Burgen am Mittelrhein
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1. Einleitung
Die unter dem Sammelbegriff „Mittelrhein“ zusammengefasste Burgenlandschaft umfasst eine Vielzahl von Anlagen unterschiedlichster Provenienz, Eignerschaft und baulicher Ausprägung. Im Sinne der Definition einer „Burg“ als mehrteils (hoch- und spät-) mittelalterlicher Wehr-, aber auch Wohnanlage zeigt das Mittelrheingebiet eine Burgenbautätigkeit vom frühen 11. bis in das 15. Jahrhundert hinein.
Ungeachtet des hohen Bekanntheitsgrades der rheinischen Burgen muss festgestellt werden, dass der Stand ihrer Erforschung in weiten Bereichen und sämtlichen beteiligten Wissenschaftsdisziplinen noch unzureichend ist. Selbst von der neuesten Überblicksliteratur wird auf die fast gänzlich vor 1945 erschienenen Kunstdenkmälerinventare zurückgegriffen. Fundierte Einzelstudien von historischer, kunsthistorischer oder mittelalterarchäologischer Seite sind die Ausnahme.
Von ganz entscheidender Bedeutung ist darüber hinaus auch die Tatsache, dass wegen oftmals eklatanten Schriftquellenmangels eine eindeutige Zuordnung einer Burg zu einem Gründer oder Eigentümer nur mit großen Vorbehalten möglich ist. Auch kann nicht selten an Hand der keineswegs eindeutigen zeitgenössischen Terminologie insbesondere bei abgegangenen Objekten nicht mehr entschieden werden, ob es sich um eine Burg handelte oder lediglich um ein Burghaus oder einen Hof mit nur minderer Befestigung oder gar um einen Stadtmauerturm (Nollig über Lorch). Schließlich lässt sich der Zeitpunkt der Erbauung meistens nicht genau feststellen, sondern nur der Zeitpunkt der ersten Erwähnung, der natürlich keinerlei Auskunft darüber gibt, wie lange zuvor die jeweilige Burg schon bestanden hat. In Einzelfällen kann nicht einmal der genaue Standort lokalisiert werden (Fürsteneck).
Betrachtet man ungeachtet dieser Imponderabilien zunächst die Gründungsgeschichte der einzelnen Anlagen, so erschließt sich schnell die große Zahl beteiligter geistlicher und weltlicher Herrschaftsträger, die sich insbesondere im Spätmittelalter um den Aufbau eines geschlossenen Territoriums bemühten. Rückblickend betrachtet war dabei das Erzstift Trier am erfolgreichsten. Die Erzbischöfe griffen von ihrer zweiten Residenz (neben Trier) auf dem Ehrenbreitstein aus über Anlagen wie Wernerseck und Kunostein (heute Engers) nach Norden und über Koblenz, Stolzenfels und Deuernburg (heute Maus) nach Süden aus. Verhältnismäßig wenige Burgen waren dabei Eigengründungen, vielmehr wurden weitaus öfter bestehende Befestigungsanlagen lehnsrechtlich integriert und damit als potenzielle gegnerische Stützpunkte eliminiert.
In mehrfachen Auseinandersetzungen mit den Trierer Erzbischöfen gelang es den beiden anderen Erzstiften Köln und Mainz, sich am nördlichen und südlichen Ende des Mittelrheins zu behaupten. Während die Erzbischöfe von Köln ihre durch eigene Burggründungen wie Stahlberg und Fürstenberg gesicherten Besitzungen am oberen Mittelrhein um Bacharach im späteren 13. Jahrhundert an die Pfalzgrafen bei Rhein verloren, konnten sie am unteren Mittelrhein ihren einigermaßen geschlossenen Besitzkomplex um die Burgen Drachenfels, Godesburg und Rolandseck nach Süden hin durch Anlagen in Andernach und Linz sowie den Neubau von Rheineck erweitern. Das Erzstift Mainz hingegen setzte sich insbesondere gegen die rheinischen Pfalzgrafen im Süden auf den Burgen Klopp, Ehrenfels, Fautsberg (heute Rheinstein), Reichenstein, Sooneck und Heimburg fest und erhielt sich darüber hinaus seine nördliche Exklave (Ober-)Lahnstein mit den beiden Anlagen Lahneck und Lahnstein (heute Martinsburg).
Demgegenüber war das römisch-deutsche Königtum seit dem Hochmittelalter im Mittelrheintal lediglich mit den – allerdings mehrteils sehr bedeutenden – Anlagen Hammerstein, Landskron, Sterrenberg, Schönburg, Boppard, Ahrenthal (zur Hälfte), wohl auch Kaub (heute Gutenfels) sowie dem noch im 14. Jahrhundert errichteten Sinzig vertreten. Von diesen Burgen verblieben bis in das 15. Jahrhundert hinein jedoch allein Sinzig und Landskron in unmittelbarem Reichseigentum, während die anderen überwiegend in die Hände der Trierer Erzbischöfe fielen.
