Der Parlamentarische Rat in Bonn 1948–1949
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1. Teilung Deutschlands
Nachdem die deutsche Wehrmacht am 8./9.5.1945 bedingungslos kapituliert hatte, leiteten die von den Vier Mächten eingesetzten Militärgouverneure politisch und verwaltungstechnisch das in die amerikanische, britische, französische und sowjetische Besatzungszone eingeteilte Deutschland (ohne die annektierten Ostgebiete). Die Militärverwaltungen begannen in der sowjetischen Besatzungszone bereits 1945, in den übrigen drei Zonen erst 1946 und 1947 damit, Länder zu schaffen, Ministerpräsidenten zu bestellen und diese mit der Verwaltung der Länder zu beauftragen. Es wurden Parteien zugelassen, die sich ab 1949 auch über die Besatzungszonen hinweg zusammenschlossen. Den vier Besatzungsmächten fehlte ein gemeinsames deutschlandpolitisches Konzept. Als Folge der sowjetischen Obstruktionspolitik entstand ein „weststaatliches“ Gebilde, wobei eine Zweiteilung Deutschlands von den Alliierten ursprünglich nicht beabsichtigt gewesen war. Um Deutschland politisch und vor allem wirtschaftlich auf eine neue Basis zu stellen, war es allerdings erforderlich, die Besatzungszonen - soweit es ging - zusammenzuführen. So schufen Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika am 1.1.1947 die sogenannte „Bizone“ mit länder- und zonenübergreifenden Verwaltungen, die am 25.6.1947 mit dem „Wirtschaftsrat“ zur ersten gesetzgebenden Körperschaft umgebildet wurden.
Das amerikanische Wirtschaftshilfeprogramm (Marshall-Plan) vom 16.4.1948 und die Währungsreform vom 20.6.1948 in den drei westlichen Besatzungszonen waren erste Schritte zur Bildung eines deutschen Weststaates, dessen Errichtung auf der Londoner Außenministerkonferenz (23.2.–6.3.1948 und 20.4.–2.6.1948) von Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, den Niederlanden und den USA besiegelt wurde. Die Sowjetunion reagierte auf die westalliierten Alleingänge am 16.6.1948 mit dem Ausscheiden aus der Berliner Alliierten Stadtkommandantur und begann am 24.6.1948 die Berlin-Blockade.
Auf der Londoner Außenministerkonferenz verständigten sich die Außenminister auf die sogenannten „Londoner Empfehlungen“, die den Weg zur Arbeit an der Verfassung für einen westdeutschen Staat frei machten. Am 1.7.1948 nahmen die Ministerpräsidenten der deutschen Länder und die Bürgermeister der Stadtstaaten Bremen und Hamburg in den westlichen Besatzungszonen – der Oberbürgermeister der Stadt Berlin war nicht dabei – im Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Frankfurt am Main von den Militärgouverneuren die deutschlandpolitischen Ergebnisse der Londoner Sechsmächtekonferenz entgegen. In den später sogenannten „Frankfurter Dokumenten“ wurden die Ministerpräsidenten „ermächtigt“, eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen, die bis zum 1.9.1948 zusammentreten sollte, um in Deutschland eine Regierungsform des „föderalistischen Typs“ zu schaffen. Diese sollte den beteiligten Ländern genügend Rechte überlassen und die „Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten“ enthalten. Der Verfassungsentwurf sollte von den Militärgouverneuren genehmigt und zur Ratifizierung mittels eines Referendums den Ministerpräsidenten übergeben werden. In einem zweiten Dokument kündigten die Militärgouverneure eine Einbeziehung der Ministerpräsidenten bei der Neuumschreibung gewisser Ländergrenzen an. In einem dritten Dokument erklärten die Alliierten, zeitnahe ein Besatzungsstatut vorzulegen, in dem die Beziehungen zwischen der zukünftigen westdeutschen Regierung und den Militärbehörden geregelt werden sollte. Im Besatzungsstatut sollte ein „Mindestmaß der notwendigen Kontrollen“ über die Innen und Außenpolitik des künftigen Deutschland festgelegt werden.
Weitere – zunächst noch geheim gebliebene Bestimmungen – führten Punkte auf, wie die zukünftige deutsche Verfassung aussehen sollte. Es sollte ein Zweikammersystem geschaffen werden, ferner eine Exekutive mit genau vorgeschriebenen Befugnissen und entsprechend beschränkten Befugnissen der Bundesregierung. Diese Punkte wurden den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates aber erst mit dem Memorandum vom 22.11.1948 bekannt gegeben.
