Queen Victorias Rheinreise anno 1845 im Spiegel der internationalen Presse

Uwe Baur (Koblenz)

Empfang in Aachen, aus: Leipziger Illustrirte Zeitung.

1. Einleitung

Sie war ein gro­ßes Me­di­en­er­eig­nis, die Deutsch­land-Rei­se der eng­li­schen Queen Vic­to­ria (1819-1901, Re­gent­schaft ab 1837) im Jah­re 1845. Über­all in der Pres­se fin­den sich dar­über Mel­dun­gen und Be­rich­te, al­ler­dings in un­ter­schied­li­cher Aus­führ­lich­keit und Qua­li­tät. So bie­tet un­ter den deut­schen Zei­tun­gen vor al­lem der „Co­blen­zer An­zei­ger“, der doch am Sitz der zu­stän­di­gen preu­ßi­schen Pro­vin­zi­al­re­gie­rung aus ers­ter Hand hät­te in­for­miert sein müs­sen, nicht im­mer ge­naue An­ga­ben. Gro­ße Re­so­nanz fand das Er­eig­nis auch in der aus­län­di­schen Pres­se, eben­falls mit un­ter­schied­li­chen Ak­zen­ten. Die eng­li­schen Jour­na­lis­ten kon­zen­trier­ten sich vor­nehm­lich auf die Se­hens­wür­dig­kei­ten und den Land­strich, der schon seit ei­ni­gen Jahr­zehn­ten gro­ße An­zie­hungs­kraft auf ih­re rei­se­lus­ti­gen Lands­leu­te aus­üb­te. Au­ßer­dem blick­ten sie durch­aus kri­tisch auf die dort woh­nen­den Men­schen, die ih­rer An­sicht nach manch­mal doch ein we­nig im Kon­trast zur schö­nen Land­schaft stan­den. Die Fran­zo­sen rich­te­ten ih­ren Blick mehr auf das mi­li­ta­ris­ti­sche Ge­ba­ren ih­res nicht son­der­lich ge­lieb­ten preu­ßi­schen Nach­barn. Und da da­mals auch Sach­sen, vom rhei­ni­schen Preu­ßen aus ge­se­hen, zum „Aus­lan­d“ ge­hör­te, ist die Leip­zi­ger „Il­lus­trir­te Zei­tun­g“ von In­ter­es­se, de­ren um­fang­rei­che Be­richt­er­stat­tung über­deut­lich be­tont, dass ihr Nach­bar­land Preu­ßen ein „Mi­li­tär­staa­t“ sei. Da die un­ter­schied­li­chen Ak­zen­te der Be­rich­te aus den ein­zel­nen Tex­ten her­aus­zu­le­sen sind, wer­den hier vor­zugs­wei­se Zi­ta­te aus den eng­li­schen und fran­zö­si­schen Zei­tun­gen in deut­scher Über­set­zung ge­bo­ten.

Königin Victoria von England, Porträtbild 1845 von Alexander Melville, Original: Museum Schloss Friedenstein.

 

2. Die Vorgeschichte

He­re we are in Ger­ma­ny, a very de­light­ful, but qui­te to me ex­tra­or­di­na­ry fee­ling. (Da sind wir nun in Deutsch­land, ein sehr wun­der­ba­res, doch ganz be­son­ders für mich au­ßer­ge­wöhn­li­ches Ge­fühl). Mit die­sem Satz be­gann Queen Vic­to­ria (1819-1901, Re­gent­schaft ab 1837) in ih­rem Ta­ge­buch die Auf­zeich­nun­gen über ih­re Deutsch­land­rei­se vom Som­mer 1845, wo­bei vor al­lem die Un­ter­strei­chun­gen in die­sem Satz deut­lich ma­chen, wie sehr sie sich ganz of­fen­sicht­lich dar­auf ge­freut hat­te. Es soll­te zwar haupt­säch­lich ei­ne Rei­se in die Ge­burts­stadt Co­burg ih­res Gat­ten Franz Au­gust Carl Al­brecht Ema­nu­el, ge­nannt Al­bert von Sach­sen-Co­burg und Go­tha (1819-1861) und in die Hei­mat ih­rer Mut­ter Vic­to­ri­ne von Sach­sen-Co­burg-Saal­feld (1786-1861), ei­ner Schwes­ter von Al­berts Va­ter, wer­den, doch die Hin­rei­se wur­de durch ei­ne Ein­la­dung des preu­ßi­schen Kö­nigs Fried­rich Wil­helm IV. (1795-1861, Re­gent­schaft ab 1840) auch zu ei­ner Art „Staats­be­su­ch“ in der Preu­ßi­schen Rhein­pro­vinz. Da­zu ist vor­an­zu­schi­cken, dass die eng­li­sche Kö­ni­gin am 9. No­vem­ber 1841 als zwei­tes Kind ei­nen Thron­fol­ger zur Welt ge­bracht hat­te, den Prin­ce of Wa­les Al­bert Ed­ward, ge­nannt Ber­tie (1841-1910, Re­gent­schaft als Ed­ward VII. ab 1901), zu des­sen Tau­fe auch der preu­ßi­sche Kö­nig nach Lon­don ge­reist war. Bei die­ser Ge­le­gen­heit dürf­te er die Queen da­zu ani­miert ha­ben, doch ein­mal das bei ih­ren eng­li­schen Lands­leu­ten so über­aus be­lieb­te Rhein­tal zu be­su­chen und sich da­bei von ihm per­sön­lich des­sen Schön­hei­ten und Se­hens­wür­dig­kei­ten zei­gen zu las­sen. Die sprich­wört­li­che eng­li­sche Rhein-Be­geis­te­rung hat­te zu An­fang des 19. Jahr­hun­derts be­gon­nen, spä­tes­tens nach der Nie­der­la­ge Na­po­le­ons in der Schlacht bei Wa­ter­loo (1815), wo­bei vor al­lem von Künst­lern, so dem Ma­ler Wil­liam Tur­ner oder dem Dich­ter Lord By­ron, we­sent­li­che Im­pul­se aus­ge­gan­gen wa­ren. Dem Tou­ris­mus war zu­dem bald die Tat­sa­che zu­gu­t­ege­kom­men, dass ab 1818 Dampf­schif­fe die Über­fahrt über den Är­mel­ka­nal er­heb­lich leich­ter mach­ten, wo hin­zu dann der seit 1835 be­trie­be­ne Aus­bau der bel­gi­schen Ei­sen­bahn kam, die schlie­ß­lich 1843 mit der preu­ßi­schen Stre­cke so ver­knüpft wur­de, dass es ei­ne durch­ge­hen­de Ver­bin­dung von Ant­wer­pen nach Köln gab. Und auch auf dem Rhein spiel­te die seit 1824 ­sys­te­ma­tisch be­trie­be­ne Dampf­schiff­fahrt ei­ne we­sent­li­che Rol­le. Die­se be­que­men Mög­lich­kei­ten dürf­ten auch bei der Ent­schei­dung der Queen mit­ge­spielt ha­ben, die­se Rei­se zu un­ter­neh­men.

3. Die Anreise

Am Be­ginn ste­he ein Zi­tat aus ei­nem in Co­burg am 25. Au­gust qua­si als Re­sü­mee der „Rhein­rei­se“ ge­schrie­be­nen Be­richt des Pa­ri­ser „Jour­nal des dé­bats“:

Schon in der An­kün­di­gung der Rei­se im „Co­blen­zer An­zei­ger“ un­ter dem Da­tum „Ko­burg, 21. Ju­li“ hat­te es ge­hei­ßen: Vic­to­ria wird, wie man hört, bis zu ih­rem kö­nig­li­chen Wir­the am Rhein als Kö­ni­gin mit al­lem kö­nig­li­chen Glanz und Eh­ren­ge­lei­te rei­sen und als sol­che bei ihm ver­wei­len, wäh­rend der Rei­se zu uns und bei uns aber der Mon­ar­chin In­co­gni­to auf­le­gen und nur die Ge­mah­lin des Prin­zen Al­bert von Co­burg gel­ten las­sen.

Und so ho­ben „The il­lus­tra­ted Lon­don News“ in ih­rem Be­richt vom Land­gang der Queen in Ant­wer­pen denn auch aus­drück­lich her­vor:

Es war Ih­rer Ma­jes­tät Wunsch, dass jeg­li­ches Ar­ran­ge­ment in ei­ner mög­lichst pri­va­ten Art durch­ge­führt wer­de. Sie reist in­ko­gni­to [im Ori­gi­nal kur­siv], so­weit dies Kö­ni­gin­nen kön­nen, be­freit von jeg­li­cher öf­fent­li­cher An­spra­che und so weit als mög­lich nur mit Eh­ren­ge­leit.

Und fol­ge­rich­tig be­merk­te die Leip­zi­ger „Il­lus­trir­te Zei­tun­g“ vom Ant­wer­pe­ner Emp­fangs­ko­mi­tee: Kei­ner die­ser Her­ren trug auf den aus­drück­li­chen Wunsch der Kö­ni­gin ei­ne amt­li­che Uni­form.

Trotz des nach­drück­lich be­tont pri­va­ten Cha­rak­ters wä­re die­se Rei­se fast zu ei­ner eng­li­schen Staats­af­fä­re ge­wor­den, wie in dem zi­tier­ten Be­richt in „The il­lus­tra­ted Lon­don News“ auch zu le­sen war:

Auf die recht­li­che Schwie­rig­keit, wel­che, laut Lord Camp­bell, die Fra­ge der Ab­we­sen­heit des Herr­schers von sei­nem Reich be­trifft, ist von Ih­rer Ma­jes­tät auf die wir­kungs­volls­te Wei­se ei­ne Ant­wort ge­ge­ben wor­den. Noch wäh­rend die grö­ß­ten Rechts­ge­lehr­ten strit­ten, ob die Queen rei­sen dür­fe oder nicht – ist sie ge­fah­ren; und be­vor das gan­ze Land ver­traut war mit all den Ar­gu­men­ten ge­gen Ih­re Ma­jes­tät, ver­ließ sie Eng­land in ein Land au­ßer­halb ih­rer Herr­schafts­be­rei­che, es flat­ter­te die kö­nig­li­che Stan­dar­te schon auf der Schel­de, und der kö­nig­li­che Fuß drück­te be­reits die Er­de Deutsch­lands.

Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, Lithographie von Franz Seraph Hanfstaengl, 1840.

 

Die Queen hat­te nebst Prinz­ge­mahl und Ge­fol­ge am Sams­tag, 9.8.1845, spät­nach­mit­tags nach der Proro­ga­ti­on (Ver­ta­gung) des Par­la­ments, Lon­don an Bord der kö­nig­li­chen Damp­f­yacht Vic­to­ria and Al­bert ver­las­sen, die für die Nacht in der Them­se-Mün­dung vor An­ker ging. Am Sonn­tag, 10. Au­gust, er­folg­te bei stür­mi­schem und reg­ne­ri­schem Wet­ter die Über­fahrt über den Är­mel­ka­nal und die Wei­ter­fahrt nach Ant­wer­pen. Die raue See hin­ter­ließ of­fen­bar so deut­li­che Spu­ren bei Prinz­ge­mahl Al­bert, dass dies noch der preu­ßi­sche Kö­nig bei der Be­grü­ßung in Aa­chen be­merk­te,  wie die „Morning Pos­t“ be­rich­te­te:

Sei­ne Ma­jes­tät mach­te der Queen Kom­pli­men­te über ihr ge­sun­des Aus­se­hen nach der er­mü­den­den Rei­se und merk­te an, dass er den­ke, sie sei ei­ne bes­se­re See­fah­re­rin als Prinz Al­bert, der bleich und aus­ge­zehrt aus­sä­he, als ob er nur krank das To­ben hef­ti­ger „Bo­reas“ er­tra­gen kön­ne.

Ant­wer­pen war ge­gen 18 Uhr er­reicht wor­den, wor­über im „Jour­nal des dé­bats“ stand:

Das Mi­li­tär­or­ches­ter, auf­ge­stellt am Quai, ließ die Na­tio­nal­hym­ne God sa­ve the Queen hö­ren. Auf Wunsch der Kö­ni­gin hat­ten die Bat­te­ri­en ihr Feu­er bei der An­kunft des kö­nig­li­chen Schif­fes ein­ge­stellt.

