Der Provinzialrat der Rheinprovinz 1888 – 1933 – 1945

Joachim Lilla (Krefeld)

Kurfürstliches Schloss und Oberpräsidium der Rheinprovinz in Koblenz (rechts), 2011, Foto: Holger Weinandt.

1. Einleitung

„[S]ei­ne Rol­le im öf­fent­li­chen Le­ben war ge­ring.“ Die­se Dia­gno­se von Horst Ro­meyk[1] ist zu­tref­fend, was die Wahr­neh­mung des Pro­vin­zi­al­rats in der Öf­fent­lich­keit be­traf. Der Pro­vin­zi­al­rat war ei­ne für die Pro­vinz am Amts­sitz des Ober­prä­si­den­ten er­rich­te­te, „zur Mit­wir­kung bei den Ge­schäf­ten der all­ge­mei­nen Lan­des­ver­wal­tun­g“ be­ru­fe­ne Be­hör­de (§ 4 des Ge­set­zes über die all­ge­mei­ne Lan­des­ver­wal­tung [LVG] vom 30.6.1883). Das Gre­mi­um ist aber von In­ter­es­se im Hin­blick auf sei­ne Tä­tig­keit als rei­ne Be­schluss­be­hör­de, die Ent­wick­lung sei­ner Zu­stän­dig­kei­ten und sei­ne Zu­sam­men­set­zung, die durch­aus pro­mi­nent war. 1933 wur­de der Pro­vin­zi­al­rat in ei­nen „Füh­rer­ra­t“ um­ge­wan­delt, der „den Ober­prä­si­den­ten und die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten der Pro­vinz bei der Füh­rung ih­rer Ge­schäf­te“ be­ra­ten soll­te.

 

2. Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten

Mit Wir­kung vom 1.7.1888 tra­ten in der Rhein­pro­vinz die Pro­vin­zi­al­ord­nung vom 29.6.1875 (in ei­ner für die Pro­vinz mo­di­fi­zier­ten Fas­sung) durch Ge­setz vom 1.6.1887 so­wie das be­reits er­wähn­te Ge­setz über die all­ge­mei­ne Lan­des­ver­wal­tung in Kraft. Hier­nach wur­den die bis­he­ri­ge Ver­wal­tungs­glie­de­rung und die seit 1826 be­ste­hen­de pro­vin­zi­al­stän­di­sche Ver­fas­sung grund­le­gend um­ge­wan­delt. Die Pro­vinz wur­de zwei­ge­teilt in ei­nen staat­li­chen Ver­wal­tungs­be­zirk (Rhein­pro­vinz) und ei­nen kom­mu­na­len Selbst­ver­wal­tungs­kör­per (Pro­vin­zi­al­ver­band). An der Spit­ze des staat­li­chen Ver­wal­tungs­be­zirks stand der Ober­prä­si­dent als Ver­tre­ter der Staats­re­gie­rung, dem der Pro­vin­zi­al­rat zur Mit­wir­kung bei­ge­ge­ben war. Die ein­schlä­gi­ge ver­wal­tungs­recht­li­che be­zie­hungs­wei­se ver­wal­tungs­ge­schicht­li­che Li­te­ra­tur be­lässt es im Hin­blick auf die (im Ver­gleich mit an­de­ren Be­hör­den recht be­schränk­ten) Zu­stän­dig­kei­ten des Pro­vin­zi­al­rats bei mehr oder we­ni­ger all­ge­mei­nen Aus­füh­run­gen, so et­wa Ro­bert Graf Hue de Grais[2]: „Der Pro­vin­zi­al­rat ist, wäh­rend der Kreis- und Be­zirks­aus­schuß auch als Ver­wal­tungs­ge­richt ent­schei­det, le­dig­lich Be­schluß­be­hör­de. Die Po­li­zei­ver­wal­tun­gen des Ober­prä­si­den­ten be­dür­fen sei­ner Zu­stim­mung (LVG § 139), er bil­det die In­stanz für Be­schwer­den ge­gen Be­schlüs­se des Be­zirks­aus­schus­ses (LVG § 121) und be­schlie­ßt in ei­ni­gen we­ni­gen An­ge­le­gen­hei­ten in ers­ter In­stanz. Bei die­ser be­schränk­ten Zu­stän­dig­keit kann er nur in län­ge­ren Zwi­schen­räu­men zu­sam­men­tre­ten, was ei­ne er­heb­li­che Ver­zö­ge­rung in der Ab­wick­lung der Ge­schäf­te zur Fol­ge hat.“

Kurfürstliches Schloss und Oberpräsidium der Rheinprovinz in Koblenz (rechts), 2011, Foto: Holger Weinandt.

 

Der Pro­vin­zi­al­rat war durch das Ge­setz über die all­ge­mei­ne Lan­des­ver­wal­tung (LVG), das Ge­setz über die Zu­stän­dig­keit der Ver­wal­tungs- und Ver­wal­tungs­ge­richts­be­hör­den vom 1.8.1883 so­wie ei­ne Viel­zahl wei­te­rer Ge­set­ze zur Mit­wir­kung in vie­len Be­rei­chen der staat­li­chen Ver­wal­tung be­ru­fen, al­ler­dings hat­te er kei­ne Zu­stän­dig­kei­ten in kirch­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten, Ein­quar­tie­rungs­an­ge­le­gen­hei­ten, Staats­steu­er­an­ge­le­gen­hei­ten. Ei­ne po­si­ti­ve um­fas­sen­de Dar­stel­lung der ori­gi­nä­ren Zu­stän­dig­kei­ten des Pro­vin­zi­al­rats liegt nicht vor, so dass ver­sucht wer­den soll, die­se zu do­ku­men­tie­ren. Der Pro­vin­zi­al­rat war ne­ben der be­reits er­wähn­ten Zu­stim­mung zu den Po­li­zei­ver­ord­nun­gen des Ober­prä­si­den­ten in ers­ter (und bei end­gül­ti­ger Be­schluss­fas­sung in ein­zi­ger) In­stanz zu­stän­di­ge Be­hör­de be­zie­hungs­wei­se hat­te er fol­gen­de Zu­stän­dig­kei­ten:

End­gül­ti­ge Be­schluss­fas­sung in Strei­tig­kei­ten we­gen Ver­sa­gung oder Zu­rück­nah­me der Zu­stim­mung des Pro­vin­zi­al­aus­schus­ses zur Mit­wir­kung Drit­ter bei der Ein­rich­tung, Un­ter­hal­tung und Ver­wal­tung der Wan­der­ar­beits­stät­ten (§ 7 des Wan­der­ar­beits­stät­ten­ge­set­zes).

End­gül­ti­ge Be­schluss­fas­sung über Be­schwer­den von Orts­ar­men­ver­bän­den ge­gen Land­ar­men­ver­bän­de, be­tref­fend die den ers­te­ren zu ge­wäh­ren­den Bei­hil­fen (§ 42 Zu­stän­dig­keits­ge­setz). 

Je­weils end­gül­ti­ge Fest­set­zung des Mie­tent­schä­di­gungs­ta­rifs; Ein­rei­hung der zur IV. Ser­vis­klas­se ge­hö­ren­den Or­te in den ein­zel­nen Stu­fen, wenn ver­schie­de­ne sol­cher fest­ge­legt sind; Fest­stel­lung des Vor­lie­gens der Vor­aus­set­zun­gen für die Be­wil­li­gung von pen­si­ons­fä­hi­gen Orts­zu­la­gen an Lehr­kräf­te durch Schul­ver­bän­de, in­so­weit die­se hier­zu be­fugt sind (§§18, 18 Abs. 2 und 21 des Ge­set­zes, be­tref­fend das Dienst­ein­kom­men der Leh­rer und Leh­re­rin­nen an den öf­fent­li­chen Volks­schu­len).