Vom 8.–10.7.1948 kamen die Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen auf dem Rittersturz bei Koblenz zusammen. Sie weigerten sich, an „dem zu schaffenden Gebilde“, das offenbar den Charakter eines Staates erhalten sollte, mitzuwirken, solange Deutschland geteilt war. Stattdessen schlugen sie vor, durch einen „parlamentsähnlichen Rat“ ein „provisorisches Grundgesetz“ ausarbeiten zu lassen. Der US-amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay (1897-1978) zeigte sich geradezu empört über die mangelnde Bereitschaft der Ministerpräsidenten, an der Entstehung des staatlichen Lebens in Deutschland teilzunehmen. Die Ministerpräsidenten hatten nicht verstanden, dass sie in ihrer Stellungnahme in zentralen Punkten von den Frankfurt-Dokumenten abgewichen waren. Erst der britische Militärgouverneur Sir Brian Robertson (1896-1974) erklärte am 20.7.1948, dass es sich bei den Frankfurter Dokumenten um „Anweisungen“ handele, von denen nicht abgewichen werden könne. Für die Teilung Deutschlands übernahmen er und die Alliierten die Verantwortung.
Die Ministerpräsidenten lenkten daraufhin formal zwar ein und erklärten, die Koblenzer Beschlüsse fallen zu lassen, um ihrerseits zur Stabilisierung der politischen Verhältnisse in Deutschland beizutragen. Letztlich aber wurden alle zentralen Forderungen der Ministerpräsidenten aufrechterhalten und durchgesetzt. So wurde seitens der Alliierten auf die Einberufung einer verfassunggebenden Nationalversammlung verzichtet und stattdessen „nur“ ein Parlamentarischer Rat zur Abfassung eines Grundgesetzes einberufen. Es wurde alles vermieden, den Eindruck zu erwecken, es solle eine Zweiteilung Deutschlands herbeigeführt werden.
Bevor der Parlamentarische Rat einberufen wurde, entsandten die Ministerpräsidenten vom 10.–23.8.1948 sachverständige Verfassungsjuristen und Verwaltungsexperten auf die Insel Herrenchiemsee. Auf diesem „Verfassungskonvent“ wurde ein erster umfassender Text für das zukünftige Grundgesetz entworfen. Die Ausschüsse des Parlamentarischen Rates übernahmen zahlreiche Artikel, sodass der Aufbau des späteren Grundgesetzes auf diesen Entwurf zurückging.
Als Tagungsort wählten die Ministerpräsidenten zwischen dem 13. und dem 18.8.1948 in einer telefonischen Abstimmung die Stadt Bonn am Rhein. Als Sitzungsstätte wurde die dortige Pädagogische Akademie am Rhein eingerichtet. Insgesamt wurden 65 Abgeordnete gewählt, darunter vier Frauen. Die meisten Abgeordneten waren schon in der Weimarer Republik politisch tätig gewesen und entsprechend alt. Zu den 65 Abgeordneten kamen fünf Berliner Vertreter, die angesichts des Viermächte-Status der Stadt nur als Gäste oder Beobachter teilnehmen durften und sich zwar an den Beratungen, nicht aber an den Abstimmungen beteiligen durften. CDU/CSU und SPD konnten jeweils 27 Abgeordnete entsenden (19 CDU- und acht CSU-Abgeordnete), während die FDP mit fünf, Zentrum, Deutsche Partei (DP) und KPD jeweils mit zwei Abgeordneten vertreten waren.
2. Konstituierung des Parlamentarischen Rates
Am 1.9.1948 wurde unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit im Bonner Museum Alexander Koenig unter Anwesenheit der Ministerpräsidenten und von Vertretern der amerikanischen, britischen, französischen und belgischen Militärverwaltungen der Parlamentarische Rat feierlich eröffnet. Nach der Feierstunde konstituierte er sich formal in der Pädagogischen Akademie. Als ältestes Ratsmitglied eröffnete der 73-jährige Adolf Schönfelder (1875-1966, SPD) die Sitzung, auf der Konrad Adenauer (CDU) zum Präsidenten gewählt wurde, während die SPD den vermeintlich viel einflussreicheren Vorsitz im Hauptausschuss für ihren Fraktionsvorsitzenden Carlo Schmid (1896-1979) erhalten sollte. Erst viel später wurde deutlich, dass Adenauer sich nicht auf die Leitung der wenigen Plenarsitzungen beschränkte, sondern vor allem repräsentative Aufgaben wahrnahm und durch die Verhandlungen mit den Alliierten auch in der Öffentlichkeit große Popularität auf sein Wirken als Präsident erhielt.