Na­tür­lich war nicht nur die kö­nig­li­che Yacht Vic­to­ria and Al­bert über den Ka­nal ge­dampft, son­dern auch de­ren Ten­der, die Fai­ry, die dann spä­ter auf dem Rhein zur Ver­fü­gung ste­hen soll­te, au­ßer­dem noch Schif­fe mit dem Ge­fol­ge so­wie ei­ni­ge „Fracht­schif­fe“ mit den kö­nig­li­chen Kut­schen, die al­le­samt für die fol­gen­de Nacht erst ein­mal auf der Schel­de vor An­ker gin­gen. Erst am Mon­tag­mor­gen, 11. Au­gust, wur­de die kö­nig­li­che Ge­sell­schaft an Land ge­bracht, um per Son­der­zug durch Bel­gi­en, von Me­cheln bis Ver­viers be­glei­tet vom bel­gi­schen Kö­nigs­paar, nach Köln zu fah­ren. Über die Vor­be­rei­tun­gen an der Bahn­stre­cke hat­te die „Morning Pos­t“ be­rich­tet:

Die schläf­ri­gen Bel­gi­er mach­ten den Ein­druck, als ob sie nichts aus ih­rer ge­wohn­ten Le­thar­gie ho­len kön­ne. Es gab ges­tern kei­ner­lei äu­ße­res Zei­chen für ir­gend­ei­ne Ab­sicht ih­rer­seits, sich zu rüh­ren, und al­le Auf­merk­sam­keit war wahr­schein­lich nur auf ih­ren Ha­fer und ih­re Gers­te (oder bes­ser auf ih­re Pfei­fen und ihr Bier) ge­rich­tet an­statt auf un­se­ren Herr­scher. Es gab, wie auch im­mer, ei­nen be­mer­kens­wer­ten Un­ter­schied beim Über­tritt über die preu­ßi­sche Gren­ze in Her­bes­thal, jen­seits von Ver­viers. Le­gio­nen von Ma­lern und Zim­mer­leu­ten wa­ren in den Bahn­hö­fen pin­selnd und häm­mernd in jeg­li­cher Art tä­tig. Die Ei­sen­bahn ist be­malt und de­ko­riert wor­den mit ei­ner Viel­zahl an De­vi­sen und Or­na­men­ten, de­ren al­le, mehr oder min­der, herz­li­che An­spie­lun­gen oder Kom­pli­men­te an die Queen von Groß­bri­tan­ni­en ent­bie­ten; klei­ne Bäu­me und Mai­en wa­ren die Stre­cke ent­lang so­wie an den Ein­gän­gen der Tun­nels auf­ge­pflanzt wor­den – kurz und gut, kei­ne Mü­he war ge­scheut wor­den sei­tens des Kö­nigs von Preu­ßen und sei­ner Un­ter­ta­nen, sei­nen ho­hen Gäs­ten Ehr­er­bie­tung ent­ge­gen zu brin­gen. Sei­ne Ma­jes­tät per­sön­lich hat vie­le der Vor­be­rei­tun­gen über­wacht, die jetzt vor sich ge­hen, und hat auf­mun­tern­de Be­feh­le ge­ge­ben, da­mit an kei­nem Auf­wand und kei­ner Mü­he ge­spart wer­de, auf dass un­ser Herr­scher mit all dem ihm ge­büh­ren­den Glanz emp­fan­gen wer­de; und sei­ne Be­feh­le wur­den be­wun­derns­wert aus­ge­führt von sei­nen Un­ter­ta­nen.

Die­se et­was un­freund­li­chen Be­mer­kun­gen über die Bel­gi­er sind al­ler­dings zu re­la­ti­vie­ren, denn zu­min­dest die Bahn­hö­fe wa­ren durch­aus ge­schmückt wor­den. Und in Ver­viers wur­de es so­gar rich­tig fest­lich, weil das bel­gi­sche Kö­nigs­paar hier den Zug der Queen wie­der ver­ließ, um nach Me­cheln zu­rück­zu­fah­ren. „The il­lus­tra­ted Lon­don News“ und auch die Leip­zi­ger „Il­lus­trir­te Zei­tun­g“ be­rich­te­ten von dort:

Auch ei­ne Abt­hei­lung preu­ßi­sches Mi­li­ta­ir be­fand sich hier. Un­ter vie­len an­de­ren An­zei­chen der Nä­he ei­nes Mi­li­tair­staa­tes war nicht das ge­rings­te ei­ne äch­te – Mar­ke­ten­de­rin mit run­dem schwar­zen Glanz­hut, das vol­le Fä­ßchen am Brus­t­rie­men, in grü­ner Uni­form, Bein­klei­dern und Stie­feln, mit­ten un­ter den Sol­da­ten und ord­en­ge­schmück­ten Of­fi­zie­ren.

Der preu­ßi­sche Kron­prinz Wil­helm (1797-1888, ab 1858 Prinz­re­gent, 1861 Kö­nig, ab 1871 Kai­ser Wil­helm I.) war dem Zug an die preu­ßisch-bel­gi­sche Gren­ze bei Her­bes­thal ent­ge­gen ge­fah­ren und hat­te die Queen und ihr Ge­fol­ge bis Aa­chen be­glei­tet. Im dor­ti­gen ­Bahn­hof nahm Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. sei­ne Gäs­te in Emp­fang. An­schlie­ßend wur­den im Dom die  Er­in­ne­rungs­stät­ten an Karl den Gro­ßen be­sich­tigt, da­nach ei­ne Stadt­rund­fahrt ge­macht und ein „Déjeu­ner“ ein­ge­nom­men. Über die­se Stadt­rund­fahrt ver­merk­te die Leip­zi­ger „Il­lus­trir­te Zei­tun­g“:

Ei­ne Schar von be­rit­te­nen und uni­for­mier­ten Bür­gern bil­de­te ei­ne Art frei­wil­li­ger Eh­ren­wa­che, was die „Morning Pos­t“ al­ler­dings so kom­men­tier­te: Die Kut­schen wur­den es­kor­tiert von ei­ner Trup­pe des Land­adels der Um­ge­bung; vie­le von ih­nen wa­ren auf Klep­per ge­stie­gen, die Rot­ton-row[1]  kei­ne Schan­de be­rei­tet hät­ten: aber es gab kei­ne be­rit­te­ne Mi­li­tä­res­kor­te au­ßer den Ad­ju­tan­ten der Ma­jes­tät. Die Queen ih­rer­seits hielt in ih­rem Ta­ge­buch fest (hier aus­nahms­wei­se auf Eng­lisch zi­tiert): So­me young “Kauf­leu­te” es­cor­ted us on hor­se­back, but who could not ri­de at all. (Ei­ni­ge jun­ge „Kauf­leu­te“, die nun nicht wirk­lich rei­ten konn­ten, es­kor­tier­ten uns zu Pferd).

4. Umsteigen in Köln

Noch am Nach­mit­tag wur­de die Zug­fahrt nach Köln fort­ge­setzt. Über die dor­ti­ge An­kunft schrieb der „Morning Chro­ni­cle“:

Der Bahn­hof war far­ben­froh durch die Gir­lan­den und Flag­gen – die Bahn­stei­ge durch die un­ter­schied­li­chen Klei­der der Da­men und die et­was lus­ti­gen Ro­ben der zi­vi­len Funk­tio­nä­re, die zu­recht­ge­stutzt wa­ren in ei­nem ho­hen Stil amt­li­chen Dan­dy­is­mus‘, das hei­ßt mit Rö­cken und Steh­kra­gen und Man­schet­ten, wie wir sie üb­li­cher­wei­se eher an Ho­no­ra­tio­ren und Bür­ger­meis­tern in Opern zu se­hen be­kom­men als im wirk­li­chen Le­ben. Wie auch im­mer, die me­lo­dra­ma­ti­sche Ge­sell­schaft war kom­plett zu­ge­gen, und hielt tat­säch­lich nicht we­nig auf sich. Es gab lei­der nicht mehr Zeit für Re­den, als höchs­tens fünf Mi­nu­ten von dem Zeit­punkt an, da der Zug an­hielt, bis die kö­nig­li­che Ge­sell­schaft wei­te­reil­te, so schnell als Pfer­de sie tra­gen konn­ten, vom Bahn­hof der Rhei­ni­schen Ei­sen­bahn zu der, die von Köln nach Bonn geht.

Im­mer­hin konn­te der Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ter ei­ne klei­ne Be­grü­ßungs­an­spra­che hal­ten, de­ren Text in der „Köl­ni­schen Zei­tun­g“ nach­zu­le­sen war. Über die­sen da­mals in Köln noch not­wen­di­gen Bahn­hofs­wech­sel be­rich­te­ten „The il­lus­tra­ted Lon­don News“ mit Bild:

Die kö­nig­li­che Ge­sell­schaft ver­ließ die Ei­sen­bahn zu den pri­va­ten Kut­schen, die au­ßer­halb der Sta­ti­on auf­ge­stellt wa­ren und so­fort zur Hal­te­stel­le der Bon­ner Ei­sen­bahn da­von­fuh­ren. Da­zu muss­ten sie durch den grö­ß­ten Teil der In­nen­stadt von Köln fah­ren. Dies war ein fröh­li­ches und glän­zen­des Schau­spiel. Die al­ten Häu­ser, ge­nau­so ma­le­risch wie die von Gent oder Ant­wer­pen, wa­ren mit Gir­lan­den über und über be­hängt, und, was das bes­te von al­lem war, be­setzt mit den lä­cheln­den Ge­sich­tern der be­geis­ter­ten deut­schen Mäd­chen, die, ob­wohl sie ernst und phleg­ma­tisch aus­se­hen mö­gen, al­le Welt mit ih­rem En­thu­si­as­mus über­tref­fen dürf­ten. Flag­gen über­spann­ten die Stra­ßen, so dass die­se al­le­samt er­schie­nen, als ob sie ein gro­ßer Bo­gen wä­ren, und die Glo­cken läu­te­ten ein fröh­li­ches Klin­gen von den vie­len um­ste­hen­den Kir­chen. Dich­te Men­schen­mas­sen säum­ten den Weg und straf­ten den na­tio­na­len Cha­rak­ter Lü­gen durch lau­te und le­ben­di­ge Hoch­ru­fe, mit de­nen sie die neu­en Gäs­te ih­res Sou­ve­räns be­grü­ß­ten. Es liegt et­was Gro­ßar­ti­ges im deut­schen En­thu­si­as­mus. Er ist nicht ver­an­lagt, sich aus­zu­brei­ten, doch wenn er kommt, so kommt er so tief­ge­hend, so stark und hef­tig her­vor. Ge­lei­tet von die­ser  bes­ten Ar­mee der Kö­ni­ge fuh­ren die Sou­ve­rä­ne von Preu­ßen und Eng­land durch Köln an die Ufer des Rheins, von wo die Bahn nach Bonn ab­fuhr. In und um die Sta­ti­on brei­te­te sich ei­ne wei­te­re Sze­ne des mi­li­tä­ri­schen Pomps und der Volks-Be­geis­te­rung aus, nicht ge­rin­ger als sie an­dern­orts statt­ge­fun­den hat­te. Hoch- und Will­kom­mens-Ru­fe, ver­mischt mit dem Wir­beln der Trom­meln, dem Dröh­nen der Ka­no­nen und der mar­tia­li­schen Mu­sik der Ka­pel­len, füg­ten sei­nem Strom die­se rol­len­de Flut en­thu­si­as­ti­schen Will­kom­mens hin­zu, wel­che die Queen von Eng­land und ih­ren Ge­mahl vom ers­ten Au­gen­blick an be­grü­ßt hat­te, als sie im Ter­ri­to­ri­um des Kö­nigs von Preu­ßen an­ge­kom­men wa­ren.

Als Er­gän­zung sei zi­tiert, was in der „Morning Pos­t“ über die Zu­stän­de in Köln zu le­sen war:

Köln be­hält, wie auch im­mer, ih­ren Ruf als schmut­zigs­te Stadt in Eu­ro­pa, und, wie Cole­ridge[2]  sagt, die „Nym­phe, die über Ka­nä­le und Pfüh­le re­gier­t“, hält dort nie ein Tref­fen ab. Letz­ten Abend war das weit­be­rühm­te Eau [de Co­lo­gne] si­cher­lich nicht der vor­herr­schen­de Duft, und Her­ku­les mag sich sel­ber glück­lich ge­schätzt ha­ben, nicht be­auf­tragt wor­den zu sein, die­sen dre­cki­gen Ort von sei­nem Mist zu be­frei­en an­stel­le des Stalls des Au­gi­as.

Empfang in Aachen, aus: Leipziger Illustrirte Zeitung.

 

Auch die Queen hielt da­zu in ih­rem Ta­ge­buch fest: Auf den Plät­zen be­sprüh­ten sie das Stra­ßen­pflas­ter mit Eau de Co­lo­gne.

Die kur­ze Stre­cke von Köln nach Brühl war schnell zu­rück­ge­legt. Hier emp­fing dann auch die preu­ßi­sche Kö­ni­gin Eli­sa­beth (1801-1873) die Gäs­te von der In­sel. Über die An­kunft be­rich­te­te „The Ti­mes“:

Die Auf­re­gung und der En­thu­si­as­mus, die Ih­rer Ma­jes­tät An­kunft ent­ge­gen­ge­bracht wur­den, hiel­ten in­zwi­schen wei­ter an. Der Pa­last von Brühl, der un­mit­tel­bar ge­gen­über der Sta­ti­on der Köln-Bon­ner Ei­sen­bahn liegt, bil­de­te, als der Zug mit der kö­nig­li­chen Ge­sell­schaft ges­tern Abend an­kam, die Sze­ne­rie für ei­nen Emp­fang, der so nicht oft selbst Kö­ni­gen ge­bo­ten wird.

Und der Kor­re­spon­dent von „The il­lus­tra­ted Lon­don News“ hob ver­wun­dert her­vor:

Es ist höchst be­mer­kens­wert, dass di­rekt ge­gen­über dem Schloss die Ei­sen­bahn-Sta­ti­on liegt – ein Bei­spiel da­für, wie we­nig die preu­ßi­sche Roya­li­tät und die Aris­to­kra­tie dar­über be­sorgt sind, igno­riert zu wer­den – ein Hor­ror für den eng­li­schen Adel.

