Die Dülkener Narrenakademie

Arie Nabrings (Pulheim)

Dülkener Narrenmühle, 2001, Foto: Medienzentrum Kreis Viersen. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

1. Historische Spuren

Die Dül­ke­ner Nar­ren­aka­de­mie sieht den 21.2.1554 als ihr Grün­dungs­da­tum an. Als Mo­tiv dür­fen wir den Spott auf die Geist­lich­keit und die über­trie­be­ne Wich­tig­tue­rei der Ge­lehr­ten un­ter­stel­len. Man gab sich la­tei­ni­sche Na­men, über­zo­ge­ne Ti­tel so­wie aka­de­mi­sche Wür­den und ritt auf Ste­cken­pfer­den um den Sitz der Ge­sell­schaft, die Nar­ren­müh­le.

Las­sen wir die Be­haup­tung, 1554 ins Le­ben ge­tre­ten zu sein, ein­mal bei­sei­te und fra­gen statt­des­sen nach den his­to­risch nach­weis­ba­ren Spu­ren, die das Vor­han­den­sein des Be­griffs be­zie­hungs­wei­se der Ge­sell­schaft „Nar­ren­aka­de­mie“ be­le­gen.

Dülkener Narrenmühle, 2001, Foto: Medienzentrum Kreis Viersen. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Da ist als ers­tes ein Dok­tor­di­plom an­zu­füh­ren, und zwar für Fran­cis­cus Ga­s­pa­ro­nus. Es be­fin­det sich im Mu­se­um der Dül­ke­ner Nar­ren­müh­le. Da­ne­ben exis­tier­te ei­ne Ab­schrift im Stadt­ar­chiv Köln.[1]  Die Da­tie­rung ist an­hand des in der Kopf­zei­le des Ori­gi­nals vor­han­de­nen Chro­no­gramms auf 1746 vor­zu­neh­men. Ein Franz Jo­seph von Cas­pars ist für die­se Zeit auch als Köl­ner Bür­ger nach­weis­bar. Er wur­de am 5.10.1722 in die Bür­ger­schaft auf­ge­nom­men, war Rats­herr der Stadt Köln und starb am 10.3.1767.[2]  Franz Jo­seph von Cas­pars ist da­mit der ers­te si­cher ver­bürg­te Dok­tor in der Dül­ke­ner Aka­de­mie be­zie­hungs­wei­se, wie es im la­tei­ni­schen Text hei­ßt, Ca­ca­de­mi­co Dül­ke­nia­no (in der Dül­ke­ner Ka­ka­de­mie). Als Rec­tor ma­gni­fi­cus trat hier­bei ein D. In­nig aus Bonn auf. Er ist der ers­te na­ment­lich be­kann­te Rec­tor der Dül­ke­ner „Uni­ver­si­tät“.

Re­la­tiv zeit­nah zu die­sem Di­plom fin­den wir den nächs­ten Hin­weis auf die Nar­ren­stadt Dül­ken mit ih­rer wun­der­li­chen Müh­le. Es han­delt sich um ein 1750 in Köln bei Gus­sen er­schie­ne­nes acht­sei­ti­ges Schmäh­ge­dicht mit dem mons­trö­sen Ti­tel:

Der in sei­nem Sau-Spiel sich selbst ver­schimp­fen­de Dül­ke­ner Co­mö­di­ant. Daß ist, Der sein un­ge­reim­tes Deut­sches Hel­den-Lied ge­gen das neu­lich aus­ge­ge­be­ne Ta­del-Ge­dicht in ei­nem zwar ge­wünsch­ten, aber nicht an Tag ge­ge­be­nen Schau-Spiel noch un­ge­reim­ter vert­hä­ti­gen­de J. B. B., Wel­cher das öf­fent­li­che Straf-Urt­heil, so er über den Ver­fas­ser des Ta­del-Ge­dich­tes gern hät­te aus­spre­chen ge­hört, ihm selbst über den Hals zie­het, aber­mahl von sel­bi­gem Tad­ler F. A. X. in ei­nem Deut­schen Ge­dicht vor­ge­stel­let. Ge­druckt weit von der Dül­ke­ner Mühl.

Aus­zü­ge des Ge­dich­tes wur­den am 3.8.1929 in der Ver­ei­nig­ten Drei­städ­te-Zei­tung ver­öf­fent­licht.[3]  Dül­ken wird in dem Streit­ge­dicht als ein in der gan­zen Welt ver­schrie­ner Nar­ren­ort be­zeich­net. Bei der dor­ti­gen Müh­le, wo

bei ver­kehr­tem Wind
ver­samm’let Hau­fen weiß die Al­bern Nar­ren sind
soll der be­feh­de­te Dich­ter sei­nen Wohn­ort wäh­len, weil die Mu­sen ihn zur Stra­fe des Par­nas­ses ver­wie­sen ha­ben.

Da­mit wä­re für die Mit­te des 18. Jahr­hun­derts ein Nach­weis für den Ruf Dül­kens als Nar­ren­stadt vor­han­den. Der Kon­junk­tiv des letz­ten Sat­zes ist be­wusst ge­wählt. Denn der Stand­ort­nach­weis oder bi­blio­gra­phi­sche Be­leg für das Ge­dicht fehlt. We­der war es in der Köl­ner Uni­ver­si­täts- und Stadt­bi­blio­thek noch im dor­ti­gen Stadt­ar­chiv vor­han­den. Auch im hand­schrift­li­chen Ver­zeich­nis von Bül­lin­gen (An­na­les ty­po­gra­phi­ci Co­lo­ni­en­ses) mit der chro­no­lo­gi­schen Rei­he der Gus­sen-Dru­cke fand sich kein Hin­weis auf die Schmäh­schrift von 1750. Wir müs­sen es des­halb zu den mit Zwei­feln be­haf­te­ten Be­le­gen für die Nar­ren­stadt Dül­ken rech­nen. Die ers­te Er­wäh­nung ei­ner „Pro­mo­ti­ons­fei­er“ fin­det sich 1777 in der Chro­nik des Dül­ke­ner Pas­tors Igna­ti­us Köl­ges. Dort hei­ßt es: „Nach dem Es­sen wur­de der Herr von Beeck für sei­ne Ver­diens­te mit der Dok­tor­wür­de an der Dül­ke­ner Uni­ver­si­tät aus­ge­zeich­net.“ [4] 

Initial des Doktordiploms, nach 1799. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Der nächs­te Be­leg stammt wahr­schein­lich aus dem Jahr 1779. Auf ei­ner Land­kar­te wird der Grund­be­sitz der Be­ne­dik­ti­ner­ab­tei Glad­bach (heu­te Mön­chen­glad­bach) wie­der­ge­ge­ben, und zwar die Props­tei Buch­holz. Sie liegt zwi­schen dem Brohl­tal und dem Glees­bach in der Nä­he des Laa­cher Sees. Das Blatt ent­hält ei­ne schö­ne An­sicht der Props­tei. Die Rich­tig­keit der Zeich­nung be­stä­ti­gen auf der Kar­ten­rück­sei­te u. a. Au­gus­tin Ra­ves, der ur­al­ten Uni­ver­si­tät und ge­lehr­ten Ge­sell­schaft zu Dul­cken Doc­to­ren und C[atha­ri­na] Adel­heidt Holtz, Doc­to­rin von Dülcken.[5]  Die bei­den ge­nann­ten Per­so­nen stamm­ten aus Dül­ken. Pa­ter Au­gus­tin Ra­ves war Mönch in der Glad­ba­cher Ab­tei und Ca­tha­ri­na Adel­heidt Holtz scheint sei­ne Ver­wand­te ge­we­sen zu sein. Sie wur­de 1749 in Dül­ken ge­bo­ren und starb 1795 in Buch­holz. Die Ein­tra­gung auf der Kar­te ist zu­dem mit ei­ner Zeich­nung ver­se­hen, die ei­ne Wind­müh­le, dar­un­ter die Buch­sta­ben L[oco] S[igil­lo], den ge­schwun­ge­nen Schrift­zug Glo­ria ti­bi Dul­cken (Eh­re sei Dir, Dül­ken) und den auf­ge­zäum­ten Kopf ei­nes Ste­cken­pfer­des oder Esels zeigt, bei­des Sym­bo­le der Nar­ren­aka­de­mie. Dies ist der ers­te Nach­weis, für den bis auf den heu­ti­gen Tag in Dül­ken üb­li­chen Kar­ne­vals­ruf „Glo­ria ti­bi Dül­ken“.[6] 

An den Ein­tra­gun­gen sind meh­re­re Din­ge be­mer­kens­wert. Der Dül­ke­ner Dok­tor­ti­tel scheint wohl mit ei­nem ge­wis­sen Pres­ti­ge be­haf­tet ge­we­sen zu sein. Er war of­fen­bar für ei­nen Geist­li­chen ak­zep­ta­bel und ver­trug sich mit der Wür­de sei­nes Stan­des. So­dann war er nicht auf Män­ner be­schränkt, son­dern wur­de auch an Frau­en ver­lie­hen.

