Die Rheinischen Expressionisten
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1. Begriffsbestimmung
Die Rheinischen Expressionisten waren eine Anzahl von Künstlerinnen und Künstlern, die vor dem Ersten Weltkrieg, in der Rezeption zeitgenössischer französischer Kunstströmungen, avantgardistische, dem Expressionismus verpflichtete Kunst im Rheinland etablierten. Der Begriff wurde von August Macke geprägt, auf dessen Initiative vom 10.7.-10.8.1913 unter dem Titel „Rheinische Expressionisten“ 16 Künstler die Bandbreite ihres zeitgenössischen Kunstschaffens in der Bonner Buch- und Kunsthandlung Friedrich Cohen der Öffentlichkeit präsentierten.
Die beteiligten Maler in der Bonner Ausstellung waren, neben dem Organisator, August Macke: M. G. Barnett, alias Paul Adolf Seehaus (1891-1919) aus Bonn, Heinrich Campendonk (1889-1957) aus Sindelsdorf, Max Ernst (1891-1976) aus Brühl, Ernst Moritz Engert (1892-1986) aus Bonn, Otto Feldmann (1881-1942) aus Köln, Franz Seraph Henseler (1883-1918) aus Bonn, Franz Matthias Jansen (1885-1958) aus Köln, Joseph Kölschbach (1892-1947) aus Köln, Helmuth Macke (1891-1936) aus Krefeld, Carlo Mense (1886-1965) aus Düsseldorf, Marie von Malachowski-Nauen (1880-1943) und Heinrich Nauen aus Brüggen (1880-1940), Olga Oppenheimer (1886-1941) aus Köln, William Straube (1871-1945) aus Koblenz und Hans Thuar (1887-1945) aus Köln. Neben diesen Ausstellern lässt sich der Kreis der im Rheinland im expressionistischen Sinne tätigen Künstler noch sehr viel weiter fassen.
Der Begriff „Expressionismus“ war um 1911 ein allgemeiner Terminus für die junge avantgardistische Kunst in Europa. Der Kunsthistoriker Wilhelm Worringer (1881-1965) erklärte ihn 1911 in der Zeitschrift „Der Sturm“ als „eine zeitgeschichtliche Notwenigkeit“ und erkannte in den expressionistischen Kunstäußerungen die Abkehr von der äußeren Wirklichkeitsnähe hin zu einer inneren Wahrhaftigkeit[1]. Der Kunsthistoriker Richart Reiche (1876-1943) spricht im Vorwort des Kataloges zur Sonderbundausstellung 1912 von „jener jüngsten Bewegung, die nach einer Vereinfachung und Steigerung der Ausdrucksformen, einer neuen Rhythmik und Farbigkeit, nach dekorativer oder monumentaler Gestaltung strebt“.[2]
Ein Bild als Ausdruck gefühlsmäßiger Erfahrungen zu verstehen und beim Betrachter entsprechend starke Emotionen hervorzurufen, war ein Ziel, dass eine starke Individualität und Subjektivität des Künstlers evozierte, weshalb nicht von einem einheitlichen Stil gesprochen werden kann. Vermutlich war es Max Ernst, der in der Bonner Tageszeitung „Volksmund“ vom 12.7.1913 in einer Besprechung der Ausstellung der Rheinischen Expressionisten schrieb: „Die Ausstellung zeigt, wie in der großen Strömung des Expressionismus eine Reihe von Kräften wirksam sind, die untereinander keine Ähnlichkeit haben, sondern nur die gemeinsame Richtung der Kraft, nämlich der Absicht, Ausdruck für ein Seelisches zu geben, allein durch die Form. Das Ziel ist die absolute Malerei.“[3]
Das spezifisch Rheinische, das die in Rede stehenden Künstler miteinander verband, ist zum einen bedingt durch die Rhein-Landschaft mit dem Strom als Lebensader, die im Motivrepertoire aller einen bevorzugten Platz einnimmt, zum anderen die rheinische Historie und Tradition, mit der sich jeder auf seine Weise auseinandersetzte und ihre Kontinuität mit neuen Mitteln fortzuschreiben versuchte.
2. Tendenzen zur Durchsetzung avantgardistischer Kunst im Rheinland
2.1. Der Sonderbund
Die Kunstakademie in Düsseldorf, die im 19. Jahrhundert unter dem Stichwort „Düsseldorfer Malerschule“ bestimmender Faktor der Kunstentwicklung gewesen war, schied, da von internen Richtungskämpfen zerrissen und als ein dem wilhelminischen Reich verpflichteter, von konservativen Tendenzen bestimmter Kunstbetrieb, als Träger einer Avantgarde aus.
Der von 1892-1897 in der Landschaftsklasse der Düsseldorfer Kunstakademie ausgebildeten Maler und Meisterschüler Peter Janssens (1844-1908), August Deusser (1870-1942), suchte zusammen mit seinen Kollegen Max Clarenbach (1880-1952), Julius Bretz (1870-1953), Walter Ophey (1882-1930) und Wilhelm Schmurr (1878-1959) neue, von der Akademie unabhängige Präsentationsmöglichkeiten. Unter der Initiative Deussers stellten die fünf Maler zusammen mit Alfred Sohn-Rethel (1875-1958) und dessen Bruder Otto Sohn-Rethel (1877-1949) sowie dem Kunsthandwerker und Wiener Sezessionisten Joseph Maria Olbrich (1867-1908) ihre Gemälde und Zeichnungen in einer so genannten „Sonder-Ausstellung“ vom 10.-31.5.1908 in der Düsseldorfer Kunsthalle aus. Nationalen Bekanntheitsgrad erreichten die Künstler, nachdem die Ausstellung im August im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum unter der Ägide des Direktors Friedrich Deneken (1857-1927) und von Dezember 1908 bis Mai 1909 in der Galerie Eduard Schulte in Berlin gezeigt wurde.
Aus dieser Künstlervereinigung ging die Gründung des „Sonderbundes“ hervor, deren Mitglieder sich von Mai-Juni 1909 mit einer ersten Ausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf präsentierten. Zum Kreis der Aussteller gehörten zusätzlich Rudolf Bosselt (1871-1938), Otto van Wätjen (1881-1942), Ernst te Peerdt (1852-1932) und Christian Rohlfs (1849-1938), Max Liebermann (1847-1935) als Gast sowie der Grafiker und Schriftsteller Fritz Helmuth Ehmke (1878-1965)[4].
Den insgesamt 85 Werken dieser im Rheinland tätigen Künstler wurden 15 Werke der internationalen Avantgarde – französischer Impressionisten und Postimpressionisten sowie Grafiken aus dem Besitz des Kunstsammlers Alfred Flechtheim (1878-1937) im Wechsel gegenübergestellt. Diese, zu jenem Zeitpunkt für Düsseldorf einmalige revolutionäre Schau wurde von Richart Reiche (1876-1943), Direktor des Barmer Kunstvereins, Alfred Hagelstange (1874-1914), Direktor des Kölner Wallraf-Richartz-Museums, und Adolf Büning vom Landesmuseum in Münster (heute LWL-Museum für Kunst und Kultur) übernommen.
Noch im gleichen Jahr erfolgte die Gründung des „Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler“, eine Vereinigung von Künstlern, Sammlern, Museumsfachleuten sowie Kunstkritikern, unter dem Vorsitz von Karl Ernst Osthaus (1874-1921), Gründer des Folkwang-Museums in Hagen. Sie sollte zu einer der bedeutendsten Ausstellungsinitiativen moderner Kunst im Rheinland werden: Vom 16.7.-9.10.1910 wurde unter dem Titel „Deutsche und französische Neukunst“ die zweite Sonderbund-Ausstellung im Städtischen Kunstpalast Düsseldorf präsentiert. Neben dem Düsseldorfer Kern waren auch die expressionistischen Maler der Künstlervereinigung „Brücke“ (Ernst Ludwig Kirchner – 1880-1938, Karl Schmidt-Rottluff – 1884-1976, Max Pechstein – 1881-1955, Emil Nolde – 1867-1956) und einige des späteren „Blauen Reiters“ (Wassily Kandinsky – 1866-1944, Alexander von Jawlensky – 1864 oder 1865-1941) vertreten – Seite an Seite mit französischen Postimpressionisten, den Fauves und frühen kubistischen Werken von Pablo Picasso (1881-1973) und Georges Braque (1882-1963). Von Mai bis Juli 1911 folgte die dritte Ausstellung mit dem Titel „Rheinische und französische Kunst“ in der städtischen Kunsthalle Düsseldorf. Von den 147 Exponaten stammten 101 aus Frankreich. Ressentiments gegenüber der „französischen Neukunst“ auf Seiten konservativer Kreise führten zu einer Verlegung der Sonderbundausstellung im Jahr 1912 nach Köln, die vom 25. Mai – 30. September in der Städtischen Kunsthalle am Aachener Tor stadtfand[5].