Zur Be­grü­ßung der Queen war ein gro­ßes Mi­li­tär­kon­zert mit an­schlie­ßen­dem Zap­fen­streich ar­ran­giert wor­den, wor­über die „Köl­ni­schen Zei­tun­g“ Ein­zel­hei­ten be­rich­te­te:

Wäh­rend die ho­hen Herr­schaf­ten nun ei­ni­ge Er­fri­schun­gen ein­nah­men, wur­de vor dem Schlos­se nach der Sei­te des Bahn­hofs hin der Gro­ße Zap­fen­streich vor­be­rei­tet. An dem­sel­ben nah­men drei­zehn Mu­sik­chö­re und die sämt­li­chen Tam­bou­re der 15. und 16. In­fan­te­rie-Bri­ga­de, un­ter Lei­tung des Chefs der Mu­sik des Gar­de­co­rps, Herrn Wieprecht,[3]  Theil. Links vom Schlos­se stan­den die Trom­pe­ter des 8. Hu­sa­ren-, 4. Dra­go­ner-, 5. und 7. Ula­nen-Re­gi­ments, so wie der 8. Rei­ten­den Ar­til­le­rie-Bri­ga­de; dem Schloss ge­gen­über die Mu­sik des 16., 25., 28., 29., 35., 38. und 40. In­fan­te­rie-Re­gi­ments, nebst der 8. Ar­til­le­rie-Bri­ga­de zu Fuß; rechts die Tam­bou­re. Na­he vor der In­fan­te­rie-Mu­sik be­fan­den sich die Schlag-In­stru­men­te der­sel­ben, und in der Mit­te die Di­rec­tion. Um­ge­ben war das Gan­ze von meh­ren Fa­ckel­trä­gern und zahl­rei­chen Mi­li­tär-Mann­schaf­ten. Ge­gen 9 Uhr be­gann die Aus­füh­rung der Mu­sik­stü­cke, […]. Bei Be­ginn […] ver­lie­ßen die hin­ter den In­fan­te­rie-Mu­sik­chö­ren auf­ge­stell­ten Fa­ckel­trä­ger ih­re Plät­ze und tra­ten in den in­nern frei­en Raum, wo sie sich auf­stell­ten, daß sie den Na­mens­zug V bil­de­ten, was be­son­ders vom Schlos­se aus ge­se­hen, an des­sen Fens­tern die ho­hen Be­woh­ner wie­der­holt er­schie­nen, ei­ne sehr schö­ne Wir­kung ge­macht ha­ben muß. Die ein­zel­nen Mu­sik­stü­cke wur­den mit wirk­lich meis­ter­haf­ter Präci­si­on aus­ge­führt und ei­nen ganz ei­gen­t­hüm­li­chen Ein­druck üb­te die gro­ße Mas­se der Trom­meln, wel­che bei meh­ren Num­mern mit­wirk­ten. An die Har­mo­nie-Mu­sik reih­te sich das „Lo­cken zum Zap­fen­streich“, die Re­trai­te, der Zap­fen­streich selbst von gro­ßar­tigs­ter Wir­kung, und den Schluß mach­te das „Ge­be­t“.

Im ent­spre­chen­den Ar­ti­kel in „The il­lus­tra­ted Lon­don News“ war von nicht we­ni­ger als 600 Mu­si­kern, zu­sam­men ge­stellt aus 30 Ka­pel­len ver­schie­de­ner Re­gi­men­ter zu le­sen, was reich­lich über­trie­ben war. Aber auch wenn es „nur“ die Mu­si­ker aus acht Mi­li­tär­ka­pel­len wa­ren, so ka­men wohl doch an die 600 Mann zu­sam­men, rech­net man die gro­ße Zahl an Tromm­lern und Trom­pe­tern so­wie wei­te­re fünf Re­gi­men­ter bzw. Bri­ga­den mit. Der sol­cher­art ge­bo­te­ne mi­li­tä­ri­sche Pomp stieß be­son­ders den Fran­zo­sen auf, wie dem Brief Ju­les Janins[4]  aus Bonn an den Re­dak­teur des „Jour­nal des dé­bats“ an­zu­mer­ken ist. Nach­dem Ja­nin über das Schloss und des­sen Zu­cker­bä­cker-Ro­ko­ko-Stil ge­läs­tert hat­te, schrieb er:

Wenn Sie wis­sen wol­len, war­um wir heu­te Abend dort­hin ge­hen wol­len, ob­wohl die Nacht her­ab­sinkt und der Re­gen droht; wir wol­len dort­hin ge­hen, weil sich un­ter den Schnör­keln die­ser ge­kreuz­ten Ver­zie­run­gen, die­ses Bal­kons aus Ko­ket­te­rie und Ge­schmei­de ein gro­ßar­ti­ges Kon­zert vor­be­rei­tet, da­zu an­ge­tan, den al­ten Kai­ser Bar­ba­ros­sa aus sei­ner Höh­le her­vor­zu­lo­cken. Vier­hun­dert Tromm­ler und zwei­hun­dert Trom­pe­ter wer­den an die­sen Ge­sta­den kämp­fen, dass die al­ten He­ro­en des al­ten Ger­ma­ni­ens aus ih­rem schreck­li­chen Staub auf­wa­chen wer­den. Nein! Die Trom­pe­te des letz­ten Ge­richts kann nicht im Ent­fern­tes­ten ein gro­ßar­ti­ge­res Ge­tö­se er­zeu­gen.

Das trom­mel­te, das tön­te mit ei­nem ste­tig an­wach­sen­den Fu­ror; der Rhein schwieg vor Be­wun­de­rung und vor Schreck. Wil­de und den­noch lieb­li­che Har­mo­nie, von der man sich kei­ne Vor­stel­lung ma­chen kann, wenn man weiß, was dies für ein In­stru­ment ist, das man ei­ne Trom­mel nennt, und wel­ches die­ses an­de­re In­stru­ment ist, das man ei­ne Trom­pe­te nennt! In je­dem Au­gen­blick schien es mir, als ob der Schat­ten des gro­ßen Fried­rich, ge­ru­fen von die­sem über­na­tür­li­chen Lärm, aus dem Gra­be auf­stei­gen wür­de, und Kai­ser Na­po­le­on ihn be­su­chen wür­de im gan­zen Pomp sei­ner Herr­lich­keit, zwei gro­ße Ge­spens­ter, heu­te er­kenn­bar, der ei­ne wie der an­de­re, in der Men­ge der kö­nig­li­chen Schat­ten, an ih­rer in den Schlach­ten ge­tra­ge­nen Uni­form und an ih­rem klei­nen Hut.
Sie ge­hen schlie­ß­lich fort, und Sie ha­ben schon die Stadt [Bonn] wie­der er­reicht, doch dies gro­ßar­ti­ge Kon­zert folgt Ih­nen noch im­mer; Sie tra­gen es atem­los keu­chend in ih­rem ge­platz­ten Schä­del mit sich, wie man ei­nen Traum, ein Traum­bild, ei­nen Alb oder ir­gend­wen aus die­sen gi­gan­ti­schen Fa­beln, von de­nen Deutsch­land er­füllt ist, mit sich trägt. Vier­hun­dert Tromm­ler und zwei­hun­dert Trom­pe­ter die rol­len und klin­gen wie kein Don­ner rollt! Schla­fen Sie un­ter­des­sen, und Sie müs­sen um je­den Preis schla­fen, denn wir sind noch am Mon­tag, dem 11. Au­gust, und Sie brau­chen all ih­re Kräf­te für die Ze­re­mo­nie des nächs­ten Ta­ges.

Was die An­zahl der Tromm­ler be­trifft, über­trieb Ja­nin ganz of­fen­sicht­lich; die Leip­zi­ger „Il­lus­trir­te Zei­tun­g“ zähl­te je­den­falls „nur“ 156, aber auch die dürf­ten für den be­schrie­be­nen Ef­fekt mehr als aus­ge­reicht ha­ben. Die Queen sel­ber no­tier­te nur we­ni­ge Wor­te über die­ses mi­li­tä­ri­sche Schau­spiel in ihr Ta­ge­buch:

[Wir] gin­gen in ei­nen der Räu­me, um dem gro­ßar­ti­gen Zap­fen­streich zu­zu­hö­ren, der vor dem Schloss von 500 Mu­si­kern (Mi­li­tär) ge­bo­ten wur­de – mit Fa­ckeln (Leuch­ten aus far­bi­gem Glas), was ei­nen wun­der­ba­ren Ef­fekt ge­macht hat.

5. Beethovenfest in Bonn

Als der Auf­ent­halt der Queen im Rhein­land be­kannt ge­wor­den war, hat­te das Ko­mi­tee des in Bonn für die Ta­ge vom 10. bis 13. Au­gust aus An­lass der Ein­wei­hung des Beet­ho­ven-Denk­mals an­be­raum­ten ers­ten Beet­ho­ven­fes­tes al­les dar­an­ge­setzt, dass die Queen die­se Fei­er­lich­kei­ten mit ih­rer Ge­gen­wart be­eh­ren mö­ge. Da­zu war ei­ne ei­ge­ne De­pu­ta­ti­on sei­tens des Co­mi­tee’s nach Brühl ge­fah­ren, um Sr. Ma­jes­tät dem Kö­nig die des­fall­si­ge un­tert­hä­nigs­te Bit­te vor­zu­tra­gen, wie das „Bon­ner Wo­chen­blat­t“ mel­de­te. So kam es, dass die Zeit­plä­ne bei­der Er­eig­nis­se kurz­fris­tig ge­än­dert wur­den. Zum ei­nen blieb die Queen län­ger als ge­plant in Brühl – dar­um war sie dann nur noch für zwei Näch­te und ei­nen Tag auf Schloss Stol­zen­fels – und zum an­de­ren wur­den in Bonn zwei Ver­an­stal­tun­gen ge­tauscht. Die Ent­hül­lung des Denk­mals fand ei­nen Tag spä­ter statt als ge­plant, und die Tau­fe ei­nes Rhein­damp­fers auf den Na­men Beet­ho­ven mit ei­nem sich dar­an an­schlie­ßen­den Aus­flug mit Pick­nick zur In­sel Non­nen­werth gab es in­fol­ge­des­sen nicht nach, son­dern schon am Tag vor der Ein­wei­hung des Denk­mals. So konn­ten der preu­ßi­sche Kö­nig und die Queen nebst Ge­fol­ge am Diens­tag­vor­mit­tag, 12. Au­gust, an der Ein­wei­hung des Denk­mals in Bonn teil­neh­men, wo­zu die „Köl­ni­sche Zei­tun­g“ un­ter an­de­rem be­merk­te:

Von ganz au­ßer­or­dent­li­chem Volks­ju­bel wur­den Al­ler­höchst­die­sel­ben be­grü­ßt, wie Sie zu Wa­gen über den Müns­ter­platz nach dem gräf­lich Fürs­ten­berg’schen Pa­lais von der bonn-köl­ner Ei­sen­bahn fuh­ren; Ka­no­nen er­don­ner­ten und al­le Glo­cken lie­ßen gleich­zei­tig Tö­ne der freu­digs­ten Be­grü­ßung und Ver­eh­rung er­schal­len. Bei dem Gra­fen von Fürs­ten­berg an­ge­kom­men, wur­de den al­ler­höchs­ten und höchs­ten Herr­schaf­ten die Stif­tungs-Ur­kun­de des Denk­mals ehr­er­bie­tigst von ei­ner De­pu­ta­ti­on des Co­mi­te’s in zwei­fa­cher Aus­fer­ti­gung auf Per­ga­ment (ei­ne be­stimmt zur Nie­der­le­gung im Mo­nu­men­te selbst, die an­de­re aber für das Ar­chiv der Stadt) zur Un­ter­zeich­nung vor­ge­legt.

Die Queen selbst hielt et­was ent­täuscht in ih­rem Ta­ge­buch fest:

Wir gin­gen auf den Bal­kon, um der Ent­hül­lung von Beet­ho­vens Sta­tue zu­zu­se­hen, zu des­sen Eh­ren vie­le gro­ße Fest­lich­kei­ten statt­fan­den. Un­glück­li­cher­wei­se be­ka­men wir, als die Sta­tue un­be­deckt war, nur ei­ne Rü­cken-An­sicht zu se­hen.

Im An­schluss an die Fei­er gab es in Er­in­ne­rung an die Bon­ner Stu­den­ten­zeit Prinz Al­berts 1837-1838 ei­nen Emp­fang für die Pro­fes­so­ren der Uni­ver­si­tät, und die Queen ließ es sich nicht neh­men, das (heu­te nicht mehr exis­tie­ren­de) Haus am Mar­tins­platz 62 zu be­sich­ti­gen, in dem Prinz Al­bert sei­ner­zeit ge­wohnt hat­te, wor­über die „Morning Pos­t“ be­rich­te­te:

Ih­re Ma­jes­tät stieg aus und be­stand dar­auf, den Raum ge­zeigt zu be­kom­men, den der Prinz frü­her be­wohnt hat­te, und sie be­sich­tig­te die Woh­nung ge­nau und mit dem grö­ß­ten In­ter­es­se. Ih­re Ma­jes­tä­ten, ge­folgt von den an­de­ren Kut­schen mit den Mit­glie­dern ih­rer an­sehn­li­chen Ge­fol­ge und den be­rühm­ten Be­su­chern von Brühl, fuh­ren dann zum Ob­ser­va­to­ri­um, und von dort zur Ei­sen­bahn, mit der sie so­fort zum Pa­last von Brühl star­te­ten, um an ei­nem frü­hen Din­ner um vier Uhr teil­zu­neh­men, da­mit es ih­nen mög­lich sei, sich nach Köln zu be­ge­ben, um die Feu­er­wer­ke am Abend zu se­hen.