End­gül­ti­ge Fest­stel­lung der Nor­mal­ge­wich­te für die Wa­gen und wich­tigs­ten Fracht­gü­ter nach Maß oder Zahl mit der Wir­kung, dass die­se Ge­wichts­sät­ze bei der Er­mitt­lung des zu­läs­si­gen La­dungs­ge­wichts vor­be­halt­lich des Ge­gen­be­wei­ses zu­grun­de­zu­le­gen sind (§ 8 des Ge­set­zes, be­tref­fend den Ver­kehr auf den Kunst­stra­ßen).

Be­schluss­fas­sung über die Ein­wän­de ge­gen das vom Ober­prä­si­den­ten auf­ge­stell­te Ver­zeich­nis der Was­ser­läu­fe, auf wel­che § 1 An­wen­dung fin­den soll (§ 2 des Ge­set­zes zur Ver­hü­tung von Hoch­was­ser­ge­fah­ren).

Be­schluss­fas­sung über die Zahl, Zeit und Dau­er der Kram- und Vieh­märk­te (§ 127 Zu­stän­dig­keits­ge­setz).

End­gül­ti­ge Ent­schei­dung über Be­schwer­de ge­gen Be­schlüs­se der Land­wirt­schafts­kam­mer über das Er­lö­schen der Mit­glied­schaft oder die vor­läu­fi­ge Ent­he­bung ei­nes Mit­glieds von sei­ner Stel­lung we­gen ei­nes ge­richt­li­chen Straf­ver­fah­rens (§ 12 des Ge­set­zes über die Land­wirt­schafts­kam­mern).

Zu­stim­mung zur Über­tra­gung der ört­li­chen Po­li­zei­ver­wal­tung hin­sicht­lich der Si­cher­heits­po­li­zei in den Re­gie­rungs­be­zir­ken Düs­sel­dorf, Arns­berg und Müns­ter auf be­son­de­re staat­li­che Be­hör­den.

  Ent­schei­dung über die Er­mit­te­lung der bei ei­ner wirt­schaft­li­chen Zu­sam­men­le­gung zur Ver­mei­dung schwe­rer Hoch­was­ser­schä­den un­ter­lie­gen­den Hol­zun­gen und Ödlän­de­rei­en in den dem Ge­birgs- und Hü­gel­lan­de der Rhein­pro­vinz an­ge­hö­ren­den Ge­mar­kun­gen.

Zu­stän­dig­keit in An­ge­le­gen­hei­ten, be­tref­fend die Aus­gra­bung von Al­ter­tü­mern. 

Zu­stän­dig­keit in An­ge­le­gen­hei­ten der Pro­vin­zi­al-(Be­zirks-)Schät­zungs­äm­ter.

Zu­stän­dig­keit in An­ge­le­gen­hei­ten, be­tref­fend die Er­hal­tung des Baum­be­stan­des und Er­hal­tung und Frei­ga­be von Ufer­we­gen im In­ter­es­se der Volks­ge­sund­heit.

Zu­stän­dig­keit (Be­schluss­be­hör­de) in An­ge­le­gen­hei­ten der Wah­len zum Pro­vin­zi­al­land­tag.

Zu­stän­dig­keit in An­ge­le­gen­hei­ten, be­tref­fend Ab­lö­sung der Mark­an­lei­hen der Ge­mein­den und Ge­mein­de­ver­bän­de.

Zu­stän­dig­keit in An­ge­le­gen­hei­ten, be­tref­fend Ab­lö­sung der Mark­an­lei­hen der öf­fent­lich-recht­li­chen Kör­per­schaf­ten.

Zu­stän­dig­keit in An­ge­le­gen­hei­ten, be­tref­fend Ab­lö­sung der Mark­an­lei­hen der öf­fent­lich-recht­li­chen Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten, ih­rer Ge­mein­den und Ge­mein­de­ver­bän­de so­wie der Kir­chen- und Pfrün­den­stif­tun­gen öf­fent­li­chen Rechts.

Oberpräsidium der Rheinprovinz, 2011, Foto: Holger Weinandt.

 

Des Wei­te­ren hat­te der Pro­vin­zi­al­rat zu­zu­stim­men, wenn der Ober­prä­si­dent ei­nem ihm zur Ent­schei­dung vor­lie­gen­den Vor­schlag oder An­trag kei­ne Fol­ge zu ge­ben be­ab­sich­tig­te, bei­spiels­wei­se der Er­nen­nung ei­nes Bür­ger­meis­ters oder Eh­ren­bür­ger­meis­ters auf Vor­schlag des Kreis­aus­schus­ses.

Der Ober­prä­si­dent konn­te ge­mäß § 126 LVG „end­gül­ti­ge Be­schlüs­se des Pro­vin­zi­al­rats mit auf­schie­ben­der Wir­kung an­fech­ten, wenn die Be­schlüs­se die Be­fug­nis­se der Be­hör­de über­schrei­ten oder das be­ste­hen­de Recht, ins­be­son­de­re auch die von den Be­hör­den in­ner­halb ih­rer Zu­stän­dig­kei­ten er­las­se­nen Ver­ord­nun­gen, ver­letz­ten Die An­fech­tung er­folgt mit­tels Kla­ge vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt.“ 

Die weit­aus meis­ten Zu­stän­dig­kei­ten hat­te der Pro­vin­zi­al­rat als Be­schwer­de­instanz ge­gen Ent­schei­dun­gen der Be­zirks­aus­schüs­se. Hier­in sieht Horst Möl­ler des­sen ei­gent­li­che Auf­ga­be, „für die Pro­vinz die Ein­heit­lich­keit der Staats­ver­wal­tung zu ge­währ­leis­ten, so­wie die Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne der Pro­vinz in die Ent­schei­dun­gen staat­li­cher In­stan­zen ein­zu­be­zie­hen“.[3] Al­ler­dings war der Pro­vin­zi­al­rat längst nicht für je­de sol­cher Be­schwer­den zu­stän­dig, so dass ei­ne ab­schlie­ßen­de oder zu­min­dest sys­te­ma­ti­sier­te Um­schrei­bung die­ser Zu­stän­dig­kei­ten zu­min­dest im Rah­men die­ses Auf­sat­zes nicht mög­lich ist. Es sei­en da­her ex­em­pla­risch ei­ni­ge der Be­rei­che ge­nannt, in de­nen der Pro­vin­zi­al­rat über Be­schwer­den ge­gen Be­schlüs­se ei­nes Be­zirks­aus­schus­ses zu ent­schei­den hat­te.

Ent­schei­dung über ei­ne bin­nen zwei Wo­chen zu er­he­ben­de Be­schwer­de ge­gen ei­nen Be­schluss des Be­zirks­aus­schus­ses in Strei­tig­kei­ten über die Hö­he der Ent­schä­di­gung, wel­che die Krei­se den Ge­mein­den für die Mit­wir­kung bei der Ver­wal­tung der Wan­der­ar­beits­stät­ten und für Her­ga­be pas­sen­der Räum­lich­kei­ten zu ge­wäh­ren ha­ben (§ 8 des Wan­der­ar­beits­stät­ten­ge­set­zes).

