß­re­geln der hie­si­gen Hee­res­be­hör­den schlie­ßen muss, rech­nen die­se mit feind­li­chen Luft­an­grif­fen auf Co­blenz im Lau­fe des Som­mers. Die Vor­keh­run­gen zum Schut­ze der Zi­vil­be­völ­ke­rung müs­sen jetzt mit Be­schleu­ni­gung da­her auch auf ei­nen der­ar­ti­gen Stand ge­bracht wer­den, dass sie im Ernst­fall auch tat­säch­lich hin­rei­chen­den Er­folg ge­währ­leis­ten. Ei­ne der­ar­tig ver­voll­komm­ne­te Ein­rich­tung ist auch mit Rück­sicht auf et­wai­ge Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che der bei Flie­ger­an­grif­fen Ver­letz­ten sehr zweck­mä­ßig, weil der Scha­den­er­satz­an­spruch nur dann als be­rech­tigt an­er­kannt wird, wenn kein ei­ge­nes Ver­schul­den des Be­schä­dig­ten durch Nicht­be­ach­tung der amt­li­chen Ver­hal­tungs­ma­ß­re­geln vor­liegt.“ Sei der Alarm weit­hin un­über­hör­bar, ver­rin­ge­re das zu­dem die Er­folgs­aus­sich­ten der Ein­sprü­che ge­gen die Ab­leh­nung der Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen. „Au­ßer­dem kön­nen dann neue Ver­hal­tungs­ma­ß­re­geln ge­ge­ben wer­den, die un­ter Hin­weis auf die Vor­aus­set­zung zur An­er­ken­nung ei­nes Scha­den­er­satz­an­spruchs für die gan­ze Dau­er des Alarms ein der be­ste­hen­den Ge­fahr Rech­nung tra­gen­des Ver­hal­ten der Be­völ­ke­rung for­dern.“[149] 