Bei dem hier an­ge­spro­che­nen „frü­hen Di­ner“ brach­te der preu­ßi­sche Kö­nig dann fol­gen­den Toast aus, den die „Köl­ni­sche Zei­tun­g“ im Wort­laut ver­öf­fent­lich­te:

_„Mei­ne Her­ren! – „Fül­len Sie die Glä­ser bis an den Rand! „Es gilt ei­nem Klang, der un­aus­sprech­lich süß klingt in bri­ti­schen und deut­schen Her­zen; er er­tön­te einst über müh­sam er­run­ge­ner Wahl­statt als ein Zei­chen ge­seg­ne­ter Waf­fen­brü­der­schaf­t _ [er meint da­mit Wa­ter­loo]. Heu­te er­tönt er nach drei­ßig­jäh­ri­gem Frie­den, ei­ner Frucht der müh­sa­men Ar­beit je­ner Ta­ge, hier in den deut­schen Gau­en, an den Ufern des schö­nen Rhein­stro­mes. Er lau­tet: VIC­TO­RIA! Mei­ne Her­ren! „Lee­ren Sie die Glä­ser bis auf den Grund! „Es gilt Ih­rer Ma­jes­tät der Kö­ni­gin von Groß­bri­tan­ni­en und Ir­land! „Es le­be die Kö­ni­gin Vic­to­ria und Ihr durch­lauch­tigs­ter Ge­mahl!“

Für den Abend des 12. Au­gust war in Köln „Rhein in Flam­men“ an­ge­setzt, von den kö­nig­li­chen Herr­schaf­ten per Schiff be­sucht, wor­über der Kor­re­spon­dent von „The il­lus­tra­ted Lon­don News“ aus­führ­lich be­rich­te­te:

Köln zeigt vie­le An­zei­chen da­von, dass sie ei­ne streng be­fes­tig­te Stadt ist; ent­lang der Rhein­front ver­läuft ei­ne Mau­er, nur un­ter­bro­chen von den Fas­sa­den von Häu­sern oder gro­ßen Ho­tels; zwi­schen der Mau­er und dem Was­ser gibt es ei­nen leid­lich gro­ßen Frei­raum, der als Quai dient oder als Werft, wo die Schif­fe ih­re La­dung lö­schen. […] Bei die­ser Ge­le­gen­heit war der Rand des Stadt-Kais, ober­halb und un­ter­halb der Brü­cke, auf ei­ner Län­ge von et­wa zwei Mei­len von ei­ner In­fan­te­rie-Kom­pa­nie in Ein­ser-Rei­he be­setzt; ei­ne glei­che Li­nie war auf dem ge­gen­über­lie­gen­den, dem Deut­zer Ufer des Flus­ses auf­ge­zo­gen; […].

Begrüßung im Treppenhaus von Brühl, aus: Leipziger Illustrirte Zeitung.

 

Der wei­te­ren Be­schrei­bung ist zu ent­neh­men, dass meh­re­re Damp­fer fluss­auf­wärts fuh­ren, um die kö­nig­li­chen Zu­schau­er ab­zu­ho­len, dann hei­ßt es: Ei­ne Stun­de oder et­was mehr wa­ren ver­gan­gen, als ein Sa­lut­schuss ei­ner Ka­no­ne an­zeig­te, dass Ih­re Ma­jes­tät an Bord ging, und kurz da­nach er­schien der Damp­fer lang­sam den Fluss her­ab­kom­mend. So­bald er ge­gen­über der Stadt an­kam, wur­den die Sol­da­ten in Rei­he be­foh­len, ei­ne Ra­ke­te wur­de als Si­gnal hoch­ge­schos­sen, und in die­sem Au­gen­blick be­gann ei­ne fê­te de jo­ie auf ei­ner sel­ten ver­gleich­ba­ren Hö­he; sie er­streck­te sich über zwei Mei­len auf bei­den Sei­ten des Rheins und dau­er­te mehr als ei­ne hal­be Stun­de lang, in­dem die Män­ner in schnel­ler Fol­ge lu­den und feu­er­ten; zur glei­chen Zeit war der Rhein glän­zend be­leuch­tet von auf Boo­ten ab­ge­brann­ten Ha­fen-Feu­ern mit­ten auf dem Strom; über dem Turm­markt schos­sen Schau­er von Ra­ke­ten em­por in bun­ter Mi­schung. Wäh­rend das Schiff wei­ter ab­wärts glitt, ging das Feu­ern wei­ter; und das dau­ern­de Rat­tern der Ge­wehr-Sal­ven, im Wech­sel mit Ka­no­nen­don­ner, gab dem Zu­schau­er ei­nen Ein­druck von ei­nem Nacht-An­griff. Als der Damp­fer sich der Öff­nung der Brü­cke nä­her­te, wur­de die gan­ze Kon­struk­ti­on – wenn denn solch ei­ne Brü­cke aus Boo­ten so ge­nannt wer­den mag – von ei­ner Rei­he von Feu­er­wer­ken er­leuch­tet, die Gar­ben bril­lan­ter Fun­ken em­por schleu­der­ten wie Fon­tä­nen aus Licht, de­ren glü­hen­de Trop­fen in hüb­scher Form her­ab­fie­len, um im dun­keln hin­ab rol­len­den Fluss ge­löscht zu wer­den. Im glei­chen Au­gen­blick barst das Äu­ße­re der Ka­the­dra­le, de­ren Tür­me über die Stadt auf­ra­gen, in Licht wie der Dom von St. Pe­ter in der Hei­li­gen Wo­che, je­de Ni­sche, je­der Pfei­ler, je­de Spit­ze glüh­te in der Flut von Licht, und die Wir­kung der gan­zen Sze­ne war in die­sem Au­gen­blick die grö­ß­te und präch­tigs­te ih­rer Art, die wir je er­blick­ten. Das Spiel von Licht und Schat­ten auf der Mas­se der go­ti­schen Ar­chi­tek­tur und den Dä­chern und Tür­men in der Nach­bar­schaft war rich­tig­ge­hend ma­gisch.

6. Dombesichtigung in Köln

Am fol­gen­den Mitt­woch, 13. Au­gust, wur­de vor­mit­tags das Ab­schluss­kon­zert des Bon­ner Beet­ho­ven­fes­tes be­sucht, ehe am Nach­mit­tag ei­ne Dom­be­sich­ti­gung in Köln an­stand, wor­über „The Ti­mes“ schrieb:

Als die Ka­the­dra­le am Diens­tag be­leuch­tet war, war die Wir­kung, ge­se­hen vom Fluss aus, be­ein­dru­ckend und glän­zend, doch, ge­se­hen von ei­nem nä­he­ren Blick­punkt, war sie aus­neh­mend wun­der­voll. Sie war be­leuch­tet ge­we­sen, nicht bloß mit schlich­ten, son­dern mit far­bi­gen Lich­tern, und durch ei­nem klei­nen Trick, floss ei­ne ein­heit­li­che Far­be über das Ge­bäu­de, ei­ne Art pink mit ei­nem Schim­mer von hel­lem oran­ge. Das gan­ze aus­neh­mend fei­ne Maß­werk der Ar­chi­tek­tur wur­de so klar her­vor­ge­ho­ben, und das Ge­bäu­de sah luf­ti­ger und ele­gan­ter aus als bei Ta­ge. Es sah aus, als sei es aus sehr dün­nen trans­pa­ren­ten Stei­nen ge­macht, und leicht in je­dem Ma­ße. Die ge­sam­te Wir­kung war wun­der­bar bis ins Ex­tre­me.

Als die Queen jetzt um die Ka­the­dra­le fuhr, säum­te ei­ne gro­ße Men­schen­men­ge den Weg. Sie be­nahm sich mit höchs­tem An­stand. So­bald die Rund­fahrt um das Äu­ße­re zu En­de war, ver­lie­ßen Ih­re Ma­jes­tät und die an­de­ren ho­hen Per­sön­lich­kei­ten ih­re Kut­schen und gin­gen in die Ka­the­dra­le. Zu glei­cher Zeit wur­den die Glo­cken ge­läu­tet, und ih­re ver­schmel­zen­den Tö­ne, eher tief und zu­gleich sanf­ter als die der zar­tes­ten Or­gel, er­zeug­ten die grö­ß­te vor­stell­ba­re Har­mo­nie. Der Chor der Ka­the­dra­le ist be­mer­kens­wert als ein per­fek­tes Bei­spiel go­ti­scher Ar­chi­tek­tur über­haupt. Hier gibt es auch den be­rühm­ten Schrein der drei Kö­ni­ge von Köln. Al­le die­se Din­ge, und vie­le mehr, die den Rei­sen­den be­kannt sind, und die zahl­rei­chen Ein­zel­hei­ten, die in den Füh­rer-Bü­chern zu fin­den sind, wur­den von der kö­nig­li­chen Ge­sell­schaft be­sich­tigt.

Nach­dem der Re­por­ter des „Morning Chro­ni­cle“  die Teu­fels­le­gen­de des Köl­ner Doms er­zählt hat­te, hielt er fest:

_ Nach der Be­sich­ti­gung des hei­li­gen Ge­bäu­des gin­gen die Queen und ihr kö­nig­li­cher Gast­ge­ber durch die Stadt. Gro­ße Men­schen­mas­sen, wirk­lich, er­war­te­ten ih­ren Weg. Sie gin­gen lang­sam durch das La­by­rinth der un­vor­stell­bar en­gen Stra­ßen, die Köln bil­den, gin­gen vor­bei an den zahl­rei­chen al­ten Kir­chen die sie schmü­cken – [be­sich­tig­ten] den Schrein, un­ter an­de­ren, in dem die Ge­bei­ne von St. Ur­su­las elf tau­send Jung­frau­en lie­gen – (ar­me La­dy! Ei­ne grau­en­vol­le Fa­mi­lie muss sie zu ma­na­gen ge­habt ha­ben) – und die Kir­che, in der der al­te Duns Sco­tus von sei­ner Wort­klau­be­rei aus­ruht und nicht mehr dar­über nach­denkt, her­aus­zu­fin­den, wie vie­le En­gel auf ei­ner Na­del­spit­ze tan­zen kön­nen.[5]  Die kö­nig­li­che Ge­sell­schaft, glau­be ich, be­such­te auch das Mu­se­um mit Ge­mäl­den, die haupt­säch­lich gleich­zei­tig mit den frü­hen ita­lie­ni­schen Meis­tern ge­malt wur­den. Die Ge­sell­schaft kehr­te früh am Abend nach Brühl zu­rück, Köln un­ter ei­nem Ar­til­le­rie-Sa­lut der Bat­te­ri­en ver­las­send._

Dem drit­ten und letz­ten Brief Ju­les Janins für das Pa­ri­ser „Jour­nal des dé­bats“ ist zu ent­neh­men, dass die Queen für den Wei­ter­bau des Köl­ner Doms 520 Pfund Ster­ling (14.000 Francs) ge­spen­det ha­be, so dass auch ihr Na­me in die Lis­te der Stif­ter auf­ge­nom­men wor­den sei.

Bengalische Beleuchtung von Köln nebst Feuerwerk, aus: The illustrated London News.