Ent­schei­dung über ei­ne bin­nen zwei Wo­chen zu er­he­ben­de Be­schwer­de ge­gen ei­nen Be­schluss des Be­zirks­aus­schus­ses we­gen Be­stä­ti­gung von Kreis­tags­be­schlüs­sen be­tref­fend sta­tu­ta­ri­sche An­ord­nun­gen (lan­des­herr­li­che Ge­neh­mi­gung); Ver­äu­ße­run­gen von Grund­stü­cken und Im­mo­bi­li­ar­rech­ten des Krei­ses; den Kreis in be­son­de­rem Ma­ße be­las­ten­de An­lei­hen und Bürg­schaf­ten; über fünf Jah­re fort­dau­e­ren­de zu­sätz­li­che Be­las­tung der Kreis­an­ge­hö­ri­gen oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge (§ 91 der Kreis­ord­nung für die Rhein­pro­vinz).

Ent­schei­dung über ei­ne Be­schwer­de ge­gen ei­nen Be­schluss des Be­zirks­aus­schus­ses we­gen Be­stä­ti­gung von Kreis­tags­be­schlüs­sen (§§ 19, 20 des Kreis- und Pro­vin­zi­al­ab­ga­ben­ge­set­zes).

Ent­schei­dung über ei­ne bin­nen zwei Wo­chen zu er­he­ben­de Be­schwer­de ge­gen ei­nen Be­schluss des Be­zirks­aus­schus­ses we­gen Ver­än­de­rung der Gren­zen der Stadt­be­zir­ke, so­fern der Auf­sichts­be­hör­de die Be­schluss­fas­sung zu­steht (§ 8 Abs. 1 Zu­stän­dig­keits­ge­setz und § 2 der Städ­te­ord­nung für die Rhein­pro­vinz).

Mittelrisalit am Hauptgebäude des Oberpräsidiums, 2011, Foto: Holger Weinandt.

 

„Ge­schäfts­gang und Ver­fah­ren bei den Pro­vin­zi­al­rä­then“ wur­den durch ein vom Mi­nis­ter des In­nern am 28.2.1884 er­las­se­nes Re­gu­la­tiv ge­re­gelt. Das Ver­fah­ren vor dem Pro­vin­zi­al­rat er­folg­te – im Ge­gen­satz zum Ver­wal­tungs­streit­ver­fah­ren – „stets im Be­schlu­ß­ver­fah­ren“ (§ 1), in dem un­ter an­de­rem durch „En­durt­heil“ oder durch „Kla­ge bei dem Kreis­aus­schus­se, dem Be­zirks­aus­schus­se oder ei­nem Ver­wal­tungs­ge­rich­te“ zu ent­schei­den war (§ 54 Abs. 2 LVG). Das Re­gul­ta­tiv be­schäf­tigt sich vor al­lem mit der Ein­be­ru­fung der Sit­zun­gen und der Stell­ver­tre­ter so­wie mit der Be­ur­lau­bung der Mit­glie­der (§§ 2 bis 4), mit den Be­fug­nis­sen des Vor­sit­zen­den (§§ 5 bis 8), mit der Be­weis­auf­nah­me (§ 9), der (nicht ob­li­ga­to­ri­schen) münd­li­chen Ver­hand­lung (§§ 10 bis 14), mit den Ur­schrif­ten und Aus­fer­ti­gun­gen der Be­schlüs­se, Ver­fü­gun­gen und Be­schei­de (§§ 15, 16), mit den Zu­stel­lun­gen (§ 17), mit der Ein­rei­chung der Ak­ten an die Be­schwer­de­instanz (§ 18) so­wie mit den Kos­ten, „Ge­schäfts­kon­troll­bü­cher[n]“, mit Ge­schäfts­jahr (Ka­len­der­jahr) und Jah­res­be­rich­ten (§§ 19 bis 21). Der Pro­vin­zi­al­rat hat­te sei­nen Sitz im Ober­prä­si­di­um: „Die er­for­der­li­chen Ge­schäfts­lo­ka­le, das er­for­der­li­che Sub­al­tern­per­so­nal und den Bü­reau­be­darf hat der Ober­prä­si­dent dem Pro­vin­zi­al­rath zur Ver­fü­gung zu stel­len“ (§ 20 Abs. 2).

Ei­ne grund­le­gen­de Än­de­rung der Zu­stän­dig­kei­ten des Pro­vin­zi­al­rats brach­ten die Jah­re 1932 und 1933. Durch die vom Preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­um (Kom­mis­sa­re des Reichs) er­las­se­ne Ver­ord­nung zur Ver­ein­fa­chung und Ver­bil­li­gung der Ver­wal­tung vom 3.9.1932 wur­de (mit Wir­kung vom 1.4.1933) die Be­schwer­de an den Pro­vin­zi­al­rat ge­gen Be­schlüs­se des Be­zirks­aus­schus­ses ab­ge­schafft. „So­weit ge­gen die Be­schwer­de­ent­schei­dung des Pro­vin­zi­al­rats ein wei­te­res Rechts­mit­tel ge­ge­ben war, ist die­ses fort­an ge­gen den Be­schluß des Be­zirks­aus­schus­ses zu­läs­si­g“ (§ 25 Abs. 1). Des Wei­te­ren war der Pro­vin­zi­al­rat fort­an ein­ge­bun­den in die vom Ober­prä­si­den­ten „un­ter Auf­sicht der Mi­nis­ter und un­ter der ge­setz­lich ge­ord­ne­ten Mit­wir­kung des Pro­vin­zi­al­rats“ aus­ge­üb­ten Staats­auf­sicht über die Selbst­ver­wal­tung des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des so­wie über Kör­per­schaf­ten und Ein­rich­tun­gen, de­ren Ge­schäfts­be­reich sich in­ner­halb der Pro­vinz über mehr als ei­nen Re­gie­rungs­be­zirk er­streckt und die ei­ge­ne Ver­wal­tung „al­ler der­je­ni­gen An­ge­le­gen­hei­ten, die ihm durch Ge­setz oder durch das Staats­mi­nis­te­ri­um über­tra­gen sin­d“ (§ 1 Abs. 2).

Im Rah­men der Än­de­rung und Er­gän­zung die­ser Ver­ord­nung am 17.3.1933 fiel dem Pro­vin­zi­al­rat dann noch ein wei­te­res Auf­ga­ben­ge­biet zu. Durch die Auf­lö­sung der Lan­des­kul­tur­ver­wal­tung ging die Zu­stän­dig­keit der bis­he­ri­gen Spruch­kam­mer (Lan­des­kul­tur­spruchs­a­chen) auf den Pro­vin­zi­al­rat über, auf den Pro­vin­zi­al­rat der Rhein­pro­vinz zu­dem die ört­li­che Zu­stän­dig­keit für den Re­gie­rungs­be­zirk Sig­ma­rin­gen. Für die Lan­des­kul­tur­spruchs­a­chen wur­de „ei­ne be­son­de­re Ab­tei­lung des Pro­vin­zi­al­rats (Lan­des­kul­tur­ab­tei­lung) ge­bil­de­t“, die aus dem Vor­sit­zen­den, ei­nem er­nann­ten Mit­glied (mit ei­nem Stell­ver­tre­ter), je zwei vom Pro­vin­zi­al­aus­schuss be­zie­hungs­wei­se der Land­wirt­schafts­kam­mer zu wäh­len­den Mit­glie­dern (mit je zwei Stell­ver­tre­tern) so­wie zwei  rich­ter­li­chen Mit­glie­dern (mit je ei­nem Stell­ver­tre­ter) be­stand (§ 10a, Abs. 1 und 2). Das Ver­fah­ren im Pro­vin­zi­al­rat (Lan­des­kul­tur­ab­tei­lung) wur­de durch ei­ne be­son­de­re Ver­ord­nung ge­re­gelt, im Üb­ri­gen fan­den „die für den Pro­vin­zi­al­rat gel­ten­den Vor­schrif­ten auf die Lan­des­kul­tur­ab­tei­lung sinn­ge­mä­ße An­wen­dun­g“ (§ 10a, Abs. 6). Der Pro­vin­zi­al­rat (Lan­des­kul­tur­ab­tei­lung) wur­de zum 1.1.1934 in Spruch­kam­mer für Sied­lung und Aus­ein­an­der­set­zung um­be­nannt, sei­ne ge­wähl­ten Mit­glie­der durch er­nann­te Mit­glie­der er­setzt.