Am 9.9.1948 berief der Parlamentarische Rat seine Fachausschüsse ein. Die Ergebnisse der Fachausschussarbeit wurden ab November 1948 im Hauptausschuss im Beisein von Pressevertretern zu einem ersten Gesamtentwurf zusammengefasst. Die Arbeit in den meisten Ausschüssen konnte bis November 1948 nahezu abgeschlossen werden und verlief insgesamt reibungslos. Bei konträren Auffassungen insbesondere von CDU/CSU und SPD wurden – wie im Fall der Präambel – interfraktionelle Gesprächskreise gebildet und dort Kompromisse ausgearbeitet.
3. Die strittigen Themen
Zu den strittigen Inhalten gehörten das Elternrecht und die Kirchenartikel. Hier traten ideologische und weltanschauliche Unterschiede zwischen den Parteien deutlich zu Tage, weswegen erst unmittelbar vor der Verabschiedung des Grundgesetzes im Mai 1949 nach langwierigen Verhandlungen die Entscheidung fallen konnte. Das Elternrecht bedeutete das Recht der Eltern vor dem des Staates auf die Erziehung und Ausbildung der Kinder. Daran war die freie Wahl der Schulform geknüpft, was wiederum zur Folge hatte, dass außer einer einheitlichen staatlichen Schulform auch Privatschulen und sogenannte Bekenntnisschulen in kirchlicher Trägerschaft zugelassen werden sollten. Vertreter der beiden großen christlichen Konfessionen trafen deswegen mit Abgeordneten des Parlamentarischen Rates Mitte Dezember 1948 zusammen. Adolf Süsterhenn (1905-1974) von der CDU war einer der Protagonisten im Kampf für das Elternrecht; sein „intellektueller Gegenspieler“ war der FDP-Abgeordnete Theodor Heuss (1884-1963), der die Lobbyarbeit der katholischen und evangelischen Kirchenvertreter als „Wichtigtuerei, die weit über das Maß“ hinausginge, abtat. Die SPD wollte auf einen Artikel zum Elternrecht verzichten und eine Beschränkung auf die „klassischen Grundrechte“. Heuss machte schließlich als Minimalkonsens den Vorschlag, die staatsrechtliche Einbindung der Kirchen aus der Weimarer Verfassung zu übernehmen.
War die Einrichtung des Bundestages unumstritten, entzündete sich an der Frage der Länderkammer bis in das Frühjahr 1949 hinein eine heftige Debatte. Die SPD hatte schon im Oktober 1948 durch den Abgeordneten Rudolf Katz (1895-1961) das Senatsprinzip entwickelt, aber auch die Entscheidung für einen Bundesrat nicht grundsätzlich abgelehnt. CDU, Zentrum und Deutsche Partei forderten einen Bundesrat. Der Vorschlag von Konrad Adenauer vom 10.11.1948, die Länderkammer als eine Mischform von Bundesrat und Senat zu gestalten, stieß hingegen auf Ablehnung. Der schließlich geschaffene Bundesrat erreichte die volle Gleichberechtigung mit dem Bundestag nicht.
Die Präambel erhielt erst auf Drängen der CDU/CSU-Fraktion und der Zentrumsfraktion am 16.11.1948 die Anrufung Gottes („Invocatio“): „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen [...]“. Die SPD stellte zwar nochmals am 28.4.1949 die Anrufung Gottes in der Präambel zur Diskussion, doch die CDU/CSU hielt die „Invocatio“ für unverzichtbar. Der FDP-Abgeordnete Thomas Dehler (1897-1967) vermittelte und schlug die Präambelfassung mit Invocatio vor, wie sie bis heute bekannt ist und erstmals am 21.2.1949 in den Grundgesetzentwürfen auftauchte.
