Graf gegen Kurfürst – Die Auseinandersetzungen zwischen dem Grafen Johann V. von Sponheim und dem Pfälzer Kurfürsten Ludwig III. 1416-1436
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1. Die territorialen Voraussetzungen
Im 13. Jahrhundert haben sich im Heiligen Römischen Reich die Territorien herausgebildet, die bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die politische Landkarte bestimmt haben und die letztlich die Ursache dafür sind, dass wir heute in einem föderalistischen und nicht in einem zentralistischen Staat leben. In weiten Teilen Deutschlands, gerade auch im Rheinland, bestanden diese Territorien nicht aus größeren, zusammenhängenden Flächen, sondern einer Fülle kleiner Gebietsteile mit vielen Nachbarn. Konflikte aller Art waren dadurch vorprogrammiert.
Zu den größeren Territorien zählte der Herrschaftsbereich der Pfalzgrafen (und Kurfürsten) bei Rhein. Ihr Schwerpunkt hatte ursprünglich im nördlichen Teil der Rheinlande gelegen. Die Abtei Brauweiler (Stadt Pulheim) ist als Hauskloster der Familie gegründet worden, ein wichtiger Platz war zunächst die Tomburg (bei Rheinbach). Im Laufe eines Prozesses, der sich über Jahrhunderte hinzog, hat sich der Machtschwerpunkt der Pfalzgrafen nach Süden verlagert. Nördlich der Mosel gelegene Besitzungen und Rechte waren von den Pfalzgrafen schon im Mittelalter zu Lehen ausgegeben worden. Zum Territorium der Pfalzgrafen gehörten aber weiterhin Bacharach, Kaub und das 1359 erworbene Simmern, wo später eine Nebenlinie des pfalzgräflichen Hauses residierte; das weiter südlich gelegene Alzey war zeitweise Residenz, bis es im 14. Jahrhundert von Heidelberg abgelöst wurde.
Die Pfalzgrafen bei Rhein gehörten zu der kleinen Gruppe der Kurfürsten, denen die Wahl des Königs zustand. Ihre Zugehörigkeit zur Spitzengruppe der Fürsten zeigte sich auch darin, dass sie über einen hochrangigen Lehnshof verfügten, zu dem zahlreiche Grafen und Herren gehörten, darunter auch die Grafen von Jülich, von der Mark, Sponheim, Katzenelnbogen, Nassau, Leiningen, Sayn und Wied sowie die Rau- und die Wildgrafen. Die Zugehörigkeit zum Lehnshof der Pfalzgrafen bedeutete aber nicht, dass sich diese Grafen und Freiherren den Interessen der Pfalzgrafen unterwarfen. Sie waren vielmehr über Jahrhunderte bemüht, sich durch Anschluss an andere mächtige Nachbarn einen politischen Spielraum zu verschaffen. Zu diesen Regionalmächten zählten unter anderem die geistlichen Fürsten, vor allem die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, die selbst dem Kurfürstenkollegium angehörten.
2. Die beteiligten Personen und ihr familiärer Hintergrund
Durch die Beilegung von Erbstreitigkeiten war der Herrschaftsbereich der Herzöge von Bayern, Pfalzgrafen bei Rhein, aus dem Hause Wittelsbach im August 1329 aufgeteilt worden. Die Brüder Rudolf II. (gestorben 1353) und Ruprecht I. (gestorben 1390) sowie ihr Neffe Ruprecht II. (gestorben 1398, Sohn des 1327 verstorbenen Bruders Adolf) hatten die Pfalzgrafschaft bei Rhein und die Kurwürde erhalten, ihr Oheim, der römische Kaiser Ludwig (1314-1347 römisch-deutscher König, ab 1328 Kaiser), das Herzogtum (Ober-) Bayern. Die führende Persönlichkeit innerhalb der pfalzgräflichen Familie war Ruprecht I., der das Territorium und den reichspolitischen Einfluss seines Hauses ganz wesentlich erweitern konnte.
Zur Klientel der Pfalzgrafen bei Rhein gehörten auch die Grafen von Sponheim (Burg bei Bad Kreuznach). Sie hatten seit dem 12. Jahrhundert zwischen Mosel und Nahe ein größeres Territorium aufgebaut. In den 1230er Jahren waren durch Erbteilung die Linien Kreuznach und Starkenburg entstanden, deren Gebiete man (von Mainz aus gesehen) als Vordere und Hintere Grafschaft Sponheim bezeichnete.
Das hohe Ansehen der Grafen von Sponheim geht unter anderem daraus hervor, dass die Pfalzgräfin Mechtild, einzige Schwester der Pfalzgrafen Ruprecht, Rudolf und Adolf, im September 1331 mit dem Grafen Johann III. von Sponheim-Starkenburg verheiratet worden ist. Pfalzgraf Ruprecht I. war kinderlos, sein Bruder Rudolf hatte nur eine Tochter namens Anna, die 1349 den römischen König Karl IV. (1346-1378 König, ab 1355 Kaiser) aus dem Haus Luxemburg heiratete und 1353 starb. Pfalzgraf Adolf hatte nur einen Sohn (Ruprecht II.) hinterlassen, der die Familie fortsetzte. Dessen Sohn Ruprecht III. war von August 1400 bis zu seinem Tod im Mai 1410 römischer König.
Die Kinder der Pfalzgräfin Mechtild und des Grafen Johann von Sponheim wurden daher zu Schachfiguren in der Politik des Pfalzgrafen Ruprecht: Mechtild wurde im Juli 1346 mit dem Markgrafen Rudolf VI. von Baden verlobt; der Pfalzgraf zahlte einen erheblichen Teil des Heiratsguts. Loretta heiratete im Juni 1364 den Grafen Heinrich von Veldenz. In diesem Fall war Pfalzgraf Ruprecht ebenso beteiligt wie bei der Ehe des Junggrafen Johann IV. mit Elisabeth, einer Tochter des Grafen Walram von Sponheim-Kreuznach (Verlobung im Juli 1338, Heirat im Juli 1346). Aus der Ehe ging nur ein Sohn hervor, Graf Johann V. (gestorben 1437), der im April 1382 zwischen seinen zerstrittenen Eltern schlichten musste.
Weil Graf Johann III. ein sehr hohes Alter erreichte, kam Johann IV. (gestorben 1413/1414) erst in einem höheren Alter an die Regierung. Bis dahin hatte er unter anderem als Amtmann des Pfalzgrafen Ruprecht in Simmern und als Hofrichter des römischen Königs Wenzel (1376-1400 römisch-deutscher König) fungiert; 1371 hatte ihn der Pfalzgraf als Testamentsvollstrecker eingesetzt.
