Der Provinzialrat der Rheinprovinz 1888 – 1933 – 1945
Zu den Kapiteln
1. Einleitung
„[S]eine Rolle im öffentlichen Leben war gering.“ Diese Diagnose von Horst Romeyk[1] ist zutreffend, was die Wahrnehmung des Provinzialrats in der Öffentlichkeit betraf. Der Provinzialrat war eine für die Provinz am Amtssitz des Oberpräsidenten errichtete, „zur Mitwirkung bei den Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung“ berufene Behörde (§ 4 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung [LVG] vom 30.6.1883). Das Gremium ist aber von Interesse im Hinblick auf seine Tätigkeit als reine Beschlussbehörde, die Entwicklung seiner Zuständigkeiten und seine Zusammensetzung, die durchaus prominent war. 1933 wurde der Provinzialrat in einen „Führerrat“ umgewandelt, der „den Oberpräsidenten und die Regierungspräsidenten der Provinz bei der Führung ihrer Geschäfte“ beraten sollte.
2. Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten
Mit Wirkung vom 1.7.1888 traten in der Rheinprovinz die Provinzialordnung vom 29.6.1875 (in einer für die Provinz modifizierten Fassung) durch Gesetz vom 1.6.1887 sowie das bereits erwähnte Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung in Kraft. Hiernach wurden die bisherige Verwaltungsgliederung und die seit 1826 bestehende provinzialständische Verfassung grundlegend umgewandelt. Die Provinz wurde zweigeteilt in einen staatlichen Verwaltungsbezirk (Rheinprovinz) und einen kommunalen Selbstverwaltungskörper (Provinzialverband). An der Spitze des staatlichen Verwaltungsbezirks stand der Oberpräsident als Vertreter der Staatsregierung, dem der Provinzialrat zur Mitwirkung beigegeben war. Die einschlägige verwaltungsrechtliche beziehungsweise verwaltungsgeschichtliche Literatur belässt es im Hinblick auf die (im Vergleich mit anderen Behörden recht beschränkten) Zuständigkeiten des Provinzialrats bei mehr oder weniger allgemeinen Ausführungen, so etwa Robert Graf Hue de Grais[2]: „Der Provinzialrat ist, während der Kreis- und Bezirksausschuß auch als Verwaltungsgericht entscheidet, lediglich Beschlußbehörde. Die Polizeiverwaltungen des Oberpräsidenten bedürfen seiner Zustimmung (LVG § 139), er bildet die Instanz für Beschwerden gegen Beschlüsse des Bezirksausschusses (LVG § 121) und beschließt in einigen wenigen Angelegenheiten in erster Instanz. Bei dieser beschränkten Zuständigkeit kann er nur in längeren Zwischenräumen zusammentreten, was eine erhebliche Verzögerung in der Abwicklung der Geschäfte zur Folge hat.“
Der Provinzialrat war durch das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung (LVG), das Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1.8.1883 sowie eine Vielzahl weiterer Gesetze zur Mitwirkung in vielen Bereichen der staatlichen Verwaltung berufen, allerdings hatte er keine Zuständigkeiten in kirchlichen Angelegenheiten, Einquartierungsangelegenheiten, Staatssteuerangelegenheiten. Eine positive umfassende Darstellung der originären Zuständigkeiten des Provinzialrats liegt nicht vor, so dass versucht werden soll, diese zu dokumentieren. Der Provinzialrat war neben der bereits erwähnten Zustimmung zu den Polizeiverordnungen des Oberpräsidenten in erster (und bei endgültiger Beschlussfassung in einziger) Instanz zuständige Behörde beziehungsweise hatte er folgende Zuständigkeiten:
Endgültige Beschlussfassung in Streitigkeiten wegen Versagung oder Zurücknahme der Zustimmung des Provinzialausschusses zur Mitwirkung Dritter bei der Einrichtung, Unterhaltung und Verwaltung der Wanderarbeitsstätten (§ 7 des Wanderarbeitsstättengesetzes).
Endgültige Beschlussfassung über Beschwerden von Ortsarmenverbänden gegen Landarmenverbände, betreffend die den ersteren zu gewährenden Beihilfen (§ 42 Zuständigkeitsgesetz).
Jeweils endgültige Festsetzung des Mietentschädigungstarifs; Einreihung der zur IV. Servisklasse gehörenden Orte in den einzelnen Stufen, wenn verschiedene solcher festgelegt sind; Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Bewilligung von pensionsfähigen Ortszulagen an Lehrkräfte durch Schulverbände, insoweit diese hierzu befugt sind (§§18, 18 Abs. 2 und 21 des Gesetzes, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen).
Endgültige Feststellung der Normalgewichte für die Wagen und wichtigsten Frachtgüter nach Maß oder Zahl mit der Wirkung, dass diese Gewichtssätze bei der Ermittlung des zulässigen Ladungsgewichts vorbehaltlich des Gegenbeweises zugrundezulegen sind (§ 8 des Gesetzes, betreffend den Verkehr auf den Kunststraßen).