Die Pro­vin­zi­al­rä­te in ih­rer seit 1883 be­ste­hen­den Form wur­den durch Ar­ti­kel III des Ge­set­zes über den Pro­vin­zi­al­rat vom 17.7.1933 (GS. 1933, S. 254) auf­ge­löst. Die vom bis­he­ri­gen Pro­vin­zi­al­rat zu tref­fen­den Ent­schei­dun­gen ob­la­gen fort­an dem Ober­prä­si­den­ten, die in Ge­set­zen oder Ver­ord­nun­gen vor­ge­se­he­ne Zu­stim­mung des Pro­vin­zi­al­rats zu Maß­nah­men ei­ner Ver­wal­tungs­be­hör­de ent­fiel. Auch fiel die dem Pro­vin­zi­al­rat zu­ste­hen­de Mit­wir­kung bei der Staats­auf­sicht durch den Ober­prä­si­den­ten fort. Die letz­te er­mit­tel­te Sit­zung des Pro­vin­zi­al­rats fand am 4.10.1932 statt, ei­ne für den 3.2.1933 ter­mi­nier­te Sit­zung wur­de kurz­fris­tig ab­ge­sagt.

Ehemalige Dienstvilla des Oberpräsidenten neben dem Hauptgebäude, 2011, Foto: Holger Weinandt.

 

An die Stel­le des bis­he­ri­gen Pro­vin­zi­al­rats trat ein neu zu bil­den­der Pro­vin­zi­al­rat, der „den Ober­prä­si­den­ten und die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten der Pro­vinz bei der Füh­rung ih­rer Ge­schäf­te“ zu be­ra­ten hat­te. Der Ober­prä­si­dent war zu­gleich Vor­sit­zen­der des Pro­vin­zi­al­rats (Art. I § 1). Er hat­te „aus der Zahl der Pro­vin­zi­al­rä­te ei­nen Schrift­füh­rer“ zu er­nen­nen und „dem Pro­vin­zi­al­rat ei­ne Ge­schäfts­ord­nun­g“ zu ge­ben. Die Ver­wal­tungs­ge­schäf­te des Pro­vin­zi­al­rats führ­te die Ge­schäfts­stel­le des Ober­prä­si­di­ums (Art. I § 7). Wei­te­re Zu­stän­dig­kei­ten nennt das Ge­setz nicht, das sich in ers­ter Li­nie mit den Mit­glie­dern des Pro­vin­zi­al­rats (die als Pro­vin­zi­al­rä­te be­zeich­net wer­den) be­fass­te und des­we­gen bis 1935 mehr­fach ge­än­dert wur­de, wie im nächs­ten Ab­schnitt auf­ge­zeigt wird. Zur Be­ra­tung des Ober­prä­si­den­ten war der Pro­vin­zi­al­rat ab An­fang 1934 na­ment­lich für An­ge­le­gen­hei­ten des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des zu­stän­dig, wo­bei der preu­ßi­sche Mi­nis­ter des In­nern an an­de­rer Stel­le den Pro­vin­zi­al­rat in Be­zug auf die Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung aus­drück­lich als „ih­ren Be­ra­ter“ be­zeich­net, auch soll­te der Pro­vin­zi­al­ver­band an „Fahr­kos­ten und Auf­wands­ent­schä­di­gun­gen der Pro­vin­zi­al­rä­te“ be­tei­ligt wer­den. So schei­nen die An­ge­le­gen­hei­ten des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des auch der ein­zi­ge Schwer­punkt der Tä­tig­keit des rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­rats ge­we­sen zu sein, von ei­ner an­der­wei­ti­gen Be­ra­tung des Ober­prä­si­den­ten und der Re­gie­rungs­prä­si­den­ten ist nichts über­lie­fert.

Im Ok­to­ber 1939 ent­schied der Reichs­mi­nis­ter des In­nern auf ei­nen Be­richt des Ober­prä­si­den­ten (Ver­wal­tung des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des) in Kiel mit dem „Vor­schlag über die Sus­pen­die­rung der Pro­vin­zi­al­rä­te von der Mit­wir­kung an der Pro­vin­zi­al­ver­wal­tun­g“, es sei trotz kriegs­be­dingt not­wen­di­ger Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung wei­ter­hin „er­wünscht, auch in der Ebe­ne der Pro­vin­zen auf ei­ne be­ra­ten­de Mit­wir­kung nicht voll­kom­men zu ver­zich­ten. Not­wen­dig ist nur, daß Ver­wal­tungs­er­schwe­run­gen, die sich hier­aus er­ge­ben könn­ten, nach Mög­lich­keit be­sei­tigt wer­den. So wür­de es re­gel­mä­ßig aus­rei­chen, wenn die Pro­vin­zi­al­rä­te 1 mal im Jahr zur Haus­halts­be­ra­tung zu­sam­men­tre­ten.“ Die­ses ent­sprach of­fen­bar in der Rhein­pro­vinz „be­reits hie­si­gem Brauch“.

Der Pro­vin­zi­al­rat war ei­ner der im Drit­ten Reich, vor al­lem in Preu­ßen, ge­bil­de­ten Füh­rer­rä­te zur Be­ra­tung des Staats­mi­nis­te­ri­um (Staats­rat), der Ober­prä­si­den­ten und Re­gie­rungs­prä­si­den­ten (Pro­vin­zi­al­rat) und der Lei­tung der Ge­mein­den (Ge­mein­de­rä­te). Al­le die­se Füh­rer­rä­te hat­ten nur be­ra­ten­de Funk­ti­on, Ab­stim­mun­gen wa­ren aus­ge­schlos­sen.

Ih­re Ein­be­ru­fung war in das Er­mes­sen des je­wei­li­gen Vor­sit­zen­den ge­stellt, le­dig­lich die Ge­mein­de­rä­te wa­ren vor den Ent­schlie­ßun­gen des Lei­ters der Ge­mein­de über ei­ne An­zahl von Ge­mein­de­an­ge­le­gen­hei­ten zu hö­ren, eben­so wie der Pro­vin­zi­al­rat in be­stimm­ten An­ge­le­gen­hei­ten des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des. Zu den Füh­rer­rä­ten, wie dem Pro­vin­zi­al­rat, gibt es kaum zeit­ge­nös­si­sche kom­men­tie­ren­de Li­te­ra­tur. Ei­ni­ge (wenn­gleich idea­li­siert wir­ken­den) Aus­füh­run­gen im ein­schlä­gi­gen Kom­men­tar zur Deut­schen Ge­mein­de­ord­nung über die Ge­mein­de­rä­te mö­gen aber wei­te­re Auf­schlüs­se zu den Füh­rer­rä­ten ge­ben: „Die Ge­mein­de­rä­te be­schlie­ßen nicht und stim­men nicht ab. Sie ste­hen aber als ein­zel­ver­ant­wort­li­che sach­ver­stän­di­ge Be­ra­ter dem Bür­ger­meis­ter zur Sei­te. Es ist ih­re Pflicht, durch ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Rat aus­schlie­ß­lich das Ge­mein­wohl zu för­dern. Da­bei sind sie kei­ner­lei Wei­sun­gen un­ter­wor­fen und kön­nen sich ih­rer ei­ge­nen Ver­ant­wor­tung auch nicht durch Hin­weis auf der­ar­ti­ge Wei­sun­gen ent­zie­hen.“[4] 