In dem Köl­ner Spott­ge­dicht aus der Mit­te des 18. Jahr­hun­derts be­saß Dül­ken den Ruf ei­nes ver­schrie­nen Nar­ren­or­tes. Zu En­de des Jahr­hun­derts muss Dül­ken wie­der her­hal­ten, um den Hin­ter­grund für ei­ne Po­le­mik ab­zu­ge­ben. In der Aus­ein­an­der­set­zung über die Be­deu­tung der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on in Kre­feld war En­gel­bert vom Bruck im dor­ti­gen kon­sti­tu­tio­nel­len Klub ei­ner ih­rer Ver­tei­di­ger. Ge­gen ihn und sei­ne Schrif­ten er­schien 1798 ei­ne 70 Sei­ten um­fas­sen­de Ar­beit mit dem Ti­tel: Recht­li­ches Gut­ach­ten der Dül­ker Ge­cken-Re­pu­blik und ih­rer Vor­ge­setz­ten; nebst Ab­fer­ti­gung der Frey­heit- und Gleich­heits­schwär­mer, ge­druckt in Dül­ken bei Till Eu­len­spie­gel, Aka­de­mie-Buch­dru­cker.[7]  In ihr wer­den die Ar­gu­men­te der Re­vo­lu­ti­ons­geg­ner vor­ge­tra­gen, die Glücks­ver­spre­chen der Re­vo­lu­ti­ons­an­hän­ger mit der Wirk­lich­keit kon­fron­tiert und ihr Trei­ben als ge­hei­mes, nachts im Mond­schein aus­ge­führ­tes Hand­werk dar­ge­stellt. Wel­cher Ver­fas­ser sich hin­ter die­sen Zei­len ver­birgt und ob er tat­säch­lich aus Dül­ken kommt, lässt sich nicht fest­stel­len. Die Schrift hat in der Neu­en All­ge­mei­nen Deut­schen Bi­blio­thek 48 (1799) 2. Heft, S. 124-126 ein Echo in Form ei­ner Be­spre­chung ge­fun­den. Sie selbst ist nicht mehr nach­weis­bar.

Ältester Beleg für den Ruf „Gloria tibi Dülken“, 1779. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Wa­ren es bis­lang ver­ein­zel­te, spo­ra­di­sche Spu­ren, die wir fest­stel­len konn­ten, so ver­dich­ten die­se sich in der Fran­zö­si­schen Zeit. In den von den fran­zö­si­schen Be­am­ten er­stell­ten Rei­se­be­rich­ten taucht die Nar­ren­aka­de­mie stets auf. Der Un­ter­prä­fekt des Ar­ron­dis­se­ments Kle­ve, J. A. Dorsch, be­rich­tet 1804, dass Dül­ken durch die Nar­ren­uni­ver­si­tät (l’uni­ver­sité des fous) be­rühmt sei. Dorsch sieht dar­in ei­ne Nach­ah­mung des Kle­ver Nar­ren­or­dens, und er gibt ei­ne kur­ze Be­schrei­bung aus dem Le­ben der Nar­ren­uni­ver­si­tät:

A Dül­ken le can­di­dat qui as­pe­rait à l’hon­neur d’êt­re reçu dans l’uni­ver­sité, de­vait su­bir un ex­amen et rem­plir di­ver­ses cé­ré­mo­nies. S’il s’en ac­quit­tait bi­en, il était ag­gré­gé doc­teur et ob­te­n­ait le bré­vet qui l’au­to­ri­sait à com­mett­re tou­tes sor­tes de fo­li­es qui y étai­ent spé­ci­fiées et qui ne fais­sai­ent tort à per­son­ne.

(Zu Dül­ken muss­te der Kan­di­dat, wel­cher nach der Eh­re streb­te, in die Aka­de­mie auf­ge­nom­men zu wer­den, ein Ex­amen be­ste­hen und ver­schie­de­ne Ze­re­mo­ni­en er­fül­len. Wenn er sich sei­ner Auf­ga­be gut ent­le­dig­te, wur­de er als Dok­tor auf­ge­nom­men und er­hielt das Di­plom, wel­ches ihn er­mäch­tig­te, al­le Ar­ten von Tor­hei­ten zu be­ge­hen, wel­che in dem­sel­ben ein­zeln auf­ge­führt wa­ren, und die nie­mand et­was zu Lei­de ta­ten.)[8] 

Fast eben­so äu­ßert sich ei­ni­ge Jah­re spä­ter der Prä­fekt des Ro­er­de­par­te­ments La­doucet­te in sei­nem Rei­se­be­richt von 1813/1814.[9]  Die Über­ein­stim­mun­gen in der Be­schrei­bung sind sehr weit­ge­hend. Hat La­doucet­te nur ab­ge­schrie­ben? Er ver­merkt je­den­falls die Ähn­lich­keit mit dem Kle­ver Nar­ren­or­den, er­wähnt die ge­bräuch­li­chen Ze­re­mo­ni­en und die Ver­lei­hung ei­nes Dok­tor­di­ploms. Schlie­ß­lich bleibt noch für 1808 Spa­en[10]  her­vor­zu­he­ben, der in Dül­ken auf die Hoo­ge School der Gek­ken hin­weist, die doc­to­r­aa­le Waar­dig­heid en een Bul­le ver­leiht.

Dass Dül­ken ei­nen när­ri­schen Ruf be­saß, da­für gibt es 1805 ei­ne wei­te­re Quel­le. Es sind die Sta­tu­ten ei­nes Köl­ner Nar­ren­or­dens, de­ren Ti­tel lau­tet:

Nos­ce­teip­sum. Das ist: Noth- und Hilfs-Büch­lein für die sicht­ba­ren und un­sicht­ba­ren, so­wohl leib­li­chen als männ­li­chen Glie­der des in Dül­ken von un­se­ren Vor­fah­ren gott­se­li­gen An­denkens, zu­gleich auch in Po­len ge­stif­te­ten, un­ter dem Na­men Ba­bie­na[11]  be­kann­ten, so­fort von uns beim dies­jäh­ri­gen Fa­sching er­neu­er­ten Nar­ren­or­dens, Köln 1805.

Da­nach ha­ben die Köl­ner den - man kann fast sa­gen - my­thi­schen Ur­sprung ih­rer Ge­sell­schaft in Dül­ken ge­se­hen und er­wie­sen dem Ort mit der na­ment­li­chen Nen­nung ih­re Re­fe­renz. Sie sa­hen ihn als bei­spiel­haft an, weil Dül­ken er­kann­te, dass es auf Er­den kei­ne Wei­sen gibt und for­der­ten die Zu­hö­rer auf:

Hört von dem al­ten Or­den
Den Dül­ken einst ge­bahr,
Wie er ver­brei­tet wor­den,
Wer sein Er­neu­rer war.[12] 

Illustration aus den Statuten des Narrenordens, 1805. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Dül­ken wur­de den Köl­nern auch durch ein be­lieb­tes Pup­pen­spiel in Er­in­ne­rung ge­hal­ten. Carl Nies­sen (1890-1969) be­zeich­net das Stück „Die Nar­ren von Dül­ken“ (1819/1820) als ei­nes der reiz­volls­ten äl­te­ren Pup­pen­spiel­tex­te, das sei­ne par­odis­ti­sche Wir­kung durch die Be­set­zung olym­pi­scher Göt­ter­rol­len mit Ty­pen aus dem Dorf er­zielt.[13]  Dül­ken dient in dem Stück als Fo­lie, auf die Ge­schich­ten pro­ji­ziert wer­den, die ih­ren Ur­sprung im Lal­e­buch ha­ben, ei­ner En­de des 16. Jahr­hun­derts ent­stan­de­nen Samm­lung ko­mi­scher Ge­schich­ten.[14]  Die Schwän­ke die­ser Zu­sam­men­stel­lung stre­ben in der Fol­ge ei­ne Lo­ka­li­sie­rung der Er­eig­nis­se an. Sie wer­den in kon­kre­te Or­te (zum Bei­spiel Schil­da oder Schöp­pen­städt) ver­legt. Ähn­li­ches wi­der­fährt auch Dül­ken, denn zu ei­ner ei­gen­wüch­si­gen ko­mi­schen Le­gen­de[15]  hat es die Stadt nicht brin­gen kön­nen. So sind denn die Ge­schich­ten über Dül­ken und die Dül­ke­ner zu­meist dem Lal­e­buch ent­lehnt.