In der Regierung der Vorderen Grafschaft folgte dem Grafen Walram 1380 der einzige Sohn Simon III. (gestorben 1414), der durch seine Ehe seit 1348 auch Graf von Vianden (im heutigen Großherzogtum Luxemburg) war. Aus dieser Ehe waren ein jung gestorbener Sohn Walram und zwei Töchter hervorgegangen, von denen eine als Kind starb. Erbin beider Grafschaften war daher die Tochter Elisabeth, die nacheinander Ehen mit dem Grafen Engelbert III. von der Mark (gestorben 1391) und dem Pfalzgrafen Ruprecht dem Jüngsten (gestorben 1397) eingegangen, aber kinderlos geblieben war. Das Erlöschen der Linie Sponheim-Kreuznach war somit absehbar. Die Gräfin Elisabeth von Sponheim und Vianden lebte auch als Witwe am Hof ihres Schwiegervaters Pfalzgraf Ruprecht III. (1400 römisch-deutscher König, gestorben 1410) beziehungsweise ihres Schwagers Ludwig III. (gestorben 1436) in Heidelberg. Bereits im September 1405 hatte sie dem Schwiegervater nach dem Tod ihres Vaters ein Fünftel an der Stadt Kreuznach und allen Städten, Schlössern, Märkten, Dörfern, Landen und Leuten auf dem rechten Ufer der Mosel zugesagt. Die Pfalzgrafen sollten dafür Elisabeth in den übrigen vier Fünfteln schützen und schirmen. Offenbar hat die Gräfin Elisabeth darüber hinaus dem Pfalzgrafen Stephan, einem jüngeren Sohn des Königs, anlässlich seiner Hochzeit mit Anna von Veldenz (1410) den dem König zugesagten Anteil an der Vorderen Grafschaft versprochen. Anna war die einzige Tochter des Grafen Friedrich von Veldenz und Enkelin der oben erwähnten Loretta von Sponheim. Durch diese Herkunft hatte sie einen Erbanspruch auf beide Grafschaften Sponheim, solange Graf Johann V. aus der Linie Starkenburg keine Kinder hatte.
Graf Johann V. seinerseits aber war der nächste Blutsverwandte der Gräfin Elisabeth, da seine Mutter eine Schwester von deren Vater gewesen war. Er besaß daher wohlbegründete Ansprüche auf die Vordere Grafschaft Sponheim. Verfügungen der Gräfin zugunsten Dritter mussten seinen Unwillen erregen.
Am 9.2.1416 setzte die Gräfin ihre Zusage aus dem Jahr 1405 um und schenkte mit der Zustimmung ihres Vetters Graf Johann ihrem Schwager, dem Pfalzgrafen und Kurfürsten Ludwig III., ein Fünftel an den Städten, Festen und Schlössern Kreuznach, Ebernburg, Gutenberg, Argenschwang, Naumburg, Koppenstein, Gemünden und Kirchberg; die übrigen vier Fünftel sollten dem Vetter Johann V. zustehen. Die Passivlehen waren von der Schenkung ausgenommen. Davon nicht betroffen waren auch die Ämter Kastellaun und Winterburg sowie die Anteile der Vorderen Grafschaft an den seit jeher mit der Hinteren Grafschaft gemeinsamen Burgen Sponheim und Dill; sie sind fortan zur Hinteren Grafschaft Sponheim gerechnet worden. Graf Johann hat wohl nur zähneknirschend zugestimmt und im Oktober 1429 ausdrücklich bekundet, dies nur notgedrungen getan zu haben. Am 10.2.1416 schlossen Pfalzgraf Ludwig, die Gräfin Elisabeth und Graf Johann für sich und ihr tägliches Hofgesinde einen Burgfrieden für die genannten Burgen und Schlösser, der auch den Austrag möglicher Streitigkeiten durch je zwei Ratleute der Parteien und den Grafen Friedrich von Leiningen als Obmann regelte.
Diese Schenkung führte zunächst zu einem Konflikt innerhalb der pfalzgräflichen Familie. Pfalzgraf Stephan brachte Zeugen für die erwähnten mündlichen Zusagen der Gräfin Elisabeth bei. Pfalzgraf und Kurfürst Ludwig III. beharrte auf der Umsetzung der Urkunde vom Februar 1416. Die Gräfin Elisabeth bestritt, dem Pfalzgrafen Stephan derartige Zusagen gemacht zu haben. Im März/April 1417 wurde deswegen vor Schiedsrichtern verhandelt. Pfalzgraf Ludwig leistete einen von ihm geforderten Eid, der die Sache zu seinen Gunsten klärte. Das Verhältnis zu seinem jüngeren Bruder Stephan blieb aber gespannt.
Pfalzgraf Ludwig und seine Erben hatten seitdem in der Vorderen Grafschaft Sponheim mit den genannten Städten, Burgen und Schlössern gleichsam einen „Fuß in der Tür“. Konflikte mit dem Grafen Johann konnten daher nicht ausbleiben.
3. Erste Streitigkeiten
Das Verhältnis zwischen den Pfalzgrafen und den Grafen von Sponheim-Starkenburg war schon länger getrübt, da König Ruprecht über Einkünfte aus dem Zoll zu Selz (im Elsass), die dem Grafen Johann IV. im November 1386 von seinem 1400 abgesetzten Vorgänger König Wenzel verschrieben worden waren, anderweitig verfügt hatte.
Die Schenkung der Gräfin Elisabeth von Sponheim und Vianden, nach der vier Fünftel an den genannten Städten und Burgen, die nicht betroffenen Teile der Vorderen Grafschaft sowie die Passivlehen dem Grafen Johann zustanden, und der Tod der Gräfin am 31.7.1417 schufen weitere mögliche Konfliktfelder.
Am 24.11.1417 wurde die Burg Kreuznach zwischen den Parteien aufgeteilt; die Urkunde beschreibt das dem Pfalzgrafen zugewiesene Fünftel und bietet dadurch auch eine Auflistung einiger damals in Burg und Vorburg vorhandener Bauten. Am 5. Dezember folgte in ähnlicher Weise die Aufteilung der Burgen Ebernburg, Gutenberg, Koppenstein, Gemünden und Naumburg sowie der gemeinsamen Häuser und Hofstätten zu Kirchberg.