Der Pro­vin­zi­al­rat der Rhein­pro­vinz trat zu sei­ner ers­ten Sit­zung am 30.3.1935 in Ko­blenz zu­sam­men. In die­ser, wie auch den spä­te­ren Sit­zun­gen, ging es vor al­lem um den Haus­halts­ent­wurf des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des. Wei­te­re Sit­zun­gen sind be­kannt für den 24.11.1936 in Trier, 30.4.1937 in Bonn, 21.7.1939 in Duis­burg, im Sep­tem­ber 1941 in Düs­sel­dorf und im Ju­li 1942 in Köln. Am 16.6.1943 hob der Reichs­mi­nis­ter des In­nern „für die Kriegs­zeit […] die vor­ge­schrie­be­ne Be­ra­tungs­pflicht der Ober­präs[iden­ten]. mit dem Pro­vin­zi­al­ra­t“ auf, emp­fahl statt­des­sen die „Pro­vin­zi­al­rä­te jähr­lich ein­mal zu­sam­men­zu­be­ru­fen, um sie über die wich­ti­gen An­ge­le­gen­hei­ten der Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung zu un­ter­rich­ten und mit ih­nen die Fra­gen zu be­ra­ten, die zur Be­ra­tung an­ste­hen“. Zu­dem wur­de den Ober­prä­si­den­ten emp­foh­len, „aus dem Pro­vin­zi­al­rat ei­nen en­ge­ren Kreis von Per­sön­lich­kei­ten aus­zu­wäh­len, die mit der be­son­de­ren Auf­ga­be der Be­ra­tung des Haus­halts­plans und der Re­chungs­le­gung be­fa­ßt wer­den“. Ob die­ses Ver­fah­ren in der Rhein­pro­vinz noch statt­ge­fun­den hat, ist nicht über­lie­fert. Der Pro­vin­zi­al­rat der Rhein­pro­vinz be­stand no­mi­nell bis zum Kriegs­en­de 1945 wei­ter, bis da­hin ver­blie­ben auch die noch am­tie­ren­den Pro­vin­zi­al­rä­te in ih­rer Stel­lung.

Der Na­me Pro­vin­zi­al­rat wur­de üb­ri­gens 1945/1946 noch ein­mal re­ak­ti­viert, bei den von den Bri­ten be­ru­fe­nen be­ra­ten­den Gre­mi­en der Pro­vin­zi­al­re­gie­run­gen in der Nord-Rhein­pro­vinz und in der Pro­vinz West­fa­len.

Clemens Freiherr von Schorlemer, Oberpräsident der Rheinprovinz 1905-1910, Porträtfoto. (Stadtarchiv Neuss)

 

3. Wahlverfahren und Zusammensetzung

„Der Pro­vin­zi­al­rat be­steht aus dem Ober­prä­si­den­ten bzw. des­sen Stell­ver­tre­ter als Vor­sit­zen­den, aus ei­nem von dem Mi­nis­ter des In­nern auf die Dau­er sei­nes Haupt­amts am Sit­ze des Ober­prä­si­den­ten er­nann­ten hö­he­ren Ver­wal­tungs­be­am­ten bzw. des­sen Stell­ver­tre­ter und aus fünf Mit­glie­dern, wel­che vom Pro­vin­zi­al­aus­schus­se aus der Zahl der zum Pro­vin­zi­al­land­ta­ge wähl­ba­ren Pro­vin­zi­al­an­ge­hö­ri­gen ge­wählt wer­den. Für die letz­te­ren wer­den in glei­cher Wei­se fünf Stell­ver­tre­ter ge­wählt.

Von der Wähl­bar­keit aus­ge­schlos­sen sind der Ober­prä­si­dent, die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, die Vor­ste­her Kö­nig­li­cher staat­li­cher Po­li­zei­be­hör­den, die Land­rä­te und die Be­am­ten des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des.“

Die­se Be­stim­mung des § 10 LVG blieb mit Aus­nah­me ei­ner Mo­di­fi­ka­ti­on im Jah­re 1922 bis 1933 un­ver­än­dert. Be­mer­kens­wert ist, dass die Be­stim­mun­gen über die Nicht­wähl­bar­keit in Abs. 2 über 30 Jah­re hin­durch kei­ne Pro­ble­me be­rei­te­ten, aber in den Wei­ma­rer Jah­ren und ku­rio­ser­wei­se auch noch 1933 ge­le­gent­lich nicht be­ach­tet wur­den und zu Be­an­stan­dun­gen und Ein­sprü­chen führ­ten. Am 27.3.1926 wähl­te der Pro­vin­zi­al­aus­schuss den Ko­blen­zer Land­rat Ger­hard Weil, der in die­ser Ei­gen­schaft ei­gent­lich nicht wähl­bar war, zum zwei­ten stell­ver­tre­ten­den Mit­glied, oh­ne dass die­ses be­an­stan­det wur­de. Im Vor­feld der Pro­vin­zi­al­rats­wah­len durch die neu­ge­bil­de­ten Pro­vin­zi­al­aus­schüs­se wies der Preu­ßi­sche Mi­nis­ter des In­nern durch Er­lass vom 13.1.1930 die Ober­prä­si­den­ten auf die un­ver­än­dert in Gül­tig­keit be­find­li­chen Vor­schrif­ten für die Nicht­wähl­bar­keit zum Pro­vin­zi­al­rat ge­mäß § 10 Abs. 2 LVG hin. Die­ser Er­lass war dem Pro­vin­zi­al­aus­schuss bei den am 12.2.1930 durch­ge­führ­ten Wah­len zum Pro­vin­zi­al­rat nicht be­kannt, so dass auch Land­rat Weil er­neut ge­wählt wur­de. Nach­dem der Vor­sit­zen­de des Pro­vin­zi­al­aus­schus­ses, der Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er, von dem Er­lass Kennt­nis hat­te, ließ er am 17.3.1930 an­stel­le des so­mit nicht wähl­ba­ren ­Land­rats Weil ein neu­es Mit­glied wäh­len. Bei den am 26.5.1933 durch­ge­führ­ten Wah­len zum Pro­vin­zi­al­rat wur­den Mit­glie­der ge­wählt, die ei­nem Be­zirks­aus­schuss be­zie­hungs­wei­se dem Pro­vin­zi­al­aus­schuss an­ge­hör­ten. Bei­de Grup­pen wa­ren ge­mäß §§ 28 Abs. 4 und 10 Abs. 2 LVG eben­falls nicht zum Pro­vin­zi­al­rat wähl­bar. Ge­gen die­se Wah­len wur­den er­kenn­bar Ein­sprü­che ein­ge­legt, die der Pro­vin­zi­al­aus­schuss an­er­kann­te und am 30.6.1933 neue Mit­glie­der an­stel­le der nicht wähl­ba­ren Per­so­nen wähl­te.