Die be­son­de­re Be­zie­hung Kölns zu Dül­ken blieb auch in der Fol­ge er­hal­ten und wur­de von den Dül­ke­nern er­wi­dert, die am Köl­ner Kar­ne­val teil­nah­men. Ih­nen schien nicht al­les be­hagt zu ha­ben. 1824 be­klag­ten sie sich, dass man in Köln den Kar­ne­val zu ernst­haft be­trie­be und wur­den da­mit ih­rem Ruf in der ih­nen ei­ge­nen Wei­se ge­recht[16] . Die Köl­ner be­wun­der­ten Dül­ken 1825 als ei­nen in den An­na­len der Narr­heit höchst­be­rühm­te[n] Ort, sa­hen sei­ne Ein­woh­ner als toll (= doll) an, führ­ten die Stadt in ei­nem när­ri­schen Stamm­baum als ih­ren Ahn­herrn auf[17]  und er­wie­sen ih­re Re­fe­renz durch die Ein­be­zie­hung Dül­kens in die Hand­lung des Kar­ne­val­fes­tes 1825 so­wie durch die Auf­nah­me des Dül­ke­ner Mond­sym­bols beim Kar­ne­vals­fest 1826. Der Held Kar­ne­val soll­te über Dül­ken ei­ne Rei­se zum Mond un­ter­neh­men, um sich nach ei­ner dort ent­deck­ten Fes­tung zu er­kun­di­gen. Die Mond­rei­se griff die Be­rit­te­ne Aka­de­mie im Üb­ri­gen in ih­rer Ein­la­dung zum Neu­jahrs­fest am 2.4.1826 als Mo­tiv auf und ge­stal­te­te ei­ne Li­tho­gra­phie da­mit. Der Kon­takt zu Köln wur­de von Dül­ken ge­pflegt. de Noël be­rich­tet dar­über: Von nun an gin­gen al­le wich­ti­gen Nach­rich­ten aus die­sem Blat­te (sc. der „Of­fi­zi­el­len Kar­ne­vals-Zei­tung von Köln“) her­vor. So er­fuhr man be­reits aus sei­ner ers­ten Num­mer [vom 29.1.1825], daß des Hel­den Kar­ne­val Toll­heit ge­ruht hat­ten, die Toll­den­sel­ben von der Monds-Uni­ver­si­tät und be­rit­te­nen Aka­de­mie etc. zu Dül­ken durch den Schnei­der und Schnell­rei­ter Floh­sti­chi­us Wips­teez über­sand­ten In­si­gni­en des Wind­müh­len-Or­dens mit al­len Flü­geln und des jun­gen Lichts, so wie das bei­ge­leg­te Dok­tor-Di­plom huld­reichst an­zu­neh­men.[18]  Dül­ken wuchs den Köl­nern ans Herz. Sei­ne Müh­le und das Ste­cken­pferd be­san­gen sie in zahl­rei­chen Lie­dern.[19]  Ei­nen The­men­wa­gen Dül­ke­ner Nar­ren­aka­de­mie fin­den wir selbst noch im Ro­sen­mon­tags­zug 1912.

In der Fran­zö­si­schen Zeit weist al­les auf ei­ne um­trie­bi­ge Aka­de­mie hin. Erst mit dem po­li­ti­schen Um­bruch 1814/1815 ver­lie­ren sich die Spu­ren. Das frü­hes­te An­zei­chen für ein Wie­der­auf­le­ben in der preu­ßi­schen Zeit fin­den wir 1820. Es ist ein Mit­glieds­di­plom für J. P. Hart­ges aus Wald­niel.[20]  Vor der Kon­sti­tu­ie­rung der Be­rit­te­nen Aka­de­mie als Ver­ein 1825 ist noch ein wei­te­res Di­plom von 1822 er­hal­ten ge­blie­ben, und zwar die Eh­ren­mit­gliedsur­kun­de für Franz Ross­bach aus Düs­sel­dorf.[21]  Das äl­tes­te deut­sche Dok­tor­di­plom stammt von 1821.[22]  Die Di­plo­me be­le­gen die zu Be­ginn der 1820er Jah­re aufs Neue auf­kei­men­de Tä­tig­keit in Dül­ken.

Deutsches Doktordiplom, um 1820, Foto: Medienzentrum Kreis Viersen. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Die un­ter­schied­li­chen Hin­wei­se auf Dül­ken als Nar­ren­ort so­wie auf die Nar­ren­uni­ver­si­tät mit ih­ren kau­zi­gen Ri­ten und der Pro­mo­vie­rung von Dok­to­ren tau­chen seit 1746 si­cher ver­bürgt auf. Spä­tes­tens um die Mit­te des 18. Jahr­hun­derts dürf­te des­halb die Ge­burts­stun­de der Nar­ren­aka­de­mie an­zu­set­zen sein. Ob es sie um die­se Zeit tat­säch­lich in Dül­ken ge­ge­ben hat oder ob Dül­ken nur als Syn­onym für schrul­li­ges Trei­ben fun­gier­te, als Ort, an dem sich ei­ne an Scherz und Spott la­ben­de Phan­ta­sie nie­der­ließ, dar­über kön­nen wir nur mut­ma­ßen.

2. Das Entstehungsumfeld

Über die Ur­sa­chen für die Ent­ste­hung der Nar­ren­aka­de­mie ge­ra­de in Dül­ken ist viel spe­ku­liert wor­den. Ei­ni­ge sa­hen sie im Cha­rak­ter des Dül­ke­ners be­grün­det, der je­der­zeit zu Spä­ßen auf­ge­legt sei, an­de­re mein­ten, der Orts­na­me hät­te den An­stoß da­zu ge­ge­ben, die Dül­ke­ner als doll an­zu­se­hen, wie­der an­de­re führ­ten Ge­schich­ten an, in de­nen die Dül­ke­ner sich toll­pat­schig und dumm an­ge­stellt und da­durch den Spott der Um­welt auf sich ge­zo­gen hät­ten. Ein schlüs­si­ger Be­weis ist all dem nicht zu ent­neh­men.

Einladung zum Neujahrsfest, Lithographie von 1826. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Die am Ort be­lieb­tes­te The­se be­sagt, dass sich die Dül­ke­ner über das Ge­ha­be der Brü­der des Kreuz­her­ren­klos­ters be­lus­tigt hät­ten und es per­si­flier­ten. Soll­te das zu­tref­fen, ent­steht so­gleich die nächs­te und kaum zu be­ant­wor­ten­de Fra­ge: wer hät­te das in dem klei­nen Land­städt­chen, das Dül­ken im 17./18. Jahr­hun­dert ge­we­sen ist, sein sol­len? Schlie­ß­lich muss­te die Per­son über aus­rei­chen­de La­tein­kennt­nis­se ver­fü­gen, sich li­te­ra­risch be­tä­ti­gen, über­ört­li­che Kon­tak­te knüp­fen und zu al­le­dem auch noch Mit­strei­ter in der Stadt fin­den, die ähn­li­che In­ter­es­sen ver­folg­ten, um nur ei­ni­ges zu nen­nen. Nach al­lem, was wir wis­sen, fehl­te es in Dül­ken an sol­chen Leu­ten zu En­de des Al­ten Rei­ches. Zu­dem ist ein Um­stand an­ge­sichts der vie­len und un­ter­schied­li­chen Hin­wei­se auf Dül­ken und die Nar­ren­uni­ver­si­tät auf­fal­lend: es fin­den sich kei­ne lo­ka­len Quel­len. Do­er­gens konn­te sei­ner­zeit al­te Dül­ke­ner Fa­mi­li­en­chro­ni­ken ein­se­hen und das da­mals noch un­zer­stör­te Stadt­ar­chiv zu Ra­te zie­hen. Nir­gends er­gab sich für die Früh­zeit, sprich für das 17. oder 18. Jahr­hun­dert, ein Hin­weis auf das Trei­ben der Nar­ren­aka­de­mie in Dül­ken.[23] 