Dem Grafen war in dieser Situation daran gelegen, die ihm verbliebenen Besitzungen und Rechte schriftlich festzuhalten und, wenn möglich, von Dritten bestätigen zu lassen. Dazu suchte er im Januar 1418 in Konstanz (wo damals das Konzil tagte) den römischen König Sigmund (1411-1437 König, ab 1433 Kaiser) auf und erlangte am 10. Januar eine pauschale Bestätigung aller Gnaden, Freiheiten und Rechte, Urkunden und Privilegien, die von früheren Kaisern und Königen seinen Vorfahren verliehen worden waren. Am gleichen Tag wurde der Graf mit den Reichslehen der Vorderen Grafschaft belehnt. Nur für einen Teil dieser Lehen gab es frühere Belege. Die übrigen Rechte waren sicher seit alters hergebracht, aber wohl bis dahin keine Reichslehen, sondern Eigen der Grafen. Die Belehnung durch den König änderte zwar deren rechtlichen Status zu Ungunsten des Grafenhauses, sicherte sie aber auf diese Weise gegen Zumutungen und Übergriffe von Seiten des Pfalzgrafen.
Dass dies erforderlich war, geht daraus hervor, dass der König aus Konstanz den Pfalzgrafen anweisen musste, den Grafen von Sponheim in seinen Reichslehen ungestört zu lassen. Eventuelle Ansprüche auf diese Lehen sollten vor dem König ausgetragen werden. Im Mai kam es aus anderen Gründen zu einem Zerwürfnis zwischen dem König und dem Pfalzgrafen. Am 11.8.1418 nahm der König den Grafen Johann von Sponheim, seine Schlösser, Städte, Dörfer und Leute in seinen besonderen Schutz. Im Fall eines Angriffs sollte der König ihm helfen und gegebenenfalls Fürsten, Grafen und Städte dazu entbieten. Auf die Art der Bedrohung geht der Text nicht ein, sie dürfte aber vom Pfalzgrafen ausgegangen sein.
Wenn der Graf seine Rechte wahren wollte, musste er stets die politische Situation im Reich und in der Region im Auge haben und sich über die Interessen der beteiligten Personen klar sein. König Sigmund war seit 1387 König von Ungarn. Nach dem Tod des Königs und Pfalzgrafen Ruprecht (18.5.1410) hatten einige Kurfürsten – der Erzbischof von Trier, Pfalzgraf Ludwig und der Burggraf von Nürnberg (für Brandenburg) – den König von Ungarn zum römischen König gewählt, andere wenig später den Markgrafen Jobst von Mähren; der starb allerdings schon im Januar 1411. Im August 1419 folgte Sigmund seinem verstorbenen Bruder Wenzel auch als König von Böhmen. Allerdings konnte er sich in den Folgejahren den Angelegenheiten des Reiches nur wenig widmen, denn die Lage in Ungarn und in Böhmen (Hussiten) erforderte seine volle Aufmerksamkeit.
Ein wichtiger Machtfaktor in der Region war der Erzbischof von Mainz. Ab Oktober 1419 hatte dieses Amt der aus dem Naheraum stammende Wildgraf Konrad (Episkopat 1419-1434) inne. Schon kurz nach seiner Wahl hat er Kontakt zum Grafen von Sponheim aufgenommen. Im Hintergrund stehen hier wohl auch alte Interessengegensätze zwischen den Erzbischöfen und den Pfalzgrafen. Im Dezember 1421 schlichtete der Erzbischof mit dem Markgrafen von Baden zwischen dem Grafen von Sponheim und seinen Brüdern, den Wild- und Rheingrafen. Im März 1422 wurde die Erbeinung zwischen dem Erzstift Mainz und der Grafschaft Sponheim erneuert; gleichzeitig erfolgt die Belehnung mit den kurmainzischen Lehen. Kurz zuvor hatte der Erzbischof den Pfalzgrafen Stephan mit den Lehen der Grafschaft Veldenz belehnt und so deren Anfall an den Pfalzgrafen vorbereitet (der mit dem Erbanspruch auf die Grafschaft Sponheim verbunden war). Die bereits bestehende Interessengemeinschaft zwischen dem Erzbischof von Mainz, dem Markgrafen von Baden, dem Pfalzgrafen Stephan und dem Grafen Johann von Sponheim wurde so weiter verfestigt.
Vor einer bewaffneten Auseinandersetzung schreckten die Teilhaber der Vorderen Grafschaft allerdings zurück. Am 22.7.1418 kamen im Refektorium des Karmeliterklosters zu Kreuznach die durch den Burgfrieden für den Austrag von Streitigkeiten bestimmten Ratleute der Parteien unter dem Obmann Graf Friedrich von Leiningen zusammen, um sich über die Passivlehen der Vorderen Grafschaft zu informieren, die ja von der Teilung ausgenommen waren. Graf Johann legte ältere einschlägige Urkunden zu den Lehen vom Reich und von den Erzstiften Trier und Köln vor. Dem Grafen von Leiningen war eine im Vorfeld getätigte mündliche Äußerung des Grafen von Sponheim hinterbracht worden, der seine Neutralität in Frage gestellt hatte. Daher forderte der Graf von Leiningen eine Zusage des Grafen Johann, sich unbedingt seinem Spruch und dem der Ratleute zu unterwerfen (und so seine Neutralität anzuerkennen). Nach längeren Auseinandersetzungen um Formalien brach der Obmann die Verhandlungen ab. Graf Johann wusste nunmehr auch, dass sich in seiner Umgebung ein Informant des Grafen von Leiningen (oder wohl eher einer des Pfalzgrafen) befand.
Im Januar 1419 ernannte Graf Johann seinen engen Vertrauten Jakob von Lachen zum Amtmann zu Kreuznach – sicher mit dem Auftrag, den dortigen Ansprüchen des Pfalzgrafen energisch entgegenzutreten. Das scheint dieser erfolgreich getan zu haben, denn im Mai mahnte der Pfalzgraf die Stadt Kreuznach, sich nicht auf Seiten des Grafen von Sponheim in Konflikte hineinziehen zu lassen.