Beschlussfassung über die Einwände gegen das vom Oberpräsidenten aufgestellte Verzeichnis der Wasserläufe, auf welche § 1 Anwendung finden soll (§ 2 des Gesetzes zur Verhütung von Hochwassergefahren).
Beschlussfassung über die Zahl, Zeit und Dauer der Kram- und Viehmärkte (§ 127 Zuständigkeitsgesetz).
Endgültige Entscheidung über Beschwerde gegen Beschlüsse der Landwirtschaftskammer über das Erlöschen der Mitgliedschaft oder die vorläufige Enthebung eines Mitglieds von seiner Stellung wegen eines gerichtlichen Strafverfahrens (§ 12 des Gesetzes über die Landwirtschaftskammern).
Zustimmung zur Übertragung der örtlichen Polizeiverwaltung hinsichtlich der Sicherheitspolizei in den Regierungsbezirken Düsseldorf, Arnsberg und Münster auf besondere staatliche Behörden.
Entscheidung über die Ermittelung der bei einer wirtschaftlichen Zusammenlegung zur Vermeidung schwerer Hochwasserschäden unterliegenden Holzungen und Ödländereien in den dem Gebirgs- und Hügellande der Rheinprovinz angehörenden Gemarkungen.
Zuständigkeit in Angelegenheiten, betreffend die Ausgrabung von Altertümern.
Zuständigkeit in Angelegenheiten der Provinzial-(Bezirks-)Schätzungsämter.
Zuständigkeit in Angelegenheiten, betreffend die Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit.
Zuständigkeit (Beschlussbehörde) in Angelegenheiten der Wahlen zum Provinziallandtag.
Zuständigkeit in Angelegenheiten, betreffend Ablösung der Markanleihen der Gemeinden und Gemeindeverbände.
Zuständigkeit in Angelegenheiten, betreffend Ablösung der Markanleihen der öffentlich-rechtlichen Körperschaften.
Zuständigkeit in Angelegenheiten, betreffend Ablösung der Markanleihen der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, ihrer Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der Kirchen- und Pfründenstiftungen öffentlichen Rechts.
Des Weiteren hatte der Provinzialrat zuzustimmen, wenn der Oberpräsident einem ihm zur Entscheidung vorliegenden Vorschlag oder Antrag keine Folge zu geben beabsichtigte, beispielsweise der Ernennung eines Bürgermeisters oder Ehrenbürgermeisters auf Vorschlag des Kreisausschusses.
Der Oberpräsident konnte gemäß § 126 LVG „endgültige Beschlüsse des Provinzialrats mit aufschiebender Wirkung anfechten, wenn die Beschlüsse die Befugnisse der Behörde überschreiten oder das bestehende Recht, insbesondere auch die von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeiten erlassenen Verordnungen, verletzten Die Anfechtung erfolgt mittels Klage vor dem Oberverwaltungsgericht.“
Die weitaus meisten Zuständigkeiten hatte der Provinzialrat als Beschwerdeinstanz gegen Entscheidungen der Bezirksausschüsse. Hierin sieht Horst Möller dessen eigentliche Aufgabe, „für die Provinz die Einheitlichkeit der Staatsverwaltung zu gewährleisten, sowie die Selbstverwaltungsorgane der Provinz in die Entscheidungen staatlicher Instanzen einzubeziehen“.[3] Allerdings war der Provinzialrat längst nicht für jede solcher Beschwerden zuständig, so dass eine abschließende oder zumindest systematisierte Umschreibung dieser Zuständigkeiten zumindest im Rahmen dieses Aufsatzes nicht möglich ist. Es seien daher exemplarisch einige der Bereiche genannt, in denen der Provinzialrat über Beschwerden gegen Beschlüsse eines Bezirksausschusses zu entscheiden hatte.
Entscheidung über eine binnen zwei Wochen zu erhebende Beschwerde gegen einen Beschluss des Bezirksausschusses in Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, welche die Kreise den Gemeinden für die Mitwirkung bei der Verwaltung der Wanderarbeitsstätten und für Hergabe passender Räumlichkeiten zu gewähren haben (§ 8 des Wanderarbeitsstättengesetzes).
Entscheidung über eine binnen zwei Wochen zu erhebende Beschwerde gegen einen Beschluss des Bezirksausschusses wegen Bestätigung von Kreistagsbeschlüssen betreffend statutarische Anordnungen (landesherrliche Genehmigung); Veräußerungen von Grundstücken und Immobiliarrechten des Kreises; den Kreis in besonderem Maße belastende Anleihen und Bürgschaften; über fünf Jahre fortdauerende zusätzliche Belastung der Kreisangehörigen ohne gesetzliche Grundlage (§ 91 der Kreisordnung für die Rheinprovinz).
Entscheidung über eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Bezirksausschusses wegen Bestätigung von Kreistagsbeschlüssen (§§ 19, 20 des Kreis- und Provinzialabgabengesetzes).
Entscheidung über eine binnen zwei Wochen zu erhebende Beschwerde gegen einen Beschluss des Bezirksausschusses wegen Veränderung der Grenzen der Stadtbezirke, sofern der Aufsichtsbehörde die Beschlussfassung zusteht (§ 8 Abs. 1 Zuständigkeitsgesetz und § 2 der Städteordnung für die Rheinprovinz).