Die ers­ten si­cher greif­ba­ren Spu­ren führ­ten uns um die Mit­te des 18. Jahr­hun­derts nach Köln. Hier mach­te man sich über die Dül­ke­ner lus­tig. Wie konn­te es da­zu kom­men? Auf die Ge­fahr hin, die vie­len Hy­po­the­sen um ei­ne wei­te­re zu er­gän­zen, sei auf ei­ne No­tiz ver­wie­sen, die sich im Pfar­rar­chiv Born (bei Brüg­gen) be­fin­det. Dort hei­ßt es:

Hic unus, Rog­gen, in­ter­ve­nit, qui ta­men, ut su­pra di­xi, de­se­ruit su­um na­ti­vum con­ven­tum aan­no 1615a et ad aca­de­miam Dulck­en­sem pro­mo­ven­dus per­r­ex­it et in­de lau­rea­tus, pace di­xe­rim, ad sanc­tum Pe­trum [sc in Born] re­fu­git.[24] 

Schreiben der Berittenen Akademie vom 15. Oktober 1828 an Goethe mit dessen Kommentar: 'Rheinische Absurditäten'. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

a-a) Nach­trag über der Zei­le

(Hier trat ei­ner, Rog­gen, auf, der im­mer­hin, wie ich oben sag­te, sei­nen ur­sprüng­li­chen Kon­vent 1615 im Stich ließ, als Pro­mo­vend an die Dül­ke­ner Aka­de­mie ging und sich von dort als Lau­re­at – ich möch­te sa­gen: in Frie­den – nach St. Pe­ter [in Born] zu­rück­zog.)

Die Stel­le ist aus zwei Grün­den in­ter­es­sant. Ers­tens be­weist sie, dass im Dül­ke­ner Kon­vent der Kreuz­her­ren zu An­fang des 17. Jahr­hun­derts stu­diert wur­de, und zwei­tens konn­te man dort ei­nen aka­de­mi­schen Grad er­wer­ben. Das 1479 ge­grün­de­te Kreuz­her­ren-Klos­ter ist an­sons­ten nicht als Aus­bil­dungs­stät­te be­kannt. Für 1788 ist nur das Vor­han­den­sein ei­ner seit ur­denk­li­chen Zei­ten be­ste­hen­den La­tein­schu­le be­legt. Das Klos­ter zähl­te zu den är­me­ren der Kreuz­her­ren und hielt sei­nen Be­stand nur mit Mü­he auf­recht. 1786 wa­ren die Klos­ter­ge­bäu­de bau­fäl­lig.[25]  Dass sich die Dül­ke­ner über die Kreuz­her­ren und ih­re im Klos­ter be­trie­be­ne aka­de­mi­sche Aus­bil­dung durch Per­si­flie­rung la­tei­ni­scher Ur­kun­den lus­tig ge­macht hät­ten, ist eher un­wahr­schein­lich. Wer hät­te es denn sein sol­len? Plau­si­bler scheint die The­se, dass man[26]  sich in Köln über die Dül­ke­ner Kreuz­her­ren amü­siert hat. Schlie­ß­lich la­vier­te das Klos­ter häu­fig am Exis­tenz­mi­ni­mum und wird kein be­son­ders hoch­wer­ti­ges Stu­di­um ge­bo­ten ha­ben kön­nen. Der dort er­wor­be­ne Grad flö­ß­te wahr­schein­lich we­nig Ach­tung ein. Er rief viel­mehr Spott her­vor, der sich dann auf Dül­ken über­trug, die Stadt, die ein sol­ches Klos­ter in ih­ren Mau­ern be­her­berg­te.

Bestallungsurkunde der Dürener Wurm-Messer-Gilde, 1828, Foto: Medienzentrum Kreis Viersen. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Viel­leicht wur­den die Dül­ke­ner Kreuz­her­ren so­gar selbst Ur­he­ber ei­ner när­ri­schen Aka­de­mie, nach­dem das Klos­ter zum Ge­spött in Köln ge­wor­den war. Man­che An­zei­chen deu­ten auf den Ur­sprung im Klos­ter hin. Bei den Bild­quel­len fin­den wir ein In­diz da­für, eben­so in der wei­ter un­ten zu er­ör­tern­den Sank­ti­ons­for­mel der nach 1799 ent­stan­de­nen la­tei­ni­schen Dok­tor­ur­kun­de. Den drit­ten Hin­weis kön­nen wir schlie­ß­lich dem Wahl­spruch „Glo­ria ti­bi Dül­ken“ ent­neh­men, des­sen Ver­wandt­schaft zur kirch­li­chen Lob­prei­sung Got­tes „Glo­ria ti­bi, do­mi­ne“ er­kenn­bar ist. Wenn ei­ne Ver­bin­dung zwi­schen Klos­ter und när­ri­scher Aka­de­mie be­stan­den hat, dann er­klärt es auch, war­um der när­ri­sche Dok­tor­ti­tel 1777 für ei­nen Geist­li­chen nicht an­stö­ßig war, wenn er aus Dül­ken stamm­te. Es ist ein mit Au­gen­zwin­kern ent­rich­te­ter Tri­but an das (ver­geb­li­che) Be­mü­hen der Kreuz­her­ren um die För­de­rung der Stu­di­en in Dül­ken. Erst in ei­nem zwei­ten Schritt ist es dann da­zu ge­kom­men, dass man in Dül­ken zur Zeit der Fran­zö­si­schen Be­set­zung der Spöt­te­lei ei­nen „in­sti­tu­tio­nel­len“ Rah­men gab: die Nar­ren- oder Monds­uni­ver­si­tät. Ur­sprüng­lich war das Dül­ke­ner Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren wahr­schein­lich kei­ne Ver­spot­tung des aka­de­mi­schen Ge­ha­bes, son­dern ei­ne Par­odie­rung der „Dül­ke­ner Aka­de­mie“ im Kreuz­her­ren­klos­ter. Das ha­ben die Dül­ke­ner auf­ge­grif­fen und es be­nutzt, um sich ih­rer­seits über Wis­sen­schaft und Auf­klä­rung so­wie über Ti­tel und Ur­kun­den zu be­lus­ti­gen. Im Lau­fe der Zeit wan­del­te sich so der Spott über Dül­ken zum Dül­ke­ner Spott.

3. Die Rolle Dülkens im rheinischen Karneval

Ei­ne be­son­de­re Rol­le nahm Dül­ken wäh­rend der Ent­wick­lung des rhei­ni­schen Kar­ne­vals zu An­fang des 19. Jahr­hun­derts ein. Als sich in Düs­sel­dorf 1825 der ers­te Kar­ne­vals­ver­ein bil­de­te, war ein we­sent­li­ches Mo­tiv, Frem­den auch in Düs­sel­dorf wäh­rend der Kar­ne­vals­ta­ge Un­ter­hal­tung bie­ten zu kön­nen, da­mit sie sich nicht dar­an ge­wöh­nen, nach Köln zu rei­sen. Ein um­fang­rei­ches Pro­gramm soll­te Be­su­cher an­lo­cken und in ei­nem Send­schrei­ben brach­ten die Göt­ter des Olymp ih­re Zu­frie­den­heit über das avi­sier­te Bünd­nis mit der ho­hen Fa­kul­tät zu Dül­ken zum Aus­druck. Die Dül­ke­ner soll­ten be­ra­ten und hel­fen und ka­men selbst nach Düs­sel­dorf. Am Ro­sen­mon­tag er­schie­nen sie, vom Zug­füh­rer mit ei­ner Fah­ne „Dül­ken und Düs­sel­dor­f“ an­ge­kün­digt.[27]  Zur Er­in­ne­rung an Dül­ken bei der Neu­be­grün­dung des Düs­sel­dor­fer Kar­ne­vals gab es ei­nen auf 1825 da­tier­ten hand­ko­lo­rier­ten Stich mit dem Ti­tel:

Radierung aus der KURIOSA, 1. Band, 1826. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Held Kar­ne­val be­sucht zur Teil­nah­me an der Ver­mäh­lung sei­nes neu er­nann­ten Ge­sand­ten Gi­se­li­nus Schmer­zen­bier von der Dül­ke­ner Nar­ren­aka­de­mie und Mond-Uni­ver­si­tät, ei­nes frü­he­ren Nacht­wäch­ters, mit der Düs­sel­dor­fe­rin Fräu­lein Pris­ka Pe­tro­nella Düs­sel­blas­horn zum ers­ten Mal un­se­re Stadt, de­ren Schön­heit er auf ei­nem pom­phaf­ten Um­zug am Ro­sen­mon­tag ken­nen lernt.[28] 

Der Stich ist mir un­be­kannt. Er wur­de der Nar­ren­aka­de­mie 1957 zum Kauf an­ge­bo­ten, aber von ihr nicht er­wor­ben. Über sei­nen Ver­bleib lie­gen kei­ne Nach­rich­ten vor. Er wür­de ein In­diz für die en­ge Be­zie­hung zwi­schen Dül­ken und Düs­sel­dorf 1825 sein. Von der Le­ben­dig­keit der Er­in­ne­rung an Dül­ken zeugt auch die Ta­ge­buch­no­tiz ei­nes Düs­sel­dor­fers, in der er da­von be­rich­tet, von sei­nem On­kel ge­hört zu ha­ben, er ha­be vor­ge­schla­gen, Goe­the zum Eh­ren­mit­glied zu ma­chen und ihm das Dok­tor­di­plom zu über­sen­den. Der Nef­fe schenk­te der Ge­schich­te kei­nen Glau­ben, wur­de aber an­läss­lich der Goe­the­aus­stel­lung in Düs­sel­dorf 1899 ei­nes bes­se­ren be­lehrt. Dort fan­den sich tat­säch­lich das Schrei­ben von 1828 und ei­ni­ge Schrif­ten der Dül­ke­ner an den Ge­heim­rat und Dich­ter­fürs­ten aus­ge­stellt. Der no­tier­te da­mals nur la­ko­nisch Rhei­ni­sche Ab­sur­di­tä­ten und leg­te al­les mit ei­ner Ban­de­ro­le ver­se­hen zur Sei­te.[29] 

Aus­drück­li­che Be­zie­hun­gen auf Dül­ken fin­den sich ne­ben Düs­sel­dorf auch bei den Grün­dun­gen der Wurm­mes­ser-Gil­de in Dü­ren (1827), der Eier­tip­per in Lin­nich (1828) und der Aa­che­ner Flor­res­ei (1829). In Dü­ren, hier zu­sam­men mit Jo­hann Do­mi­ni­kus Fuß (1782-1860), und Lin­nich hat­te sich Franz Ba­ron von Hall­berg (1781-1850) und in Aa­chen Cle­mens Au­gust He­cker (1792-1832)  um die Ver­eins­grün­dun­gen ge­küm­mert. Al­le drei tau­chen als Eh­ren­mit­glie­der im Ver­zeich­nis der Be­rit­te­nen Aka­de­mie 1828 auf.[30]  Franz von Hall­berg war spa­ni­scher Oberst, hat­te ei­ne aben­teu­er­li­che Bal­kan­rei­se durch­ge­führt und ge­gen die Fran­zo­sen ge­kämpft. Über sei­ne Er­leb­nis­se be­rich­te­te er aus­führ­lich im ers­ten Band der KU­RIO­SA, eben­so über sei­ne Ge­sandt­schaft im Auf­trag der Be­rit­te­nen Aka­de­mie zum Kar­ne­val nach Köln 1827.[31]  Für kur­ze Zeit, wahr­schein­lich 1827, muss er Prä­si­dent der Be­rit­te­nen Aka­de­mie ge­we­sen sein. Be­kann­ter als er ist sein äl­te­rer Bru­der Karl Theo­dor Ma­ria Hu­bert Frei­herr von Hall­berg-Broich (1768–1862), ge­nannt Ere­mit von Gau­ting, eben­falls Mit­glied der Be­rit­te­nen Aka­de­mie.

Windmühlenorden mit vier Flügeln, 1828, Reproduktion von 1961, Foto: Medienzentrum Kreis Viersen. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Als in Dül­ken die Be­rit­te­ne Aka­de­mie um die Mit­te der 1830er Jah­re ein­ge­gan­gen war, leb­te die Er­in­ne­rung in Aa­chen an sie wei­ter. 1862 ver­an­stal­te­te ein so­ge­nann­ter aka­de­mi­scher Se­nat für Küns­te und Wis­sen­schaf­ten zu Kräh­win­kel, Dül­ken und Schöp­pen­stedt ei­nen Mas­ken­ball. Hin­ter die­sem Se­nat ver­barg sich der Aa­che­ner Kar­ne­vals­ver­ein. 1863 und 1864 stand die Aka­de­mie zu Dül­ken mit auf dem Pro­gramm des Ro­sen­mon­tags­zu­ges. Und schlie­ß­lich stif­te­te ein ge­bo­re­ner Dül­ke­ner, und zwar der Aa­che­ner No­tar Fried­rich Leo­pold Cor­nely (1824-1885) , Prä­si­dent des Aa­che­ner Kar­ne­vals­ver­eins (AKV) von 1874-1880, bei sei­nem Aus­schei­den den höchs­ten Or­den des AKV, den Wind­müh­len­or­den. Er zeigt die Dül­ke­ner Wind­müh­le mit dem Spruch „Glo­ria ti­bi Dül­ken“ und die Buch­sta­ben F und L, Kür­zel für den Vor­na­men des Or­dens­stif­ters.[32] 

Auf der Su­che nach frü­hen Spu­ren der Be­rit­te­nen Aka­de­mie wur­de der Blick auch auf die Li­te­ra­tur ge­lenkt. Nor­ren­berg mach­te 1874 auf ei­nen Pas­sus aus Wie­lands „Ge­schich­te der Ab­de­ri­ten“ (1774) auf­merk­sam, in dem von Ste­cken­pferd­lern und Mon­drit­tern die Re­de ist.[33]  Doch ist die Be­zie­hung der Nar­ren zum Mond kein Dül­ke­ner Spe­zi­fi­kum. Der Mond spiel­te im Nar­ren­we­sen schon sehr früh ei­ne gro­ße Rol­le.[34]  Ste­cken­pfer­de wa­ren als Spiel­zeug weit ver­brei­tet, das Ste­cken­pferd als Be­griff für ei­ne Lieb­ha­be­rei im 18. Jahr­hun­dert seit Lau­rence Ster­nes Ro­man „Tris­tram Shan­dy“ (1760-1767) ei­ne gän­gi­ge Vor­stel­lung. Vor die­sem Hin­ter­grund ist die Be­zie­hung der Text­stel­le auf Dül­ken zwar mög­lich aber nicht zwin­gend. Au­ßer­dem spielt der Mond als Sym­bol erst seit dem 19. Jahr­hun­dert ei­ne wich­ti­ge Rol­le.