„Die Ausstellung war eine Präsentation mit dem Ziel, einem breiten Publikum eine Entwicklungslinie aufzuzeigen – vom Neoimpressionismus über Vincent van Gogh (1853-1890), Paul Cézanne (1839-1906), Paul Gauguin (1848-1903) und Edvard Munch (1863-1944) hin zum Fauvismus und Expressionismus, der sich damals Bahn brach. Auch Pablo Picasso (1881-1973) war 1912 in Köln vertreten und kündete mit einigen jüngsten, kubistischen Arbeiten von weiteren Neuerungen in der Kunst.“[6] Die „Rheinischen Expressionisten“ waren bei dieser internationalen Schau mit Carlo Mense, Heinrich Nauen, Hans Thuar, Olga Oppenheimer (1886-1941), August Macke und Franz Matthias Jansen (1885-1958) präsent.
2.2 Der Gereonsklub
Der „Gereonsklub von Künstlern und Kunstfreunden“ entstand 1911 aus einer Kulturoffensive der Kölner Künstler Franz Matthias Jansen, Olga Oppenheimer und Emmy Worringer (1878-1961). Sitz des Klubs war das 1909-1910 von dem Architekten Carl Moritz (1863-1944) im Auftrag von Max Oppenheimer (dem Vater von Olga) erbaute Büro- und Geschäftshaus in der Kölner Gereonstraße 18-31, auch „Gereonshaus“ genannt. Olga Oppenheimer, die 1907 in München und Dachau und 1909 bei Paul Sérusier (1864-1927), einem Weggefährten Paul Gauguins (1848-1903), in Paris studiert hatte, unterhielt hier im 5. Stock ihr Atelier und eine Malschule, deren Räumlichkeiten sie für die Aktivitäten des Klubs zur Verfügung stellte.
Ziel der durch Olga Oppenheimer über München bis Paris vernetzten Gruppe war die Propagierung und Durchsetzung avantgardistischer Kunstströmungen in Form von wechselnden Ausstellungen, Dichter-Lesungen und Vortragsprogrammen, letztere wurden von Emmys Bruder, dem Kunsthistoriker Wilhelm Worringer (1881-1965), geleitet. Beratend und fördernd erwies sich auch der junge Direktor des Kölner Wallraf-Richartz-Museums, Alfred Hagelstange. Die Eröffnungsausstellung am 20.1.1911 präsentierte die Künstler Cuno Amiet (1886-1976), Theo von Brockhusen (1882-1919), André Derain (1880-1954), Pieter Dupont (1870-1911), Vincent van Gogh, Auguste Herbin (1882-1960), Ferdinand Hodler (1853-1918), Pablo Picasso und Paul Sérusier. Das Rahmenprogramm wurde durch die Lesung aus den „Briefen eines Zurückgekehrten“ von Hugo von Hoffmannsthal (1874-1929) sowie Kompositionen am Klavier von Julio Goslar (1883-1976) gestaltet. Die Werke Franz Marcs (1889-1916) im Oktober 1911 in einer Einzelausstellung gezeigt werden. Die zweite Gruppenausstellung, im November 2011, präsentierte weitere Exponate überwiegend französischer zeitgenössischer Künstler. Im Dezember wurden Mitglieder der von Wassily Kandinsky 1909 gegründeten Neuen Künstlervereinigung München (NKVM) vorgestellt. Zu den Besuchern gehörten auch die bedeutenden Kunstsammler Alfred Flechtheim und der Kölner Konfektionswarenfabrikant Hermann Hertz (1858-1925), die sich im Rahmen der Vernissage am 15.12.1911 heftige Diskussionen über ein Bild von Heinrich Campendonk lieferten, deren tumultartiger Ausgang sowohl von August Macke als auch von seiner Frau, Elisabeth Erdmann-Macke, lebhaft geschildert wird.[7] Ein „Jour fixe“ jeden Samstag lud zu weiteren Debatten ein. Franz M. Jansen erinnert sich: „Die Samstage erhielten in der Folgezeit einen solchen Ruf, dass auswärtige Interessierte, Künstler aller Art, Museumsdirektoren und die es werden wollten und von denen es manche auch wurden (wie z.B. Swarzenski Frankfurter Städel) zu ihnen kamen.“[8]
Bereits zu Beginn des Jahres 1911 hatte August Macke, der Ende 1910 von seinem Wohnsitz in Tegernsee zusammen mit seiner jungen Familie nach Bonn zurückgekehrt war, Kontakt zum Gereonsklub gesucht und avancierte bald zur bestimmenden Kraft der Unternehmung; insbesondere machte er die Organisatoren mit Arbeiten der Künstler der Redaktion des „Blauen Reiters“ bekannt, aus der im Januar 2012 eine erste und im Juni 2012 eine zweite Ausstellung, die im Wallraf-Richartz-Museum in Köln gezeigt wurde, hervorgingen. Auch die Werke der Brücke-Maler Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Emil Nolde und Erich Heckel (1883-1970) fanden auf Mackes Anregung im Gereonsklub Aufnahme, dem entsprechend wurden hier, parallel zur Kölner Sonderbundausstellung bedeutende Expressionisten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Im Sommer 1912 siedelte der Gereonsklub in das Hansahaus am Friesenplatz 16 um; zur Finanzierung der Miete stifteten die Mitglieder Aquarelle und Zeichnungen, die unter den zahlreichen Förderern verlost wurden. Im Hansahaus zeigte man – als Premieren in Köln - eine Einzelausstellung von Paul Klee (1879-1940) 1912 und eine des französische Künstlers Robert Delaunay (1885-1941) im März 1913; die Aktivitäten des Klubs fanden allerdings aufgrund des „Drucks der Verhältnisse“ noch im gleichen Jahr ein Ende.
2.3 Kölner Künstlerbund 1910 und Kölner Sezession 1912-1913
Eine weitere Ausstellungsinitiative, die zum überregionalen Forum für neue Kunst avancierte, formierte sich in der „Kölner Sezession“, die unter dem Vorsitz von August Deusser (1870-1954) und dem Kölner Bühnenbildner und Bildhauer Hans Wildermann (1884-1954), durch Mitwirkung von Alfred Hagelstange, Franz M. Jansen, Olga Oppenheimer und auch August Macke am 13.12.1911 ins Leben gerufen wurde[9]. Eine erste Ausstellung fand Anfang Januar 1912 im Kölner Kunstgewerbemuseum, eine zweite ein Jahr später in den Räumen des Kölner Kunstvereins im Wallraf-Richartz-Museum statt.
Bereits zuvor lieferte der Kölner Künstlerbund vom 20.10.-30.12.1910 dort eine Ausstellung, in der Franz Matthias Jansen, auf Empfehlung Hagelstanges, mit 34 Arbeiten einen bedeutenden, aber sehr umstrittenen Beitrag leistete; auch die kurz zuvor aus Paris zurückgekehrte Olga Oppenheimer war vertreten. „Als Einzug der Moderne in die Vaterstadt“ apostrophierte Jansen diese Kölner Präsentation[10]. Aussteller der Sezessionen waren unter anderem die Mitglieder des Gereonsklubs Heinrich Nauen, F. M. Jansen, August Macke, Carlo Mense, Olga Oppenheimer, Martha Worringer, sowie weitere rheinische Expressionisten wie Otto Feldmann und Hans Thuar, auch Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) war vertreten.