„Geschäftsgang und Verfahren bei den Provinzialräthen“ wurden durch ein vom Minister des Innern am 28.2.1884 erlassenes Regulativ geregelt. Das Verfahren vor dem Provinzialrat erfolgte – im Gegensatz zum Verwaltungsstreitverfahren – „stets im Beschlußverfahren“ (§ 1), in dem unter anderem durch „Endurtheil“ oder durch „Klage bei dem Kreisausschusse, dem Bezirksausschusse oder einem Verwaltungsgerichte“ zu entscheiden war (§ 54 Abs. 2 LVG). Das Regultativ beschäftigt sich vor allem mit der Einberufung der Sitzungen und der Stellvertreter sowie mit der Beurlaubung der Mitglieder (§§ 2 bis 4), mit den Befugnissen des Vorsitzenden (§§ 5 bis 8), mit der Beweisaufnahme (§ 9), der (nicht obligatorischen) mündlichen Verhandlung (§§ 10 bis 14), mit den Urschriften und Ausfertigungen der Beschlüsse, Verfügungen und Bescheide (§§ 15, 16), mit den Zustellungen (§ 17), mit der Einreichung der Akten an die Beschwerdeinstanz (§ 18) sowie mit den Kosten, „Geschäftskontrollbücher[n]“, mit Geschäftsjahr (Kalenderjahr) und Jahresberichten (§§ 19 bis 21). Der Provinzialrat hatte seinen Sitz im Oberpräsidium: „Die erforderlichen Geschäftslokale, das erforderliche Subalternpersonal und den Büreaubedarf hat der Oberpräsident dem Provinzialrath zur Verfügung zu stellen“ (§ 20 Abs. 2).
Eine grundlegende Änderung der Zuständigkeiten des Provinzialrats brachten die Jahre 1932 und 1933. Durch die vom Preußischen Staatsministerium (Kommissare des Reichs) erlassene Verordnung zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung vom 3.9.1932 wurde (mit Wirkung vom 1.4.1933) die Beschwerde an den Provinzialrat gegen Beschlüsse des Bezirksausschusses abgeschafft. „Soweit gegen die Beschwerdeentscheidung des Provinzialrats ein weiteres Rechtsmittel gegeben war, ist dieses fortan gegen den Beschluß des Bezirksausschusses zulässig“ (§ 25 Abs. 1). Des Weiteren war der Provinzialrat fortan eingebunden in die vom Oberpräsidenten „unter Aufsicht der Minister und unter der gesetzlich geordneten Mitwirkung des Provinzialrats“ ausgeübten Staatsaufsicht über die Selbstverwaltung des Provinzialverbandes sowie über Körperschaften und Einrichtungen, deren Geschäftsbereich sich innerhalb der Provinz über mehr als einen Regierungsbezirk erstreckt und die eigene Verwaltung „aller derjenigen Angelegenheiten, die ihm durch Gesetz oder durch das Staatsministerium übertragen sind“ (§ 1 Abs. 2).
Im Rahmen der Änderung und Ergänzung dieser Verordnung am 17.3.1933 fiel dem Provinzialrat dann noch ein weiteres Aufgabengebiet zu. Durch die Auflösung der Landeskulturverwaltung ging die Zuständigkeit der bisherigen Spruchkammer (Landeskulturspruchsachen) auf den Provinzialrat über, auf den Provinzialrat der Rheinprovinz zudem die örtliche Zuständigkeit für den Regierungsbezirk Sigmaringen. Für die Landeskulturspruchsachen wurde „eine besondere Abteilung des Provinzialrats (Landeskulturabteilung) gebildet“, die aus dem Vorsitzenden, einem ernannten Mitglied (mit einem Stellvertreter), je zwei vom Provinzialausschuss beziehungsweise der Landwirtschaftskammer zu wählenden Mitgliedern (mit je zwei Stellvertretern) sowie zwei richterlichen Mitgliedern (mit je einem Stellvertreter) bestand (§ 10a, Abs. 1 und 2). Das Verfahren im Provinzialrat (Landeskulturabteilung) wurde durch eine besondere Verordnung geregelt, im Übrigen fanden „die für den Provinzialrat geltenden Vorschriften auf die Landeskulturabteilung sinngemäße Anwendung“ (§ 10a, Abs. 6). Der Provinzialrat (Landeskulturabteilung) wurde zum 1.1.1934 in Spruchkammer für Siedlung und Auseinandersetzung umbenannt, seine gewählten Mitglieder durch ernannte Mitglieder ersetzt.
Die Provinzialräte in ihrer seit 1883 bestehenden Form wurden durch Artikel III des Gesetzes über den Provinzialrat vom 17.7.1933 (GS. 1933, S. 254) aufgelöst. Die vom bisherigen Provinzialrat zu treffenden Entscheidungen oblagen fortan dem Oberpräsidenten, die in Gesetzen oder Verordnungen vorgesehene Zustimmung des Provinzialrats zu Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde entfiel. Auch fiel die dem Provinzialrat zustehende Mitwirkung bei der Staatsaufsicht durch den Oberpräsidenten fort. Die letzte ermittelte Sitzung des Provinzialrats fand am 4.10.1932 statt, eine für den 3.2.1933 terminierte Sitzung wurde kurzfristig abgesagt.