Nach der Ka­ta­stro­phe vom 12.3.1918 wur­de end­lich ge­han­delt. Am 14. März fand ei­ne Be­spre­chung des Po­li­zei­di­rek­tors mit dem Kom­man­dan­ten von Ko­blenz und Eh­ren­breit­stein zur Ver­bes­se­rung der Flie­ger­alar­mein­rich­tung statt. Letz­te­rer ha­be sich nun be­reit er­klärt, mit der Be­reit­stel­lung der Mann­schaf­ten für den Ab­schuss der Si­gnal­bom­ben auch die Ver­ant­wor­tung für ei­ne sach­ge­rech­te Alar­mie­rung zu über­neh­men. Zu­dem sag­te der Kom­man­dant die Auf­stel­lung zwei­er wei­te­rer Heul­si­re­nen zu. In sei­nem Schrei­ben vom 16. März an den Po­li­zei­di­rek­tor be­ton­te der Kom­man­dant, dass er nur be­reit sei, die Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, wenn an dem Prin­zip der dop­pel­ten Alar­mie­rung durch Si­re­nen und Si­gnal­bom­ben wei­ter­hin fest­ge­hal­ten wer­de, falls ei­nes von bei­den ein­mal aus­fal­len soll­te, „wo­mit all­ge­mein durch Zu­sam­men­tref­fen un­glück­li­cher Um­stän­de und bei dem jetzt zur Ver­fü­gung ste­hen­den Men­schma­te­ri­al ge­rech­net wer­den muss […]“. In­tern er­gänz­te der Po­li­zei­di­rek­tor die­ses Schrei­ben um ei­ni­ge An­mer­kun­gen, die er „bei der Zu­sam­men­stel­lung der an der gest­ri­gen Be­spre­chung be­tei­lig­ten Her­ren nicht zum Aus­druck brin­gen konn­te“, weil sie näm­lich kein gu­tes Licht auf das Mi­li­tär war­fen. Nach sei­ner Kennt­nis „[…] be­ur­teilt man in hie­si­gen mi­li­tä­ri­schen Krei­sen, ins­be­son­de­re auch von Of­fi­zie­ren des Ge­ne­ral­kom­man­dos, die ja teil­wei­se auch ih­re Fa­mi­lie hier ha­ben und der Fra­ge der War­nung vor Flie­ger­ge­fahr na­tur­ge­mäß ein gro­ßes In­ter­es­se ent­ge­gen brin­gen, die zur Zeit vor­han­de­nen un­voll­kom­me­nen Ein­rich­tun­gen sehr ab­fäl­lig, ei­ne Kri­tik, die den Ge­nann­ten da­durch er­leich­tert wird, dass sie sich ge­gen ei­ne Zi­vil­be­hör­de rich­tet.“ Vor­sorg­lich wies er je­de Kri­tik an sei­ner Be­hör­de sei­tens des Mi­li­tärs nach­drück­lich zu­rück und fürch­te­te sich spür­bar vor dem Mo­ment, wenn der Mi­li­tär­be­fehls­ha­ber die Macht über die Alar­mie­rung an sich zie­he, weil er so­for­ti­ge Kri­tik an sei­nem be­zie­hungs­wei­se dem Ver­hal­ten sei­ner Be­hör­de er­war­te­te. Es folg­te ei­ne wei­te­re Be­spre­chung im Re­gie­rungs­prä­si­di­um am 18. März, de­ren Er­geb­nis am 23. März den zu­stän­di­gen Stel­len zur Kennt­nis ge­bracht wur­de. Dem­nach wur­den Si­gnal­bom­ben­sta­tio­nen am Wöl­lers­hof, im Kern­werk der Fes­te Franz und an der Pump­sta­ti­on Ober­werth ein­ge­rich­tet. Die am Wöl­lers­hof wur­de der Mi­li­tär­feu­er­haupt­wa­che, die in der Fes­te Franz der dor­ti­gen Mi­li­tär­feu­er­wa­che und die am Ober­werth der dor­ti­gen vom Land­sturm-Ba­tail­lon ge­stell­ten Gar­ni­sons­wa­che un­ter­stellt. Die Be­nach­rich­ti­gung „Flie­ger­alar­m“ zum Ab­schuss der Bom­ben er­folg­te für die Sta­ti­on im Kern­werk Fes­te Franz un­mit­tel­bar durch die Flak­grup­pe, für die bei­den an­de­ren durch die Po­li­zei­di­rek­ti­on, die ih­rer­seits durch die Flak­grup­pe be­nach­rich­tigt wur­den. Zu­dem teil­te der Kom­man­dant am 5. April mit, dass auf An­trag des Ober­bür­ger­meis­ters von Ko­blenz ab dem 8. April auch nachts zwi­schen 23 und 5 Uhr alar­miert wer­de.[150] 

Nicht über­all wa­ren die neu­en Maß­nah­men er­folg­reich. Der Bür­ger­meis­ter von Ko­blenz-Land wand­te sich am 26.3.1918 an den Land­rat aus An­lass ei­nes Er­su­chens aus Met­ter­nich, in dem be­klagt wur­de, dass die Si­re­nen bei Alar­mie­rung nicht zu hö­ren sei­en. Der Land­rat sol­le mit der Klos­ter-Braue­rei Ak­ti­en-Ge­sell­schaft in Met­ter­nich in Ver­bin­dung tre­ten. „Die­se be­sitzt ei­ne au­ßer­or­dent­lich star­ke Dampf­pfei­fe im Sy­ren­en­ton, wel­che über ganz Met­ter­nich bis nach Co­blenz deut­lich hör­bar ist.“ Am 16. Ju­li war aber im­mer noch nichts ge­sche­hen und er er­in­ner­te an die wei­ter­hin aus­ste­hen­de Ge­neh­mi­gung zur Be­nut­zung der Si­re­ne der Klos­ter-Braue­rei.[151] 