Die Mit­glie­der des Pro­vin­zi­al­rats und de­ren Stell­ver­tre­ter wur­den auf sechs Jah­re ge­wählt (§ 11 Abs. 1), al­le drei Jah­re hat­te die Hälf­te der ge­wähl­ten Mit­glie­der und Stell­ver­tre­ter aus­zu­schei­den (§ 12 Abs. 1). „Für die im Lau­fe der Wahl­pe­ri­ode aus­schei­den­den Mit­glie­der und Stell­ver­tre­ter ha­ben Er­satz­wah­len statt­zu­fin­den. Die Er­satz­män­ner blei­ben nur bis zum En­de des­je­ni­gen Zeit­rau­mes in Tä­tig­keit, für wel­chen die Aus­ge­schie­de­nen ge­wählt wa­ren“ (§ 12 Abs. 2). Der Pro­vin­zi­al­rat war „be­schluß­fä­hig, wenn mit Ein­schluß des Vor­sit­zen­den fünf Mit­glie­der an­we­send sind. Die Be­schlüs­se wer­den nach Stim­men­mehr­heit ge­fa­ßt. Bei Stim­men­gleich­heit gibt die Stim­me des Vor­sit­zen­den den Aus­schla­g“ (§ 15).

Bis 1918 sah das Wahl­ver­fah­ren so aus, dass je­der Re­gie­rungs­prä­si­dent aus sei­nem Be­zirk dem Ober­prä­si­den­ten ge­eig­ne­te Per­so­nen als Mit­glied oder stell­ver­tre­ten­des Mit­glied vor­schlug, wenn ein Man­dat neu zu be­set­zen war. Das kam re­la­tiv sel­ten vor, da die meis­ten Mit­glie­der re­gel­mä­ßig wie­der­ge­wählt wur­den und sich die Man­da­te sel­ten durch Ab­lauf der Wahl­pe­ri­ode er­le­dig­ten, son­dern mehr­heit­lich durch Man­dats­nie­der­le­gung oder Tod. Es wur­den je­weils nur so vie­le Per­so­nen vor­ge­schla­gen, wie zu wäh­len wa­ren, und der Pro­vin­zi­al­aus­schuss ent­sprach re­gel­mä­ßig den sei­tens des Ober­prä­si­den­ten un­ter­brei­te­ten Wahl­vor­schlä­gen. Be­mer­kens­wert ist der Über­gang von die­sem Wahl­mo­dus auf das ab 1919 an­zu­wen­den­de Ver­hält­nis­wahl­recht. Am 29.10.1919 un­ter­rich­te­te der Lan­des­haupt­mann des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des den Ober­prä­si­den­ten dar­über, nach § 17 des Ge­set­zes, be­tref­fend vor­läu­fi­ge Re­ge­lung ver­schie­de­ner Punk­te des Ge­mein­de­ver­fas­sungs­rechts vom 18.7.1919 ha­be „der von dem nächs­ten Pro­vin­zi­al­land­ta­ge neu zu wäh­len­de Pro­vin­zi­al­aus­schuß bei sei­ner ers­ten Ta­gung die ge­wähl­ten Mit­glie­der und stell­ver­tre­ten­den Mit­glie­der des Pro­vin­zi­al­rats und der Be­zirks­aus­schüs­se neu zu wäh­len. Die Wahl­zeit der jet­zi­gen Mit­glie­der und Stell­ver­tre­ter er­reicht mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem die Neu­wahl statt­fin­det, ihr En­de. Er stell­te an­heim, mir ein Ver­zeich­nis der­je­ni­gen Per­sön­lich­kei­ten ge­fäl­ligst zu­kom­men zu las­sen, wel­che von den zu­stän­di­gen Re­gie­run­gen für das Amt ei­nes Mit­glie­des be­zie­hungs­wei­se stell­ver­tre­ten­den Mit­glie­des des Pro­vin­zi­al­ra­tes be­zw. des Be­zirks­aus­schus­ses ge­eig­net ge­hal­ten wer­den.“ Es soll­ten „meh­re­re Her­ren in Vor­schlag zu brin­gen sein, da­mit das Wahl­recht des Pro­vin­zi­al­land­ta­ges nicht be­ein­träch­tigt wir­d“. Die Neu­wahl des Pro­vin­zi­al­aus­schus­ses durch den Pro­vin­zi­al­land­tag konn­te we­gen der Ver­hält­nis­se un­ter der Be­sat­zung im Rhein­land erst am 11.12.1920 er­fol­gen. Der Pro­vin­zi­al­aus­schuss wähl­te auf­grund der ihm vor­lie­gen­den Wahl­vor­schlä­ge die neu­en Mit­glie­der des Pro­vin­zi­al­rats in sei­ner (zwei­ten) Sit­zung am 25.1.1921, so dass die Amts­zeit der bis­he­ri­gen Mit­glie­der mit dem 31.1.1921 en­de­te. Mit der im fol­gen­den Jahr er­folg­ten Neu­fas­sung des Wahl­rechts zum Pro­vin­zi­al­rat er­hielt auch die­ses Gre­mi­um ei­ne par­tei­po­li­tisch aus­ge­rich­te­te Zu­sam­men­set­zung, wäh­rend zu­vor die Mit­glie­der in ers­ter Li­nie als Ver­tre­ter ih­res Re­gie­rungs­be­zirks vor­ge­schla­gen und ge­wählt wur­den.