Daneben aber war man weiter um einen friedlichen Austrag bemüht. In einigen umstrittenen Punkten (vor allem in Lehnssachen) einigte man sich auf einen Austrag vor dem Erzbischof von Trier. Im Vorfeld formulierte der Graf von Sponheim seine Klagepunkte, der Pfalzgraf nahm dazu Stellung. Umstritten waren Lehen vom Reich und von der Pfalzgrafschaft (vor allem Herrschaften, die Pfalzgraf Ruprecht I. seinem Neffen, dem Vater des Grafen Johann, übertragen hatte). Am 10.9.1419 ordnete der Erzbischof in Oberwesel an, dass der Graf den Pfalzgrafen in dem ihm zustehenden Fünfteln der Schlösser, Festen, Städte und Täler nicht behindern dürfe und seine Untertanen entsprechend anzuweisen habe. Im Gegenzug sollte der Pfalzgraf den Grafen und seine Mannlehnserben mit den Schlössern belehnen.
Im Dezember 1419 nahm der weiterhin kinderlose Graf eine erste Erbregelung vor, deren Details nicht erhalten sind. Demnach wurden seine nächsten Verwandten, Markgraf Bernhard von Baden und Graf Friedrich von Veldenz, Söhne der Schwestern seines Vaters, zu gleichberechtigten Erben eingesetzt. Begünstigt wurde dadurch auch Pfalzgraf Stephan, der mit der Erbtochter des Grafen von Veldenz verheiratet war. Im Juli 1420 bekundete Graf Johann, dem Markgrafen von Baden für eine sehr hohe Summe die Hintere Grafschaft Sponheim verpfändet zu haben. Allerdings wurde diese Urkunde nicht dem Markgrafen ausgehändigt, sondern beim Schwiegervater des Grafen hinterlegt – was dafür spricht, dass die Pfandsumme nicht gezahlt worden ist. Vermutlich wollte man durch diese fiktive Verpfändung im absehbaren Erbfall den Markgrafen begünstigen und den Grafen von Veldenz (und damit auch den Pfalzgrafen Stephan) benachteiligen. Diese Bestrebungen hat man allerdings nicht weiterverfolgt; im März 1425 hat der Graf eine erneute Erbregelung getroffen. Im August 1420 verpfändete Graf Johann dem Markgrafen von Baden die seinerzeit vom Pfalzgrafen Ruprecht I. an seinen Vater übertragene Herrschaft Gräfenstein (in der Pfalz). Im September 1421 wurden dem Markgrafen neben Gräfenstein auch die Schlösser Kastellaun und Frauenberg verpfändet; die in der Urkunde genannten Summen dürften tatsächlich geflossen sein. Der Graf benötigte in dieser Zeit dringend finanzielle Mittel, denn er war zur Stellung von Truppen gegen die Hussiten in Böhmen verpflichtet und ist im Herbst 1421 wohl persönlich gegen diese ins Feld gezogen.
Die finanzielle Lage des Grafen blieb weiterhin angespannt. Da er in der Hinteren Grafschaft Sponheim frei schalten und walten konnte, in der Vorderen Grafschaft aber auf den Pfalzgrafen Rücksicht zu nehmen hatte, lag eine Verpfändung von Anteilen dieser Teilgrafschaft nahe. Allerdings sah der Burgfrieden vor, dass ein solcher Anteil zunächst dem Mitherren – also dem Pfalzgrafen – anzubieten war. Der erklärte sich im Juli 1421 bereit, für ein weiteres Fünftel 20.000 Gulden zu zahlen; ein Teil der Summe war sofort fällig, der Rest sollte binnen Jahresfrist gezahlt werden. Von der Verpfändung betroffen waren in diesem Fall auch Passivlehen – allerdings nicht die vom Reich sowie von den Erzbischöfen von Trier und Köln. Im September 1422 bot der Graf dem Pfalzgrafen den Verkauf eines dritten und die Verpfändung eines vierten Fünftels an. Umgesetzt wurde dies nicht. Das zweite Fünftel der Vorderen Grafschaft kam erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts an die Erben des letzten Grafen von Sponheim zurück.
Vor dem November 1423 verpfändete der Markgraf von Baden die Burg Gräfenstein, die er im August 1420 vom Grafen von Sponheim als Pfand erhalten hatte, an den Grafen Emich von Leiningen-Hartenburg. Das veranlasste den Pfalzgrafen und Kurfürsten Ludwig III. zu einer Klage gegen den Grafen von Sponheim, weil er durch die Weiterverpfändung um das ihm zustehende Öffnungsrecht gebracht worden sei. Die Klage wurde am 3.12.1423 in Alzey verhandelt; zehn Grafen bildeten das Gremium der Urteiler. Beide Parteien waren persönlich erschienen. Der Graf von Sponheim konnte die Vorwürfe widerlegen, die Klage wurde daher abgewiesen.
4. Der Konflikt um das dritte Fünftel der Vorderen Grafschaft
Am 16.3.1425 traf der immer noch kinderlose Graf Johann V. eine erneute Erbregelung. Beide Teilgrafschaften beziehungsweise deren in Händen des Grafen befindliche Anteile sollten nach dessen Tod ungeteilt im gemeinsamen Besitz der beiden Vettern, des Markgrafen Bernhard von Baden und des Grafen Friedrich von Veldenz, bzw. ihrer Erben bleiben; beim Tod des Grafen von Veldenz sollte sein Enkel, der älteste Sohn des Pfalzgrafen Stephan, in die Gemeinschaft eintreten. Dadurch waren die Verhältnisse auf Dauer geklärt, der Graf konnte weiter auf die dadurch begünstigten Verwandten zählen.
Zu Beginn des Jahres 1426 nahm der Graf das vor wenigen Jahren zurückgestellte Projekt der Verpfändung weiterer Anteile der Vorderen Grafschaft wieder auf. Das Angebot an den Pfalzgrafen Ludwig, den man aufgrund des Burgfriedens nicht umgehen konnte, war von der Mitteilung begleitet, die Vettern und nächsten Erben seien bereit, für ein Fünftel 30.000 Gulden zu zahlen. Vermutlich haben der Graf von Sponheim und seine Vettern versucht, auf diese Weise aus dem Pfalzgrafen eine überhöhte Summe herauszuholen. Der war allerdings lediglich bereit, 20.000 Gulden zu zahlen, also die gleiche Summe wie für das zweite Fünftel. Weil man sich nicht einigen konnte, wurde der Streit nach den Regelungen des Burgfriedens vom Februar 1416 ausgetragen. Obmann war erneut Graf Friedrich von Leiningen. Da die Ratleute sich nicht einigen konnten, legten sie dem Grafen Friedrich ihre Urteile schriftlich vor. Die des Grafen Johann beharrten auf der Pfandsumme von 30.000 Gulden, die des Pfalzgrafen schlugen je 25 Gulden für einen Gulden Ertrag vor. Diese Einkünfte sollten zunächst einvernehmlich ermittelt werden.