Ei­gent­lich wa­ren nun die wich­tigs­ten Vor­keh­run­gen zum wirk­sa­men Schutz der Be­völ­ke­rung ge­trof­fen. Die­se muss­te sich jetzt „nur“ noch an die Ver­dunk­lungs­ge­bo­te hal­ten. Doch schon am 17.5.1918 sah sich das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps ge­zwun­gen, er­neut an die stren­gen Ver­dunk­lungs­be­stim­mun­gen zu er­in­nern und dar­um zu bit­ten, der Be­völ­ke­rung die Ver­hal­tens­ma­ß­re­geln in ge­eig­ne­ter Form ins Ge­dächt­nis zu ru­fen. Wie nö­tig das war, zeigt ein Te­le­gramm des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten vom 21.5.1918 an den In­nen­mi­nis­ter über ei­nen nächt­li­chen An­griff mit 18 Bom­ben und fünf Blind­gän­gern, je­doch kei­nen To­des­fäl­len. Der In­nen­mi­nis­ter ließ sich von die­sen Nach­rich­ten je­doch nicht er­wei­chen und lehn­te am 1.6.1918 er­neut die For­de­rung nach Über­nah­me der Kos­ten für ei­ne aus­rei­chen­de Alar­mie­rung durch das Reich, wie vom Ko­blen­zer Ober­bür­ger­meis­ter be­an­tragt, als An­ge­le­gen­heit der Kom­mu­nen zu­rück. [152]  ´´Zu­nächst hat­te er am 27.3.1918 ei­nen An­trag an den Re­gie­rungs­prä­si­den­ten ge­stellt und dar­in dar­ge­legt, dass die Über­nah­me der Kos­ten (25-30.000 Mark) für die Um­set­zung der po­li­zei­li­chen Maß­nah­men zur War­nung der Be­völ­ke­rung bei Flie­ger­an­grif­fen durch die um­lie­gen­den Or­te und ins­be­son­de­re den Land­kreis nö­tig sei, da die­se Maß­nah­men ja nicht al­lein dem Schutz der Stadt, son­dern auch des Land­krei­ses und ins­be­son­de­re der rechts­rhei­ni­schen Tei­le dien­ten. Der Land­rat von Ko­blenz-Land teil­te dar­auf­hin mit, dass sich die Ge­mein­den Eh­ren­breit­stein, Pfaf­fen­dorf und Horch­heim zur Zah­lung ei­nes ein­ma­li­gen Bei­trags zur Flie­ger­alar­mie­rung be­reit­er­klärt hät­ten. Eh­ren­breit­stein wol­le 500 Mark, Pfaf­fen­dorf 300 Mark und Horch­heim 200 Mark zah­len, letz­te­re we­ni­ger, weil „die Si­re­nen nicht über­all hör­bar sin­d“. Zu­dem hät­ten sie die Zah­lung an die Be­din­gung ge­knüpft, dass „wenn der Stadt Co­blenz dem­nächst die Kos­ten für die Flie­ger­alar­mein­rich­tung aus der Staats- oder Reichs­kas­se er­stat­tet wer­den soll­ten, die be­wil­lig­ten Be­trä­ge den drei Ge­mein­den wie­der zu­rück­zu­zah­len sind.“[153] 