An die Stelle des bisherigen Provinzialrats trat ein neu zu bildender Provinzialrat, der „den Oberpräsidenten und die Regierungspräsidenten der Provinz bei der Führung ihrer Geschäfte“ zu beraten hatte. Der Oberpräsident war zugleich Vorsitzender des Provinzialrats (Art. I § 1). Er hatte „aus der Zahl der Provinzialräte einen Schriftführer“ zu ernennen und „dem Provinzialrat eine Geschäftsordnung“ zu geben. Die Verwaltungsgeschäfte des Provinzialrats führte die Geschäftsstelle des Oberpräsidiums (Art. I § 7). Weitere Zuständigkeiten nennt das Gesetz nicht, das sich in erster Linie mit den Mitgliedern des Provinzialrats (die als Provinzialräte bezeichnet werden) befasste und deswegen bis 1935 mehrfach geändert wurde, wie im nächsten Abschnitt aufgezeigt wird. Zur Beratung des Oberpräsidenten war der Provinzialrat ab Anfang 1934 namentlich für Angelegenheiten des Provinzialverbandes zuständig, wobei der preußische Minister des Innern an anderer Stelle den Provinzialrat in Bezug auf die Provinzialverwaltung ausdrücklich als „ihren Berater“ bezeichnet, auch sollte der Provinzialverband an „Fahrkosten und Aufwandsentschädigungen der Provinzialräte“ beteiligt werden. So scheinen die Angelegenheiten des Provinzialverbandes auch der einzige Schwerpunkt der Tätigkeit des rheinischen Provinzialrats gewesen zu sein, von einer anderweitigen Beratung des Oberpräsidenten und der Regierungspräsidenten ist nichts überliefert.
Im Oktober 1939 entschied der Reichsminister des Innern auf einen Bericht des Oberpräsidenten (Verwaltung des Provinzialverbandes) in Kiel mit dem „Vorschlag über die Suspendierung der Provinzialräte von der Mitwirkung an der Provinzialverwaltung“, es sei trotz kriegsbedingt notwendiger Verwaltungsvereinfachung weiterhin „erwünscht, auch in der Ebene der Provinzen auf eine beratende Mitwirkung nicht vollkommen zu verzichten. Notwendig ist nur, daß Verwaltungserschwerungen, die sich hieraus ergeben könnten, nach Möglichkeit beseitigt werden. So würde es regelmäßig ausreichen, wenn die Provinzialräte 1 mal im Jahr zur Haushaltsberatung zusammentreten.“ Dieses entsprach offenbar in der Rheinprovinz „bereits hiesigem Brauch“.
Der Provinzialrat war einer der im Dritten Reich, vor allem in Preußen, gebildeten Führerräte zur Beratung des Staatsministerium (Staatsrat), der Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten (Provinzialrat) und der Leitung der Gemeinden (Gemeinderäte). Alle diese Führerräte hatten nur beratende Funktion, Abstimmungen waren ausgeschlossen.
Ihre Einberufung war in das Ermessen des jeweiligen Vorsitzenden gestellt, lediglich die Gemeinderäte waren vor den Entschließungen des Leiters der Gemeinde über eine Anzahl von Gemeindeangelegenheiten zu hören, ebenso wie der Provinzialrat in bestimmten Angelegenheiten des Provinzialverbandes. Zu den Führerräten, wie dem Provinzialrat, gibt es kaum zeitgenössische kommentierende Literatur. Einige (wenngleich idealisiert wirkenden) Ausführungen im einschlägigen Kommentar zur Deutschen Gemeindeordnung über die Gemeinderäte mögen aber weitere Aufschlüsse zu den Führerräten geben: „Die Gemeinderäte beschließen nicht und stimmen nicht ab. Sie stehen aber als einzelverantwortliche sachverständige Berater dem Bürgermeister zur Seite. Es ist ihre Pflicht, durch eigenverantwortlichen Rat ausschließlich das Gemeinwohl zu fördern. Dabei sind sie keinerlei Weisungen unterworfen und können sich ihrer eigenen Verantwortung auch nicht durch Hinweis auf derartige Weisungen entziehen.“[4]
Der Provinzialrat der Rheinprovinz trat zu seiner ersten Sitzung am 30.3.1935 in Koblenz zusammen. In dieser, wie auch den späteren Sitzungen, ging es vor allem um den Haushaltsentwurf des Provinzialverbandes. Weitere Sitzungen sind bekannt für den 24.11.1936 in Trier, 30.4.1937 in Bonn, 21.7.1939 in Duisburg, im September 1941 in Düsseldorf und im Juli 1942 in Köln. Am 16.6.1943 hob der Reichsminister des Innern „für die Kriegszeit […] die vorgeschriebene Beratungspflicht der Oberpräs[identen]. mit dem Provinzialrat“ auf, empfahl stattdessen die „Provinzialräte jährlich einmal zusammenzuberufen, um sie über die wichtigen Angelegenheiten der Provinzialverwaltung zu unterrichten und mit ihnen die Fragen zu beraten, die zur Beratung anstehen“. Zudem wurde den Oberpräsidenten empfohlen, „aus dem Provinzialrat einen engeren Kreis von Persönlichkeiten auszuwählen, die mit der besonderen Aufgabe der Beratung des Haushaltsplans und der Rechungslegung befaßt werden“. Ob dieses Verfahren in der Rheinprovinz noch stattgefunden hat, ist nicht überliefert. Der Provinzialrat der Rheinprovinz bestand nominell bis zum Kriegsende 1945 weiter, bis dahin verblieben auch die noch amtierenden Provinzialräte in ihrer Stellung.