Umstritten war auch die Errichtung des Ausschusses für Finanzfragen. Er sollte nach Auffassung mancher Abgeordneter einen gemeinsamen Ausschuss mit dem Ausschuss für Zuständigkeitsfragen bilden. Doch wünschte insbesondere Adenauer, nicht jede Angelegenheit zuerst unter dem Aspekt der Finanzfragen zu betrachten. Offensichtlich bestand bei manchen Abgeordneten das Verlangen, schon bei der Frage der Zuständigkeit von Bund und Ländern die Finanzverwaltung gleich mitzubehandeln. Weil nun tatsächlich im Ausschuss für die Organisation des Bundes die Frage nach einer Länderkammer (Bundesrat/Senat) ungeklärt blieb, kamen auch die Verhandlungen im Finanzausschuss nicht voran. Denn je nachdem, wie umfangreich die Machtzugeständisse an die Länder werden würden, sollten dafür umgekehrt andere Politikbereiche und die Steuerhoheit dem Bund überlassen werden. Der Finanzausschuss entschied sich schließlich gemeinsam mit den meisten seiner Sachverständigen für eine Bundesfinanzverwaltung. Es war dann aber das alliierte Veto, dass die mühsam zwischen CDU/CSU und SPD ausgearbeiteten Kompromisse zur Finanzverwaltung scheitern ließ. Fortan war die zukünftige Finanzverfassung Gegenstand der Beratungen zwischen den Abgeordneten des Parlamentarischen Rates und den Westalliierten.
4. Eingreifen der Alliierten
Zu einem ersten Eingreifen der Alliierten kam es schon am 20.10.1948: Die Militärgouverneure hatten den vom Finanzausschuss ausgearbeiteten Entwurf erhalten, der ihrer Meinung nach nicht den Grundsätzen der Frankfurter Dokumente entsprach. Um nicht den Eindruck zu erwecken, einem Diktat der Alliierten zu unterliegen, wurde das Schreiben der Militärgouverneure stillschweigend zu den Akten genommen. Dieses bestärkte die Militärgouverneure, eine neue und deutlicher formulierte Stellungnahme abzufassen, die inhaltlich dem bisher geheim gehaltenen Anhang zu den Londoner Empfehlungen entsprechen sollte. Die Übergabe des Memorandums an Präsident Adenauer verzögerte sich, weil dieser sich zunächst weigerte, das Schreiben in Empfang zu nehmen. Erst als die Militärgouverneure drohten, dieses auch ohne eine formelle Übergabe der Presse zu übergeben, gab Adenauer nach und ließ sich das Memorandum am 22.11.1948 vorlesen. Es enthielt wenig Überraschendes. Die Forderung nach einer Zweiten Kammer zur Wahrung der Länderinteressen sowie die eingeschränkten Befugnisse von Exekutive und Bund (insbesondere im Bereich der Finanzen) wurden deutlich herausgestellt. Damit kam das Memorandum den Positionen der CDU/CSU-Fraktion entgegen. Neu war im Memorandum die dezidierte Forderung nach einem entpolitisierten Beamten.
Während das alliierte Memorandum vom 22.11.1948 von Abgeordneten aller Parteien als ein massiver Eingriff in die Grundgesetzarbeit gewertet wurde, überlegte Adenauer, wie er die Abgeordneten von der Notwendigkeit eines mit Robertson vereinbarten Zusammentreffens mit den Militärgouverneuren überzeugen konnte. Es galt auf alle Fälle den Eindruck zu vermeiden, dass die Abgeordneten zur Entgegennahme weiterer Anordnungen mit den Militärgouverneuren zusammenkommen würden. Andererseits musste das Grundgesetz ohnehin von den Alliierten genehmigt werden. Es schien also nur klug, diese möglichst bald in die Arbeit einzubinden.
Am 16./17.12.1948 kam es zu gemeinsamen Besprechungen einer Delegation des Parlamentarischen Rates mit den Militärgouverneuren in Frankfurt. Adenauer hatte bei der Gelegenheit unter anderem auf die auch den Besatzungsmächten hinlänglich bekannten Meinungsunterschiede zwischen den Parteien in den Bereichen kulturelle Fragen, Länderkammer und Finanzverwaltung hingewiesen. Wohl aus Enttäuschung über den Verlauf des Gesprächs und vor allem aufgrund einer unglücklich formulierten Pressemeldung, der zufolge Adenauer die Militärgouverneure zu den strittigen Punkten um Auskunft gebeten hätte, warfen schon am 16.12.1948 Mitglieder von SPD, FDP und DP Adenauer vor, er habe die Militärgouverneure zu Schiedsrichtern in den kontrovers diskutierten Fragen anrufen wollen. Die SPD sprach ihm das Misstrauen aus, und es entbrannte Streit, der die gesamte Grundgesetzarbeit im Parlamentarischen Rat lahm legte und erst im Ältestenrat am 4./5.1.1949 beigelegt wurde.