Ge­gen En­de des Krie­ges wuchs die Ge­fah­ren­la­ge für Ko­blenz deut­lich. Mit dem Herbst 1917 wur­de die Stadt re­gel­mä­ßig Ziel feind­li­cher Flie­ger­an­grif­fe, über die der Po­li­zei­di­rek­tor von Ko­blenz aus­führ­lich be­rich­te­te. Pe­ni­bel ge­nau lis­te­te er die Sach- und Per­so­nen­schä­den ei­nes je­den An­griffs auf, lo­ka­li­sier­te sie bis auf die Haus­num­mer und be­nann­te so­gar die Art der Ver­let­zun­gen und die Na­men der be­trof­fe­nen Per­so­nen, so­weit es ihm mög­lich war. Ein ers­ter Be­richt vom 2.10.1917 be­traf ei­nen An­griff um 10 Uhr abends am Vor­tag. Ein feind­li­cher Flie­ger ha­be das Stadt­ge­biet über­flo­gen und acht Bom­ben ab­ge­wor­fen. Er kam an­schei­nend aus Mo­sel­rich­tung, über­flog den Haupt­bahn­hof, folg­te dem Schie­nen­strang Rich­tung Lahn­stein und flog dann über die Stadt zu­rück Rich­tung Mo­sel. Der Flie­ger war beim An­flug in nied­ri­ger Hö­he un­ter­wegs. Die Bom­ben tra­fen ein Ge­biet zwi­schen der Sach­sen­stra­ße und der Rö­mer­stra­ße und ziel­ten of­fen­sicht­lich auf die Gleis­an­la­gen. An ei­nem Per­so­nen­zug wa­ren die Fens­ter­schei­ben zer­bors­ten so­wie Ein­schlä­ge von Split­tern zu ver­zeich­nen, in cir­ca 20 Häu­sern wa­ren Fens­ter­schei­ben zer­bro­chen. Per­so­nen wa­ren nicht zu Scha­den ge­kom­men. Die Na­tio­na­li­tät des Flie­gers konn­te nicht er­mit­telt wer­den. Die Be­völ­ke­rung ha­be sich ru­hig ver­hal­ten. „Die Ab­wehr­maß­nah­men wa­ren nicht aus­rei­chend. Vor al­lem ist her­vor­zu­he­ben, dass der Haupt­bahn­hof stets viel zu hell da liegt und für ei­nen Flie­ger si­cher auf wei­te Ent­fer­nung ein gu­tes Flug­ziel bil­det. […] Ei­ne War­nung vor der An­nä­he­rung ist an­schei­nend nicht er­folgt.“ Die hel­le Be­leuch­tung des Bahn­hofs sei um­so schlim­mer, da sonst in der Stadt die Ab­dunk­lung ein­ge­hal­ten wür­de, aber trotz sei­ner Mah­nung nicht für den Bahn­hof um­ge­setzt wür­de.[154] 

Am hef­tigs­ten traf der be­reits er­wähn­te An­griff am 12.3.1918 um 12 Uhr mit­tags die Stadt. Al­lein in der Cu­sa­nus­stra­ße in der Nä­he der Ei­sen­bahn­über­füh­rung wa­ren drei To­te so­wie zwei Leicht­ver­letz­te zu be­kla­gen. Fens­ter­schei­ben wur­den zer­trüm­mert, in ei­nem Haus in der Ho­hen­zol­lern­stra­ße ver­lor ei­ne Frau ein Bein, in ei­nem an­de­ren wur­de ei­ne Frau ge­tö­tet. In der Sim­rock­stra­ße wa­ren Sach­schä­den zu ver­zeich­nen, am Au­gus­ta-Denk­mal wur­de ei­ne Frau schwer ver­letzt, auf dem Mar­ken­bild­chen­weg ei­nem 13-jäh­ri­gen Schü­ler ein Arm ab­ge­ris­sen, vor dem Post­ge­bäu­de am Haupt­bahn­hof wur­de ei­ne Frau ge­tö­tet und wei­te­re acht Per­so­nen, dar­un­ter ein Kind, wur­den schwer ver­letzt. Spä­ter er­la­gen ei­ne Frau und ein Mann ih­ren Ver­let­zun­gen. In der Erb­gro­ßher­zog-Fried­rich-Ka­ser­ne auf der Kart­hau­se wur­den vier Sol­da­ten schwer und zwölf leicht ver­letzt. Wei­te­re Sach­schä­den wur­den aus der Fi­schel­stra­ße, der Wei­ßer­non­nen­gas­se, der Wei­ßer­stra­ße und von der Kart­hau­se ge­mel­det. Der An­griff sei von vier bis fünf feind­li­chen Flie­gern, „die rhein­wärts ka­men und nach dem An­griff in nörd­li­cher Rich­tung ab­ge­flo­gen sin­d“, aus­ge­führt wor­den. Am 14. März kor­ri­gier­te der Po­li­zei­prä­si­dent die Zahl der Ver­letz­ten auf jetzt 70 Per­so­nen und er­gänz­te, es ha­be sich um bri­ti­sche Flie­ger ge­han­delt.[155] 