Im März 1426 trafen sich in Pforzheim, das zur Markgrafschaft Baden gehörte, Erzbischof Konrad von Mainz, die Markgrafen Bernhard und Jakob von Baden (Vater und Sohn), Pfalzgraf Stephan, Graf Friedrich von Veldenz und Graf Johann von Sponheim sowie Räte des Herzogs von Lothringen und des Bischofs von Straßburg. Dabei wurde festgelegt, dass in den Reichslehen zunächst Markgraf Bernhard nachfolgen sollte. Sehr wahrscheinlich hat man auch das Verhalten in der Pfandschaftssache der Vorderen Grafschaft beraten. Die Anwesenheit von Räten des Herzogs von Lothringen und des Bischofs von Straßburg lässt zudem vermuten, dass wohl auch weitere (gegen die Interessen des Pfalzgrafen Ludwig gerichtete) Punkte beraten worden sind.
Aus einer Quittung vom Juni 1426 geht hervor, dass Graf Johann in Wien „jüngst“ vom Kanzler des römischen Königs 250 Gulden geliehen hatte. König Sigmund hat sich vom 3. bis 22. März und erneut am 1./2. April in Wien aufgehalten, vom 24. bis 26. März war er in Preßburg, also nicht weit von Wien. Sehr wahrscheinlich ist Graf Johann aus Pforzheim direkt zum König nach Wien gereist.
Am 19. Juni entschied Graf Friedrich von Leiningen den Streit um die Pfandsumme für das dritte Fünftel der Vorderen Grafschaft, indem er dem Spruch der gräflichen Ratleute folgte – allerdings unter der Voraussetzung, dass die nächsten Erben des Grafen einen Eid darauf schworen, dass sie zur Zahlung von 30.000 Gulden bereit seien. Nachdem Pfalzgraf Stephan, die Markgrafen Bernhard und Jakob sowie der Graf von Veldenz diesen Eid am 17.7.1426 geleitet hatten, kamen die Beteiligten am 2.8.1426 in Kreuznach erneut zusammen. In Anwesenheit des Pfalzgrafen Ludwig leistete der Graf von Sponheim ebenfalls den geforderten Eid und forderte den Pfalzgrafen zur Zahlung der 30.000 Gulden auf. Weil Ludwig angeblich wegen des Gedränges in der Kirche den Wortlaut des Eides nicht verstanden hatte, forderte er einen Zettel mit dem Text, der ihm verweigert wurde. Danach bat er den Grafen Johann persönlich um den Wortlaut. Auch dies wurde abgelehnt mit der Begründung, man habe alle vom Grafen von Leiningen festgelegten Bedingungen erfüllt, der Pfalzgraf möge das ebenfalls tun. Ludwig brach im August zu einer Wallfahrt ins Heilige Land auf, ohne dem nachgekommen zu sein.
Am 10.10.1426 forderten Pfalzgraf Stephan, Graf Friedrich von Veldenz und enge Vertraute des Grafen Johann vom Pfalzgrafen Otto (Bruder des abwesenden Pfalzgrafen Ludwig) und dessen Räten mit Frist vom 17. Oktober erneut die Zahlung der 30.000 Gulden. Die Gegenseite verlangte die Namen derjenigen, die diese Summe zu zahlen bereit wären. Am 12. Oktober stellten Pfalzgraf Stephan, Markgraf Bernhard, Graf Johann und Graf Friedrich von Veldenz in aller Form fest, dass Pfalzgraf Ludwig seinen Verpflichtungen aus dem Spruch von Obmann und Ratleuten nicht nachgekommen sei und so dem Grafen Johann Unrecht getan habe. Für den Fall, dass deswegen ein Partner in Krieg und Feindschaft mit dem Pfalzgrafen gerate, wollte man einander mit Bewaffneten helfen. Demnach rechnete man mit einer kriegerischen Auseinandersetzung. Am folgenden Tag versprachen die Partner dem Grafen von Sponheim, die Pfandsumme von 30.000 Gulden bis zum 2.2.1427 zu zahlen. Am 17. Oktober fragte Jakob von Lachen, der sponheimische Amtmann zu Kreuznach, den pfalzgräflichen Amtmann, ob der bevollmächtigt sei, ihm die festgelegte Pfandsumme zu zahlen – der wusste von nichts.
Die für den 2. Februar festgelegte Zahlung der Pfandsumme von 30.000 Gulden durch den Markgrafen und den Grafen von Veldenz ist nicht erfolgt. Auf der Gegenseite dürfte das den Eindruck verstärkt haben, dass das gesamte Vorgehen nur eine Fiktion war, um vom Pfalzgrafen Ludwig eine überhöhte Pfandsumme herauszuholen.
Am 9.4.1427 warb Graf Johann seinen Verwandten Wilhelm von Loon, Grafen zu Blankenheim, als Helfer für den Fall eines Krieges gegen Ludwig, Pfalzgrafen bei Rhein, des Heiligen Römischen Reiches Erztruchsessen und Herzog in Bayern. Am 12. August erneuerten Pfalzgraf Stephan, Markgraf Bernhard sowie die Grafen Johann und Friedrich ihr Bündnis aus dem Vorjahr. Zwar wird in diesem Text ein möglicher Gegner nicht genannt, dennoch konnte es sich dabei nur um den Pfalzgrafen Ludwig handeln. Am 14. August trafen Pfalzgraf Stephan, Markgraf Bernhard und Graf Friedrich von Veldenz Abreden mit drei engen Vertrauten des Grafen von Sponheim, die bei dessen Tod in Kraft treten sollten. Dies dürfte ohne Kenntnis des Grafen Johann erfolgt sein, denn der hat später (Juli 1430) mit diesen Männern gebrochen – vermutlich, nachdem er von den Abreden erfahren hatte.
Im September 1427 nahm der Graf von Sponheim Kontakt zum Pfalzgrafen Ludwig auf, der schwer krank von seiner Wallfahrt zurückgekehrt war. Johann forderte mit Frist zum 13. Oktober die Zahlung der festgelegten Pfandsumme. Wenn dies nicht erfolge, werde er den Anteil am 15. Oktober an seine Vettern versetzen.