2.4 Galeristen, Sammler, Förderer
Die enge Vernetzung nicht nur der Künstler untereinander, sondern auch deren Kontakte zu Galeristen und Sammlern trug zum rheinischen „Kunstfrühling“ vor dem Ersten Weltkrieg entscheidend bei. Friedrich Cohen (1836-1912) hatte 1891 die von seinem Vater Max Cohen (1806-1865) 1828 gegründete Lithographische Anstalt und Verlagsbuchhandlung in Bonn, unmittelbar gegenüber der Universität, Am Hof 14 (später Am Hof 30) gelegen, übernommen und in der oberen Etage einen Kunstsalon etabliert. 1906 stellte er hier die Protagonisten der Worpsweder Künstlerkolonie aus, 1907 die Maler der „Brücke“, 1908 Gabriele Münter (1877-1962), im Mai 1912 August Macke und schließlich konnte 1913 hier Mackes Ausstellung die „Rheinischen Expressionisten“ realisiert werden.
Otto Feldmann vvvv, sowohl Künstler als auch Galerist, richtete im Januar 1912 in Köln am Hansaring 20 den „Rheinischen Kunstsalon“ ein und im November 1913 die „Neue Galerie“ in Berlin, Lenné-Straße 6a. In Köln zeigte Feldmann, der sich 1910 und 1911 in Paris aufhielt, im Juli 1912 eine Einzelausstellung von August Macke, im Oktober des gleichen Jahres die italienischen Futuristen Umberto Boccioni (1882-1916), Carlo Carrà (1881-1966), Luigi Russolo (1885-1947) und Gino Severini (1883-1966) und im November Zeichnungen und Aquarelle von Jules Pascin (1885-1930). 1913 übernahm er die Ausstellung der „Rheinischen Expressionisten“ aus Bonn, im Dezember zeigte er nochmals Jules Pascin, 1914 Erich Heckel sowie den Deutschen Werkbund, während er in Berlin die große Palette französischer Malerei und im Juni 1914 nochmals die Rheinischen Expressionisten präsentierte.
Der in Düsseldorf ansässige Kaufmann Alfred Flechtheim gehörte zu den bedeutendsten Kunstsammlern in Rheinland und war auch als Kunsthändler, Publizist und Verleger tätig. Er kaufte Werke von Vincent van Gogh (1853-1890), Paul Cézanne (1839-1906), Frühwerke von George Braque (1882-1963) und André Derain (1880-1954) und pflegte enge Kontakte zu den Künstlern des Blauen Reiters, des Gereonsklubs und der Brücke. Als Mitbegründer und Schatzmeister des Sonderbundes war er an der Kölner Sonderbund-Ausstellung 1912 als Organisator beteiligt. Außerdem stellte er Bilder aus seiner Sammlung für die Sonderbundausstellung 1909 bereits zur Verfügung und schenkte weitere dem Landesmuseum seiner Heimatstadt Münster. Im Dezember 1913 eröffnete Flechtheim auf der Königsallee in Düsseldorf eine eigene Galerie „Endlich bin ich in der Lage, mir einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen: mich nur mehr mit Dingen der Kunst zu beschäftigen“ schreibt er im ersten Katalog[11]. 1914 stellte er hier auch die Rheinische Expressionisten aus.
Als weitere Sammler und Förderer der rheinischen Expressionisten können der bereits erwähnten Konfektionsfabrikant Hermann Hertz aus Köln, den Macke als den „größten und modernsten Kölner Kunstsammler“ bezeichnete[12], der Literat und Kaufmann Josef Feinhals (1867-1947), der auch als zweiter Vorsitzender des Sonderbundes wirkte, der Aachener Industrielle und Schriftsteller Julius Talbot Keller (1890-1946), der bevorzugt Werke von Nauen und Henseler sammelte, der Aachener Edwin Suermondt (1883-1923), der mit Nauen befreundet war und Monumentalgemälde für seine Burg Drove in der Eifel in Auftrag gab, der Bonner Wirtschaftstheoretiker Willi Wygodzinski (1869-1921), der Werke von August Macke sammelte und auch Paul Adolf Seehaus förderte, Dr. Walter Cohen (1888-1942), Bruder von Friedrich, Sammler und Kunsthistoriker, der am Bonner Provinzialmuseum tätig war, in zahlreichen Artikeln die Rheinischen Expressionisten propagierte und bei der Durchführung ihrer Bonner Ausstellung half. Des Weiteren war er Mitglied im Gereonsklub, Sonderbund, im Vorstand der 1915 gegründeten „Gesellschaft zur Förderung deutscher Kunst e.V. in Neuss und verfasste die erste Macke-Monographie. Als wichtiger Förderer soll auch der Kunsthistoriker Walter Kaesbach (1879-1961) erwähnt werden, dessen Sammlertätigkeit 1904 mit dem Ankauf eines Werkes von Christian Rohlfs (1849-1938) einsetzte. 1912 schloss er Freundschaft mit Heinrich Nauen und Erich Heckel. Die Künstler des Expressionismus, neben den Brücke-Malern unter anderem Heinrich Campendonk, Heinrich Nauen, Wilhelm Lehmbruck und August Macke, bildeten Glanzpunkte seiner Sammlung.
Überregional für die Durchsetzung der neuen Malerei von großer Bedeutung und im engen Kontakt mit der rheinischen Kunstszene stehend, waren die Galeristen Heinrich Thannhauser (1859-1934) und Hans Goltz (1873-1927) in München sowie Herwarth Walden (1878-1941) in Berlin. Präsentierte Heinrich Thannhauser, nachdem er in der 1904 gegründeten Galerie die französische Impressionisten sowie Paul Gauguin, den mit ihm befreundeten Pablo Picasso und George Braque gezeigt hatte, 1909 und 1910 die Mitglieder der Neuen Künstlervereinigung München (NKVM) unter der Federführung von Wassily Kandinsky, so auch nach deren Spaltung im Dezember1911 erstmals die Redaktion des „Blauen Reiters“ (18.12.1911-1.1.1912). Kandinsky konnte für die Ausstellung den in Paris lebenden Robert Delaunay gewinnen, dessen Werk starken Einfluss auf die Expressionisten, vor allem Macke, ausüben sollte. Daneben konnten Werke des 1910 in Paris verstorbenen „Zöllners“ Henri Rousseau (1844-1910) gezeigt werden. Die zweite, an teilnehmenden Künstlern erheblich erweiterte Ausstellung wurde 1912 unter dem Titel „Schwarz-Weiß“, in der Münchner Kunst- und Buchhandlung von Hans Goltz, der auch die Redaktion des Blauen Reiter beriet und Subskription und Auslieferung des im gleichen Jahr erschienenen Almanachs organisierte.
Herwarth Walden (1878-1941), alias Georg Lewin, übernahm die „Blaue-Reiter-Ausstellung“, nachdem sie im Januar 1912 im Gereonsclub in Köln gezeigt worden war und eröffnete mit ihr seine in Berlin gegründete Galerie „Der Sturm“ am 12.3.1912. Walden betätigte sich als Schriftsteller, Verleger, Galerist, Musiker und Komponist. 1910-1932 gab er in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Alfred Döblin (1878-1957) die Zeitschrift „Der Sturm“ heraus, die zu einer der wichtigsten Publikationen des Expressionismus avancierte. Neben dem Blauen Reiter präsentierte Walden in seiner Galerie die italienischen Futuristen und integrierte die rheinischen Expressionisten in die internationale Werkschau „Erster Deutscher Herbstsalon“ (2.4.-1.12.1913) in der Potsdamer Straße 75, die neben der Sonderbundausstellung in Köln 1912 die wohl umfangreichste Präsentation der europäischen Avantgarde in Deutschland bis nach dem Zweiten Weltkrieg bleiben sollte. 85 Künstler mit 366 Exponaten, darunter die Pariser Kubisten der „Section d´or“ sowie auf Vermittlung Mackes eine Gruppe tschechischer Kubisten, die Mitglieder des Blauen Reiters, die italienischen Futuristen, russische Künstler, darunter Marc Chagall (1887-1985), Natalija Gontscharowa (1881-1962), Michail Larionow (1881-1964), David Burljuk ( 1882-1967) und auch die in Amerika lebenden Lyonel Feininger (1871-1956), Albert Bloch (1882-1961) und Marsden Hartley (1877-1943) waren vertreten.