Der Name Provinzialrat wurde übrigens 1945/1946 noch einmal reaktiviert, bei den von den Briten berufenen beratenden Gremien der Provinzialregierungen in der Nord-Rheinprovinz und in der Provinz Westfalen.
3. Wahlverfahren und Zusammensetzung
„Der Provinzialrat besteht aus dem Oberpräsidenten bzw. dessen Stellvertreter als Vorsitzenden, aus einem von dem Minister des Innern auf die Dauer seines Hauptamts am Sitze des Oberpräsidenten ernannten höheren Verwaltungsbeamten bzw. dessen Stellvertreter und aus fünf Mitgliedern, welche vom Provinzialausschusse aus der Zahl der zum Provinziallandtage wählbaren Provinzialangehörigen gewählt werden. Für die letzteren werden in gleicher Weise fünf Stellvertreter gewählt.
Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind der Oberpräsident, die Regierungspräsidenten, die Vorsteher Königlicher staatlicher Polizeibehörden, die Landräte und die Beamten des Provinzialverbandes.“
Diese Bestimmung des § 10 LVG blieb mit Ausnahme einer Modifikation im Jahre 1922 bis 1933 unverändert. Bemerkenswert ist, dass die Bestimmungen über die Nichtwählbarkeit in Abs. 2 über 30 Jahre hindurch keine Probleme bereiteten, aber in den Weimarer Jahren und kurioserweise auch noch 1933 gelegentlich nicht beachtet wurden und zu Beanstandungen und Einsprüchen führten. Am 27.3.1926 wählte der Provinzialausschuss den Koblenzer Landrat Gerhard Weil, der in dieser Eigenschaft eigentlich nicht wählbar war, zum zweiten stellvertretenden Mitglied, ohne dass dieses beanstandet wurde. Im Vorfeld der Provinzialratswahlen durch die neugebildeten Provinzialausschüsse wies der Preußische Minister des Innern durch Erlass vom 13.1.1930 die Oberpräsidenten auf die unverändert in Gültigkeit befindlichen Vorschriften für die Nichtwählbarkeit zum Provinzialrat gemäß § 10 Abs. 2 LVG hin. Dieser Erlass war dem Provinzialausschuss bei den am 12.2.1930 durchgeführten Wahlen zum Provinzialrat nicht bekannt, so dass auch Landrat Weil erneut gewählt wurde. Nachdem der Vorsitzende des Provinzialausschusses, der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, von dem Erlass Kenntnis hatte, ließ er am 17.3.1930 anstelle des somit nicht wählbaren Landrats Weil ein neues Mitglied wählen. Bei den am 26.5.1933 durchgeführten Wahlen zum Provinzialrat wurden Mitglieder gewählt, die einem Bezirksausschuss beziehungsweise dem Provinzialausschuss angehörten. Beide Gruppen waren gemäß §§ 28 Abs. 4 und 10 Abs. 2 LVG ebenfalls nicht zum Provinzialrat wählbar. Gegen diese Wahlen wurden erkennbar Einsprüche eingelegt, die der Provinzialausschuss anerkannte und am 30.6.1933 neue Mitglieder anstelle der nicht wählbaren Personen wählte.
Die Mitglieder des Provinzialrats und deren Stellvertreter wurden auf sechs Jahre gewählt (§ 11 Abs. 1), alle drei Jahre hatte die Hälfte der gewählten Mitglieder und Stellvertreter auszuscheiden (§ 12 Abs. 1). „Für die im Laufe der Wahlperiode ausscheidenden Mitglieder und Stellvertreter haben Ersatzwahlen stattzufinden. Die Ersatzmänner bleiben nur bis zum Ende desjenigen Zeitraumes in Tätigkeit, für welchen die Ausgeschiedenen gewählt waren“ (§ 12 Abs. 2). Der Provinzialrat war „beschlußfähig, wenn mit Einschluß des Vorsitzenden fünf Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag“ (§ 15).