 

7. Hofkonzert in Schloss Brühl

Wie­der in Brühl zu­rück, gab es ein gro­ßes Ban­kett mit be­glei­ten­der Ta­fel­mu­sik, über das die „Morning Pos­t“ aus­führ­lich be­rich­te­te. An das Ban­kett schloss sich ein fest­li­ches „Hof­kon­zer­t“ an, für das der preu­ßi­sche Kö­nig die „Crè­me de la Crè­me“ der da­ma­li­gen Opern­welt hat­te ver­pflich­ten las­sen, an der Spit­ze die „schwe­di­sche Nach­ti­gal­l“, die So­pra­nis­tin Jen­ny Lind (1820-1887). Ge­bo­ten wur­den ei­ne ei­gens vom preu­ßi­schen Ge­ne­ral­mu­sik­di­rek­tor Gi­a­co­mo Mey­er­beer (1791-1864) zu Eh­ren der Queen kom­po­nier­te Kan­ta­te für vier Män­ner­stim­men und Chor so­wie po­pu­lä­re und ak­tu­el­le Opern-Aus­schnit­te. Wer da­bei die Be­glei­tung am Kla­vier über­nahm - auch in den spä­te­ren Hof­kon­zer­ten von Stol­zen­fels und Ko­blenz -, un­ter­lag bis­lang wil­den Spe­ku­la­tio­nen, bis hin zu der Ver­mu­tung, es sei Franz Liszt (1811-1886) ge­we­sen. Der fran­zö­si­schen Pres­se ist je­doch ein­deu­tig zu ent­neh­men, dass Mey­er­beer am Kla­vier saß, und auch die Queen no­tier­te sich in ihr Ta­ge­buch:

_ Mey­er­beer be­glei­te­te, und ei­ne schö­ne Kan­ta­te, von Mey­er­beer, mir zur Eh­re, wur­de ge­sun­gen von Stau­digl, Pi­schek und an­de­ren so­wie dem Chor. Fräu­lein Lind sang be­zau­bernd ei­ne Num­mer aus Mey­er­beers neu­er Oper „Das Nacht­la­ger in Schle­si­en“, auch Frau Vi­ar­dot sang sehr gut und Liszt spiel­te._[6]

Die­se Mit­wir­kung hat­te für Liszt – er trat zwei­mal als So­list ei­ge­ne Stü­cke auf - so­gar ein dra­ma­ti­sches Vor­spiel ge­habt. Als er näm­lich am An­kunfts­tag der Queen zu de­ren Be­grü­ßung nach Brühl fah­ren woll­te, wä­re er fast ver­haf­tet wor­den, wie der „Morning Chro­ni­cle“ be­rich­te­te:

Er woll­te nach Brühl ge­lan­gen, um die kö­nig­li­chen Per­sön­lich­kei­ten dort zu tref­fen; aber die Mi­li­tär­mu­sik be­ding­te ei­nen sol­chen Zu­strom, dass es vie­len (von de­nen auch ich ei­ner war) un­mög­lich war, ei­ne Be­för­de­rung durch die Ei­sen­bahn zu er­rei­chen. Als LISZT an die Sta­ti­on kam, wur­de ihm be­deu­tet, dass al­le Wa­gen voll sei­en und dass kei­ne wei­te­ren Fahr­kar­ten aus­ge­ge­ben wer­den könn­ten. Er rann­te au­gen­blick­lich aus dem Ge­bäu­de und sprang über das Ge­län­der zwi­schen ihm und den Wag­gons. Ei­ne An­zahl Stu­den­ten rie­fen sei­nen Na­men und mach­ten Platz zwi­schen sich, doch als er hin­ein­kam, wur­de er fest­ge­nom­men und her­aus­ge­sto­ßen von ei­ner Grup­pe Po­li­zis­ten, die ent­schlos­sen wa­ren, ihn ins Ge­fäng­nis zu schlep­pen, doch wur­den sie über­re­det, ihn lau­fen zu las­sen, als sie den ma­gi­schen Na­men LISZT hör­ten. Sei­ne Rei­se, wie auch im­mer, war aber ver­ei­telt, denn ihm war es nicht er­laubt mit­zu­fah­ren, nach­dem er ein Bei­spiel von solch ver­we­ge­ner Über­schrei­tung der Ge­set­ze ge­ge­ben hat­te.

8. Rheinfahrt nach Koblenz und Stolzenfels

Der Don­ners­tag, 14. Au­gust, war der Damp­fer­fahrt auf dem Rhein von Bonn nach Ko­blenz vor­be­hal­ten. Dies ge­schah spä­ter als ur­sprüng­lich ge­plant, so dass der „Co­blen­zer An­zei­ger“ am Ta­ge vor­her ent­täuscht mel­de­te:

So eben ver­neh­men wir, daß JJ. MM. mit der Kö­ni­gin Vik­to­ria erst am 14. d. hier an­kom­men und am fol­gen­den Frei­tag den 15. d. Abends im hie­si­gen Thea­ter zur Eh­re der bri­ti­schen Ma­jes­tät die Oper „Nor­ma“ auf­ge­führt wer­de. Jen­ny Lind wird in der Ti­tel­rol­le auf­tre­ten und ist der Di­rek­tor Spiel­ber­ger in Cöln mit der Lei­tung des Gan­zen be­auf­tragt. Zur ge­hö­ri­gen De­co­ra­ti­on des Thea­ters hat man ei­ligst den Ma­ler Herrn Nol­ten hier­hin be­ru­fen.

Zapfenstreich vor Schloss Brühl, aus: Leipziger Illustrirte Zeitung.

 

Zu ih­rem Be­richt über die­se Rhein­fahrt der Queen druck­ten „The il­lus­tra­ted Lon­don News“ auf zwei gan­zen Sei­ten je zwei­spal­tig ein PAN­ORA­MA OF THE RHI­NE, ei­ne Kar­te des Rhein­laufs nebst al­len Se­hens­wür­dig­kei­ten von Köln bis Stol­zen­fels. Au­ßer­dem ver­öf­fent­lich­ten sie zwei Sti­che, über die es hieß:

Zwei der Sti­che auf Sei­te 124 zei­gen be­son­ders in­ter­es­san­te Stel­len der Rhein-Sze­ne­rie, − die „Se­ven Moun­ta­ins and the Dra­chen­fels from Go­des­ber­g“ und „The Roy­al Yacht pas­sing the Dra­chen­fel­s“. Das Dorf Go­des­berg ist ei­ner der be­zau­bernds­ten Plät­ze für Som­mer-Auf­ent­hal­te am Rhein; und sei­ne Burg Berg­fried [die Go­des­burg] auf dem Gip­fel des Hü­gels bie­tet ei­nen der schöns­ten Aus­bli­cke auf den Fluss. Die Grup­pe der Hü­gel, ge­nannt die Sie­ben Ber­ge, be­steht in Wirk­lich­keit aus mehr als sie­ben an der Zahl und bil­det den Be­ginn der schö­nen Sze­ne­rie des Rheins; sie sind die höchs­ten und wil­des­ten Hü­gel an sei­nen Ufern, und sind al­le ge­krönt von den Rui­nen ei­nes al­ten Tur­mes, ei­ner Ka­pel­le, oder ei­ner Ere­mi­ten-Klau­se, die viel zu ih­rem ma­le­ri­schen Flair bei­tra­gen; der höchs­te, der Owel­berg [ge­meint ist der Oel­berg] ist 1453 Fuß hoch. Der am meis­ten in­ter­es­sie­ren­de der gan­zen Grup­pe, be­züg­lich sei­ner Ge­stalt und Po­si­ti­on, doch mehr noch als durch all dies durch die Ver­se By­rons, ist der be­rühm­te Dra­chen­fels (Dra­gon Rock), des­sen Klip­pe schroff vom Ufer auf­steigt, ge­krönt von ei­ner Rui­ne; […] Vom Gip­fel des Dra­chen­fels wei­tet sich der Blick den Rhein ab­wärts bis Köln, zwan­zig Mei­len ent­fernt; auf­wärts ist der Rhein ver­sperrt durch Fel­sen, die, wie auch im­mer, sehr groß sind; wäh­rend Bonn und sei­ne Uni­ver­si­tät, mit al­ten Bur­gen, Dör­fern und Bau­ern­häu­sern den Vor­der­grund der Land­schaft aus­fül­len.

Über die An­kunft in Ko­blenz und Stol­zen­fels gab „L’Éman­ci­pa­ti­on“ von Brüs­sel fol­gen­den Be­richt:

Die Kö­ni­gin von Eng­land ist in Stol­zen­fels an­ge­kom­men. Das kö­nig­li­che Schiff Der Kö­nig, an de­ren Bord sich Ih­re bri­tan­ni­sche Ma­jes­tät, der Kö­nig und die Kö­ni­gin von Preu­ßen, der Kö­nig von Bel­gi­en, Prinz Al­bert und der Kron­prinz von Preu­ßen be­fan­den, ist an Ko­blenz um vier ein halb Uhr vor­bei­ge­fah­ren. Die gan­ze Be­völ­ke­rung der Stadt und zahl­rei­che Frem­de, die sich in ih­ren Mau­ern be­fan­den, hat­ten sich an die Quais be­ge­ben, um dem Spek­ta­kel des Emp­fangs bei­zu­woh­nen, den man der Kö­ni­gin von Groß­bri­tan­ni­en be­rei­te­te. So­bald das Dampf­schiff in Sicht­wei­te der Stadt kam, et­wa ei­ne Vier­tel (fran­zö­si­sche) Mei­le strom­ab­wärts, er­öff­ne­te die Fes­tung Eh­ren­breis­tein das Feu­er aus al­len Roh­ren. Die um­lie­gen­den Forts und die Ge­schüt­ze vor Ort ha­ben ih­nen ge­ant­wor­tet, und die­se De­to­na­tio­nen, mit de­nen sich die Mann­schafts­feu­er all der Trup­pen misch­ten, die an den Quais, in den Fes­tun­gen und ganz ent­lang der Ufer auf­ge­stellt wa­ren, er­zeug­ten ein Kon­zert, wie das mensch­li­che Ohr sel­ten et­was ver­gleich­ba­res zu hö­ren be­kam. Das war ein Rol­len oh­ne Un­ter­bre­chung, dem die an­gren­zen­den Tä­ler mit gro­ßar­ti­gen Ak­kor­den ant­wor­te­ten. Nach­dem das kö­nig­li­che Schiff am Quai von Ko­blenz an­ge­kom­men war, wo es für ei­ni­ge Au­gen­bli­cke fest­ge­macht wur­de, hat die Men­schen­men­ge, die die bei­den Ufer des Rheins be­völ­ker­ten, ih­re Hur­ra-Ru­fe un­ter den Don­ner der Ka­no­nen ge­mischt, um auch ih­rer­seits die Herr­sche­rin ei­ner be­freun­de­ten Na­ti­on zu fei­ern. Der Kö­nig, am Bug des kö­nig­li­chen Schif­fes mit sei­nen er­lauch­ten Gäs­ten ste­hend, hat­te sein Ta­schen­tuch ge­schwenkt, und sei­ne Un­ter­ta­nen ha­ben die­ses Zei­chen ver­stan­den. Nach kur­zem Halt vor Ko­blenz hat das kö­nig­li­che Schiff sei­ne Fahrt nach Stol­zen­fels fort­ge­setzt; der Bei­fall und die Sal­ven ha­ben nicht eher ge­en­digt, bis das Schiff den Bo­gen um­fah­ren hat­te, den der Rhein ei­ne Vier­tel­mei­le strom­auf­wärts von der Stadt macht.

9. Aufenthalt auf Stolzenfels

Über Schloss Stol­zen­fels be­rich­te­ten „The il­lus­tra­ted Lon­don News“:

Vorbeifahrt der königlichen Yacht am Drachenfels, aus: The illustrated London News.

 

Stol­zen­fels, wo Ma­jes­tät letz­te Nacht an­kam, war ei­ne der tau­send zer­stör­ten Bur­gen, mit de­nen bei­de Ufer des Rheins über­sät sind. Das Schloss liegt drei deut­sche Mei­len ober­halb von Co­blentz. Es wur­de vor ei­ni­gen Jah­ren für den jet­zi­gen Kö­nig von Preu­ßen ge­kauft für ei­ne han­dels­üb­li­che Sum­me,[7]  und er hat es re­stau­riert – nicht in bes­tem Ge­schmack – mit ei­nem enor­men Kos­ten­auf­wand, und es ist ei­ne ge­fäl­li­ge Re­si­denz, doch klei­ner als was üb­li­cher­wei­se un­ter dem Na­men ei­nes Schlos­ses ver­stan­den wird. Es ist wun­der­schön ge­le­gen auf ei­ner dicht­be­wal­de­ten An­hö­he, die sich zum Rhein hin­ab neigt – an­de­re Hü­gel, hö­her als der, auf dem das Schloss steht, er­he­ben sich im Hin­ter­grund. Auf dem ge­gen­über­lie­gen­den Ufer, im Blick von der Ter­ras­se und den Fens­tern, sind die Dör­fer von Ober­lahn­stein, Nie­der­lahn­stein, Horch­heim und Lahneck.

Aus „L’Eman­ci­pa­ti­on“ aus Brüs­sel er­fah­ren wir:

_ Ges­tern war gro­ßes Di­ner auf Schloss Stol­zen­fels. Die Ta­fel be­stand aus drei­ßig Ge­de­cken. Der Fürst von Met­ter­nich zähl­te zu den Gäs­ten. Dem Di­ner folg­te ein bril­lan­tes Kon­zert, in dem, ne­ben an­de­ren gro­ßen Künst­lern, sich Fräu­lein Lind hö­ren ließ, die heu­te nach Mei­nung der Ken­ner die ers­te Sän­ge­rin Deutsch­lands ist._

Hier­zu ist an­zu­mer­ken, dass der Be­richt­er­stat­ter sich of­fen­sicht­lich irr­te und das Kon­zert des nächs­ten Ta­ges mein­te. In al­len an­de­ren Be­rich­ten, vor al­lem auch im Ta­ge­buch der Queen, ist nicht von ei­nem Kon­zert zwi­schen Di­ner und Feu­er­werk die Re­de, ein­mal da­von ab­ge­se­hen, dass der zeit­li­che Rah­men kaum da­für aus­ge­reicht hät­te. In „L’Eman­ci­pa­ti­on“ hei­ßt es dann wei­ter:

Ge­gen elf Uhr […] wur­de auf ein aus ei­nem der Fens­ter des Schlos­ses ge­ge­be­nes Si­gnal ein mehr­tei­li­ges Feu­er­werk ab­ge­schos­sen. Lei­der hat­te der Re­gen des Nach­mit­tags das Pul­ver nass ge­macht, so dass ein Teil nicht ge­lang. Aber das hin­der­te nicht dar­an, ei­nen hin­rei­ßen­den Ef­fekt zu er­zie­len; ei­ne ben­ga­li­sche Be­leuch­tung der um­lie­gen­den Rui­nen und Schlös­ser und der Fes­tung Eh­ren­breit­stein in der Fer­ne ahm­te ei­ne rie­si­ge Feu­ers­brunst nach. Wäh­rend der gan­zen Zeit, den die­se mär­chen­haf­te Be­leuch­tung dau­er­te, hör­te die Ka­no­ne nicht auf zu don­nern.  Die Glo­cken al­ler um­lie­gen­den Dör­fer wa­ren ins Schwin­gen ge­bracht, so dass zu dem, das die Sze­ne im­po­sant mach­te, das Wun­der­ba­re noch hin­zu­kam; fünf oder sechs Dampf­schif­fe hat­ten ei­ne gro­ße Zahl von Ein­woh­nern von Ko­blenz und neu­gie­ri­ge Frem­de nach Stol­zen­fels ge­bracht, um die­sen Au­gen­blick zu ge­nie­ßen. Die Schif­fe wa­ren von Ko­blenz um acht Uhr am Abend ab­ge­fah­ren, doch das Feu­er­werk wur­de erst um elf Uhr ab­ge­schos­sen, al­so muss­ten sie auf dem Rhein, ein­ge­zwängt die ei­nen mit den an­de­ren, und aus­ge­setzt ei­nem fei­nen und durch­drin­gen­den Re­gen, mehr als drei Stun­den zu­war­ten, ehe das Si­gnal ge­ge­ben wur­de; aber das Schau­spiel, das sie vor Au­gen ge­führt be­ka­men, hat sie letzt­lich ent­schä­digt für die­se klei­ne Un­an­nehm­lich­keit.