2.5 Museen und Kunstvereine
Bereits früh erkannten auch einige progressiv eingestellte Vertreter rheinischer Museen und Kunstvereine die Chance, die europäische Kunst der Moderne in all ihren Facetten zu zeigen. Friedrich Deneken (1857-1927), erster Direktor des Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museums, das 1897 als Museum für angewandte Kunst eröffnet worden war, gelang es 1900 in Paris, Objekte des Art Nouveau und japanischer Gestaltungskunst für das Krefelder Museum zu erwerben. Er betrieb die Gründung der „Handwerker und Kunstgewerbeschule in Krefeld, an die 1904 der Niederländer Johan Thorn Prikker (1868-1932) als Lehrer berufen wurde. Bei ihm absolvierten sowohl Helmuth Macke als auch Heinrich Campendonk ihre Ausbildung. 1907 war Deneken an der Gründung des deutschen Werkbundes beteiligt. Neben dem kunstgewerblichen Zweig förderte er nachhaltig moderne zeitgenössische Kunst. 1900 kaufte ein Krefelder Unternehmer auf der Pariser Weltausstellung die Marmorskulptur „Eva“ von Auguste Rodin (1840-1917) und überließ sie dem Museum, Rodin gab einen Bronzekopf (Yvette Guilbert) als Geschenk hinzu. Des Weiteren zeigte der aufgeschlossene Direktor die seinerzeit sensationellen Plakate von Henri Toulouse-Lautrec (1864-1901), 1904 Zeichnungen von Paul Gauguin, 1907 in der „Französischen Kunstausstellung“ Werke von van Gogh, Cézanne, Signac, und kaufte Claude Monets (1840-1926) „Das Parlament, Sonnenuntergang“ aus dem Jahr 1904, trotz massiver Widerstände an. 1908 stellte er in der aus Düsseldorf übernommenen Sonderausstellung die neusten Tendenzen der rheinischen Malerei vor.
Der Kunsthistoriker Dr. Richart Reiche (1876-1943) wurde 1907 zum Konservator des Barmer Kunstvereins berufen und übernahm die Aufgabe des künstlerischen Leiters und Ausstellungskurators. In den Räumen der „Kaiser Wilhelm- und Friedrich-Ruhmeshalle“, dem Sitz des Vereins, zeigte er in mehreren bedeutenden Ausstellungen seinerzeit noch unbekannte Künstler, die er auch an Galerien und Museen weitervermittelte. Er übernahm die Düsseldorfer Sonderbundausstellung von 1909, dann, im Mai 1910, die Münchner Ausstellung des NKVM, im Oktober zeigte er „Junge französische Malerei“ und richtete noch im selben Jahr Franz Marc, Alexej von Jawlensky und Emil Nolde Einzelausstellungen aus, später präsentierte er Adolf Erbslöh, Marianne von Werefkin (1860-1938) und August Macke. Richart Reiche war Mitglied des Gereonsklubs und hielt dort 1911, anlässlich der Vernissage der NKVM-Ausstellung eine Rede über den „Naturalismus“.
Im März 1912 zeigte er wiederum „Französische Malerei“ und im Oktober weitere Werke von Franz Marc und Kees van Dongen (1877-1968). Im gleichen Jahr war Richart Reiche als Organisator und Kurator maßgeblich an der Sonderbundausstellung in Köln beteiligt; daneben stellte er, ebenfalls noch 1912, Kunstwerke aus der Sammlung des bei Barmen lebenden Wollhändlers und Kunstsammlers Gottlieb Friedrich Reber (1880-1959) im Barmer Kunstverein (Corot, Renoir, Manet, Cezanne, Degas, Gauguin) der Öffentlichkeit vor. Im Mai 1913 präsentiert er August Macke in einer Einzelausstellung.
Der Kunsthistoriker Alfred Hagelstange (geboren 1874) war von 1908 bis zu seinem frühen Tod 1914 Direktor des Wallraf-Richartz-Museums in Köln, des Weiteren Berater des Gereonsklubs, Mitbegründer des Kölner Künstlerbunds und der Kölner Sezession, organisierte 1911 die Ausstellung „Kunst unserer Zeit in Cölner Privatbesitz“ und übernahm 1912 die zweite Ausstellung (Schwarz-Weiss) des Blauen Reiters. Er förderte nachhaltig die rheinischen Expressionisten, unter anderem Heinrich Nauen. Als Mitglied des Organisations-Komitees der Sonderbundausstellung 1912 hatte er weiteren Einfluss auf die Propagierung der Kunst der Moderne.
Karl Ernst Osthaus, Bankierssohn und Erbe eines großen Familienvermögens, der sich nach einer kaufmännischen Lehre dem Studium der Geistes-und Naturwissenschaften zuwendete, war eine der wichtigsten Kunstsammler und Mäzene zeitgenössischer Kunst am Beginn des 20. Jahrhunderts. Am 9.7.1902 eröffnete unter seiner Direktion das Folkwang-Museum in Hagen (heute Karl Ernst-Osthaus-Museum), dessen Gründung (1899) und Bau durch den Architekten Henri Van de Velde (1863-1957) er in die Wege leitete.
Bereits zur Eröffnung konnte Osthaus das 1902 angekaufte Bild „Kornfeld mit Schnitter“ präsentieren, es gilt als das erste Werk van Goghs in einer öffentlichen Sammlung Deutschlands. In den Jahren von 1902-1914 erwarb Osthaus Werke von Auguste Rodin (1840-1917), Edgar Degas (1834-1917), Paul Cézanne, Auguste Renoir (1841-1919), Paul Gauguin, Camille Corot (1796-1875), Vincent van Gogh, Aristide Maillol (1861-1944), George Minne(1866-1941), Edvard Munch, Henri Rousseau (1844-1910), Georges Seurat (1859-1891), George Frederick Watts (1801-1889), Anselm Feuerbach (1829-1880), Arnold Böcklin (1827-1901), Emil Nolde, Henri Matisse (1869-1954), Oskar Kokoschka (1886-1980), Franz Marc, Wassily Kandinsky und Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976).
1906 präsentierte er Edvard Munch, die „Brücke-Maler“ und Henri Matisse, 1909 in Einzelausstellungen Jawlensky und Kandinsky, 1910 Ernst Barlach zum Jahreswechsel 1910/1911 die NKVM und 1911 Einzel-Ausstellung Franz Marcs, die zuvor im Kölner Gereonsklub gezeigt worden war.
Zum zehnjährigen Jubiläum 1912 verzeichnete der erste Sammlungskatalog das große Spektrum der künstlerischen Avantgarde. Den Reigen der Ausstellungen eröffnete Emil Nolde, es folgten Wilhelm Lehmbruck, Egon Schiele (1890-1918); im Juli macht die erste Ausstellung des Blauen Reiters im Folkwang-Museum Station, es folgte Johan Thorn Prikker. 1913 stellte Ernst Ludwig Kirchner aus, 1914 wurde Karl Schmidt-Rottluff gezeigt.[13]
1909 war Osthaus Gründungsmitglied des „Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler“ in Düsseldorf und übernahm den Vorsitz. 1910 verwendete er sich für die Künstlergruppe Brücke sowie für Maillol und Matisse, die auf der zweiten Düsseldorfer Sonderbundausstellung präsentiert werden konnten, dem entsprechend war Osthaus maßgeblich an dieser Gesamtschau expressionistischer Strömungen beteiligt.