Bis 1918 sah das Wahlverfahren so aus, dass jeder Regierungspräsident aus seinem Bezirk dem Oberpräsidenten geeignete Personen als Mitglied oder stellvertretendes Mitglied vorschlug, wenn ein Mandat neu zu besetzen war. Das kam relativ selten vor, da die meisten Mitglieder regelmäßig wiedergewählt wurden und sich die Mandate selten durch Ablauf der Wahlperiode erledigten, sondern mehrheitlich durch Mandatsniederlegung oder Tod. Es wurden jeweils nur so viele Personen vorgeschlagen, wie zu wählen waren, und der Provinzialausschuss entsprach regelmäßig den seitens des Oberpräsidenten unterbreiteten Wahlvorschlägen. Bemerkenswert ist der Übergang von diesem Wahlmodus auf das ab 1919 anzuwendende Verhältniswahlrecht. Am 29.10.1919 unterrichtete der Landeshauptmann des Provinzialverbandes den Oberpräsidenten darüber, nach § 17 des Gesetzes, betreffend vorläufige Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts vom 18.7.1919 habe „der von dem nächsten Provinziallandtage neu zu wählende Provinzialausschuß bei seiner ersten Tagung die gewählten Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Provinzialrats und der Bezirksausschüsse neu zu wählen. Die Wahlzeit der jetzigen Mitglieder und Stellvertreter erreicht mit Ablauf des Monats, in dem die Neuwahl stattfindet, ihr Ende. Er stellte anheim, mir ein Verzeichnis derjenigen Persönlichkeiten gefälligst zukommen zu lassen, welche von den zuständigen Regierungen für das Amt eines Mitgliedes beziehungsweise stellvertretenden Mitgliedes des Provinzialrates bezw. des Bezirksausschusses geeignet gehalten werden.“ Es sollten „mehrere Herren in Vorschlag zu bringen sein, damit das Wahlrecht des Provinziallandtages nicht beeinträchtigt wird“. Die Neuwahl des Provinzialausschusses durch den Provinziallandtag konnte wegen der Verhältnisse unter der Besatzung im Rheinland erst am 11.12.1920 erfolgen. Der Provinzialausschuss wählte aufgrund der ihm vorliegenden Wahlvorschläge die neuen Mitglieder des Provinzialrats in seiner (zweiten) Sitzung am 25.1.1921, so dass die Amtszeit der bisherigen Mitglieder mit dem 31.1.1921 endete. Mit der im folgenden Jahr erfolgten Neufassung des Wahlrechts zum Provinzialrat erhielt auch dieses Gremium eine parteipolitisch ausgerichtete Zusammensetzung, während zuvor die Mitglieder in erster Linie als Vertreter ihres Regierungsbezirks vorgeschlagen und gewählt wurden.
Durch das Gesetz zur Ergänzung und Abänderung der Wahlvorschriften für die Provinzialräte, Bezirksausschüsse und andere Verwaltungsbeschluß- und -streitbehörden vom 25.7.1922 wurden die bisherigen, eher allgemeinen Bestimmungen über die Wahl der Mitglieder des Provinzialrats den geänderten Wahlrechtsgrundlagen angepasst. Fortan waren durch den Provinzialausschuss – auf der Grundlage von Parteien einzureichender Wahlvorschläge – für „jedes zu wählende Mitglied des Provinzialrats […] im gleichen Wahlgang zwei Stellvertreter“ zu wählen Der Leiter der Wahl, also in der Regel der Vorsitzende des Provinzialausschusses, hatte „beim Schlusse der Wahlhandlung“ unter anderem „auch die Reihenfolge anzugeben, in der die Stellvertreter für jedes Mitglied berufen sind“, des Weiteren „demnächst unverzüglich“ hierüber den „Vorsitzenden der Behörde, für welche die Gewählten bestimmt sind“, zu unterrichten (§ 1). Das bedeutete auch, dass der Schriftverkehr über die Wahl usw. der Mitglieder des Provinzialrats mit dem Oberpräsidenten nicht mehr, wie bisher, vom Landeshauptmann geführt wurde, sondern vom Vorsitzenden des Provinzialausschusses. Neu geregelt wurde auch das Verfahren beim endgültigen Ausscheiden eines Mitglieds. Waren bisher in diesem Fall Ersatzwahlen durchzuführen, so rückte nunmehr „sein erster Stellvertreter in die Behörde ein, an dessen Stelle der zweite Stellvertreter als erster, und für ihn als zweiter Stellvertreter derjenige Ersatzmann, der hinter dem an letzter Stelle zum Stellvertreter gewählten als nächstberufener Bewerber auf dem Wahlvorschlage steht. Entsprechend regelt sich das Nachrücken, wenn ein Stellvertreter ausscheidet“ (§ 3 Abs. 1). Für den Fall, dass „für eine frei gewordene Mitgliedsstelle kein Stellvertreter und auf dem Wahlvorschlage kein Ersatzmann mehr vorhanden ist, konnte der Minister des Innern die Vornahme einer Neuwahl für die Stelle anordnen und die zu dem Zwecke erforderlichen näheren Bestimmungen erlassen. Er kann insbesondere bestimmen, daß der neu zu wählende der Wählergruppe anzugehören hat, auf deren Wahlvorschlag der Ausgeschiedene gewählt war“ (§ 4 Abs. 1). Diese Situation trat in der Rheinprovinz nicht ein, da die wirksam gewordenen Wahlvorschläge personell ausreichend besetzt waren. Die Mitglieder des Provinzialrats waren „unmittelbar nach jeder Neuwahl ihres Wahlkörpers neu zu wählen“ (§ 6), die frühere Regelung einer sechsjährigen Mitgliedschaft galt nicht mehr. Die Wahlprüfung oblag dem Vorsitzendes des Provinzialrats von Amts wegen. Er konnte „gegen die Gültigkeit der Wahl im ganzen oder einzelner Gewählter oder gegen die verkündete Reihenfolge der Stellvertreter“ beim Vorsitzenden des Wahlkörpers Einspruch erheben. Hierzu war ebenfalls jedes „Mitglied des Wahlkörpers“ berechtigt. Über den Einspruch entschied der Provinzialausschuss, der dann festzustellen hatte, „wer als Mitglied einzutreten hat und in welcher Reihenfolge die Stellvertreter berufen sind“ (§ 2). Die einzigen bekannten Fälle sind die oben bereits behandelten Einsprüche gegen die Wahl von nichtwählbaren Personen 1930 und 1933.