Durch das Ge­setz zur Er­gän­zung und Ab­än­de­rung der Wahl­vor­schrif­ten für die Pro­vin­zi­al­rä­te, Be­zirks­aus­schüs­se und an­de­re Ver­wal­tungs­be­schluß- und -streit­be­hör­den vom 25.7.1922 wur­den die bis­he­ri­gen, eher all­ge­mei­nen Be­stim­mun­gen über die Wahl der Mit­glie­der des Pro­vin­zi­al­rats den ge­än­der­ten Wahl­rechts­grund­la­gen an­ge­passt. Fort­an wa­ren durch den Pro­vin­zi­al­aus­schuss – auf der Grund­la­ge von Par­tei­en ein­zu­rei­chen­der Wahl­vor­schlä­ge – für „je­des zu wäh­len­de Mit­glied des Pro­vin­zi­al­rats […] im glei­chen Wahl­gang zwei Stell­ver­tre­ter“ zu wäh­len Der Lei­ter der Wahl, al­so in der Re­gel der Vor­sit­zen­de des Pro­vin­zi­al­aus­schus­ses, hat­te „beim Schlus­se der Wahl­hand­lun­g“ un­ter an­de­rem „auch die Rei­hen­fol­ge an­zu­ge­ben, in der die Stell­ver­tre­ter für je­des Mit­glied be­ru­fen sin­d“, des Wei­te­ren „dem­nächst un­ver­züg­li­ch“ hier­über den „Vor­sit­zen­den der Be­hör­de, für wel­che die Ge­wähl­ten be­stimmt sin­d“, zu un­ter­rich­ten (§ 1). Das be­deu­te­te auch, dass der Schrift­ver­kehr über die Wahl usw. der Mit­glie­der des Pro­vin­zi­al­rats mit dem Ober­prä­si­den­ten nicht mehr, wie bis­her, vom Lan­des­haupt­mann ge­führt wur­de, son­dern vom Vor­sit­zen­den des Pro­vin­zi­al­aus­schus­ses. Neu ge­re­gelt wur­de auch das Ver­fah­ren beim end­gül­ti­gen Aus­schei­den ei­nes Mit­glieds. Wa­ren bis­her in die­sem Fall Er­satz­wah­len durch­zu­füh­ren, so rück­te nun­mehr „sein ers­ter Stell­ver­tre­ter in die Be­hör­de ein, an des­sen Stel­le der zwei­te Stell­ver­tre­ter als ers­ter, und für ihn als zwei­ter Stell­ver­tre­ter der­je­ni­ge Er­satz­mann, der hin­ter dem an letz­ter Stel­le zum Stell­ver­tre­ter ge­wähl­ten als nächst­be­ru­fe­ner Be­wer­ber auf dem Wahl­vor­schla­ge steht. Ent­spre­chend re­gelt sich das Nach­rü­cken, wenn ein Stell­ver­tre­ter aus­schei­de­t“ (§ 3 Abs. 1). Für den Fall, dass „für ei­ne frei ge­wor­de­ne Mit­glieds­stel­le kein Stell­ver­tre­ter und auf dem Wahl­vor­schla­ge kein Er­satz­mann mehr vor­han­den ist, konn­te der Mi­nis­ter des In­nern die Vor­nah­me ei­ner Neu­wahl für die Stel­le an­ord­nen  und die zu dem Zwe­cke er­for­der­li­chen nä­he­ren Be­stim­mun­gen er­las­sen. Er kann ins­be­son­de­re be­stim­men, daß der neu zu wäh­len­de der Wäh­ler­grup­pe an­zu­ge­hö­ren hat, auf de­ren Wahl­vor­schlag der Aus­ge­schie­de­ne ge­wählt war“ (§ 4 Abs. 1). Die­se Si­tua­ti­on trat in der Rhein­pro­vinz nicht ein, da die wirk­sam ge­wor­de­nen Wahl­vor­schlä­ge per­so­nell aus­rei­chend be­setzt wa­ren. Die Mit­glie­der des Pro­vin­zi­al­rats wa­ren „un­mit­tel­bar nach je­der Neu­wahl ih­res Wahl­kör­pers neu zu wäh­len“ (§ 6), die frü­he­re Re­ge­lung ei­ner sechs­jäh­ri­gen Mit­glied­schaft galt nicht mehr. Die Wahl­prü­fung ob­lag dem Vor­sit­zen­des des Pro­vin­zi­al­rats von Amts we­gen. Er konn­te „ge­gen die Gül­tig­keit der Wahl im gan­zen oder ein­zel­ner Ge­wähl­ter oder ge­gen die ver­kün­de­te Rei­hen­fol­ge der Stell­ver­tre­ter“ beim Vor­sit­zen­den des Wahl­kör­pers Ein­spruch er­he­ben. Hier­zu war eben­falls  je­des „Mit­glied des Wahl­kör­per­s“ be­rech­tigt. Über den Ein­spruch ent­schied der Pro­vin­zi­al­aus­schuss, der dann fest­zu­stel­len hat­te, „wer als Mit­glied ein­zu­tre­ten hat und in wel­cher Rei­hen­fol­ge die Stell­ver­tre­ter be­ru­fen sin­d“ (§ 2). Die ein­zi­gen be­kann­ten Fäl­le sind die oben be­reits be­han­del­ten Ein­sprü­che ge­gen die Wahl von nicht­wähl­ba­ren Per­so­nen 1930 und 1933.

Georg von Rheinbaben, Oberpräsident der Rheinprovinz 1910-1918. (Stadtarchiv Krefeld)

 

Die für die Wah­len zum Pro­vin­zi­al­rat am 27.3.1926 und am 12.2.1930 ein­ge­reich­ten Wahl­vor­schlä­ge wa­ren struk­tu­rell mehr oder we­ni­ger iden­tisch. Es han­del­te sich um ei­ne Lis­ten­ver­bin­dung der grö­ße­ren Par­tei­en, na­ment­lich desn Zen­trums, der (Bür­ger­li­chen) Ar­beits­ge­mein­schaft (DNVP/DVP/DDP) und der SPD. Die KPD stell­te je­weils ei­nen ei­ge­nen Wahl­vor­schlag auf. 1930 nann­te sich der ers­te Wahl­vor­schlag „Ein­heits­lis­te“ und um­fass­te Vor­schlä­ge des Zen­trums, der Ar­beits­ge­mein­schaft, der SPD, des Christ­li­chen Volks­diens­tes und Bau­ern­par­tei so­wie der Wirt­schafts­par­tei. Bei der Wahl am 27.3.1926 ent­fie­len die ers­ten vier Man­da­te auf Zen­trum und (Bür­ger­li­che) Ar­beits­ge­mein­schaft (DNVP/DVP), das fünf­te Man­dat auf die SPD. Bei der Wahl am 12.2.1930 ent­fie­len al­le Man­da­te auf die „Ein­heits­lis­te“, die ers­ten drei auf das Zen­trum, das vier­te auf DNVP/DDP und DDP, das fünf­te auf SPD und Reichs­par­tei des Deut­schen Mit­tel­stan­des (Wirt­schafts­par­tei). Die Wahl­vor­schlä­ge für die Wahl vom 26.5.1933 lie­gen nicht vor. Auf die ers­ten drei Man­da­te wur­den Ver­tre­ter der NS­DAP ge­wählt, auf das vier­te und fünf­te Man­dat Ver­tre­ter des Zen­trums. Ob die SPD noch ei­nen Vor­schlag ein­ge­reicht hat­te, ist nicht be­kannt.

Das schon er­wähn­te Ge­setz über den Pro­vin­zi­al­rat vom 17.7.1933, mit dem die bis­he­ri­gen Pro­vin­zi­al­rä­te auf­ge­löst und neue Pro­vin­zi­al­rä­te als na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Füh­rer­rä­te ge­bil­det wur­den, be­fass­te sich im We­sent­li­chen mit der Zu­sam­men­set­zung der neu­en Gre­mi­en. So ver­wun­dert es nicht, dass die­se Fra­ge Ge­gen­stand meh­re­rer Än­de­run­gen die­ses Ge­set­zes wur­de. Es er­hellt sich nicht, von wem die di­ver­sen Än­de­run­gen und Mo­di­fi­ka­tio­nen aus­gin­gen – so ging es et­wa dar­um, die For­mu­lie­rung „die in der Pro­vinz wohn­haf­ten Staats­rä­te der 2. und 3. Grup­pe“ durch „die in der Pro­vinz wohn­haf­ten, vom Mi­nis­ter­prä­si­den­ten er­nann­ten Staats­rä­te“ zu er­set­zen –, es dürf­ten aber un­ter an­de­rem im Mi­nis­te­ri­um des In­nern sorg­fäl­ti­ge Über­le­gun­gen an­ge­stellt wor­den sein, nach wel­chen Kri­te­ri­en die Pro­vin­zi­al­rä­te aus­ge­wählt wer­den soll­ten. Die sich auf­grund des Ge­set­zes vom 15. Fe­bru­ar 1934 er­ge­ben­de Fas­sung, die für die Zu­sam­men­set­zung der Pro­vin­zi­al­rä­te ma­ß­geb­lich blieb, sei in ih­ren we­sent­li­chen die Zu­sam­men­set­zung be­tref­fen­den Be­stim­mun­gen wie­der­ge­ge­ben:

§ 2

Den Pro­vin­zi­al­rat bil­den:

  1. kraft ih­res Am­tes ne­ben dem Ober­prä­si­den­ten und dem Vi­ze­prä­si­den­ten des Ober­prä­si­di­ums die in der Pro­vinz wohn­haf­ten, vom Mi­nis­ter­prä­si­den­ten er­nann­ten Staats­rä­te (§ 5 des Ge­set­zes über den Staats­rat vom 8.6.1933 - Ge­setz­samml. S. 241 -), die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten der Pro­vinz und der Lan­des­haupt­mann;

  2. kraft Er­nen­nung durch den Mi­nis­ter­prä­si­den­ten sons­ti­ge in der Pro­vinz wohn­haf­te Män­ner. 