Ei­nen Hin­weis dar­auf, war­um es zur Ver­bin­dung Dül­kens mit dem Mond kam, kön­nen wir dem Hand­wör­ter­buch des deut­schen Aber­glau­bens ent­neh­men. Un­ter dem Ar­ti­kel ‚Mond’ le­sen wir, dass die Auf­klä­rung den Volks­a­ber­glau­ben kri­ti­sier­te, den Mond fan­gen zu kön­nen. Der­je­ni­ge, der es ver­sucht, ist dumm, und der Un­sinn wird ge­gei­ßelt. ... ur­sprüng­lich ein schwe­rer Vor­wurf, wird der Na­me ‚Mond­fän­ger’ schlie­ß­lich ei­ne Be­zeich­nung der Dumm­heit; der Volks­mund be­leg­te mit ihm gan­ze Dör­fer, um die Schild­bür­ger­ge­sin­nung ih­rer Be­woh­ner an­zu­pran­gern.[35] 
Kla­rer, was Dül­ken an­geht, drück­te sich 1826 Hein­rich Hei­ne, Das Buch Le Grand, aus. Ja, Ma­da­me, dort [sc. in Düs­sel­dorf] bin ich ge­bo­ren, und ich be­mer­ke die­ses aus­drück­lich für den Fall, daß et­wa, nach mei­nem To­de, sie­ben Städ­te – Schil­da, Kräh­win­kel, Polk­witz, Bock­um, Dül­ken, Göt­tin­gen und Schöp­pen­städt – sich um die Eh­re strei­ten, mei­ne Va­ter­stadt zu sein.[36]  Da war er nun end­lich, der Hin­weis auf Dül­ken, si­cher ver­bürgt und bei ei­nem Au­tor, des­sen Li­te­ra­tur eu­ro­päi­sche Gel­tung für sich be­an­spru­chen kann. Na­tür­lich zog das die Auf­merk­sam­keit der In­ter­pre­ten auf sich. Es hat lang ge­dau­ert, bis 1995, ehe ei­ne über­zeu­gen­de In­ter­pre­ta­ti­on der Stel­le vor­ge­legt wur­de. Paul Derks gab sie in ei­nem Auf­satz, der sich mit Hei­nes Nar­ren­städ­ten aus­ein­an­der­setz­te. Er ent­schlüs­sel­te in dem Satz ei­ne Re­de­fi­gur: da­hin­ter steht der Streit sie­ben grie­chi­scher Städ­te um die Eh­re, Ho­mers Va­ter­stadt zu sein.[37]  Düs­sel­dorf, der Ge­burts­ort Hei­nes, wird in dem Zi­tat zu­nächst vor­der­grün­dig von den sie­ben Nar­ren­or­ten ab­ge­setzt, aber nur um die Stadt, ver­mit­telt über sei­ne Per­son, als li­te­ra­risch-fik­ti­ven Ort ih­nen wie­der bei­zu­ge­sel­len. Von Dül­ken konn­te Hei­ne über den kur­ze Zeit in Bonn woh­nen­den Mi­cha­el Beer (1800-1833), Bru­der des Kom­po­nis­ten Mey­er­beer (1791-1864), oder noch eher über den in Aa­chen be­hei­ma­te­ten Ju­gend­freund Jean Bap­tist Rous­seau (1712-1778) er­fah­ren ha­ben. Bei­de führt das Ver­zeich­nis der Eh­ren­mit­glie­der 1828 auf.[38] 

Ritt um die Mühle, 1995. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 

Dank Hei­ne hat Dül­ken den Sprung auf die Büh­ne der Welt­li­te­ra­tur ge­schafft. Es taucht dort vie­le Jah­re spä­ter noch ein­mal auf. Im Ro­man „Hun­de­jah­re“ be­schreibt Gün­ter Grass (ge­bo­ren 1927) die pro­phe­ti­schen Ga­ben des Mül­lers An­ton Ma­tern, der aus Mehl­wür­mern[39]  die Zu­kunft deu­tet. Ihm kauft ein Gön­ner zwi­schen Dü­ren und Kre­feld ei­ne leicht be­schä­dig­te Bock­wind­müh­le.[40]  Sie liegt in Dül­ken, und dort wirk­te der Mül­ler mit Mehl­wür­mern Wun­der, hei­ßt es spä­ter.[41]  Von der Dül­ke­ner Müh­le konn­te Grass durch sei­nen Freund, den 1907 in Wald­niel ge­bo­re­nen Bild­hau­er Lud­wig Ga­bri­el Schrie­ber (ge­stor­ben 1975), Kennt­nis be­kom­men ha­ben.[42] 

Keh­ren wir auf die re­gio­na­le Ebe­ne zu­rück. 1867 er­schien in der Zeit­schrift Ka­tho­li­sche Welt ei­ne von W. Stauf­fen­berg her­aus­ge­ge­be­ne, Kapp und Zimp be­ti­tel­te Ge­schich­te. An­geb­lich fu­ßt sie auf der 1644 ver­fass­ten Gan­gel­ter Chro­nik von Ja­co­bus Kritz­ra­edt (1602-1672), der dar­in die Ge­schich­te der Stadt, des Kirch­spiels und Ge­richts­zwangs Gan­gelt schil­dert. In die­ser Chro­nik soll be­rich­tet wer­den, dass Graf Alef von Kle­ve nach den Krö­nungs­fei­er­lich­kei­ten für Kai­ser Si­gis­mund (Re­gie­rungs­zeit als rö­misch-deut­scher Kö­nig 1411-1437) in Aa­chen die­sem er­zählt ha­be, sein, des Gra­fen, Va­ter ha­be 1381 ei­nen Ge­cken­or­den ge­stif­tet. Dar­auf­hin woll­ten die Bür­ger der Stadt Dül­ken auf das Nar­ren­tum eben­falls nicht ver­zich­ten und hät­ten ih­rer­seits be­ab­sich­tigt, ei­ne bür­ger­li­che Aka­de­mie ins Le­ben zu ru­fen. Die­se Ge­schich­te soll­te den Kai­ser nach­sich­tig ge­gen­über den Spä­ßen Jo­hann von Heins­bergs stim­men. Er hat­te den Un­wil­len des Kai­sers her­vor­ge­ru­fen, weil er es ab­lehn­te, sich von Si­gis­mund mit sei­nen Län­de­rei­en be­leh­nen zu las­sen. Dar­auf­hin un­ter­sag­te der Kai­ser, dem Jo­hann von Heins­berg Holz oder Was­ser zu über­las­sen. Das ver­an­lass­te Jo­hann, statt­des­sen Wein und Nüs­se zu kau­fen. Mit den Nüs­sen nähr­te er das Feu­er und mit dem Wein koch­te er sei­ne Spei­sen. Als der Kai­ser da­von er­fuhr, ließ er den Heins­ber­ger zu sich ru­fen, mach­te ihn zum Spa­ß­ma­cher und Fatz­vo­gel des Hei­li­gen Rö­mi­schen Rei­ches und be­lehn­te ihn mit Dül­ken, Schöp­pen­stedt, Beck­um und Dol­berg.[43] 

Die­se Ge­schich­te, so be­rich­tet Stauf­fen­berg, ste­he in der Gan­gel­ter Chro­nik. Sie ist in drei Aus­fer­ti­gun­gen er­hal­ten; ei­ne be­fin­det sich im Pri­vat­be­sitz der Fa­mi­lie Fi­sche­nich in Gan­gelt-Sta­he, ei­ne im Stadt­ar­chiv Er­kelenz und die letz­te war im Köl­ner Stadt­ar­chiv vor­han­den. Die Ein­sicht in al­le drei Chro­ni­ken, um die Nen­nung Dül­kens zu ve­ri­fi­zie­ren, ver­lief al­ler­dings er­geb­nis­los. Zwar fand sich die in der „Ka­tho­li­schen Welt“ wie­der­ge­ge­be­ne Ge­schich­te mit dem Streich des Jo­hann von Heins­berg in der im Be­sitz der Fa­mi­lie Fi­sche­nich vor­han­de­nen Chro­nik aber oh­ne die Er­wäh­nung Dül­kens oder ei­ner an­de­ren Stadt.[44]  Die An­ek­do­te taugt da­mit bes­ten­falls nur, um den Ruf Dül­kens als Nar­ren­stadt 1867 zu un­ter­strei­chen. Zu er­klä­ren ist sie am ehes­ten durch die in den 1860er Jah­ren in Aa­chen be­ob­acht­ba­re häu­fi­ge Be­zug­nah­me auf Dül­ken.

Dül­ken galt auch in der Fol­ge­zeit wei­ter als Nar­ren­stadt. So kon­sta­tier­te Her­mann Rit­ter 1912: Dül­ken ist von je­her die nie­der­rhei­ni­sche Nar­ren­stadt ge­we­sen. und setz­te so­gleich hin­zu: Wie es zu die­sem Ru­fe kam, weiß heu­te nie­mand zu sa­gen.[45]  Ei­ni­ge Grün­de da­für er­ga­ben sich, als wir der Spur der „Nar­ren­aka­de­mie“ folg­ten.