Die für die Wahlen zum Provinzialrat am 27.3.1926 und am 12.2.1930 eingereichten Wahlvorschläge waren strukturell mehr oder weniger identisch. Es handelte sich um eine Listenverbindung der größeren Parteien, namentlich desn Zentrums, der (Bürgerlichen) Arbeitsgemeinschaft (DNVP/DVP/DDP) und der SPD. Die KPD stellte jeweils einen eigenen Wahlvorschlag auf. 1930 nannte sich der erste Wahlvorschlag „Einheitsliste“ und umfasste Vorschläge des Zentrums, der Arbeitsgemeinschaft, der SPD, des Christlichen Volksdienstes und Bauernpartei sowie der Wirtschaftspartei. Bei der Wahl am 27.3.1926 entfielen die ersten vier Mandate auf Zentrum und (Bürgerliche) Arbeitsgemeinschaft (DNVP/DVP), das fünfte Mandat auf die SPD. Bei der Wahl am 12.2.1930 entfielen alle Mandate auf die „Einheitsliste“, die ersten drei auf das Zentrum, das vierte auf DNVP/DDP und DDP, das fünfte auf SPD und Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei). Die Wahlvorschläge für die Wahl vom 26.5.1933 liegen nicht vor. Auf die ersten drei Mandate wurden Vertreter der NSDAP gewählt, auf das vierte und fünfte Mandat Vertreter des Zentrums. Ob die SPD noch einen Vorschlag eingereicht hatte, ist nicht bekannt.
Das schon erwähnte Gesetz über den Provinzialrat vom 17.7.1933, mit dem die bisherigen Provinzialräte aufgelöst und neue Provinzialräte als nationalsozialistische Führerräte gebildet wurden, befasste sich im Wesentlichen mit der Zusammensetzung der neuen Gremien. So verwundert es nicht, dass diese Frage Gegenstand mehrerer Änderungen dieses Gesetzes wurde. Es erhellt sich nicht, von wem die diversen Änderungen und Modifikationen ausgingen – so ging es etwa darum, die Formulierung „die in der Provinz wohnhaften Staatsräte der 2. und 3. Gruppe“ durch „die in der Provinz wohnhaften, vom Ministerpräsidenten ernannten Staatsräte“ zu ersetzen –, es dürften aber unter anderem im Ministerium des Innern sorgfältige Überlegungen angestellt worden sein, nach welchen Kriterien die Provinzialräte ausgewählt werden sollten. Die sich aufgrund des Gesetzes vom 15. Februar 1934 ergebende Fassung, die für die Zusammensetzung der Provinzialräte maßgeblich blieb, sei in ihren wesentlichen die Zusammensetzung betreffenden Bestimmungen wiedergegeben:
§ 2
Den Provinzialrat bilden:
-
kraft ihres Amtes neben dem Oberpräsidenten und dem Vizepräsidenten des Oberpräsidiums die in der Provinz wohnhaften, vom Ministerpräsidenten ernannten Staatsräte (§ 5 des Gesetzes über den Staatsrat vom 8.6.1933 - Gesetzsamml. S. 241 -), die Regierungspräsidenten der Provinz und der Landeshauptmann;
-
kraft Ernennung durch den Ministerpräsidenten sonstige in der Provinz wohnhafte Männer.
§ 4
Zum Provinzialrat kann nur ernannt werden, wer mindestens 25 Jahre alt ist und die Rechte eines deutschen Staatsbürgers besitzt. Er muss in der Provinz seinen Wohnsitz haben. Nicht zum Provinzialrat können ernannt werden Reichsminister, Reichsstatthalter, Mitglieder einer außerpreußischen Landesregierung sowie Beamte des Reichs oder eines außerpreußischen Landes.
§ 5
(1) Der Ministerpräsident bestimmt die Zahl der nach § 2 Nr. 2 zu ernennenden Provinzialräte durch Verordnung. Die Verordnung ist in der Gesetzsammlung zu veröffentlichen.