Da­ge­gen ver­lief ein An­griff in der Nacht des 20.5.1918 eher glimpf­lich. „Um 12.38 Uhr wur­de die Be­völ­ke­rung alar­miert und um 12.47 fie­len die ers­ten Schüs­se der Ab­wehr­ge­schüt­ze. Um 2.05 war der An­griff be­en­det. In die­ser Zeit sind, so­weit hier fest­ge­stellt wer­den konn­te, 21 Bom­ben von den feind­li­chen Flie­gern ab­ge­wor­fen wor­den […]“ und tra­fen das Ge­biet von Löhr­ron­del, Lüt­zel, Mo­sel­weiß und Gülz. Per­so­nen­schä­den sei­en kei­ne be­kannt ge­wor­den. Der An­griff sei von fünf bis sechs feind­li­chen Flie­gern durch­ge­führt wor­den.[156] 

Das galt auch für ei­nen An­griff am 6.6.1918: „Heu­te Vor­mit­tag 8.07 wur­de von der zu­stän­di­gen mi­li­tä­ri­schen Stel­le Flie­ger­alarm an­ge­ord­net, der so­fort durch Si­re­nen­zei­chen und Si­gnal­bom­ben­ab­schuss zur Aus­füh­rung ge­bracht wur­de. Um 8.24 Uhr tra­ten die Ab­wehr­ge­schüt­ze in Tä­tig­keit.“ Es folg­te wie­der­um ei­ne stra­ßen­ge­naue Auf­stel­lung der Ein­schlä­ge der ins­ge­samt 17 Bom­ben. Auch die­ses Mal wur­de kein Per­so­nen­scha­den und nur ge­rin­ger Sach­scha­den be­kannt. „Um 8.50 Uhr war der Alarm be­en­det. Das Ver­hal­ten der Be­völ­ke­rung war im all­ge­mei­nen gut. Die ge­ge­be­nen Ver­hal­tungs­ma­ß­re­geln ha­ben sich wie­der be­währt. Die feind­li­chen Flie­ger sind an­schei­nend aus der Rich­tung von Trier die Mo­sel ent­lang ge­flo­gen, bis un­mit­tel­bar vor den Haupt­bahn­hof ge­langt, dort vom Feu­er der Ab­wehr­ge­schüt­ze zur Um­kehr ge­zwun­gen und der Mo­sel ent­lang wie­der ab­ge­flo­gen.“[157] 

Im Ju­li wur­den gleich zwei An­grif­fe ge­mel­det. Der An­griff vom 2. Ju­li um­fass­te neun Flie­ger mit 18 Bom­ben. Er be­gann um 10.50 Uhr, um 11.11 Uhr setz­ten die Ab­wehr­ge­schüt­ze ein. Be­trof­fen wa­ren der Ha­fen, Lüt­zel und die Alt­stadt. Ei­ne schwer­ver­letz­te Frau war im Bren­der­weg zu ver­zeich­nen, ent­ge­gen der ers­ten An­ga­ben, die sie als tot ge­mel­det hat­ten. Das Ver­hal­ten der Be­völ­ke­rung sei die­ses Mal „zweck­mä­ßi­g“ ge­we­sen. Das En­de des Alarms war um 11.30 Uhr. Ein wei­te­rer An­griff er­folg­te am 8. Ju­li früh­mor­gens ab 7.43 Uhr (Mel­dung Luft­ge­fahr), En­de der Luft­ge­fahr: 8.50 Uhr. Elf Flug­zeu­ge flo­gen mo­sel­ab­wärts und war­fen er­neut acht Bom­ben ab. Die Zie­le ver­teil­ten sich ent­spre­chend ent­lang des Flus­ses bis zur Alt­stadt hin, vor al­lem in Met­ter­nich. Ei­ne leicht­ver­letz­te Frau so­wie Sach­scha­den wur­den ge­mel­det.[158] 