4. Die Narrenakademie in der Gegenwart

Der Ritt um die Müh­le mit der an­schlie­ßen­den Prin­zen­pro­kla­ma­ti­on sind Ver­an­stal­tun­gen, bei de­nen die Nar­ren­aka­de­mie heu­te an die Öf­fent­lich­keit tritt. Im Ge­gen­satz zu ih­ren sons­ti­gen Sit­zun­gen und Fes­ten, zu de­nen nur ge­la­de­ne Gäs­te er­schei­nen, ist hier je­der ein­ge­la­den. Die Ver­bin­dung der Nar­ren­aka­de­mie zum Kar­ne­val rührt aus der Zeit Ernst Hell­munds (1938) her. Die Sat­zun­gen von 1938, 1950 und 1961 hal­ten die För­de­rung des Kar­ne­vals als Ver­eins­zweck fest. Es hat die prak­ti­sche Fol­ge, dass die Pro­kla­ma­ti­on des je­wei­li­gen Prin­zen seit 1959 durch die Nar­ren­aka­de­mie er­folgt. Zu­vor hat­ten sich die Dül­ke­ner Kar­ne­vals-Ge­sell­schaft und das Or­phe­um dar­an be­tei­ligt, aber we­gen ei­ge­ner Ver­an­stal­tun­gen dann zu­rück­ge­zo­gen. Als die Ver­an­stal­tung des­halb 1958 nicht in der ge­wohn­ten Wei­se ge­fei­ert wur­de, sprich un­ter Be­tei­li­gung der Öf­fent­lich­keit, gab es vie­le Le­ser­brie­fe, in de­nen ve­he­ment die Bei­be­hal­tung des tra­di­tio­nel­len Ritts ver­langt wur­de.[46] 

Die Ver­an­stal­tung am 11. im 11. be­ginnt mit ei­ner Ver­samm­lung der Se­na­to­ren im „Gro­ßen Weis­heits­saal“ der Müh­le. Um 19.11 Uhr geht es dann vom Weis­heits­saal die Trep­pe her­un­ter zum Ein­gang der Müh­le. Der Rec­tor schlägt mit sei­nem Ham­mer drei Mal an den Pfos­ten der Ein­gangs­tür, dankt dem schei­den­den Prin­zen­paar und spricht zum ver­sam­mel­ten när­ri­schen Volk. Da­nach rei­ten die Se­na­to­ren und Gäs­te auf ih­ren Ste­cken­pfer­den drei Mal um die Müh­le. Die Mu­sik spielt das Lied „Elf­tau­send Je­cken“,[47]  das mehr oder we­ni­ger kräf­tig von den Ste­cken­pfer­drei­tern mit­ge­sun­gen wird. An­schlie­ßend zieht ein gro­ßer Fest­zug von der Müh­le durch die Stadt in das Bür­ger­haus. Hier er­folgt die Pro­kla­ma­ti­on des neu­en Prin­zen. Der Rec­tor lei­tet die Sit­zung, stellt das Prin­zen­paar vor und be­grü­ßt die er­schie­ne­nen Ver­ei­ne. Nach dem of­fi­zi­el­len Teil blei­ben die Gäs­te gern noch zum Tanz und Um­trunk bei­sam­men.

Zu den Hö­he­punk­ten im nar­ren­aka­de­mi­schen Le­ben zäh­len die fei­er­li­chen Dok­tor­pro­mo­tio­nen. Se­na­to­ren und kor­re­spon­die­ren­de Mit­glie­der ver­sam­meln sich im fest­li­chen Rah­men an ei­nem Abend, in der Re­gel in Dül­ken. Je nach der Grö­ße der er­war­te­ten Be­su­cher­zahl wird als Ver­samm­lungs­ort ge­wählt.

Die Pro­mo­ti­on be­ginnt mit ei­nem Na­mens­ap­pell, bei dem die Se­na­to­ren ih­ren när­ri­schen und ih­ren zi­vi­len Na­men nen­nen und, falls die Zeit es zu­lässt, auch die Gäs­te sich vor­stel­len. Wenn der Rec­tor auf die­se Wei­se sich über­zeu­gen konn­te, dass ge­nü­gend geis­ti­ge Ka­pa­zi­tät ver­sam­melt ist, be­ginnt das Ver­fah­ren, in­dem er sich beim Se­cre­ta­ri­us nach der Ta­ges­ord­nung er­kun­digt. Die­ser er­klärt ihm, dass ei­ne när­ri­sche Pro­mo­ti­on an­steht, die der Rec­tor glück­li­cher­wei­se auch so er­war­tet hat. Er be­ginnt dann da­mit, den Kan­di­da­ten vor­zu­stel­len, sei­nen Le­bens­lauf zu er­läu­tern und die Grün­de dar­zu­le­gen, die den Se­nat be­wo­gen ha­ben, ihn zum Ver­fah­ren zu­zu­las­sen. Im An­schluss hat der Kan­di­dat drei Fra­gen zu be­ant­wor­ten oder auf an­de­re Wei­se, Pro­ben sei­nes när­ri­schen Geis­tes zu lie­fern. Es kön­nen im Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren auch Fra­gen ge­stellt wer­den, um die Schlag­fer­tig­keit des de­si­gnier­ten Dok­tors auf die Pro­be zu stel­len. Hat er al­le Auf­ga­ben er­le­digt, die Fra­gen zur Zu­frie­den­heit be­ant­wor­tet, wird der Se­nat um die Zu­stim­mung zur Gra­du­ie­rung ge­be­ten. Bis heu­te wur­de sie noch in kei­nem Fall ver­wei­gert. Der Rec­tor for­dert dann den Se­cre­ta­ri­us auf, das Dok­tor­di­plom zu ver­le­sen, über­reicht es dem Kan­di­da­ten und setzt ihm den Dok­tor­hut auf. Die per­sön­li­chen Glück­wün­sche der Se­na­to­ren schlie­ßen die Fei­er ab.

Be­son­de­re Auf­merk­sam­keit zie­hen na­tür­lich die Pro­mo­tio­nen Pro­mi­nen­ter auf sich. Seit 1957 woll­te die Nar­ren­aka­de­mie ge­zielt Per­sön­lich­kei­ten des öf­fent­li­chen Le­bens aus­zeich­nen und die Ver­lei­hung des Gra­des ei­nes Dr. hum. c. zu mehr ma­chen als ei­ne in­ter­ne Dül­ke­ner An­ge­le­gen­heit.[48]  Mit der Pro­mo­ti­on wird die Ach­tung für die Leis­tung des Be­tref­fen­den und die Wert­schät­zung, die er in der Aka­de­mie ge­nie­ßt, zum Aus­druck ge­bracht. Aus die­sem Grun­de er­nann­te man zum Bei­spiel 1961 Kon­rad Ade­nau­er an­läss­lich sei­nes 85. Ge­burts­ta­ges zum Dr. hum. c. oder über­reich­te 1979 Ber­ti Vogts das Di­plom. Der Schau­spie­ler Paul Henckels ließ sich 1964 auf das när­ri­sche An­sin­nen der Aka­de­mie ein und lie­fer­te ein Sie­ben-Ta­ge-Ge­mäl­de. Das Kunst­werk muss man an je­dem Wo­chen­tag mit ei­ner an­de­ren Ecke nach oben auf­hän­gen. Sal­va­dor Da­li ver­schmäh­te im sel­ben Jahr eben­falls nicht die ihm aus Dül­ken an­ge­tra­ge­ne Eh­rung. Er re­van­chier­te sich da­für mit der Über­sen­dung ei­nes Bart­haa­res.

Auf­re­gung lös­ten 1969 die Vor­be­rei­tun­gen des be­mann­ten Flu­ges zum Mond durch die Ame­ri­ka­ner aus. Ein frü­he­rer Stu­di­en­kol­le­ge Wern­her von Brauns (1912-1977), der nar­ren­aka­de­mi­sche Se­na­tor Dr. Hein Lang­wei­ler schrieb ei­nen Pro­test­brief an ihn, in dem er sich ver­bat, dass die Ame­ri­ka­ner den Mond be­tre­ten, oh­ne ihn, den In­spek­tor der hin­te­ren Mond­hälf­te, vor­her um Er­laub­nis zu fra­gen; von Braun ver­stand den Dül­ke­ner Pro­test rich­tig und ver­sprach, der Kap­sel die när­ri­sche Num­mer 11 zu ge­ben, soll­te der Dül­ke­ner Se­nat zu­stim­men. Die Zu­stim­mung wur­de, wenn auch un­ter Zö­gern, er­teilt, weil kein Se­na­tor mit­flog, und Wern­her von Braun zum Dr. hu­mo­ris cau­sa er­nannt. Der ers­te Mensch auf dem Mond, Neil Arm­strong (1930-2012), er­hielt 1976 sei­ne Er­nen­nung zum Dok­tor. Der Sän­ger Udo Jür­gens (ge­bo­ren 1934) woll­te sich 1980 dem An­ge­bot der Dül­ke­ner nicht ent­zie­hen und ließ sich in Düs­sel­dorf in der Gast­stät­te „Zum Ue­ri­ge“ von ei­ner Dül­ke­ner Ab­ord­nung gra­du­ie­ren. An­lass für die Eh­rung war sein Lied Ein Narr sagt Dan­ke­schön.