(2) Zu Provinzialräten ernennt der Ministerpräsident den rangältesten Amtswalter, den rangältesten Führer der Sturmabteilungen und den rangältesten Führer der Schutzstaffeln der NSDAP in der Provinz, welche dem Provinzialrate nicht bereits in ihrer Eigenschaft als Staatsrat angehören, sowie um Staat und Volk sonst verdiente Männer der Provinz.
(3) Bei der Zusammensetzung des Provinzialrats soll dem wirtschaftlichen Aufbaue der Provinz und den Besonderheiten der Geschäfte des Provinzialverbandes Rechnung getragen werden; demzufolge ist auf Auswahl geeigneter Fachleute und leitender Beamten der Gemeinden sowie der Landkreise Bedacht zu nehmen.
§ 6
(1) Der Oberpräsident, der Vizepräsident des Oberpräsidiums, die Regierungspräsidenten, die Staatsräte und der Landeshauptmann sowie die auf Grund ihres Amtes in der nationalsozialistischen Bewegung berufenen Provinzialräte gehören dem Provinzialrate für die Dauer ihres Amtes an. Die übrigen Provinzialräte werden auf die Dauer von sechs Jahren berufen. Von diesen scheidet alle zwei Jahre ein Drittel aus. Wiederberufung ist zulässig. Scheidet ein Provinzialrat vor Ablauf der Amtszeit aus, so wird für deren Rest ein Ersatzmann berufen. Die Zugehörigkeit der auf sechs Jahre berufenen Provinzialräte zum Provinzialrat erlischt, wenn der Ministerpräsident feststellt, daß die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, auf Grund deren sie ernannt sind.
(2) Die Mitgliedschaft erlischt ferner, wenn der Ministerpräsident einem Provinzialrate das Anerkenntnis unverletzter Ehrenhaftigkeit oder eines der Würde des Provinzialrats entsprechenden Lebenswandels oder Verhaltens versagt.
§ 15
Der Regierungspräsident in Sigmaringen gehört dem Provinzialrate für die Rheinprovinz an. Auch eins der ernannten Mitglieder dieses Provinzialrats soll in den Hohenzollerischen Landen seinen Wohnsitz haben.
Die Bestimmung, dass nur „die in der Provinz wohnhaften, vom Ministerpräsidenten ernannten Staatsräte“ dem Provinzialrat angehörten, wurde durchaus beachtet, selbst im Fall eines äußerst prominenten Parteigenossen wie Dr. Roberl Ley, immerhin Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Reichsleiter der Deutschen Arbeitsfront. Dieser hatte seinen Wohnsitz zunächst in Köln, zog aber zwischen Frühjahr 1936 und Frühjahr 1938 nach München um, so dass er aus dem Provinzialrat der Rheinprovinz ausschied.
Die dem Provinzialrat qua Amt angehörenden Mitglieder waren erkennbar bereits ab Mitte 1933 Preußische Provinzialräte – sie finden sich in dieser Eigenschaft bereits im Preußischen Staatshandbuch 1934, das den Stand Herbst 1933 wiedergibt, genannt. Die vom Ministerpräsidenten zu ernennenden Mitglieder hingegen wurden wegen der oben skizzierten Verzögerungen bei der Ausgestaltung der Rechtsgrundlagen der Provinzialräte erst am 30.1.1935 ernannt, so dass der Provinzialrat erst danach seine Tätigkeit aufnehmen konnte. Aus diesem Grunde wurde auch die „Anhörung des Provinzialrats“ in Angelegenheiten des Provinzialverbandes am 5.3.1934 bis zur Ernennung der Provinzialräte ausgesetzt. Für die Neu- oder Wiederernennung von Provinzialräten waren Vorschläge seitens der Gauleiter oder der Oberpräsidenten, letztere „nach Benehmen mit dem Gauleiter der NSDAP“, ausdrücklich erwünscht. Der letzte bekannte Provinzialrat in der Rheinprovinz wurde im Jahre 1943 ernannt.
Literatur
Lilla, Joachim, Der Provinzialrat der Rheinprovinz 1888–1933–1945, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 216 (2013), S. 191–240 [mit Einzelnachweisen und Mitgliederübersichten].
- 1: Romeyk, Horst, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, Düsseldorf 1985, S. 170.
- 2: Hue de Grais, [Robert] Graf, Provinz, I. Preußen, in: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, begr. von Karl Frhr. v. Stengel, 2. Auflage, hg. v. Max Fleischmann, Band 3, Tübingen 1914, S. 203.
- 3: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Kurt G. A. Jeserich [u.a.], Band 4, Stuttgart 1985, S. 552.
- 4: Die Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935. Kommentar von Friedrich Karl Surén u. Wilhelm Loschelder, Berlin 1935, S. 101 (RdNr. 3 zu § 48).
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Lilla, Joachim, Der Provinzialrat der Rheinprovinz 1888 – 1933 – 1945, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-provinzialrat-der-rheinprovinz-1888-%25E2%2580%2593-1933-%25E2%2580%2593-1945/DE-2086/lido/57d127d7757140.31297352 (abgerufen am 05.10.2024)