Auf Anregung Adenauers wurde am 26.1.1949 ein interfraktioneller Fünferausschuss eingerichtet, dem von dern CDU Heinrich von Brentano (1904-1964), Theophil Kaufmann (1888-1961), von der SPD Walter Menzel (1901-1963) und Carlo Schmid sowie von der FDP Hermann Schäfer (1892-1966) angehörten, wobei letzterer je nach Thema von Theodor Heuss, Hermann Höpker-Aschoff (1883-1954) oder Thomas Dehler vertreten wurde. Auf Grundlage der Ergebnisse dieses Ausschusses beriet der Hauptausschuss vom 8.–10.2.1949 den Grundgesetzentwurf in dritter Lesung.
Durch alliierte Pressesprecher verlautete aber schon am 14.2.1949, dass die Beschlüsse in „krassem Widerspruch“ zu den alliierten Empfehlungen vom 22.11.1948 stünden, was an dem Fortbestehen der Bundesfinanzverwaltung, einer zu umfangreichen Vorranggesetzgebung der Bundesregierung und dem Fortbestehen des Berufsbeamtentums ausgemacht wurde.
Am 2.3.1949 hatten sich die Militärgouverneure nach intensiven Beratungen zu einem Memorandum entschieden, in dem sie teilweise ausformulierte Artikel vorlegten. Die bisherige Fassung des Grundgesetzes fand nicht ihre Zustimmung, weil der von ihnen geforderte Föderalismus zu wenig Berücksichtigung fand. Das war insbesondere auszumachen an der Behandlung der Fragen der Zuständigkeit des Bundes im Bereich der Gesetzgebung, der Sicherung des Staates (Polizeizuständigkeit), der Finanzverwaltung des Bundes, dem Bundesfinanzausgleichsgesetz, der Unabhängigkeit der Gerichte, der Verwaltungsbehörden des Bundes, des öffentlichen Dienstes, der Neuumschreibung der Ländergrenzen und der Einbeziehung Berlins in den Bund. In einem eigenen Memorandum überließen die Militärgouverneure ferner ausdrücklich den Ministerpräsidenten die zukünftige Gesetzgebung zur Wahl eines westdeutschen Parlaments, denn der Parlamentarische Rat war im Begriff ohne Mandat ein Wahlgesetz zu erarbeiten.
Obwohl die ablehnende Stellungnahme der Alliierten zu erwarten war, zeigten sich Abgeordnete aller Fraktionen bestürzt über die Zurückweisung des mühsam errungenen Kompromisses des Fünferausschusses. Deswegen wurde am 3.3.1949 der interfraktionelle Fünferausschuss zum Siebenerausschuss erweitert. Dieser bestand aus den Mitgliedern des Fünferausschusses sowie um Johannes Brockmann (1888-1975) vom Zentrum und Hans-Christoph Seebohm (1903-1967) von der DP. Der neue Ausschuss sollte das Memorandum prüfen und – auf Vorschlag der Militärgouverneure – mit alliierten Finanzexperten in Verhandlungen treten.
Bis Mitte März 1949 führte der Siebenerausschuss Gespräche mit alliierten Verbindungsoffizieren und eigens berufenen Finanzexperten der Besatzungsmächte. Sie brachten aber keinerlei Annäherung in den umstrittenen Fragen. Der ungeachtet dessen vom Siebenerausschuss vorgelegte Grundgesetzentwurf wurde am 25.3.1949 von den Verbindungsoffizieren abgelehnt. Diese hatten nicht einmal mehr die Militärgouverneure von dem neuen Grundgesetzentwurf amtlich in Kenntnis gesetzt, weil der neue Entwurf deren Forderungen immer noch nicht berücksichtigte.