3. Die Ausstellung Rheinischer Expressionisten in Bonn 1913
„Die rheinischen Expressionisten habe ich gemacht in Bonn, so nebenbei, erstens, um Cassirer zuvorzukommen, und die Leute hier zusammenzubringen, zweitens als eine Probe für den Herbstsalon.“[14] Dieses Statement von August Macke umschreibt in knappster Form seine Motive, in Bonn die gemeinsame Ausstellung seiner Malerfreunde zwischen den großen europäischen Gesamtschauen des Sonderbunds in Köln 2012 und des Herbstsalons in Berlin 2013 zu organisieren.
3.1 Vorbereitung
Um Macke hatte sich im Frühsommer 1913 in Bonn ein Kreis von Malerkollegen gebildet, die sich in einer Villa in Grau-Rheindorf zum Beisammensein und Arbeiten trafen. Mackes Schwager, Walther Gerhardt, hatte jene, direkt am Rhein in der Estermannstraße 158 gelegene Villa W. v. Plüskow gemietet, Engert sowie Henseler und der Schriftsteller Karl Otten (1889-1963) bewohnten dort jeweils ein Zimmer. In diesem Kontext wurde die Idee zur Ausstellung „Rheinischer Expressionisten“, geboren, die August Macke zielstrebig umsetzte.
„Wir saßen in seinem Garten unter der Laube am Rhein und blinzelten in den strahlenden Sommer. Macke, Max Ernst, der zarte, bucklige Seehaus, der schlanke, unendlich begabte Franz Henseler, der aus München hierher verschlagen wurde. Manchmal tauchte Heinrich Nauen auf, und Franz Marc bestieg sein blaues Ross, um den Affenfries im Atelier auszumalen. Zwischendurch geisterte der schlauchartig sich windende Haru Engert umher, saß mit untergeschlagenen Beinen und schnitt Silhouetten. Aus unseren europäischen Gesprächen – wir betrachteten Köln und Bonn als Vororte von Paris, Wien und Rom – formte sich in Macke die Idee einer repräsentativen Ausstellung Rheinischer Expressionisten, die ohne jede Vorbereitung oder fremde Hilfe in den Tag sprang.“ So schilderte Karl Otten die Atmosphäre in der Geburtsstunde der Ausstellung[15].
August Macke, der neben dem Grau-Rheindorfer Künstlerkreis enge Beziehungen zu den Mitgliedern des Kölner Gereonsklubs pflegte, zum Arbeitsausschuss der Kölner Sonderbundausstellung 1912 gehörte und als Mitglied des Blauen Reiters hervorragende Beziehungen nach München unterhielt, dürfte kaum Mühe gehabt haben, eine repräsentative Liste der Aussteller zusammenzustellen und den dem Expressionismus aufgeschlossenen Friedrich Cohen, in dessen Kunstsalon 1907 die Brücke-Maler, 1908 Holzschnitte von Gabriele Münter und 1912 bereits August Macke präsentiert hatte, für das Unternehmen zu gewinnen.
3.2 Die Künstler der Ausstellung
Paul Adolf Seehaus, 1891 in Bonn geboren und durch eine schwere Erkrankung 1904 bleibend körperbehindert, trat in der Ausstellung unter dem Pseudonym „H.G. Barnett“ (der Name stammt von einem englischen Fischerdorf, wo er seine ersten Malferien verbracht hatte) auf. Seit 1910 war er mit Macke eng befreundet und bezeichnete sich als seinen „unentgeltlicher Meisterschüler“. Wichtige Anregungen sammelte er auf der Kölner Sonderbund- und der Futuristen-Ausstellung im Rheinischen Kunstsalon von Otto Feldmann 1912. Parallel zu seinem Kunstgeschichtsstudium 1914-1917 war Seehaus weiter als Maler, insbesondere auch als Radierer und als Ausstellungsorganisator tätig. Knapp vier Monate nach seiner Promotion an der Universität Bonn starb er am 13.3.1919 in Hamburg an einer Lungenentzündung. In der Bonner Ausstellung war Seehaus mit zwei Gemälden - „Rheinufer bei Bonn“, „Hafenanlage“ - und zwei Hinterglasbildern vertreten. Seehaus´ enge Verbundenheit zur Musik spiegelt sich im Farb- und Formrhythmus seiner kammermusikalischen Bilder wider, die von idyllischer Zartheit bis zu dynamischen Kraftzirkeln reichen.[16]
Heinrich Campendonk, 1889 in Krefeld geboren, besuchte 1905-1909 die Kunstgewerbeschule in Krefeld und war wie Helmuth Macke Schüler von Jan Thorn Prikker. Mit Helmuth Macke unterhielt er eine Ateliergemeinschaft und knüpfte Kontakt zu August Macke, der NKVM und den Vertretern des Blauen Reiters. 1911 siedelte er ins Bayerische Sindelsdorf um und schloss sich den Kreisen um Kandinsky und Marc an. Zur Bonner Ausstellung steuerte er ein Bild mit dem Titel „Fischpredigt“ und einige Aquarelle bei. Menschen und Dinge sind in seinem starkfarbigen Werken auf mystisch-geheimnisvolle Weise mit der Umgebung verschlungen. Walter Cohen wusste seine Gemälde als „Andachtsbilder eines Weltfrommen“ zu umschreiben[17].
Ernst Moritz Engert, 1892 in Yokohama als Sohn eines aus Hadamar (Westerwald) stammenden Kaufmanns geboren, kehrte mit seinen Eltern 1904/1905 nach Deutschland zurück. Angeregt durch einen Silhouettenschneider, den Engert auf einem Jahrmarkt begegnete, begann er, sich dieser Technik zuzuwenden und setzte sie, nach sporadischem Kunststudium in München, konsequent fort. Von Bildnissilhouetten über Plakatentwürfe bis zu Schattenspielen entwickelte Engert eine Meisterschaft, die den eigentlich in der Kunstwelt nicht hoch angesehenen Scherenschnitt eine neue Dimension verleiht. In der Bonner Ausstellung zeigte Engert neben Scherenschnitten das Gemälde „Runde Madonna“.
Max Ernst, 1891 in Brühl geboren, studierte 1910-1914 Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Bonn, lernte 1911 August Macke kennen und fasste den Entschluss, Maler zu werden. Seine frühen, bereits 1909 entstanden Bilder zeugen noch von impressionistischer Stimmung, während er im Verband mit den rheinischen Expressionisten, ohne akademische Kenntnisse, sich mit der französischen Stilpluralität auseinandersetzte und Bilder mit großem Experimentierwillen schuf. Er debutierte 1913 in der Bonner Ausstellung mit den Werken „Die Straße“ (1912), „Martyrium“, „Christus und die Jünger“, „Weiblicher Kopf“ (Hinterglasbild).
Otto Feldmann (1881-1942) trat 1908 in der Jahresausstellung der Vereinigung Kölner Künstler in Köln erstmals in Erscheinung und eröffnete, nach Parisaufenthalten, 1912 die Galerie „Rheinischer Kunstsalon am Hansaring 20 in Köln, in der er avantgardistischer Kunst bis 1914 ein Forum bot. 1911 beschickte er von Paris aus die Winter-Ausstellung der Berliner Sezession „Zeichnende Künste“, im Januar 1913 war er an der zweiten Ausstellung der Kölner Sezession im Walraff-Richartz-Museum in Köln beteiligt und eröffnete im gleichen Jahr eine „Neue Galerie“ in Berlin. Otto Feldmann machte sich als Zeichner und Aquarellist einen Namen, eine Karikatur von dem Kunsthändler Alfred Flechtheim 1911 zeugt von seinen zahlreichen Kontakten in der Rheinischen Kunst-Szene.
Franz Seraph Henseler, 1883 im Oberbayerischen Rosenheim geboren, begann neben seinem Jurastudium als künstlerischer Autodidakt und machte sich einen Namen mit originellen Werbegrafiken und Buchillustrationen. Im Kreis der Schwabinger Bohème lernte er Ernst Moritz Engert und Karl Otten kennen, mit denen er 1913 die Grau-Rheindorfer Villa W. v. Plüskow bei Bonn bezog. Im engen Austausch mit August Macke beteiligte er sich an der Bonner Ausstellung mit den Gemälden „Rheinische Madonna“, „Sebastian“, „Mondanbeter“, ferner mit den Tuschzeichnungen und/oder Radierungen „Verführung“, „Kreuztragung“ und „Familie“.