Der Re­dak­teur des „Co­blen­zer An­zei­ger­s“ hat­te et­was ge­nau­er ge­zählt:

Auf sie­ben Dampf­boo­ten, wo­von 1 von Frank­furt und 1 von Mainz ge­kom­men wa­ren, so­wie in ei­ner un­zähl­ba­ren Wa­gen­rei­he und zu Fuß war man nach dem Or­te der Fest­lich­keit ge­strömt, bei wel­cher die Be­leuch­tung der so ro­man­tisch ge­le­ge­ne Jo­han­nis­kir­che be­son­ders sich aus­zeich­ne­te.

Ei­nen Tag spä­ter be­rich­te­te „L’Eman­ci­pa­ti­on“ dann, was eben­falls da­ge­gen spricht, dass es schon am Vor­tag ein Kon­zert ge­ge­ben ha­be:

Man soll­te ges­tern Abend im Thea­ter von Ko­blenz ei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Vor­stel­lung aus An­lass der An­we­sen­heit der Kö­ni­gin von Eng­land ge­ben. Die­se Vor­stel­lung war or­ga­ni­siert wor­den von Mey­er­beer auf An­ord­nung des Preu­ßi­schen Kö­nigs; doch Kö­ni­gin Vic­to­ria fand sich ein we­nig in­dis­po­niert, […], und so hat man die Ar­bei­ten ein­ge­stellt, die man seit zwei Ta­gen im Thea­ter-Saal ge­macht hat, um ihn so wür­dig als mög­lich dem ho­hen Au­di­to­ri­um, das er emp­fan­gen soll­te, an­ge­mes­sen zu ge­stal­ten. Man kann sich die Ent­täu­schung de­rer vor­stel­len, die ei­ne Ein­la­dung zu die­ser mu­si­ka­li­schen Fei­er­lich­keit er­hal­ten hat­ten, und die da­zu all ih­re Vor­keh­run­gen ge­trof­fen hat­ten.

Die Vor­stel­lung wur­de er­setzt durch ein Kon­zert auf Schloss Stol­zen­fels in Ge­gen­wart der Ma­jes­tä­ten und ei­ner sehr klei­nen Zahl ge­la­de­ner Gäs­te. Mey­er­beer lei­te­te die­ses Kon­zert, in dem die grö­ß­ten Künst­ler Deutsch­lands mit­ein­an­der wett­ei­fer­ten, Frau Pau­li­ne Gar­cia und der be­rühm­te bel­gi­sche Gei­ger Hen­ri Vieux­temps.[8]

Der preu­ßi­sche Kö­nig soll für die­se Thea­ter­auf­füh­rung 30.000 Tha­ler an­ge­wie­sen ha­ben, wie die Leip­zi­ger „Il­lus­tir­te Zei­tun­g“ zu mel­den wuss­te, wo­bei sich die­se Sum­me doch wohl eher ins­ge­samt auf al­le drei „Hof­kon­zer­te“ be­zieht und nicht nur auf die­se ei­ne aus­ge­fal­le­ne Opern­vor­stel­lung be­zie­hungs­wei­se de­ren Er­satz-Kon­zert.

In ihr Ta­ge­buch no­tier­te sich die Queen über das Kon­zert:

_ Nach dem Tee gin­gen wir in den Spei­se­saal, wo wir ein schö­nes Kon­zert hat­ten; Mey­er­beer be­glei­te­te und Fräu­lein Lind und Frau Vi­ar­dot san­gen und Pi­schek sang “Die Fah­nen­wacht”._[9]

In sei­nem drit­ten Brief an das „Jour­nal des dé­bats“ gab Ju­les Ja­nin ei­ne aus­führ­li­che Be­schrei­bung von Schloss Stol­zen­fels und den dor­ti­gen Er­eig­nis­sen, aus der nur der Ab­schnitt über die­sen „ge­müt­li­chen Aben­d“ zi­tiert sei:

Im Schloss fand ein in­ti­mes Fest statt; we­ni­ge Leu­te wa­ren ein­ge­la­den zu die­sem Fest, wo die Kö­ni­ge, die Kö­ni­gin­nen und die Prin­zen sich dar­an er­freu­ten, nicht mehr zu sein als ein­fa­che Sterb­li­che. Die Män­ner tru­gen bür­ger­li­che Klei­dung und oh­ne äu­ßer­li­chen Schmuck, die Da­men wa­ren mit der ele­gan­ten Ein­fach­heit jun­ger Frau­en ge­klei­det, die sich von den Zwän­gen der Eti­ket­te er­ho­len. Die Kon­ver­sa­ti­on war leb­haf­ter und frei­er. Der Kö­nig von Preu­ßen, glück­lich über das Wohl sei­ner Gäs­te, hat­te für je­den ein freund­schaft­li­ches Wort. Na­tür­lich war die Mu­sik an die­sem Abend will­kom­men und die Künst­ler wa­ren die all­be­kann­ten.

Auch die Queen hielt die­se zwang­lo­se At­mo­sphä­re für so wich­tig, dass sie noch zwei Ta­ge spä­ter dar­über in ihr Ta­ge­buch schrieb:

Ich ver­gaß zu er­wäh­nen, dass in Brühl al­le Gent­le­men (Kö­nig, Prin­zen und an­de­re) in Uni­form wa­ren, und dass in Stol­zen­fels al­le in Zi­vil wa­ren.

10. Wetterleiden der Touristen in Koblenz

An die­sem Frei­tag, 15. Au­gust, herrsch­te am Rhein of­fen­bar das übels­te Wet­ter, wenn wir dem Be­richt in „The Ti­mes“ glau­ben:

Re­gen, un­auf­hör­li­cher, un­ab­ge­schwäch­ter Re­gen, der seit dem frü­hen Mor­gen in Bä­chen her­ab rausch­te, hat die­sen Ort all sei­ner Ro­man­tik be­raubt, und ent­hob die kö­nig­li­chen Gäs­te des Kö­nigs und der Kö­ni­gin jeg­li­chen Aus­gangs über den gan­zen Tag. Der Rhein sieht aus wie ein schmut­zi­ger Ab­was­ser­ka­nal, Stol­zen­fels ist ei­ne Pfüt­ze, Ko­blenz ein Mist­hau­fen und all die schö­nen Schlös­ser und Klip­pen und Fes­tun­gen, die so hell und be­ein­dru­ckend ges­tern aus­sa­hen, wa­ren jetzt nur un­deut­lich durch den Ne­bel zu er­ken­nen, der vom auf­ge­wühl­ten Fluss auf­stieg. Nie­mand kann sich hin­aus rüh­ren we­der in Stol­zen­fels noch in Ko­blenz, und die Be­su­cher und Rei­sen­den, die, als sie hier­her ka­men im Ver­trau­en auf das sprich­wört­li­che Wet­ter­glück un­se­rer Queen, sind mehr ein Schau­spiel des Lei­dens, als dass man dar­über la­chen könn­te. Je­der der weiß, wie das Le­ben in ei­nem deut­schen Wirts­haus ab­geht, selbst bei bes­tem Wet­ter, mag die Lei­den von meh­re­ren hun­dert Men­schen ver­ste­hen, ein­ge­pfercht zu sein in Knei­pen, in de­nen nie­man­dem er­laubt ist, sein Wohl­be­ha­gen zu fin­den, und wo er kei­ne an­de­re Be­schäf­ti­gung hat als zu rau­chen, um zu ver­hin­dern, dass er er­stickt wird von den paf­fen­den und damp­fen­den Tie­ren mit lan­gen Pfei­fen und gan­zen Wäl­dern aus Schnurr­bär­ten und Bär­ten um sich her­um. Wie die­se un­glück­li­chen Men­schen schla­fen, ist ei­ne un­be­kann­te An­ge­le­gen­heit, viel­leicht so­gar für sie sel­ber. Ko­blenz ist der­art be­völ­kert, dass kein Bett mehr zu be­kom­men ist. Wer noch zu spä­ter Stun­de an­kam lief in Ver­zweif­lung durch die Stra­ßen, und vie­le be­ka­men zu al­lem Un­glück kein Bett mehr und muss­ten auf Stüh­len schla­fen. Ei­ne eng­li­sche La­dy schlief so­gar in ih­rer ei­ge­nen Kut­sche.

Ankunft vor Koblenz, aus: Leipziger Illustrierte Zeitung.

 

Noch dras­ti­scher be­schreibt der „Morning Chro­ni­cle“ die Si­tua­ti­on:

Ich wur­de von al­len Sei­ten mit Ge­schich­ten über­schüt­tet über bei­spiel­lo­se Lei­den von un­glück­li­chen In­di­vi­du­en, die ges­tern Abend zu spät hier ein­tra­fen, um noch so­wohl Bet­ten oder So­fas zu fin­den. Ein schreck­lich von Wan­zen zer­bis­se­ner Herr be­rich­te­te heu­te Mor­gen im Sa­lon des Ho­tels, dass er drei Tha­ler ge­ge­ben ha­be, um auf Stroh in ei­nem Wein-Kel­ler schla­fen zu kön­nen, und ei­ne eng­li­sche Da­me ne­ben ihm topp­te das Aben­teu­er, in­dem sie be­rich­te­te, dass sie die gan­ze Nacht ein­ge­sperrt in ih­rer Kut­sche im Hof des Ho­tels ha­be ru­hen müs­sen. An­de­re, so wur­de mir be­rich­tet, sind durch die lan­ge reg­ne­ri­sche Nacht un­tröst­lich her­um­ge­wan­dert, wie die Geis­ter ver­stor­be­ner Han­dels­rei­sen­der, ver­geb­lich an die Tü­ren je­des Gast­ho­fes klop­fend, um schlie­ß­lich ge­nö­tigt zu sein, Ob­dach un­ter por­te co­che­res [Kut­schein­fahr­ten] und an­de­ren gleich stän­dig zu­gi­gen Plät­zen zu su­chen. Die Ho­tels leis­te­ten, wahr­haf­tig, gro­ße Ar­beit, aber die un­glück­li­chen Kell­ner, so über­rascht aus dem üb­li­chen halb-schläf­ri­gen Zu­stand des deut­schen Kell­ners her­aus­ge­ris­sen, wa­ren so völ­lig am En­de ih­rer Weis­heit,− nicht dass sie weit ge­hen  muss­ten um da­hin zu kom­men – dass, um ei­nen Bis­sen oder ei­ne Sup­pe zu be­kom­men, es die grö­ß­te ar­beits­mä­ßi­ge [„job-li­ke“] Aus­dau­er er­for­der­te, die je­mals er­bracht wur­de, […].

Vor­her hat­te der Re­por­ter schon be­rich­tet:

Der Mor­gen be­gann mit Re­gen, der Tag ging wei­ter mit Re­gen, und er scheint tat­säch­lich mit Re­gen en­den zu wol­len. Ein schwe­rer grau­er Ne­bel liegt auf den Hü­geln; der Rhein, trü­be und ver­färbt, sieht nach al­lem aus nur nicht ro­man­tisch; und die en­gen, rin­nen­lo­sen Stra­ßen sind über­schwemmt von dem un­un­ter­bro­che­nen Nie­der­schlag. Al­les sieht er­starrt und de­pri­miert aus auf den Kais – die durch­näss­ten Flag­gen, die ges­tern so fröh­lich flat­ter­ten, kle­ben schlaff um die Mas­ten, und Ko­blenz er­scheint al­les in al­lem hin­läng­lich mi­se­ra­bel.
Die kö­nig­li­che Ge­sell­schaft bleibt heu­te ru­hig auf dem Schloss von Stol­zen­fels, um aus­zu­ru­hen von den An­stren­gun­gen der Rei­se. Es gibt kei­ne Pa­ra­de, kein Kon­zert, ob­wohl von bei­den Vor­füh­run­gen sehr viel ge­re­det wur­de. Vom Kö­nig wird ge­sagt, dass er zu ei­nem gut Teil mü­de sei und dass er, ent­spre­chend dem schlech­ten Zu­stand des Wet­ters, al­le Frei­luft-Ver­an­stal­tun­gen ver­be­ten ha­be.