5. Abschluss der Grundgesetzarbeit
Erst die nach Washington für Anfang April einberufene Außenministerkonferenz ließ hoffen, dass von dort ein Signal kommen könne, das den Weg zu einem erfolgreichen Abschluss der Grundgesetzarbeit ebnete. Gleich zu Beginn der am 5.4.1949 eröffneten Konferenz in Washington verständigten sich die Außenminister von Frankreich, Großbritannien und den USA auf eine Mitteilung an den Parlamentarischen Rat, in der sie ihr „Vertrauen“ zum Ausdruck brachten, dass der Parlamentarische Rat den Empfehlungen der Militärgouverneure die nötige Beachtung schenken würde. Dieser Mitteilung folgte am 10.4.1949 die Übermittlung des ursprünglich schon für Ende 1948 angekündigten Besatzungsstatuts, worin die Kontrollfunktionen der Alliierten umschrieben waren und womit die Souveränität der zukünftigen Bundesrepublik deutlich eingeschränkt war.
Die Mitteilung der Außenminister an den Parlamentarischen Rat war absichtlich unpräzise geblieben. So war nicht klar, ob sie entweder eine Ermahnung oder sogar eine Drohung enthielt, den Empfehlungen der Militärgouverneure zu folgen, oder aber eher als Vertrauensbeweis an die Parlamentarier anzusehen war. Während dessen stritten die Parteien heftig. Die SPD kündigte schließlich an, ihre weitere Mitarbeit bis zum Abschluss ihres für den 20.4.1949 anberaumten kleinen Parteitags in Hannover einzustellen. Die Übermittlung des Besatzungsstatuts bot immerhin Anlass, den Ausschuss für das Besatzungsstatut einzuberufen, um ein Gespräch mit den Alliierten vorzubereiten. Dieses fand am 14.4.1949 in Frankfurt statt. Bei der Gelegenheit legten die Militärgouverneure auch ihr Memorandum zur Regelung der Polizeigewalt vor. Demnach wurden der zukünftigen Bundesregierung Zugeständnisse gemacht, zentrale Bundesbehörden einzurichten „zur Verfolgung von Gesetzesübertretung“ und in jenem Bereich, der den Aufgaben eines Bundesverfassungsschutzamtes entspricht.
Nach Abschluss der Verhandlungen vom 14.4.1949 informierte der britische Militärgouverneur Robertson die SPD-Abgeordneten Carlo Schmid und Walter Menzel über den Inhalt einer zweiten Mitteilung der Außenminister der drei Westmächte. Darin drückten die Außenminister ihr Wohlwollen gegenüber der bisherigen Grundgesetzarbeit des Parlamentarischen Rates aus und gaben den Weg zu einem baldigen Abschluss der Grundgesetzarbeit frei. Den Veröffentlichungstermin dieser Mitteilung überließen die Außenminister ihren Militärgouverneuren. Solange die Mitteilung nicht offiziell bekannt war, konnte die SPD den Inhalt für ihre parteipolitischen Zwecke nutzen. Tatsächlich ging nun die SPD in einer Parteitagsresolution unerwartet weit hinter die Beschlüsse des interfraktionellen Fünferausschusses vom Februar 1949 zurück und forderte – neben dem Verzicht auf die Grundrechte – eine von den Besatzungsmächten unbeeinträchtigte Entschlussfreiheit des Parlamentarischen Rates. Dieser sollte dem Bund zur Erfüllung seiner Aufgabe die notwendigen Mittel und Möglichkeiten schaffen; mithin wurde eine Bundesfinanzverwaltung gefordert. In einem eigenen sogenannten „verkürzten“ Grundgesetzentwurf legte die SPD in den nächsten Tagen dem Parlamentarischen Rat ihr Konzept zur Abstimmung vor. Sollten die zur Bedingung gemachten Forderungen nicht erfüllt werden, drohte die SPD mit einem „eindeutigen Nein“ zum Grundgesetz. Erst nach Veröffentlichung dieser Resolution veröffentlichten die Alliierten am 22.4.1949 die bereits am 5.4.1949 von den Außenministern verabschiedete und am 14.4.1949 der SPD geheim zur Kenntnis gebrachte Mitteilung, in der sie ihr Wohlwollen über die bisherige Grundgesetzarbeit zum Ausdruck brachten.
Die SPD behauptete nun, dass es ihrer unbeugsamen Haltung gegenüber den Alliierten zu verdanken sei, dass diese nun nachgegeben und damit den Weg zum Grundgesetz freigegeben hätten. Sie verschwieg, dass durch Schmid und Menzel vermutlich sogar der gesamte SPD-Parteivorstand über die Mitteilung der westalliierten Außenminister vorab informiert gewesen war. Adenauer nahm das Zusammenspiel von britischer Besatzungspolitik und SPD-Interessen im Wahlkampf zum ersten Deutschen Bundestag auf.