Franz Matthias (Lambert) Jansen, 1885 in Köln geboren, studierte 1905-1906 Architektur an der TH Karlsruhe und 1906-1910 bei dem Architekten Otto Wagner (1841-1918) an der Akademie der Künste in Wien. Nach seiner Rückkehr nach Köln beschloss er 1910 die Architektur zugunsten der Malerei aufzugeben und debütierte im gleichen Jahr auf Vermittlung von Alfred Hagelstange mit 34 Gemälden an der 2. Ausstellung des Kölner Künstlerbundes, war an den Sonderbundausstellungen 1911 in Düsseldorf und 1912 in Köln, und 1913 als Mitbegründer an den Ausstellungen der Kölner Sezession beteiligt, daneben war er 1911 auch Mitbegründer des Gereonsklubs. Der Vorwurf des Stilpluralismus, dem ihm Kritiker vorwarfen, zeugte von der raschen Adaption, die der Autodidakt Jansen in der Auseinandersetzung mit den zahlreichen französischen Strömungen vollzog. Daneben entstand seit 1912 ein umfangreiches graphisches Werk in Zyklen. In der Bonner Ausstellung war Jansen mit dem Gemälde der „Sommer“ vertreten.
Josef Kölschbach, 1892 in Köln geboren, (gestorben 1947) studierte 1912 an der Kunstakademie in Düsseldorf, brach aber nach dem Besuch der Sonderbundausstellung noch im gleichen Jahr sein Akademiestudium ab und wurde freischaffender Künstler. Über Max Ernst lernte er August Macke kennen, der ihn zur Bonner Ausstellung einlud. Seine Bewunderung für Kandinsky machte sich in seinen frühen Aquarellzyklen bemerkbar, während seine Hinterglasbilder mit religiösen Motiven den 21-Jährigen durch eine Einzelausstellung im Aachener Reiff-Museum im Juni/Juli 1913 schon bekannt machten, bevor er in der Bonner Ausstellung seine „Große Komposition mit Kopf im Bildzentrum“ sowie weitere Hinterglasbilder „Köpfe“ zeigte.
Helmuth Macke, 1891 in Krefeld geboren, studierte wie Heinrich Campendonk, mit dem er gemeinsam ein Atelier führte, 1906-1908 an der Krefelder Kunstgewerbeschule bei Johan Thorn Prikker. Mit seinem Vetter August Macke war er freundschaftlich verbunden. Nach dem Studium lebte er von 1909-1910 in Ateliergemeinschaft mit Wilhelm Wieger (1890-1964) und Heinrich Nauen in Orbroich bei Krefeld. 1910-1911 hielt er sich mit August Macke am Tegernsee auf und lernte die Künstler des Blauen Reiters kennen, während er ein Jahr später in Berlin Kontakte zu den Malern der Brücke aufnahm und Freundschaft mit Erich Heckel schloss. Nach seiner Beteiligung an der Sonderbundausstellung 1912 in Köln war er 1913 beim „Ersten Deutschen Herbstsalon in Berlin vertreten. In Bonn zeigte er Figurenbilder und Landschaften aus seiner ersten, vom Blauen Reiter beeinflussten Schaffensperiode.
Carlo Mense, 1886 in Rheine/Westfahlen geboren, ab 1891in Köln aufgewachsen, studierte 1906-1908 an der Kunstakademie Düsseldorf und lernte August Macke kennen. Auf seinen Rat wurde er 1909 Privatschüler von Lovis Corinth (1858-1925) in Berlin und setzte 1911 sein Kunststudium in Weimar fort, siedelte im gleichen Jahr mit seinem Bruder Rudi nach München über und wurde Mitglied im Gereonsklub in Köln. Auch er nahm an der Kölner Sonderbundausstellung 1912 und am Ersten Deutschen Herbstsalon in Berlin 1913 teil. 1914 entwarf er Graphiken und Titelblätter für die expressionistischen Zeitschriften „Der Sturm“ und „Die Aktion“ und übernahm die Organisation der Folgeausstellung „Rheinische Expressionisten“ in der Galerie Flechtheims in Düsseldorf. Mehrfache Reisen nach Ascona zum Monte Vérità führten zur Bekanntschaft mit der expressionistischen Tänzerin Mary Wigman (1886-1973).
Sein Werk nahm bis zum Ersten Weltkrieg die unterschiedlichsten Einflüsse, auch die durch seine Kollegen, auf. In Bonn war er mit Landschaftsbildern und Radierungen vertreten.
Heinrich Nauen, 1880 in Krefeld geboren, besuchte 1898 die Düsseldorfer Kunstakademie, 1899 die Privatschule von Heinrich Knirr (1862-1944) in München und von 1899-1902 die Kunstakademie Stuttgart als Meisterschüler Leopold von Kalckreuths (1855-1928). Anschließend hielt er sich bis 1905 in der Künstlerkolonie Laethem-Saint-Martin bei Gent in Flandern auf. 1906-1911 machte er Station in Berlin, Orbroich bei Krefeld und Belgien. 1910 wurde sein großformatiges Gemälde „Die Ernte“, das im Zentrum der ersten Ausstellung der Kölner Sezession stand, in Paris präsentiert, was ihm große Anerkennung, auch in einem Brief von Henri Matisse, brachte. 1911 siedelte er nach Schloss Dilborn bei Brüggen über, das zum gesellschaftlichen Mittelpunkt der Kunstszene wurde. 1912/1913 schuf er im Auftrag von Erwin Suermondt sechs Wandbilder für die Burg Drove bei Düren und beteiligte sich an der Kölner Sonderbundausstellung 1912 mit sechs Bildern. 1914 richtete ihm Alfred Flechtheim eine Einzelausstellung in seiner Galerie aus, in der der Drove-Zyklus der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Nauens wichtigstes Thema war die Landschaft und auch der in ihr arbeitende Mensch symbolistisch überhöht und von starker Farbigkeit. Der Einfluss van Goghs ist in vielen seiner frühen Gemälde spürbar. In Bonn wurden sein Porträt von Helmuth Macke und das Bild zweier „Mädchen im Boot“ gezeigt.
Clara Maria von Malachowski-Nauen, 1880 in Hannover geboren, begann ihre Ausbildung 1899 an der privaten Kunstschule bei Wilhelm Claudius (1854-1942) in Dresden, die sie 1900-1905 bei Leopold von Kalckreuth in Stuttgart fortsetzte, wo sie ihren späteren Mann, Heinrich Nauen kennenlernte. Sie setzte ihr Studium bei W.C.H. Claudius in Dresden fort, heiratete dort 1905 und folgte ihrem Mann nach Paris an die Académie Julian und auf seinen weiteren Stationen. Maria Nauen betätigte sich als Malerin, Radiererin und Holzschneiderin, vor allem auch als Malerin von Kinderporträts. Die einzige Ausstellung, an der sie vor dem Ersten Weltkrieg beteiligt war, war die der Rheinischen Expressionisten in Bonn, wo vier ihrer Landschaftsaquarelle gezeigt wurden.