Mor­gen am frü­hen Vor­mit­tag wird Ih­re Ma­jes­tät auf je­den Fall nach Mainz ab­rei­sen, wo sie über Nacht schla­fen und viel­leicht über Sonn­tag blei­ben wird. Sie wird in Mainz von Prinz Wil­helm von Preu­ßen, dem Gou­ver­neur, emp­fan­gen wer­den und in sei­ner Re­si­denz ver­wei­len. Am Mon­tag­mor­gen set­zen die kö­nig­li­chen Rei­sen­den ih­re Fahrt nach Darm­stadt fort, wo der Gro­ßher­zog die­ses gleich­na­mi­gen Or­tes die Eh­run­gen er­brin­gen wird. Würz­burg wird der nächt­li­che Rast­platz sein, und ei­ne ei­nes lan­gen Ta­ges Rei­se wird die Ge­sell­schaft am Diens­tag abends nach Co­burg brin­gen.

Nur Prinz Al­bert raff­te sich of­fen­bar aber dann doch zu ei­ner Be­sich­ti­gung der Fes­tung Eh­ren­breit­stein auf, wie die Leip­zi­ger „Il­lus­tir­ten Zei­tun­g“ mel­de­te.

Zu­dem sei hier er­wähnt, dass für Sams­tag, 16. Au­gust, im ehe­ma­li­gen kur­fürst­li­chen Schloss von Ko­blenz ein wei­te­res, al­so drit­tes „Hof­kon­zer­t“ an­ge­setzt war. Es fand trotz der schon er­folg­ten Ab­rei­se der Queen auch statt. Es wur­den da­zu al­le die Eh­ren­gäs­te ein­ge­la­den, die tags zu­vor über die Ab­sa­ge der Opern­vor­stel­lung ent­täuscht ge­we­sen sein dürf­ten. In die­sem Kon­zert spiel­te auch wie­der Franz Liszt zwei ei­ge­ne Stü­cke; auf Stol­zen­fels war er mit Si­cher­heit nicht da­bei! Und noch ein zwei­tes Ge­rücht gilt es aus­zu­räu­men: Jen­ny Lind soll­te zwar im Ko­blen­zer Thea­ter die Nor­ma sin­gen, aber in al­len drei Hof­kon­zer­ten hat sie kei­nen ein­zi­gen Ton aus die­ser Oper hö­ren las­sen, ent­ge­gen der im­mer wie­der zu le­sen­den Be­haup­tung.[10]

11. Die Weiterfahrt nach Mainz

Die Fahrt der Queen von Stol­zen­fels nach Mainz er­fährt in “The il­lus­tra­ted Lon­don News“ ei­ne aus­führ­li­che Be­schrei­bung, aus der ei­ni­ge Ab­schnit­te zi­tiert sei­en:

Wel­che Hö­he an Zwei­feln auch im Geis­te des Rei­sen­den, der in Co­blentz Halt macht, be­ste­hen mag, ob der Rhein nicht ein we­nig – ein klein we­nig über­be­wer­tet sei – hegt ei­nen Zwei­fel, der ver­schwin­det, wenn er die Fahrt bis Mainz voll­endet hat. […] Ih­re Ma­jes­tät ver­ließ das Schloss Stol­zen­fels auf der Fai­ry; und der klei­ne ga­lan­te Damp­fer spiel­te sei­nen Part rich­tig gut. Sie dampf­te an ge­gen den ste­tig da­hin­flie­ßen­den Lauf des Rheins; ob­wohl sie für den Oze­an zu Was­ser ge­las­sen wur­de, konn­te sie mit der Kraft ei­nes Flus­ses wett­ei­fern, wie mäch­tig er auch sein moch­te; sie trug die Stan­dar­te von Eng­land, als ob sie stolz dar­auf sei und dar­über, dass sie über ih­rem Kopf flat­ter­te. Sie pflüg­te da­hin ge­gen den Strom oh­ne je­de sicht­ba­re An­wen­dung von Kraft in ga­lan­tes­tem Stil und er­reg­te gro­ßes Stau­nen, weil al­le Rhein-Damp­fer – und das sind sehr gu­te – von al­ter Bau­art[11]  sind. Die kö­nig­li­che Yacht ver­ließ Stol­zen­fels zwi­schen elf und zwölf Uhr und kam ge­gen sechs in Mainz an, ei­nes der bes­ten Rhein­schif­fe über­ho­lend, das zwei Stun­den vor ihr ab­ge­fah­ren war; die Ge­schwin­dig­keit der Fai­ry wur­de ver­lang­samt vor al­len haupt­säch­li­chen Städ­ten und Dör­fern, da­mit die Leu­te, die ans Ufer und die Lan­de­brü­cken her­ab­ge­strömt wa­ren, an je­dem Punkt Ge­le­gen­heit be­ka­men, Ih­re Ma­jes­tät zu se­hen. […] Der Mor­gen der Ein­schif­fung war al­les an­de­re als freund­lich; hef­ti­ger Re­gen, Wind, ei­ne au­ßer­or­dent­li­che Käl­te für die Jah­res­zeit, und ein Him­mel so grau und trü­be wie der No­vem­ber auf der Them­se statt des strah­len­den Blau des Au­gust auf dem Rhein ga­ben we­nig Aus­sicht auf ein Ver­gnü­gen, doch der Tag er­wies sich bes­ser als er ver­sprach; zu Mit­tag klar­te es auf und ei­ne strah­len­de Son­ne trug den ein­zig­ar­ti­gen Zau­ber bei, die Sze­ne zu ver­voll­komm­nen.

Nach ei­ner kei­nes­wegs voll­stän­di­gen Auf­zäh­lung der Se­hens­wür­dig­kei­ten auf die­ser Rhein-Pas­sa­ge er­geht sich der Au­tor in his­to­ri­scher Be­trach­tung:

Die Bur­gen des Rheins sind heu­te ma­le­ri­sche At­trak­tio­nen der Sze­ne­rie; rui­niert und ver­fal­len, sind sie Re­lik­te ei­ner an­de­ren Epo­che, die lan­ge ver­gan­gen ist. Aber sie wa­ren einst von schreck­li­cher Wich­tig­keit; sie wa­ren der Sitz von Räu­ber-Haupt­män­nern – denn die­se kön­nen kaum an­ders ge­nannt wer­den -, die kei­ne Gren­ze für ihr ge­setz­lo­ses Tun hat­ten aus Man­gel an Kraft sie zu be­zwin­gen, und die nur in Schach ge­hal­ten wur­den durch ih­re wech­sel­sei­ti­gen Geg­ner und Feind­schaf­ten. Ei­ne der gro­ßen Quel­len ih­rer Ein­künf­te war der Han­del auf dem Rhein; und, zer­stö­re­risch, wie die Tat­sa­chen für al­le Ro­man­tik sein mö­gen, die meis­ten die­ser Bur­gen wa­ren nichts an­de­res als Zoll­häu­ser – feu­da­le „Maut-stel­len“ – an de­nen schwar­zes Por­to er­ho­ben wur­de von al­len den Strom auf- wie ab­wärts fah­ren­den Schif­fen und der Händ­ler muss­te „an­hal­ten und ab­lie­fern“,[…]. Der Rest der Fahrt war schnell ge­schafft. Ober­halb Bin­gen öff­net sich der Fluss, die Ber­ge zie­hen sich von den Ufern zu­rück und sein Bett ist bei­na­he ei­ne Ebe­ne; und so geht es wei­ter bis Mainz, wo der Cha­rak­ter der Sze­ne­rie wie­der bei­na­he so platt und un­in­ter­es­sant wird wie im Flach­land von Hol­land.

Der Emp­fang Ih­rer Ma­jes­tät in Mainz er­folg­te in wür­di­ger Form; ei­ne gro­ße For­ma­ti­on aus der ös­ter­rei­chi­schen und der preu­ßi­schen Gar­ni­son (weil sie von den Trup­pen bei­der Na­tio­nen be­setzt ist) war un­ter Waf­fen; die Quais am Fluss ent­lang wa­ren be­völ­kert; so­gar die Ar­bei­ter auf der Rei­he der im Fluss ver­täu­ten Was­ser­müh­len ver­lie­ßen ih­re Ar­beit und stan­den auf den Bar­kas­sen, um die „Queen von Eng­lan­d“ zu se­hen. Es gibt dort kei­ne so gro­ßen Forts und Bat­te­ri­en, um ih­ren Don­ner zu ver­sen­den, wie in Eh­ren­breit­stein; den­noch wur­den ei­ni­ge Ka­no­nen an ver­schie­de­nen Punk­ten ab­ge­feu­ert; ei­ni­ge hun­dert Flag­gen und Ban­ner flat­ter­ten lus­tig im Wind, die Son­ne strahl­te hell auf den brei­ten Fluss, die ro­ten Tür­me der Ka­the­dra­le und die ho­hen Dä­cher der Stadt sa­hen an­hei­melnd und ma­le­risch aus; und, al­les in al­lem, war die Sze­ne­rie ei­ne der schöns­ten ih­rer Art wäh­rend der kö­nig­li­chen Rei­se.

Die Fai­ry fuhr an ei­nen tem­po­rä­ren Lan­dungs-Steg, über­dacht von ei­nem Bal­da­chin und ge­schmückt von Flag­gen, und nach we­ni­gen Mi­nu­ten war Ih­re Ma­jes­tät Gast des Prin­zen von Preu­ßen in der of­fi­zi­el­len Re­si­den­z  des Mi­li­tär-Kom­man­dan­ten der Stadt. Die Men­ge der Neu­gie­ri­gen war sehr groß. […] Mi­li­tä­risch wie es ist, hat Mainz auch Se­hens­wür­dig­kei­ten, die an­de­rer Kunst ver­bun­den sind als der des Krie­ges; un­ter die­sen soll­te der ers­te Platz dem Denk­mal Gu­ten­bergs ein­ge­räumt wer­den, des Er­fin­ders des Dru­ckens.

Mainz ist sau­ber und hell ent­ge­gen den meis­ten Städ­ten Deutsch­lands und macht dem Fürs­ten­tum von Hes­sen-Darm­stadt al­le Eh­re. Neue Ge­bäu­de er­he­ben sich in meh­re­ren Stadt­tei­len und die äl­te­ren sind gut re­stau­riert, oder im Be­griff es zu wer­den; dies ist lei­der auch der Fall beim Turm der Ka­the­dra­le, des­sen Äu­ße­res von ei­nem Ge­rüst ver­deckt ist. Die Ge­bäu­de, alt oder neu, ha­ben ei­nen röt­li­chen Farb­ton, weil das Ma­te­ri­al ein Sand­stein die­ser Far­be ist. Die Stein­metz­ar­beit der neue­ren ist be­wun­derns­wert aus­ge­führt und zeigt, dass die Deut­schen noch nicht je­ne Fer­tig­keit ver­lernt ha­ben, die sie zu den bes­ten Kir­chen­bau­ern Eu­ro­pas ge­macht hat.

In Mainz mach­te die Queen ei­nen Tag Pau­se, weil Sonn­tag war; ein­zi­ge „Pro­gramm­punk­te“ wa­ren die Be­sich­ti­gung des Gu­ten­berg-Denk­mals und der Be­such ei­nes Got­tes­diens­tes nach an­gli­ka­ni­schem Ri­tus. Die Wei­ter­fahrt per Kut­sche er­folg­te über Frank­furt, des­sen Be­woh­ner ent­täuscht dar­über wa­ren, dass die Queen nicht aus­stieg, son­dern nur den Pfer­de­wech­sel ab­war­te­te. Über­nach­tet wur­de in Würz­burg, von wo es in ei­ner lan­gen Ta­ges­rei­se nach Co­burg wei­ter­ging.

Zum Ab­schluss sei hier nur noch zi­tiert, was das „Jour­nal des dé­bats“ zu den Kos­ten der gan­zen Ge­schich­te be­rich­te­te:

Der Auf­ent­halt Ih­rer bri­ti­schen Ma­jes­tät am Rhein, der nur drei Ta­ge dau­ern soll­te, war um drei wei­te­re Ta­ge ver­län­gert wor­den. Die Kö­ni­gin ist Mon­tag in Brühl an­ge­kom­men und reist heu­te [Sams­tag] von Stol­zen­fels ab, das wa­ren ins­ge­samt sechs Ta­ge. Sie hat al­len Grund zu­frie­den zu sein mit dem Emp­fang, der ihr in die­sem gast­li­chen Land­strich be­rei­tet wur­de, und zu­dem mit der gan­zen kö­nig­li­chen Art und Wei­se, mit der sie von ih­rem kö­nig­li­chen Ver­bün­de­ten, dem Kö­nig von Preu­ßen be­han­delt wur­de. Man hat mehr als ei­ne Mil­li­on Tha­ler (rund vier Mil­lio­nen Francs) be­rech­net für die Kos­ten der zu Eh­ren der bri­ti­schen Ma­jes­tät von Fried­rich Wil­helm an­ge­ord­ne­ten Fes­te, nicht zu rech­nen, was al­les die Städ­te Aa­chen, Köln und Ko­blenz auf­ge­wandt ha­ben, um den Emp­fang der mäch­ti­gen Ver­bün­de­ten ih­res Herr­schers strah­len­der zu ge­stal­ten.