Die Mitteilung der Außenminister vom 22.4.1949 läutete immerhin die letzte Etappe zum Abschluss des Grundgesetzes ein. Am 25.4.1949 wurden in einer mehrstündigen Sitzung in Frankfurt die bislang von den Alliierten abgelehnten Artikel des Grundgesetzentwurfes mit einer Delegation des Parlamentarischen Rates diskutiert. Selbstverständlich blieben die Einwände der Alliierten gegen die zu weit reichenden Befugnisse der Bundesregierung und gegen die umfassenden Bundesvollmachten über den Finanzausgleich zwischen den Ländern bestehen. Mehrfach verließen die Militärgouverneure und ihre Offiziere die Versammlung, um den Abgeordneten des Parlamentarischen Rates die Gelegenheit zu geben, auf interfraktionellem Weg eine Einigung herbeizuführen, die dann auch von den Militärgouverneuren akzeptiert werden konnte. Bei der Frage der Konfessionsschule hielten sich die Alliierten allerdings heraus. Die deutsche Presse feierte daraufhin am nächsten Tag den 25.4.1949 überschwänglich als die „Geburtsstunde“ des westdeutschen Staates. Der Weg für das Grundgesetz war jetzt frei. Die Alliierten hatten ihr grundsätzliches Plazet zum Abschluss der Arbeiten des Parlamentarischen Rates gegeben.
Nun konnte mit der vierten Lesung im Hauptausschuss und mit der zweiten und dritten Lesung im Plenum begonnen werden. Am 8.5.1949 um 23.55 Uhr, dem vierten Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, wurde das Grundgesetz verabschiedet. Es war insbesondere Adenauers Wunsch, diesen Tag neu und positiv zu besetzen. Tatsächlich gab es kaum ein sinnfälligeres Datum, um den westlichen Großmächten den Willen des deutschen Volkes zu demonstrieren, sich verantwortungsvoll am politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands zu beteiligen und zu demonstrieren, dass Deutschland bereit war, aktiv am Zusammenwachsen eines neuen Europa mitzuwirken.
Mit 53:12 Stimmen wurde das Grundgesetz angenommen. Sechs Abgeordnete der CSU und die jeweils zwei Abgeordneten von DP, Zentrum und KPD lehnten es ab. Die CSU vermisste bei dem Grundgesetzentwurf grundlegende föderalistische Vorgaben und ein Bekenntnis zur christlichen Staatsauffassung.
Am 12.5.1949 – dem Tag, an dem die Berlin-Blockade beendet wurde – genehmigten die westlichen Militärgouverneure das Grundgesetz. General Robertson wies noch einmal auf einige Einschränkungen hin. Die Alliierten bestanden aber nun nicht mehr – wie noch in den Frankfurter Dokumenten – auf der Zustimmung zum Grundgesetz durch Referendum. So wurde vom 18.bis 21.5.1949 das Grundgesetz in den Landtagen angenommen, ganz so, wie die Ministerpräsidenten es in ihren Koblenzer Beschlüssen gefordert hatten. Lediglich der Bayerische Landtag lehnte aus den gleichen Gründen wie die vier CSU-Abgeordneten im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz ab, räumte jedoch eine Rechtsverbindlichkeit des Grundgesetzes in Bayern ein, wenn es in zwei Dritteln der deutschen Länder anerkannt würde.
Am Nachmittag des 23.5.1949 wurde in den Tagungsräumen des Parlamentarischen Rates unter Teilnahme einer großen Zahl von Ehrengästen in einer feierlichen Schlusssitzung das Grundgesetz ausgefertigt und verkündet. Es trat um Mitternacht vom 23. auf den 24.5.1949 in Kraft. Die Arbeit des Parlamentarischen Rates war nach fast neun Monaten, viel länger als erwartet, erfolgreich beendet.
Die wahlberechtigten Deutschen in den westdeutschen Ländern haben mit einer Wahlbeteiligung von 86,3 Prozent bei der ersten Bundestagswahl am 14.8.1949 faktisch dem Grundgesetz zugestimmt. Das Grundgesetz entsprang keinem Diktat der Westalliierten; selbst für deren Forderungen gab es immer auch Zustimmung von Abgeordneten des Parlamentarischen Rates.
Quellen
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