Der letz­te An­griff auf Ko­blenz er­folg­te am 22.8.1918 und traf vor al­lem Mo­sel­weiß, so­wohl in der vor­an­ge­gan­ge­nen Nacht ab 12.49 Uhr bis 12.51 Uhr und wie­der ab 12.59 Uhr. Fünf Bom­ben wur­den ab­ge­wor­fen, die ge­rin­gen Sach­scha­den ver­ur­sach­ten. Am 22. Au­gust wur­de ab 8.41 bis 9.22 Uhr er­neut Alarm ge­ge­ben, acht bis neun Flug­zeu­ge nah­men dem­sel­ben Weg wie die Flie­ger in der Nacht (al­so von der Mo­sel her), war­fen er­neut acht Bom­ben ab, die­ses Mal ver­ur­sach­ten sie ne­ben Sach- auch Per­so­nen­schä­den: „Die Sprengstü­cke ver­ur­sach­ten grö­ße­ren Sach­scha­den. Im ge­gen­über­lie­gen­den Hau­se Nr. 5 [der Main­zer­stra­ße] hielt sich ein Dienst­mäd­chen (Hu­ber­ti­ne Ru­brö­der) wäh­rend des Flie­ger­an­griffs ver­bots­wid­rig im Wohn­zim­mer des Erd­ge­schos­ses auf und wur­de durch ein Sprengstück ge­tö­tet. Ne­ben dem Hau­se Main­zer­stra­ße 136 fiel ei­ne Bom­be dicht an der Kel­ler­mau­er nie­der, drück­te die­se ein und quetsch­te ein sich im Kel­ler auf­hal­ten­des Dienst­mäd­chen (Ma­ria The­re­se Busch) zu To­de. Die eben­falls im Kel­ler [sich] auf­hal­ten­de Herr­schaft (Bau­rat Gott­ke und Frau) ka­men mit schwe­ren Ver­let­zun­gen da­von.“[159] 

Da­nach blieb Ko­blenz von Flie­ger­alar­men ver­schont. Am 13.11.1918, als der Kai­ser längst ab­ge­dankt hat­te und die Re­pu­blik aus­ge­ru­fen war, wur­de die Ver­ord­nung zur Ver­dunk­lung durch ein Te­le­gramm des Stell­ver­tre­ten­den Ge­ne­ral­kom­man­dos des VIII. Ar­mee­korps auf­ge­ho­ben.[160] 

Flakscheinwerfer mit Sirene, Privatbesitz. (Landeshauptarchiv Koblenz)

 