Am 29. September nahm der Pfalzgraf aus Heidelberg dazu Stellung: im Burgfrieden sei von der Verpfändung von Anteilen an einen anderen (nicht an mehrere andere) die Rede. Da der Graf ihm einen Anteil versetzt habe, sei deshalb die Verpfändung weiterer Anteile an Dritte unzulässig. Der Pfalzgraf erklärte sich bereit, zu diesem Punkt ein Urteil durch die im Burgfrieden festgelegten Schiedsrichter zu erbitten. Zudem wurde das Recht des Grafen zur Festlegung von Zahlungsterminen bestritten. Es liegt nahe, dass der Pfalzgraf bei dieser Argumentation dem Rat von Juristen seiner Universität gefolgt ist.
Der Graf sah sich dadurch verunglimpft und kündigte für den Fall, dass der Pfalzgraf seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, am 10. Oktober an, die Sache vor den römischen König, Kurfürsten, Fürsten, Grafen, Herren, Ritter, Knappen und jedermann zu bringen. Im Januar 1428 setzen die Schreiben des Grafen an Dritte ein, der Pfalzgraf zog offenbar nach. Man versuchte so eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung (die es auch damals schon gab). Adressaten von Briefen des Grafen waren der römische König, die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, Herzog Friedrich von Sachsen und Markgraf Friedrich von Brandenburg (also die Mitkurfürsten des Pfalzgrafen) sowie der Herzog von Jülich und Berg. Die Erzbischöfe von Trier und Köln sowie Herzog Adolf von Jülich-Berg verwandten sich beim Pfalzgrafen für den Grafen von Sponheim. Mehr als diese guten Worte hat der Graf allerdings nicht erhalten.
Am 19.1.1428 informierte Johann den römischen König Sigmund über den Stand der Sache; die maßgeblichen Schriftstücke aus dem Herbst des Vorjahres lagen dem Schreiben bei. Am 27. Februar forderte der König aus Trnava (heute Slowakei) den Grafen auf, zu ihm zu kommen, wenn er durch Bayern und Schwaben nach Rom zur Kaiserkrönung ziehe. Er wolle auch den Markgrafen von Baden und die übrigen Beteiligten laden und die Sache selbst austragen. Am 1. März nahm Pfalzgraf Ludwig III. aus Heidelberg gegenüber dem Grafen Stellung. Dass die Erzbischöfe von Trier und Köln sowie der Herzog von Berg sich für den Grafen verwandt hatten, änderte seine Meinung nicht. Ludwig kündigte auch an, den Schriftwechsel mit dem Grafen öffentlich zu machen, damit jedermann wisse, dass er dem Grafen kein Unrecht getan habe. Die Antwort des Grafen datiert vom 9. April: er habe erst nach 20 Wochen vom Pfalzgrafen eine Antwort erhalten. Auf diesem Hintergrund sei die Einschaltung der öffentlichen Meinung ein letztes Mittel, das er gerne vermieden hätte. Johann blieb bei seiner Forderung auf sofortige Zahlung der Pfandsumme von 30.000 Gulden, andernfalls werde er die von ihm benannten Personen in das Fünftel der Vorderen Grafschaft einsetzen. Im April und Mai wechselten die Parteien weitere Schreiben, in denen sie lediglich ihre Argumentationen noch einmal wiederholten. Am 30. Mai schrieb Graf Johann wieder an den König, am Folgetag machte er in Kreuznach sein Testament, in dem er vor allem Bestimmungen für seine Ehefrau und für sein Seelenheil traf. Zu Testamentsvollstreckern wurden Markgraf Bernhard, Graf Friedrich von Veldenz und der Junker Jakob von Lachen eingesetzt. Am 27. August bekundete König Sigmund gegenüber dem Grafen erneut seinen guten Willen.
Inzwischen hatte sich die Angelegenheit jedoch fürs erste erledigt. Nach erfolglosen Verhandlungen Anfang Juli in Speyer luden Erzbischof Konrad von Mainz und Pfalzgraf Otto die Parteien nach Worms und legten dort am 24. September fest, dass der Graf den Anteil (das umstrittene dritte Fünftel der Vorderen Grafschaft) behalten und den Markgrafen Jakob von Baden (Sohn des Markgrafen Bernhard) und den Grafen Friedrich von Veldenz zum 30. Oktober in seine drei Teile dieser Grafschaft aufnehmen solle. Alle Beteiligten hatten dann gemeinsam den Burgfriedensvertrag zu erneuern. Pfalzgraf Ludwig sollte in dem für 20.000 Gulden verpfändeten zweiten Fünftel bleiben, dem Grafen und seinen Erben daran jedoch ein Lösungsrecht zustehen. Wegen der vom Grafen beklagten Übergriffe pfalzgräflicher Amtleute sollte am 18. Oktober in Kreuznach vor dem Erzbischof und dem Pfalzgrafen Otto verhandelt werden. Für den Fall, dass diese den Streit nicht beilegen konnten, wurden Regelungen getroffen.
Am 25.9.1428 traten Markgraf Jakob von Baden und Graf Friedrich von Veldenz in die Gemeinschaft der Vorderen Grafschaft ein. Dies sollte hinfällig werden, wenn der Graf von Sponheim noch Nachkommen erhielt. Der hatte dann die 30.000 Gulden zu erstatten, zu deren Zahlung (wenn sie überhaupt erfolgte) keine Quellen erhalten sind.
5. Verzögerungen im Verfahren
Auf diese Weise hatte der Graf den Übergang der Vorderen Grafschaft an seine Vettern sichergestellt. Die Verhandlung zu den Vorwürfen gegen die Amtleute des Pfalzgrafen stand jedoch noch aus. Am 19.10.1428 bestätigten Markgraf Jakob und Graf Friedrich die Privilegien der Stadt Kreuznach; Schultheiß, Bürgermeister, Schöffen, Rat, Bürger und Gemeinde leisteten ihnen daraufhin die Huldigung. Diese Urkunden nennen keinen Ausstellungsort, mit großer Wahrscheinlichkeit waren jedoch der Markgraf und der Graf von Veldenz nach Kreuznach gekommen, um an den für den 18. Oktober angesetzten Verhandlungen teilzunehmen.