Olga Friederike Oppenheimer, 1886 in Köln geboren, begann ihre künstlerische Ausbildung zusammen mit ihrer Freundin Emmy Worringer bei Adolf Hölzel (1853-1934) in Dachau und an der Akademie in München. 1908 bezog sie ein Atelier in Köln am Marsilienstein 28. 1909 wurde sie in Paris Schülerin von Paul Sérusier, ein Jahr später gründete sie zusammen mit Emmy Worringer eine Mal- und Zeichenschule im Kölner Gereonshaus und war eine der Gründerinnen des Kölner Geronsklubs. Zusammen mit ihr bewies sie sich als kluge Organisatorin, um gegen die konservative Kölner Kunstszene zu opponieren, was sich auch als Mitbegründerin der Kölner Sezession bestätigte. Als eine der wenigen Künstlerinnen im Kreis ihrer Kolleginnen war sie bis 1913 in wichtigen Ausstellungen vertreten: 1910 in der 2. Ausstellung des Kölner Künstlerbundes im Wallraf-Richartz-Museum, 1911 „Graphik Kölner Künstler“, 1912 an der Sonderbundausstellung in Köln, im gleichen Jahr in der 1. Ausstellung der Kölner Sezession im Kunstgewerbemuseum, 1913 in der 2. im Wallraf-Richartz-Museum und 1913 als einzige deutsche Repräsentantin in der legendären Armory-Show in New York. Im gleichen Jahr heiratete sie Emmys Bruder, den Gastronomen Adolf Worringer (1882-1960). Nach der Geburt zweier Söhne gab sie 1916 die Malerei auf. Aufgrund schwerer Depressionen wurde sie 1918 in die Heilanstalt Waldbreitbach eingeliefert und 1941 im Konzentrationslager Majdanek ermordet.
William Straube, 1871 in Berlin geboren, besuchte von 1886-1888 Abendkurse im Aktzeichnen, 1890-1893 absolvierte er eine Dekorationslehre, studierte ab 1894 an der Königlichen Kunstschule in Berlin, machte 1896 sein Zeichenlehrerexamen und setzte sein Studium als Meisterschüler des Historienmalers Josef Scheurenberg (1846-1914) fort. Seit 1898 war er als Zeichenlehrer in Koblenz tätig und unternahm in den Folgejahren zahlreiche Reisen durch Europa, machte 1901 in Paris die Bekanntschaft mit Matisse und hatte eine erste Ausstellung in Düsseldorf. 1908 gab er seine Zeichenlehrerstelle zugunsten einer freischaffenden Künstlertätigkeit auf, studierte an der Académie Matisse in Paris und 1915-1916 als Schüler von Adolf Hoelzel an der Stuttgarter Akademie. Vermutlich wurde Macke auf Straube bei dessen Teilnahme an der Kölner Sonderbundausstellung 1912 aufmerksam, und lud ihn, aufgrund der Stilverwandtschaft zu den Rheinischen Expressionisten, zur Bonner Ausstellung ein.
Hans Thuar, 1887 in Treppendorf bei Lübben geboren, wuchs ab 1892 in Köln auf. Ostern 1897 schloss er Freundschaft mit August Macke, zwei Jahre später wurde er von einer Pferdebahn überfahren und verlor beide Beine. Am Krankenlager machte er erste Malversuche mit August Macke, nahm von 1903-1907 Unterricht bei Professor Wegelin in Köln, verließ die Schule, betätigte sich als Dekorationsmaler und studierte von 1907-1908 an der Düsseldorfer Kunstakademie, arbeitete 1909-1910 abwechselnd in Köln und Düsseldorf: Nach einer depressiven Phase schwang er sich, nach Umzug nach Bonn-Endenich, 1911-1914 zu einer ersten Schaffensperiode auf, beteiligt sich an den Ausstellungen der Kölner Sezession 1911 und 1913, an der Kölner Sonderbundausstellung 1912, und am Ersten Deutschen Herbstsalon in Berlin 1913. In der Bonner Ausstellung wurden Landschaftsbilder gezeigt, die sich durch eine von starken Grundfarben geprägte, klare und reduzierte Formensprache auszeichnen.
August Macke selbst war in der Ausstellung mit den Bildern: „Vier Mädchen“, „Badenden Mädchen“, „Gartenrestaurant“, „Kinder am Wasser“, „Akte“ und einem Holzschnitt vertreten.
3.3 Rezeption der Ausstellung
Angesichts der ausgesprochen zwiespältigen Aufnahme der Kölner Sonderbundausstellung und den Präsentationen der Kölner Sezession - einer kleinen Gruppe von Sammlern, Förderern und progressiv eingestellten Kunsthistorikern - stand das krasse Unverständnis der konservativen nationalen Kreise, der Tagespresse und das der Bevölkerung gegenüber - lässt sich, in der Äußerung „hoffentlich werden keine Scheiben eingeschlagen“ im Vorfeld der Eröffnung August Mackes Anspannung erkennen[18]. Seine Besorgnis erwies sich jedoch als unbegründet, die Ausstellung wurde gut besucht, Macke veranstaltete eine Führung, an der circa 70 Personen teilnahmen, 15 Bilder wurden verkauft.
Die Rezensionen fielen ausgesprochen ausführlich und überwiegend positiv aus, was wohl auch daran lag, dass die Verfasser, als Studenten des Bonner Kunsthistorischen Instituts, dem Freundeskreis der Maler nahestanden, so Joachim Benn, Max Ernst, Alfred Salmony und Karl Otten. Außerdem waren mehrere der Beteiligten in Bonn ortsansässig und Macke durch frühere Ausstellungen in Bonn und durch seine Familie bekannt, so dass sich ein kleiner familiärer Kreis von Interessenten bilden konnte.
Die „Probe“ für den Ersten Deutschen Herbstsalon in Berlin, wie es Macke ausdrückte, war gelungen. Es folgte dann noch im gleichen Jahr die Übernahme der Ausstellung in den „Rheinischen Kunstsalon“ von Otto Feldmann in Köln, und von September bis November die Ausstellungsbeteiligung am Ersten Deutsche Herbstsalon bei Herwarth Walden in Berlin, im Januar 1914 unter dem Titel „Die Neue Malerei“ eine Expressionisten-Ausstellung in der Galerie Ernst Arnold in Dresden. Im Mai wurden die Rheinischen Expressionisten unter der Kuratie von Carlo Mense in der Düsseldorfer Galerie von Alfred Flechtheim präsentiert, im Juni, in unterschiedliche Zusammensetzung gegenüber Bonn, nochmals in der „Neuen Galerie“ von Otto Feldmann, in Berlin gezeigt.
3.4 Vorläufiges Ende durch den Ersten Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg schlug eine große Zäsur in die Weiterentwicklung der rheinischen Expressionisten, viele wurden eingezogen, Campendonk bis 1916, Engert bis 1916, Ernst bis 1918, Jansen, wegen Krankheit 1915 zurückgestellt, Kölschbach bis 1916, Helmuth Macke bis 1918 (er arbeitete 1915 als Kriegsmaler von Verdun), Mense bis 1918, Nauen bis 1918. August Macke und Franz Henseler starben im Feld, Paul Adolf Seehaus 1919 an Lungenentzündung. Thuar litt 1914-1920 an tiefer Depression, Marie von Malachowski-Nauen trat nach der Bonner Ausstellung 1913 nicht mehr in Erscheinung, Olga Oppenheimer gab 1916 die Malerei auf.
4. Die Rheinischen Expressionisten nach dem Ersten Weltkrieg
4.1 Die Ausstellung „Das junge Rheinland“ in Köln
Paul Adolf Seehaus organisierte mit Hilfe von Dr. Walter Cohen 1918 im Kölnischen Kunstverein eine Ausstellung mit dem Titel „Das junge Rheinland“, in der die erste Bilanz der rheinischen Kunst unmittelbar nach dem Krieg gezogen wurde. Unter dem Titel „August Macke zum Gedächtnis“ schrieb Cohan das Vorwort zum Katalog, während Seehaus in der im „Kunstblatt“ erschienenen Rezession formulierte: „Das Gesicht der typisch rheinischen Kunst ist geblieben […] Wie der Duft der Atmosphäre, silbergrau und violett die rheinische Landschaft schmeichelnd umgibt und ausgleichend umlagert, so durchdringt eine fast traditionelle Schönheit die Werke dieser rheinischen Maler […] Frankreichs Nachbarschaft klingt leise herein.“[19] Im Mittelpunkt standen 30 Werke von August Macke, daneben Arbeiten von Nauen, Kölschbach, Max Ernst, Campendonk, Jansen und Seehaus und auch von weiteren dem Kreis verbundenen Maler.