12. Coburg, Gotha und die Rückfahrt

War die Queen am Rhein „Staats­gas­t“ des preu­ßi­schen Kö­nigs ge­we­sen, so war der an­schlie­ßen­de Auf­ent­halt in Co­burg und Go­tha ein rein pri­va­ter Fa­mi­li­en­be­such, der den­noch fest­lich be­gan­gen und für zahl­rei­che Aus­flü­ge in die Um­ge­bung ge­nutzt wur­de. Na­tür­lich galt die­ser Be­such vor­nehm­lich der Ge­burts­stadt Prinz Al­berts, des­sen Ge­burts­tag denn auch am 26. Au­gust in Co­burg ge­fei­ert wur­de.

Die Rück­rei­se wur­de dann An­fang Sep­tem­ber an­ge­tre­ten und führ­te zu­nächst per Kut­sche nach Frank­furt/Main, wo Prinz Al­bert u.a. zum „shop­pin­g“ auf die Zeil ging. Mit dem Zug ging es dann nach (Wies­ba­den-)Bie­brich und von dort mit ei­nem „nor­ma­len“ Rhein­damp­fer nach Bin­gen, wo die ei­ge­ne Damp­f­yacht Fai­ry ge­war­tet hat­te, auf der es dann wei­ter rhein­ab­wärts ging, wor­über die Queen in ihr Ta­ge­buch no­tier­te:

Wir ka­men schnell vor­an, aber son­der­bar ― der Rhein, schön wie er ist, hat­te für uns all sei­nen Reiz ver­lo­ren. Vor al­lem, die Be­geis­te­rung war vor­bei, ― für mich ― lag al­les in trau­ri­ger Matt­heit ― und zu­dem wa­ren wir vom Thü­rin­ger­wald ver­wöhnt ― Stol­zen­fels sah sehr gut aus, und so auch Eh­ren­breit­stein ― und die­ses schö­ne Sie­ben­ge­bir­ge, doch nach­dem wir an Bonn vor­bei wa­ren, gin­gen wir in den Sa­lon und sa­ßen bei­ein­an­der. Al­bert las mir vor.

Ziel war zu­nächst (Köln-) Deutz, dann ging es mit ei­nem preu­ßi­schen Son­der­zug von Köln nach Ant­wer­pen, wo die Staats-Yacht Vic­to­ria and Al­bert ge­war­tet hat­te und am 7. Sep­tem­ber zur Über­fahrt nach Eng­land ab­leg­te.

Quellen

Un­ge­druckt

Queen Vic­to­ria‘s Jour­nal, im In­ter­net un­ter http-blank://www.queen­virc­to­ri­as­jour­nals.org (© Queen Eli­sa­beth II. und © Bod­lei­an Li­bra­ry); Mitt­ler­wei­le ist Queen Vic­to­ria’s Jour­nal nur noch im UK (United King­dom) ein­seh­bar (un­ter der an­ge­ge­be­nen Adres­se) ― M. E. wä­re zu kenn­zeich­nen, dass Queen Vic­to­ria’s drafts und Prin­cess Bea­tri­ce’s co­pies nur Tei­le die­ser Ver­öf­fent­li­chung sind, kei­ne ei­gen­stän­di­gen Da­tei­en. ― An­zu­mer­ken ist au­ßer­dem, dass es sich bei Queen Vic­to­ria’s drafts nicht um das Ori­gi­nal-Ta­ge­buch von 1845 han­delt, son­dern um ei­ne spä­te­re ei­gen­hän­di­ge Ab­schrift durch die Queen, nach Aus­kunft der Bod­lei­an Li­bra­ry ver­mut­lich für ei­ne ge­plan­te aber nicht rea­li­sier­te Buch-Ver­öf­fent­li­chung.
Queen Vic­to­ria’s drafts Band 4, S. 1-90; die Zi­ta­te fin­den sich auf den Sei­ten 7, 8b, 9b, 12, 17, 23b, 29b.
Prin­cess Bea­tri­ce’s co­pies, S. 54-153. In die­ser Über­tra­gung der Ta­ge­bü­cher sind nicht sel­ten die For­mu­lie­run­gen der Queen ge­än­dert so­wie ein­zel­ne Sät­ze oder so­gar gan­ze Ab­schnit­te aus­ge­las­sen wor­den.

Ge­druckt

Mey­er­beer, Gi­a­co­mo, Brief­wech­sel und Ta­ge­bü­cher, hg. von Heinz und Gu­drun Be­cker, Band 3, Ber­lin 1975, S. 602, 606, 609-616.

Die Zei­tun­gen

Co­blen­zer An­zei­ger, 23.7.-19.8.1845 (Ori­gi­nal in der Stadt­bi­blio­thek Ko­blenz, Film im Stadt­ar­chiv Ko­blenz)
Köl­ni­sche Zei­tung, 4.–18.8.1845 (Film in der Lan­des- und Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek Bonn)
Bon­ner Wo­chen­blatt, 2.–16.8.1845 (Film in der Lan­des- und Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek Bonn)
Kö­nig­lich pri­vi­li­gir­te Ber­li­ni­sche Zei­tung, 15.- 20.8.1845 (Film im Lan­des­bi­blio­theks­zen­trum Rhein­land-Pfalz, Rhei­ni­sche Lan­des­bi­blio­thek Ko­blenz)
Il­lus­trir­te Zei­tung, Leip­zig, Band 5, 30.8.-25.10.1845 (Ori­gi­nal im Lan­des­bi­blio­theks­zen­trum Rhein­land-Pfalz, Pfäl­zi­sche Lan­des­bi­blio­thek Spey­er)
Le Con­sti­tu­tio­nel, Edi­ti­on de Pa­ris, 15.– 20.8.1845
Jour­nal des dé­bats, Pa­ris, 13.8.- 3.9.1845
La Fran­ce mu­si­ca­le, Pa­ris, 24.8.1845
L’Èman­ci­pa­ti­on, Brüs­sel, 14.-16.8.1845, zi­tiert im Jour­nal des dé­bats, Pa­ris 19.8.1845 (al­le: Bi­blio­thèque Na­tio­na­le Pa­ris, im In­ter­net un­ter http-blank://gal­li­ca.bnf.fr)
The Ti­mes, 11.–18.8.1845
Morning Post, 12.– 23.8.1845
Morning Chro­ni­cle, 13.– 20.8.1845
Ca­le­do­ni­an Mer­cu­ry, 18.8.1845 (Ko­pi­en aus die­sen Zei­tun­gen von der Bod­lei­an Li­bra­ry Ox­ford)
The il­lus­tra­ted Lon­don News, 16.8 – 6.9.1845 (Ko­pi­en aus der Staats- und Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek Ham­burg)

Literatur

Bel­ling­hau­sen, Hans, 2000 Jah­re Ko­blenz, Bop­pard 1973.
Baur, Uwe, Bür­ger­initia­ti­ve Mu­sik. 250 Jah­re öf­fent­li­ches Mu­sik­le­ben in Ko­blenz, Ko­blenz 2008.
Hein­zel­mann, Jo­sef, Prä­lu­di­um oh­ne Fol­gen, Der Mit­tel­rhein als mu­si­ka­li­sche Büh­ne preu­ßi­scher Prä­senz, in: Jahr­buch für west­deut­sche Lan­des­ge­schicht 28 (2002), S. 498-531. - Ei­ni­ge Un­ge­nau­ig­kei­ten und Irr­tü­mer Hein­zel­manns in sei­nem Be­richt über das Stol­zen­fel­ser Kon­zert konn­ten aus den Ta­ge­buch-Auf­zeich­nun­gen der Queen und aus Ju­les Janins Be­rich­ten im Pa­ri­ser Jour­nal des dé­bats kon­kre­ti­siert be­zie­hungs­wei­se kor­ri­giert wer­den.
Is­ra­el, Ul­rich/Ge­bau­er, Jür­gen, Kriegs­schif­fe un­ter Se­gel und Dampf, Kö­nigs­win­ter 2010.
Mi­cha­el Prinz von Preu­ßen (Hg.), Die Preu­ßen am Rhein, Köln 2011. - Im Be­richt über den Be­such Queen Vic­to­ri­as auf S. 113 fin­den sich die alt­be­kann­ten Feh­ler: Die Queen war nur ei­nen Tag und zwei Näch­te auf Stol­zen­fels und Franz Liszt wirk­te nicht in dem Hof­kon­zert mit.
Kurt Tetze­li von Ro­s­a­dor/Mers­mann, Arendt, Queen Vic­to­ria, Mün­chen 2000. - Lei­der ist in die­ser Aus­wahl aus Brie­fen und Ta­ge­bü­chern aus­ge­rech­net das Jahr 1845 mit der Deutsch­land-Rei­se aus­ge­spart.

Abfahrt von Stolzenfels, aus: Leipziger Illustrirte Zeitung.

 
Anmerkungen
  • 1: Rotton-row liegt an der Südseite des Londoner Hyde Parks und war angelegt worden als Route de Roi - daher der ins Englische umgebildete Name -, als königlicher Weg vom Kensington Palace zu St. James‘ Palace. Später diente er der nahebei stationierten Kavallerie als Exerzierstrecke, heute ist er eine öffentliche Reitbahn.
  • 2: Der Dichter Samuel Taylor Coleridge (1772-1834) gilt als Begründer der englischen Romantik.
  • 3: Wilhelm Friedrich Wieprecht (1802-1872), Spross einer renommierten deutschen Instrumentenbauer-Familie, war seit 1829 mit der Reorganisation der Musik verschiedener preußischer Militärkapellen betraut, was dazu führte, dass er schließlich die gesamte preußische Militärmusik von Grund auf reformierte. Berühmt wurde er auch als Organisator und Dirigent so genannter „Monster-Militär-Konzerte“ mit mehreren hundert Mitwirkenden.
  • 4: Jules Janin (1804-1874) war ein hochangesehener Pariser Journalist und Literat. Er schrieb für Le Figaro, La Quotidienne und vor allem das Journal des débats, für das er ab 1836 als Bücher- und Theaterkritiker tätig war. Er verfasste außerdem zehn Romane und gab 1858 eine sechsbändige Histoire de la litérature dramatique heraus. 1870 wurde er in die Académie française berufen auf Fauteuil 28. Zur Teilnahme an den Feierlichkeiten für Queen Victoria war er ausdrücklich auf Geheiß des preußischen Königs vom Musikintendanten Friedrich Wilhelm Graf von Redern (1802-1883) eingeladen worden: Ich beeile mich Sie zu benachrichtigen, dass seine Majestät der König mir befohlen hat, Sie zu einzuladen, am 13. August am Hofkonzert teilzunehmen, das in Schloss Brühl um acht ein halb Uhr stattfinden wird (Autograph, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Rheinische Landesbibliothek Koblenz, Signatur H 92/5). Zum Konzert am 16. August im Koblenzer Schloss lud ihn dann Giacomo Meyerbeer ein (Meyerbeer, Briefwechsel, Band 3, S. 617).
  • 5: Mit St. Ursula ist die gleichnamige Kölner Kirche gemeint. - Der Theologe und Philosoph Duns Scotus liegt in der Minoritenkirche begraben.
  • 6: Die in diesem und den später gegebenen Zitaten aus dem Tagebuch der Queen genannten Sängerinnen und Sänger waren: Jenny Lind (1820-1887), Pauline Viardot-Garcia (1821-1910), Josef Staudigl (1807-1861) und Johann Baptist Pischek (1814-1873). Die erwähnte Oper Meyerbeers heißt korrekterweise „Das Feldlager in Schlesien“.
  • 7: Hier irrt der Schreiber, denn Stolzenfels war 1823 dem preußischen Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm IV. von der Stadt Koblenz geschenkt worden, der die Ruine 1836-1842 nach Plänen der Baumeister Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) und Johann Claudius von Lassaulx hatte wiederaufbauen lassen.
  • 8: Das Konzert fand mit Sicherheit auf dem noch heute auf Schloss Stolzenfels vorhandenen Instrument statt, das 1843 vom Koblenzer Klavierbauer Heinrich Knauss (1802-1872) gefertigt worden war mit eigens zur dortigen Einrichtung passendem Gehäuse und Verzierungen des einheimischen Bildhauers Hermann Eduard Wesché (Vgl. Baur, Bürgerinitiative Musik, Koblenz 2008, S. 146 und die Bilder 36a-c).
  • 9: “Die Fahnenwacht“ ist eine Liedkomposition des in Koblenz geborenen Peter Josef (von) Lindpaintner (1791-1856) und war eine Paradenummer des Sängers Johann Baptist Pischeck.
  • 10: Giacomo Meyerbeers eigenhändige, für Jules Janin geschriebene Programmaufzeichnung (Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Rheinische Landesbibliothek Koblenz, Signatur H 92/5).
  • 11: „Alter Bauart“ meint den Antrieb mittels Schaufelrädern, während die Fairy schon einen Propellerantrieb hatte, wie er 1829 von dem Österreicher Joseph Ressel (1793-1857) erfunden worden war.
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Baur, Uwe, Queen Victorias Rheinreise anno 1845 im Spiegel der internationalen Presse, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/queen-victorias-rheinreise-anno-1845-im-spiegel-der-internationalen-presse/DE-2086/lido/57d12cabcf5ef5.70298481 (abgerufen am 08.06.2023)