Be­rühm­te Dok­to­ren der letz­ten Jahr­zehn­te wa­ren dar­über hin­aus der ehe­ma­li­ge nord­rhein-west­fä­li­sche Kul­tus­mi­nis­ter Prof. Dr. Paul Mi­kat (1987), der lang­jäh­ri­ge Prä­si­dent des Deut­schen Bau­ern­ver­ban­des, Con­stan­tin Frei­herr von Hee­re­man (1989), die Ka­ba­ret­tis­ten Hanns Die­ter Hüsch (1990) und Kon­rad Bei­kir­cher (1998), der Jour­na­list Dr. Jo­han­nes Gross (1993), der Wis­sen­schaftsas­tro­naut Dr. Ul­rich Wal­ter (1994), der Köl­ner Kom­po­nist vie­ler Schla­ger Gerd Jus­sen­ho­ven (1996), der Köl­ner Re­gie­rungs­prä­si­dent Dr. Franz Jo­sef Ant­wer­pes (1999), Bun­des­mi­nis­ter a. D. Dr. Nor­bert Blüm (2001) oder der ehe­ma­li­ge Mi­nis­ter­prä­si­dent des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len Dr. Jür­gen Rütt­gers (2006). Die Na­men stel­len nur ei­ne Aus­wahl aus den ins­ge­samt 126 Dok­to­ren der Nar­ren­aka­de­mie von 1938-2001 dar.

Quellen

Ge­druck­te Quel­len

Recht­li­ches Gut­ach­ten der Dül­ker Ge­cken-Re­pu­blik und ih­rer Vor­ge­setz­ten, nebst Ab­fer­ti­gung der Frey­heit- und Gleich­heits­schwär­mer, ge­druckt in Dül­ken bei Till Eu­len­spie­gel, Aka­de­mie-Buch­dru­cker 1798.
Nos­ce­teip­sum. Das ist: Noth- und Hilfs-Büch­lein für die sicht­ba­ren und un­sicht­ba­ren, so­wohl leib­li­chen als männ­li­chen Glie­der des in Dül­ken von un­se­ren Vor­fah­ren gott­se­li­gen An­denkens, zu­gleich auch in Po­len ge­stif­te­ten, un­ter dem Na­men Ba­bie­na be­kann­ten, so­fort von uns beim dies­jäh­ri­gen Fa­sching er­neu­er­ten Nar­ren­or­dens, Köln 1805.
Lie­der und Ge­sän­ge für be­rit­te­ne Aka­de­mi­ker. Zu­sam­men­ge­tra­gen aus den be­lieb­tes­ten Dich­tern Deutsch­lands, Dül­ken: im Sit­zungs­saal der Weis­heit 1821.
Die Ver­an­las­sung und Wich­tig­keit der Auf­rich­tung der aka­de­mi­schen Wind­müh­le zu Dül­ken. Vor­ge­tra­gen am 19. April 1824 bei der Fei­er des Neu­jahrs­fes­tes und des drei­ßigs­ten Ju­bi­lä­ums der Auf­rich­tung der aka­de­mi­schen Wind­müh­le, von dem Di­rek­tor der be­ritt. Aka­de­mie, Crefeld 1824.
Fest­ge­sän­ge für be­rit­te­ne Aka­de­mi­ker. Ver­fa­ßt von gro­ßen Dich­tern zu Dül­ken, im Sit­zungs­saal zur Weis­heit, Crefeld 1824.
Fest­ge­sän­ge für be­rit­te­ne Aka­de­mi­ker. Ver­fa­ßt von gro­ßen Dich­tern zu Dül­ken, im Sit­zungs­saal zur Weis­heit, No. II, Crefeld 1825.
Sta­tu­ten für die be­rit­te­ne Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten zu Dül­ken, Dül­ken 1826.
Fei­er des Or­den­s­ka­pi­tels am 28s­ten Ok­to­ber 1827 im Sit­zungs­saal zur Weis­heit in Dül­ken. Vier­zig­tä­gi­ge Sit­zung. Ver­hand­lun­gen des ers­ten Ta­ges ver­fasst von Dr. Tü­te­bies, Crefeld 1827.
Sta­tu­ten für die be­rit­te­ne Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten zu Dül­ken, 2. Auf­la­ge, Dül­ken 1828.
Ku­rio­sa der be­rit­te­nen Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten, hg. v. H. Wei­mann, Band 1, Crefeld 1828.
Ku­rio­sa der be­rit­te­nen Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten zu Dül­ken, hg. v. H. Wei­mann, Band 2, Crefeld 1829.
Lie­der und Ge­sän­ge für be­rit­te­ne Aka­de­mi­ker. Theils zu­sam­men­ge­tra­gen aus den be­lieb­tes­ten Dich­tern Deutsch­lands, theils ver­fa­ßt von gro­ßen Dich­tern zu Dül­ken, Dül­ken 1829.
Fort­set­zung des Na­mens­ver­zeich­nis­ses der resp. Mit­glie­der der be­rit­te­nen Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten, re­no­viert am Neu­jahrs­ta­ge 5782 der bes. Aka­de­mie (1. April 1833), M. Glad­bach [1833].
Lie­der der Be­rit­te­nen Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten zu Dül­ken für die Le­gis­la­tur-Pe­ri­ode 5711–1865, Dül­ken 1865.
Fast­nachts­lie­der der När­ri­schen Aka­de­mie für das Jahr 1874, [Dül­ken 1874].
Lie­der aus Alt-Dül­ken, hg. v. Ver­ein „Alt-Dül­ken“, Dül­ken [1926].
Sat­zung der Dül­ke­ner Nar­ren­aka­de­mie vom 9. März 1938.
Sat­zung [für] die Dül­ke­ner Nar­ren­aka­de­mie, die Be­rit­te­ne Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten, die Er­leuch­te­te Monds­uni­ver­si­tät vom 1. April 1961.
Ku­rio­sa der Dül­ke­ner Nar­ren­aka­de­mie, der er­leuch­te­ten Monds­uni­ver­si­tät, der be­rit­te­nen Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten zu Dül­ken, Band 3. Tei­le 1–20, hg. v. Gün­ther Per­del­wirtz, Tei­le 21–23, Gus­tav Fet­ten und Vol­ker Mül­ler, Tei­le 24 ff Arie Nab­rings und Sieg­fried Wei­kamp, Vier­sen-Dül­ken 1968–2002.
Lie­der der Dül­ke­ner Nar­ren­aka­de­mie, hg. v. Gus­tav Fet­ten und Vol­ker Mül­ler, Dül­ken 1976.
Fet­ten, Gus­tav, Die 11 Ge­heim­nis­se der Nar­ren­aka­de­mie zu Dül­ken, Dül­ken 1983.
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Un­ge­druck­te Quel­len im Stadt­ar­chiv Vier­sen

[H.] Wei­mann: Buch der Weis­heit Nro. I für die be­rit­te­ne Aka­de­mie der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten; item für die er­leuch­te­te Mond-Uni­ver­si­tät, Dül­ken [1826].
Nach­laß des Rec­tors ma­gni­fi­cus Ernst Hell­mund (un­ge­ord­net), cir­ca 1930–1960.
Das Gol­de­ne Buch, 1937ff – ent­hält Gäs­te­lis­ten der Pro­mo­ti­ons­fei­ern so­wie Zeich­nun­gen und Fo­tos. Das Buch wird bis heu­te ge­führt.
Pro­to­koll­bü­cher der Nar­ren­aka­de­mie 1949–1981, 9 Bän­de.
9 nach Kor­re­spon­denz­part­nern ge­ord­ne­te Ak­ten­ord­ner mit dem Brief­wech­sel der Nar­ren­aka­de­mie von 1965–2000.

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Ernennung Constantin Freiherr von Heeremanns zum Dr. hum. c., 1989. (Archiv der Dülkener Narrenakademie)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Nabrings, Arie, Die Dülkener Narrenakademie, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-duelkener-narrenakademie/DE-2086/lido/57d123be375c45.45070365 (abgerufen am 06.10.2024)