4.2 Die Künstlervereinigung „Das junge Rheinland“ in Düsseldorf
Der Titel „Das Junge Rheinland“ wurde für die gleichnamige Künstlervereinigung übernommen, die am 24.2.1919 in Düsseldorf von dem Dichter Herbert Eulenberg, dem Maler Arthur Kaufmann (1888-1971) und dem Maler und Schriftsteller Adolf Uzarski (1885-1970) ins Leben gerufen wurde. Der Zusammenschluss sollte die Interessen der rheinischen Künstlerschaft vertreten und ihnen unabhängige Ausstellungsmöglichkeiten bieten. Die erste Ausstellung fand im Juli 1919 in der Düsseldorfer Kunsthalle mit 113 Teilnehmern statt, darunter posthum Macke und Seehaus. Noch im selben Jahr wurde die Schau in Barmen gezeigt. Unter anderem schlossen sich Max Ernst, Carlo Mense, Heinrich Nauen, Walter Ophey und Otto Sohn-Rethel dieser Vereinigung an, die, neben anderen in den 1920er-Jahren entstandenen Künstlergruppierungen, 1933 aufgelöst wurde.
Berühmtes Zentrum der zeitgenössischen rheinischen Künstler war die Düsseldorfer Altstadt-Galerie „Junge Kunst – Frau Ey“ die von Johanna Ey (1864-1947), bekannt als Mutter Ey, geleitet wurde. Doch der Zenit der expressionistischen Kunstentwicklung war überschritten, Kunstströmungen wie Dada, Surrealismus und Neue Sachlichkeit brachen sich Bahn. So fand Max Ernst über Dada zum Surrealismus, während Heinrich Campendonk, Hans Thuar, Heinrich Macke und Heinrich Nauen, der 1921 an die Kunstakademie Düsseldorf berufen wurde, ihr Spätwerk aufbauten. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden, so wie viele andere, die Werke der Expressionisten als „entartet“ erklärt, teilweise zerstört, Sammlungen zerschlagen, aus Museen entfernt und der Öffentlichkeit entzogen.
4.3 Würdigung der Rheinischen Expressionisten nach dem Zweiten Weltkrieg
1952 organisierte Walter Holzhausen (1896-1968) eine erste umfassende Ausstellung der Städtischen Kunstsammlungen Bonn mit dem Titel „Bonn und der rheinische Expressionismus“ im Kaufhof Bonn und rief damit die Erinnerung an den künstlerisch so fruchtbaren Kreis um August Macke zurück ins Leben.
Das städtische Kunstmuseum Bonn, das August-Macke-Haus in Bonn, das Kaiser-Wilhelm Museum in Krefeld und weitere Museen verwalten heute das Erbe der Rheinischen Expressionisten, sorgen für die kunsthistorische Aufarbeitung und mit kontinuierlichen Ausstellungen für ihre Präsentation in der Öffentlichkeit.
Literatur
Kursiv = Kurzzitierweise
Schäfer, Barbara (Hg.), 1912 – Mission Moderne. Die Jahrhundertschau des Sonderbundes, Ausstellungskatalog Köln, Wallraf-Richartz-Museum, 31. August-30. Dezember 2012, Köln 2012.
Der Blaue Reiter, Dokumente einer geistigen Bewegung, hg. v. Andreas Hüneke, 3. Auflage, Leipzig 1991.
Der Gereonsklub 1911-1913. Europas Avantgarde im Rheinland, hg. vom Verein August-Macke-Haus e.V., Bonn 1993.
Die Rheinischen Expressionisten - August Macke und seine Malerfreunde, Ausstellungskatalog Städtisches Kunstmuseum Bonn, Kaiser Wilhelm-Museum Krefeld, Von der Heydt-Museum Wuppertal, hg. v. Städtisches Kunstmuseum Bonn, Recklinghausen 1979.
Möller, Magdalena M., August Macke und die Rheinischen Expressionisten, Werke aus dem Kunstmuseum Bonn und anderen Sammlungen. Ausstellungskatalog Brücke-Museum Berlin 2002/2003 und Kunsthalle Tübingen 2003, München 2002.
Online
Informationen beim August-Macke-Haus. [Online]
Weitere Informationen beim Kunstmuseum Bonn. [Online]
- 1: Worringer, Wilhelm, Zur Entwicklungsgeschichte der modernen Malerei, in: Der Sturm, Jahrgang 2, Heft 75 (1911), S. 597-598, zitiert nach Schäfer, Barbara, 1912 - Mission Moderne, S. 302.
- 2: Reiche, Richart, Vorwort in: Internationale Kunstausstellung des Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler zu Cöln 1912, zitiert nach Stamm, Rainer, „wir wenigen Menschen, die diese Dinge gesammelt haben“, in: Schäfer, 1912 – Mission Moderne, S. 67.
- 3: E[rnst?], Ausstellung Rheinischer Expressionisten, in: „Volksmund“ (Bonn) 12.7.1913, zitiert in: Die Rheinischen Expressionisten 1979, S. 5, 54.
- 4: Kepetzis, Ekaterini, Am besten wäre die Sache und künstlerisch am stärksten, wenn wir nur zu fünfen wären. August Deusser und die Düsseldorfer Maler des Sonderbundes, in: Schäfer, 1912 – Mission Moderne, S. 28-35.
- 5: Rekonstruktion der Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum Köln vom 31. 8.– 30.12.2012.
- 6: Zitiert nach Schäfer, 1912 - Mission Moderne, S. 36.
- 7: August Macke in einem Brief an Franz und Maria Marc vor Weihnachten 1911, zitiert in: Der Gereonsklub, S. 36-37 und Elisabeth Erdmann-Macke, Erinnerungen an August Macke, zitiert in: Der Blaue Reiter, S. 173-174.
- 8: Franz M. Jansen „Von damals bis heute“, zitiert in: Der Blaue Reiter, S. 172-173. – Georg Swarzenski (1876-1957) war seit 1906 Direktor des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt.
- 9: August Macke in einem Brief an Kandinsky vom 14.12.1911: „Gestern habe ich in Köln die neue Sezession gründen helfen“, zitiert in: Der Gereonsklub, S. 12.
- 10: Jansen, Franz M., Rückblick auf fünf Jahrzehnte, zitiert in: Der Gereonsklub, S. 56.
- 11: Zitiert nach Rezension von Michael Sontheimer am 2.12.2011 zu Dascher, Ottfried: „Es ist was Wahnsinniges mit der Kunst“ – Alfred Flechtheim, 2011. www.taz.de
- 12: Macke in einem Brief an Franz und Maria Marc vor Weihnachten 1911, zitiert in: Der Gereonsklub, S. 37.
- 13: Zusammenstellung vgl. Dorsz, Christoph (Folkwang Universität der Künste, Essen): Karl Ernst Osthaus, 2012, www.osthausmuseum.de
- 14: Brief von August Macke an Herwarth Walden vom 9.7.1913, zitiert in: Die Rheinischen Expressionisten 1979, S. 10.
- 15: Karl Otten: 1914 – Sommer ohne Herbst, aus: Raabe, Paul (Hg.), Expressionismus. Aufzeichnungen und Erinnerungen der Zeitgenossen, 1965, zitiert nach: Die Rheinischen Expressionisten, 1979, S. 13-14.
- 16: Heusinger von Waldegg, Joachim, Versuch einer Rekonstruktion der in der Rheinischen Expressionisten-Ausstellung gezeigten Werke, in: Die Rheinischen Expressionisten, 1979, S. 51.
- 17: Zitiert nach Stemmler, Dierk, in: Die Rheinische Expressionisten 1979, S. 87.
- 18: Elisabeth Erdmann-Macke, Erinnerungen an August Macke, Stuttgart 1962, zitiert in: Die Rheinische Expressionisten 1979, S. 10.
- 19: Seehaus, P. A., Das Junge Rheinland, in: Kunstblatt II, 1918, S. 120, zitiert in: Die Rheinische Expressionisten 1979, S. 25.
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Steger, Denise, Die Rheinischen Expressionisten, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-rheinischen-expressionisten/DE-2086/lido/5f97d542608d88.24054171 (abgerufen am 06.10.2024)