§ 4

Zum Pro­vin­zi­al­rat kann nur er­nannt wer­den, wer min­des­tens 25 Jah­re alt ist und die Rech­te ei­nes deut­schen Staats­bür­gers be­sitzt. Er muss in der Pro­vinz sei­nen Wohn­sitz ha­ben. Nicht zum Pro­vin­zi­al­rat kön­nen er­nannt wer­den Reichs­mi­nis­ter, Reichs­statt­hal­ter, Mit­glie­der ei­ner au­ßer­preu­ßi­schen Lan­des­re­gie­rung so­wie Be­am­te des Reichs oder ei­nes au­ßer­preu­ßi­schen Lan­des. 

§ 5

(1) Der Mi­nis­ter­prä­si­dent be­stimmt die Zahl der nach § 2 Nr. 2 zu er­nen­nen­den Pro­vin­zi­al­rä­te durch Ver­ord­nung. Die Ver­ord­nung ist in der Ge­setz­samm­lung zu ver­öf­fent­li­chen.

(2) Zu Pro­vin­zi­al­rä­ten er­nennt der Mi­nis­ter­prä­si­dent den rang­äl­tes­ten Amts­wal­ter, den rang­äl­tes­ten Füh­rer der Sturm­ab­tei­lun­gen und den rang­äl­tes­ten Füh­rer der Schutz­staf­feln der NS­DAP in der Pro­vinz, wel­che dem Pro­vin­zi­al­ra­te nicht be­reits in ih­rer Ei­gen­schaft als Staats­rat an­ge­hö­ren, so­wie um Staat und Volk sonst ver­dien­te Män­ner der Pro­vinz.

(3) Bei der Zu­sam­men­set­zung des Pro­vin­zi­al­rats soll dem wirt­schaft­li­chen Auf­baue der Pro­vinz und den Be­son­der­hei­ten der Ge­schäf­te des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des Rech­nung ge­tra­gen wer­den; dem­zu­fol­ge ist auf Aus­wahl ge­eig­ne­ter Fach­leu­te und lei­ten­der Be­am­ten der Ge­mein­den so­wie der Land­krei­se Be­dacht zu neh­men. 

§ 6

(1) Der Ober­prä­si­dent, der Vi­ze­prä­si­dent des Ober­prä­si­di­ums, die Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, die Staats­rä­te und der Lan­des­haupt­mann so­wie die auf Grund ih­res Am­tes in der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Be­we­gung be­ru­fe­nen Pro­vin­zi­al­rä­te ge­hö­ren dem Pro­vin­zi­al­ra­te für die Dau­er ih­res Am­tes an. Die üb­ri­gen Pro­vin­zi­al­rä­te wer­den auf die Dau­er von sechs Jah­ren be­ru­fen. Von die­sen schei­det al­le zwei Jah­re ein Drit­tel aus. Wie­der­be­ru­fung ist zu­läs­sig. Schei­det ein Pro­vin­zi­al­rat vor Ab­lauf der Amts­zeit aus, so wird für de­ren Rest ein Er­satz­mann be­ru­fen. Die Zu­ge­hö­rig­keit der auf sechs Jah­re be­ru­fe­nen Pro­vin­zi­al­rä­te zum Pro­vin­zi­al­rat er­lischt, wenn der Mi­nis­ter­prä­si­dent fest­stellt, daß die Vor­aus­set­zun­gen nicht mehr vor­lie­gen, auf Grund de­ren sie er­nannt sind.

(2) Die Mit­glied­schaft er­lischt fer­ner, wenn der Mi­nis­ter­prä­si­dent ei­nem Pro­vin­zi­al­ra­te das An­er­kennt­nis un­ver­letz­ter Eh­ren­haf­tig­keit oder ei­nes der Wür­de des Pro­vin­zi­al­rats ent­spre­chen­den Le­bens­wan­dels oder Ver­hal­tens ver­sagt. 

§ 15

Der Re­gie­rungs­prä­si­dent in Sig­ma­rin­gen ge­hört dem Pro­vin­zi­al­ra­te für die Rhein­pro­vinz an. Auch eins der er­nann­ten Mit­glie­der die­ses Pro­vin­zi­al­rats soll in den Ho­hen­zol­le­ri­schen Lan­den sei­nen Wohn­sitz ha­ben. 

Die Be­stim­mung, dass nur „die in der Pro­vinz wohn­haf­ten, vom Mi­nis­ter­prä­si­den­ten er­nann­ten Staats­rä­te“ dem Pro­vin­zi­al­rat an­ge­hör­ten, wur­de durch­aus be­ach­tet, selbst im Fall ei­nes äu­ßerst pro­mi­nen­ten Par­tei­ge­nos­sen wie Dr. Ro­berl Ley, im­mer­hin Reichs­or­ga­ni­sa­ti­ons­lei­ter der NS­DAP und Reichs­lei­ter der Deut­schen Ar­beits­front. Die­ser hat­te sei­nen Wohn­sitz zu­nächst in Köln, zog aber zwi­schen Früh­jahr 1936 und Früh­jahr 1938 nach Mün­chen um, so dass er aus dem Pro­vin­zi­al­rat der Rhein­pro­vinz aus­schied.

Hermann von Lüninck, Oberpräsident der Rheinprovinz 1933-1935. (Gedenkstätte Deutscher Widerstand)

 

Die dem Pro­vin­zi­al­rat qua Amt an­ge­hö­ren­den Mit­glie­der wa­ren er­kenn­bar be­reits ab Mit­te 1933 Preu­ßi­sche Pro­vin­zi­al­rä­te – sie fin­den sich in die­ser Ei­gen­schaft be­reits im Preu­ßi­schen Staats­hand­buch 1934, das den Stand Herbst 1933 wie­der­gibt, ge­nannt. Die vom Mi­nis­ter­prä­si­den­ten zu er­nen­nen­den Mit­glie­der hin­ge­gen wur­den we­gen der oben skiz­zier­ten Ver­zö­ge­run­gen bei der Aus­ge­stal­tung der Rechts­grund­la­gen der Pro­vin­zi­al­rä­te erst am 30.1.1935 er­nannt, so dass der Pro­vin­zi­al­rat erst da­nach sei­ne Tä­tig­keit auf­neh­men konn­te. Aus die­sem Grun­de wur­de auch die „An­hö­rung des Pro­vin­zi­al­rats“ in An­ge­le­gen­hei­ten des Pro­vin­zi­al­ver­ban­des am 5.3.1934 bis zur Er­nen­nung der Pro­vin­zi­al­rä­te aus­ge­setzt. Für die Neu- oder Wie­derer­nen­nung von Pro­vin­zi­al­rä­ten wa­ren Vor­schlä­ge sei­tens der Gau­lei­ter oder der Ober­prä­si­den­ten, letz­te­re „nach Be­neh­men mit dem Gau­lei­ter der NS­DA­P“, aus­drück­lich  er­wünscht. Der letz­te be­kann­te Pro­vin­zi­al­rat in der Rhein­pro­vinz wur­de im Jah­re 1943 er­nannt.

Literatur

Lil­la, Joa­chim, Der Pro­vin­zi­al­rat der Rhein­pro­vinz 1888–1933–1945, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 216 (2013), S. 191–240 [mit Ein­zel­nach­wei­sen und Mit­glie­der­über­sich­ten].

Josef Terboven, Oberpräsident der Rheinprovinz 1935-1945, Porträtfoto. (Stadtarchiv Essen)

 
Zitationshinweis

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Lilla, Joachim, Der Provinzialrat der Rheinprovinz 1888 – 1933 – 1945, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-provinzialrat-der-rheinprovinz-1888-%25E2%2580%2593-1933-%25E2%2580%2593-1945/DE-2086/lido/57d127d7757140.31297352 (abgerufen am 05.10.2024)