10. Das Kriegsende in Koblenz

Mit dem En­de der Flie­ger­an­grif­fe war auch das En­de des Krie­ges ge­kom­men. Schon lan­ge war die Eu­pho­rie der ers­ten Ta­ge bit­te­rer Er­nüch­te­rung ge­wi­chen. Stell­ver­tre­tend für vie­le an­de­re Quel­len sei hier er­neut auf die Schul­chro­nik von Ko­blenz-Lüt­zel ver­wie­sen, de­ren Au­tor, Rek­tor Butz, in ein­drucks­vol­ler Wei­se die­sen Stim­mungs­wan­del am 31.12.1915 und von da an in ei­nem zu­sam­men­fas­sen­den Be­richt an je­dem Jah­res­en­de über das ver­gan­ge­ne Jahr do­ku­men­tier­te. „Glor­rei­che Sie­ge und herr­li­che Er­fol­ge“ ei­ner­seits, doch auch die ers­ten „har­ten Ver­lus­te“ ha­be der Krieg ge­bracht, so die Bi­lanz der ers­ten 17 Mo­na­te Welt­krieg.[161] Am 31.12.1916 war aus der ehe­mals so glor­rei­chen Aus­ein­an­der­set­zung „der schreck­li­che Welt­krie­g“ ge­wor­den, auch wenn so­gleich er­neut die Sie­ge des ver­gan­ge­nen Jah­res und der un­ge­bro­che­ne Durch­hal­te­wil­len be­schwo­ren wur­den. Auchch wenn „grö­ß­te Spar­sam­keit im Ver­brauch al­ler Nah­rungs­mit­tel“ er­for­der­lich war: „Aus­hun­gern konn­te der Feind uns nicht.“[162] Im fol­gen­den Jahr fie­len die Sie­ges- und Durch­hal­te­pa­ro­len noch schwä­cher aus, 1917 war ein Jahr „reich an blu­ti­gen Kämp­fen und Op­fern“ und wei­te­ren Ein­schrän­kun­gen in der Ver­sor­gung.[163] Be­zeich­nen­der­wei­se ver­zich­te­te der Au­tor auf je­de Art Kriegs­bi­lanz im No­vem­ber 1918, of­fen­sicht­lich noch ganz un­ter dem Schock der Er­eig­nis­se ste­hend. Das Kriegs­en­de wur­de am 9.11.1918 la­pi­dar mit den Wor­ten ver­kün­det: „Ab­dan­kung Kai­ser Wil­helms II., das deut­sche Kai­ser­reich hat auf­ge­hört, die Re­pu­blik wird aus­ge­ru­fen.“[164] 

Ein sang- und klang­lo­ses En­de des Krie­ges in ei­ner Stadt, die mit so gro­ßem Ju­bel des­sen Aus­bruch ge­fei­ert hat­te, sich im Glan­ze ih­rer Be­deu­tung sonn­te, als sie für zwei Wo­chen im Mit­tel­punkt des In­ter­es­ses des gan­zen Rei­ches stand, und stolz auf ih­re zen­tral­ört­li­che Rol­le war. Ei­ne Stadt, die trotz ih­rer Nä­he zu den Spit­zen von Mi­li­tär und Ver­wal­tung im Lau­fe des Krie­ges des­sen Här­ten zu spü­ren be­kam, wenn auch et­was spä­ter als an­de­re Städ­te am Rhein oder in noch grö­ße­rer Front­nä­he wie Trier. Doch ob­wohl die Front weit ge­nug ent­fernt war, um erst in den letz­ten Kriegs­mo­na­ten der Stadt un­mit­tel­ba­re Kampf­hand­lun­gen durch Flie­ger­an­grif­fe zu brin­gen, war das Le­ben in Ko­blenz in weit­aus hö­he­rem Ma­ße als an­dern­orts durch das Mi­li­tär ge­prägt. Das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps führ­te nicht nur Re­kru­tie­run­gen und Ein­quar­tie­run­gen durch, es be­wirt­schaf­te­te sämt­li­che Gü­ter, re­gel­te das öf­fent­li­che Le­ben und in­iti­ier­te die Ver­ord­nun­gen. Ob Ober­prä­si­dent oder Re­gie­rungs­prä­si­dent - in den Ak­ten tre­ten sie als un­ter­ge­ord­ne­te In­stan­zen ent­ge­gen, der ei­ne als ei­ne Art Post­ver­tei­ler, der an­de­re als aus­füh­ren­des Or­gan, wo­bei al­le Be­tei­lig­ten be­flis­sen dar­auf ach­te­ten, die Ge­schäfts­gän­ge trotz­dem mög­lichst ge­nau ein­zu­hal­ten. Aber viel­leicht ist das der bes­te Be­weis für die The­se von Ko­blenz als der preu­ßischs­ten Stadt im Rhein­land, in der in Frie­dens­zei­ten die Ver­wal­tungs­spit­zen um­fas­sen­de Macht­be­fug­nis­se hat­ten und höchs­tes An­se­hen ge­nos­sen, aber im Kriegs­fall al­le Macht un­wi­der­spro­chen und un­ein­ge­schränkt auf das Mi­li­tär über­ging, wenn auch un­ter Be­ach­tung der preu­ßi­schen Ver­wal­tungs­ord­nung. Auch ein ver­lo­re­ner Krieg konn­te die Zu­nei­gung und den Re­spekt der Ko­blen­ze­rin­nen und Ko­blen­zer zu „ih­re­m“ Mi­li­tär nicht schmä­lern. Als die ge­schla­ge­nen Trup­pen im Ok­to­ber 1918 im Pa­ra­de­marsch in die Stadt ein­rück­ten, säum­ten sie wie­der ju­belnd und Fah­nen schwen­kend die Stra­ßen.