Weil bei diesen Verhandlungen die angestrebte gütliche Einigung nicht zustande kam, hat Graf Johann am 21. Oktober den Grafen Friedrich von Leiningen als den vom Burgfrieden bestimmten Obmann aufgefordert, die Sache zügig weiterzuführen, und den 18. November als Termin vorgeschlagen. Nachdem der Graf von Leiningen Terminschwierigkeiten vorgeschützt hatte, wandte sich Graf Johann am 4. November an den Erzbischof von Mainz, den Pfalzgrafen Ludwig und den Grafen von Leiningen. Letzteren erinnerte er daran, dass er dem Spruch vom 24. September nur in der Hoffnung auf einen schnellen Austrag der übrigen Streitpunkte zugestimmt habe. Am 5. November bekundeten die Pfalzgrafen Ludwig und Otto sowie der Erzbischof von Mainz ihren guten Willen. Beide Seiten erklärte sich ausdrücklich bereit, die dem Grafen von Leiningen entstehenden Kosten zu übernehmen. Der beharrte jedoch am 11. November auf seinem Standpunkt.
Das Verhalten des Grafen Johann von Sponheim kann nur dahin gedeutet werden, dass ihm sehr am Austrag der Streitpunkte lag. Umso mehr muss es aus heutiger Sicht erstaunen, dass er zu Beginn des Jahres 1429 beschloss, eine Pilgerfahrt ins Heilige Land zu unternehmen. Da seine Eltern 1346 geheiratet hatten, dürfte er etwa 70 Jahre alt gewesen sein. Der deutlich jüngere Pfalzgraf Ludwig III. war zwei Jahre zuvor schwer krank von seiner Pilgerfahrt zurückgekehrt. Auf diesem Hintergrund muss man daher wohl den Entschluss des Grafen Johann als letzten Einsatz für seine gerechte Sache ansehen. Am 12. Januar traf er alle erforderlichen Verfügungen für die Zeit seiner Abwesenheit: die Verhandlungen mit dem Pfalzgrafen sollte Markgraf Bernhard fortführen; Jakob von Lachen sollte die Sache des Grafen vor den König bringen. Die sponheimischen Lehen sollten mit Rat des Markgrafen und des Grafen von Veldenz vom Junker Jakob von Lachen und den übrigen Räten verliehen werden. Diese sind in den nächsten Monaten entsprechend tätig gewesen.
Am 15.4.1429 brach Jakob von Lachen zum römischen König auf, am 28. April erhielt er in Baden (-Baden) eine zusätzliche Vollmacht des Markgrafen Bernhard. Aufgrund der von Jakob vorgetragenen Klagen forderte der König am 26. Mai aus Preßburg den Pfalzgrafen Ludwig auf, den Grafen von Sponheim in seinen Reichslehen und Eigengütern nicht zu belästigen. Am 3. Juli ließ Jakob von Lachen auf der Grevenburg bei Trarbach ein Notariatsinstrument über seine Reise zum König anfertigen. An den nächsten Tagen wurden die Erzbischöfe von Trier und Köln vom Fortgang der Sache informiert. Am 13. Juli wies Pfalzgraf Ludwig gegenüber dem König die Vorwürfe des Grafen Johann zurück. Der König bestätigte Ende Juli beiden Seiten den Eingang dieser Stellungnahme. Am 25. August berichtete Jakob von Lachen dem König von weiteren Übergriffen. Am 1. Oktober lud König Sigmund einen sponheimischen Beauftragten für den 1. November nach Wien, wo er sich dann aufhalten werde. Am 8. Oktober erneuerte Graf Johann, von der Pilgerfahrt zum Heiligen Grab zurück, gegenüber dem König seine Vorwürfe gegen den Pfalzgrafen. Der König antwortete am 20. Dezember aus Preßburg. Demnach hatte Jakob vor ihm erneut die Klagen seines Herrn vorgetragen, die Räte des Pfalzgrafen aber waren nicht bevollmächtigt, auf die Klagen zu antworten. Daher wurden beide Parteien auf den 19.3.1430 nach Nürnberg geladen. Die zugehörige Vollmacht für Jakob von Lachen datiert vom 13. März. Der traf in Nürnberg Gesandte des Markgrafen von Baden, des Pfalzgrafen Stephan und des Grafen von Veldenz – offenbar wollte man die Sache gemeinsam voranbringen. Da der König nicht erschien, erbat man am 19. März eine Bescheinigung der Stadt Nürnberg, dass man acht Tage vergeblich auf den König gewartet habe. Eine weitere Bescheinigung datiert vom 25. März. Da man dann hörte, der König werde nicht kommen, kehrte man in die Heimat zurück.
Am 12. Juli brach Graf Johann mit den Getreuen, die während seiner Abwesenheit die Grafschaft verwaltet hatten. Diese verzichteten auf alle Ansprüche und versprachen, alle im Dienst erfahrenen Dinge zu verschweigen. Jakob von Lachen, der keine derartige Urkunde ausstellte, verschwindet nun aus den Quellen. Nach dem Tod des Grafen holten ihn dessen Erben aus dem Verlies auf der Starkenburg heraus, in dem er über Jahre gelegen hatte.
Am 13.2.1430 starb Otto von Ziegenhain, Erzbischof von Trier. Da das Domkapitel sich nicht auf einen Nachfolger einigen konnte, übertrug der Papst das Erzstift dem Raban von Helmstatt, Bischof von Speyer (Episkopat 1399-1430, 1430-1439 Erzbischof von Trier), einem engen Vertrauten des Pfalzgrafen Ludwig. Der von einigen Domkapitularen gewählte Ulrich von Manderscheid (gestorben um 1436) beharrte auf seinen Ansprüchen und erhielt die Unterstützung verwandter Adelsfamilien. Dass Graf Johann von Sponheim sich am 6.12.1430 mit Ulrich gegen Raban verbündete, kann nicht verwundern.
Am 25.10.1430 bat Graf Johann den König erneut um Austrag seiner Sache gegen den Pfalzgrafen. Am 16. November lud Sigmund aus Ulm die Parteien für den 8.1.1431 nach Nürnberg. Der Pfalzgraf, der das Verfahren ablehnte, erschien zunächst nicht. Graf Johann war durch Krankheit verhindert, ließ sich aber durch Pfalzgraf Stephan, Markgraf Bernhard und Graf Friedrich von Veldenz vertreten, die den König mehrfach aufforderten, das für den Austrag der Sache bestimmte Gericht zu besetzen. Der Markgraf von Brandenburg bemängelte die Ladung an den Pfalzgrafen. Der war zeitweise in Nürnberg anwesend, jedoch zu Zugeständnissen nicht bereit. Für den König waren Beschlüsse zum Zug gegen die Hussiten vorrangig. Als einige Fürsten daher den Austrag vor dem Erzbischof von Mainz, dem Pfalzgrafen Johann und dem Deutschmeister vorschlugen, stimmte Graf Johann zu. Vom 31. Mai bis 2. Juni wurde die Sache in Worms vor dem Erzbischof und dem Deutschmeister verhandelt. Der Pfalzgraf lehnte das Verfahren ab. Auch zu einem Austrag vor den Mitkurfürsten, den Erzbischöfen von Mainz und Köln sowie dem Trierer Elekten Ulrich von Manderscheid war er nicht bereit. Am 20. Juni rief Graf Johann daher den König als obersten Richter an (dieses Schreiben schildert noch einmal das bisherige Verfahren). Am 28. Juni vertagte der König das Verfahren bis zum Ende des Zuges gegen die Hussiten. Pfalzgraf Ludwig war mit dem Austrag vor seinen Mitkurfürsten einverstanden, billigte Ulrich von Manderscheid aber den Titel eines Elekten von Trier nicht zu. Die Schriftwechsel der nächsten Monate brachten keine neuen Gesichtspunkte.