Archivquellen

Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz (LHA­KO):
Best. 403  Ober­prä­si­di­um der Rhein­pro­vinz, Nrn. 5375, 5378, 11183, 12278, 12310-123212, 12637, 12660, 12891, 13178, 14149
Best. 441 Re­gie­rung Ko­blenz, Nrn. 14885, 14887, 14902, 14907
Best. 716 Schul­chro­ni­ken, Nrn. 64 (Her­schwie­sen), 74 (Win­des­heim),107 (Ko­blenz-Lüt­zel), 122 (El­gert), 320 (Schen­ken­dorf­schu­le Ko­blenz)

Stadt­ar­chiv Ko­blenz:
Brief­wech­sel von El­len (von ih­rem Mann Lot­te ge­nannt) van den Bergh, Ehe­frau des Stabs­of­fi­ziers Ia Hu­go van den Bergh beim Ge­ne­ral­kom­man­do des VIII. Ar­mee­korps wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs, im Pri­vat­be­sitz der Fa­mi­lie, Di­gi­ta­li­sat im Stadt­ar­chiv Ko­blenz. 

Gedruckte Quellen

Kur­siv = Kurz­zi­tier­wei­se
Aff­ler­bach, Hol­ger (Be­arb.), Kai­ser ­Wil­helm II. als obers­ter Kriegs­herr im Ers­ten Welt­krieg. Quel­len aus der mi­li­tä­ri­schen Um­ge­bung des Kai­sers 1914-1918, Mün­chen 2005.

Literatur

Ge­schich­te der Stadt Ko­blenz, hg. v. der En­er­gie­ver­sor­gung Mit­tel­rhein GmbH, Ko­blenz, 2 Bän­de, Stutt­gart 1993.
Gole­cki, Vom Ers­ten Welt­krieg bis zum En­de der Wei­ma­rer Re­pu­blik, in: Ge­schich­te der Stadt Ko­blenz, Band 2, S. 119-169.
Her­res, Jür­gen, Das Preu­ßi­sche Ko­blenz, in: Ge­schich­te der Stadt Ko­blenz, Band 2, S. 49-118.

Rückzug deutscher Truppen nach Koblenz am 7.12.1918. (Stadtarchiv Koblenz)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Dorfey, Beate, „… und der Kriegsgott verteilt blutrote Lorbeeren“: Koblenz im Ersten Weltkrieg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/%25E2%2580%25A6-und-der-kriegsgott-verteilt-blutrote-lorbeeren-koblenz-im-ersten-weltkrieg/DE-2086/lido/5f55f22ceb68d4.36086587 (abgerufen am 19.03.2024)