Graf Johann suchte daher nach neuen Wegen: aus dem Herbst 1431 datiert ein umfangreiches Rechtsgutachten, in dem zehn Juristen der Universität Köln nach einer Darstellung zu den Rechtspositionen der Parteien dem Grafen Empfehlungen für das weitere Vorgehen gaben. Demnach sollte der Graf gleichzeitig das Verfahren vor dem König und vor den Mannen der Pfalzgrafschaft vorantreiben. Eine Rechtsverweigerung durch den König hielten die Gutachter für ausgeschlossen; die Forschung (K.-F. Krieger) ist allerdings zu dem Schluss gekommen, dass die Praxis unter König Sigmund einer Rechtsverweigerung nahegekommen sei. In der Folgezeit tauschten die Parteien weiter Schriftstücke aus, in denen sie ihre Rechtsstandpunkte wiederholten. Die Abstände zwischen diesen Schreiben wurden immer größer. Der Pfalzgraf war schwer krank, Graf Johann über 70 Jahre alt – beider Energie schien zu erlahmen.
Da Graf Friedrich von Leiningen, der im Burgfrieden von 1416 für den Austrag von Streitigkeiten vorgesehene Obmann, seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen konnte (er starb 1434), trat Graf Johann von Wertheim an seine Stelle. Er setzte am 2.10.1434 den Parteien Termine für die schriftliche Vorlage von Klage, Antwort, Widerrede und Nachrede und auf den 7. Februar einen Termin für eine gütliche Einigung. Wenn die nicht zustande kam, sollte am 23. April nach dem Recht entschieden werden. Die Parteien sind – wenn auch nicht termingerecht – ihren Verpflichtungen nachgekommen. Eine gütliche Einigung wurde jedoch nicht erzielt. Daher fällte Graf Johann von Wertheim am 9.9.1435 sein Urteil. Zunächst referierte er die Klagepunkte (31 des Pfalzgrafen und 25 des Grafen) und die Entscheidungen der Ratleute. Bei der Mehrzahl der Streitpunkte handelte es sich um Übergriffe, die bei gutem Willen durch die Amtleute vor Ort hätten beigelegt werden können. Dieser gute Wille fehlte allerdings über Jahre, stattdessen hat man Punkte gesammelt, die der Gegenpartei angelastet werden konnten. Umstritten waren außerdem das Zubehör der in der Schenkung genannten Burgen und Schlösser sowie die in Kreuznach lebenden Juden. Darüber hinaus war es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Amtleuten und Dienern beider Seiten gekommen. In der Mehrzahl der Klagepunkte urteilte der Graf von Wertheim zugunsten des Grafen von Sponheim. Allerdings wurde diesem auferlegt, zu etlichen Punkten (etwa der Zugehörigkeit von Dörfern zu bestimmten Gerichten) urkundliche Beweise zu erbringen. Die dafür festgelegten Termine konnten allerdings nicht eingehalten werden. Der Graf sammelte zwischen November 1435 und Januar 1436 die Aussagen von Untertanen zu den örtlichen Rechtsverhältnissen; zusätzlich holte er entsprechende Zeugnisse adliger Lehnsleute ein. Am 19.3.1436 kamen die Parteien in Kreuznach vor dem Grafen von Wertheim und den Ratleuten zusammen. Der Graf ließ seine Bereitschaft erklären, die im September 1435 geforderten Beweise zu erbringen. Die Gegenseite erhob formale Bedenken. Schließlich verließ Pfalzgraf Otto, der die Interessen seines Bruders Ludwig vertrat, den Versammlungsort. Obmann und Ratleute stellten förmlich fest, dass der Graf von Sponheim seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Am 20. März leistete Graf Johann einen im Urteil geforderten Eid. Pfalzgraf Ludwig wiederholte am 21. März den von seinem Bruder vorgetragenen Standpunkt. Dies sind die letzten zu Lebzeiten des Pfalzgrafen Ludwig (gestorben 30.12.1436) und des Grafen Johann von Sponheim (gestorben 24.10.1437) in dieser Sache ausgestellten Urkunden.
6. Zusammenfassung
In der Auseinandersetzung „Graf gegen Kurfürst“ hatte Graf Johann von Sponheim gegen den Pfalzgrafen und Kurfürsten Ludwig formal Recht behalten. Allerdings hat die Gegenseite die vorgelegten urkundlichen Beweise und die Aussagen der betroffenen dörflichen Untertanen nicht anerkannt, sondern die Sache weiter verschleppt. Weil Markgraf Jakob von Baden (gestorben 1453) und Graf Friedrich von Veldenz (gestorben 1444, beerbt von seinem Enkel Pfalzgraf Friedrich), die nach dem Tod des letzten Grafen gemeinsam die Herrschaft in beiden Grafschaften Sponheim antraten, die Angelegenheit nicht mehr mit gleicher Energie weiterverfolgten, hat sich letztlich der Kurfürst gegen den Grafen durchgesetzt.
Quellen
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Literatur
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Mötsch, Johannes, Graf gegen Kurfürst – Die Auseinandersetzungen zwischen dem Grafen Johann V. von Sponheim und dem Pfälzer Kurfürsten Ludwig III. 1416-1436, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/graf-gegen-kurfuerst-%25E2%2580%2593-die-auseinandersetzungen-zwischen-dem-grafen-johann-v.-von-sponheim-und-dem-pfaelzer-kurfuersten-ludwig-iii.-1416-1436/DE-2086/lido/6040ba4379c3b3.78149662 (abgerufen am 10.12.2024)