Unter den Gründungen gräflicher und edelfreier Familien ragen vor allem die Anlagen der Pfalzgrafen bei Rhein und der Grafen von Katzenelnbogen hervor. Erstaunlicherweise traten die Pfalzgrafen überhaupt erst im 13. Jahrhundert mit der Übernahme von Stahlberg, Stahleck und Fürstenberg aus kölnischem und Kaub aus Reichsbesitz als Burgbesitzer in Erscheinung. In mehrfachen, durchaus nicht erfolglosen Auseinandersetzungen mit den Erzbischöfen von Mainz und Trier entstanden im 14. Jahrhundert als Eigengründungen der Pfalzgrafenstein, die Sauerburg und der (unvollendet gebliebene) Herzogenstein. In ganz ähnlicher Weise waren auch die Grafen von Katzenelnbogen seit dem 13. Jahrhundert bestrebt, ausgehend von dem noch in dieser Zeit gegründeten Rheinfels ein eigenes Territorium zu begründen. Dies gelang in bescheidenem Ausmaß mit den später errichteten Burgen Reichenberg und Neukatzenelnbogen (heute Katz), bevor die Grafen 1479 ausstarben und ihre Besitzungen an die Landgrafen von Hessen fielen.
Am unteren Mittelrhein treten die Burgen Wied (heute Altwied) und Sayn als Stammsitze der gleichnamigen Grafenfamilien hervor, die beide spätestens schon im 12. Jahrhundert entstanden. Ebenfalls in dieser Zeit lässt sich erstmals die Isenburg im Sayntal mit der dortigen edelfreien Familie nachweisen, deren Angehörige im 13. Jahrhundert Arenfels und Grenzau erbauten und eigene Seitenlinien ins Leben riefen. Allein dem Grafengeschlecht von Wied sollte es jedoch gelingen, seine Stammburg von fremden Zugriffen freihalten zu können, während die Anlagen der Sayner Grafen und der Herren von Isenburg und ihrer Seitenlinien fast vollständig durch Lehnsauftragung, Verpfändung oder selten auch durch Gewalt an die Erzbischöfe von Trier fielen.
Die Zahl der nicht von den bereits genannten Burgengründern errichteten mittelrheinischen Anlagen, zu denen die Obere und Untere Burg in Rheinbreitbach, Dattenberg, Braubach (heute Marksburg) sowie Liebenstein gehören, ist insgesamt vergleichsweise klein und dementsprechend in ihrer Bedeutung zu relativieren.
Betrachtet man den überkommenen Baubestand, dann reicht der Altersquerschnitt von der nach Schriftquellen ältesten belegten Burg am Mittelrhein, dem Hammerstein (vor 1020), bis hin zum kleinen, vollständig eingebauten Wohnturm der Oberen Burg in Rheinbreitbach aus dem späten 15. Jahrhundert. Dabei lässt sich vom 12.-14. Jahrhundert eine annähernd konstante Burgenbautätigkeit nachweisen. Erst im 15. Jahrhundert bricht diese Entwicklung mit nur noch drei Anlagen (Obere Burg Rheinbreitbach, Felseck/Vilszelt, Wernerseck) und dem eher als Turm einzuordnenden Trutz-Bingen ab.
Ausgehend von polygonalen, dem Gelände angepassten Grundrissen mit einem Streben zum Oval im 12. Jahrhundert, wird die Grundform im 13. Jahrhundert zusehends gleichmäßiger, bis sich im 14./15. Jahrhundert überwiegend regelmäßige Formen finden. Bei älteren Anlagen wird das vor allem durch das Vorlegen von Zwingern beziehungsweise Vorburgen erreicht, wobei Zwinger in der Region schon im 14. Jahrhundert keine Ausnahme mehr sind (Wied, Godesburg, Landskron). Auch im Mittelrheintal besaßen fast alle Burgen einen Bergfried – im 12. Jahrhundert viereckig, im 13. überwiegend rund. Der fünfeckige, heute vollständig verschwundene Turm des Ehrenbreitstein aus den 1150er Jahren war vielleicht der früheste Turm mit fünfeckigem Grundriss auf deutschem Boden. Aus diesem Schema fällt die ungewöhnliche Burg Wied (heute Altwied) heraus, deren Gründungsbau des 12. Jahrhunderts wohl ein längsrechteckiger Wohnbau/Wohnturm war, der später aufwändig umgestaltet wurde. Ähnliches gilt für Gründungen des 14. Jahrhunderts wie Reichenberg und Fautsberg, die ebenfalls ohne Bergfried auskommen. Wohntürme sind im betreffenden Raum im Hochmittelalter grundsätzlich die Ausnahme und kommen erst wieder im Spätmittelalter in Mode (Wernerseck, Obere Burg Rheinbreitbach). Einen gesonderten Hinweis verdienen die Reste der Burgkapellen auf Sayn, Landskron, Stahlberg (jüngst ergraben) und Rheineck. Letztere ist zwar ein Neubau des 19. Jahrhunderts, hält sich jedoch deutlich an das zuvor abgerissene Original. Die Buckelquader am verlässlich datierten Turm des Drachenfels (kurz vor 1149) zählen zu den frühesten am Mittelrhein und in Deutschland.
2. Burgenbau am Mittelrhein im 11. Jahrhundert
Im 11. Jahrhundert lässt sich am gesamten Mittelrhein mit dem Hammerstein lediglich eine Wehranlage gesichert nachweisen, die damit als älteste Burg in dieser Region zu gelten hat.
Burg Hammerstein wurde bereits 1020 im bekannten „Hammersteiner Ehestreit“ von Kaiser Heinrich II. (Regierungszeit 1002-1024) belagert und nach drei Monaten erobert. Nach Erlöschen des gleichnamigen Grafengeschlechts 1034/1036 als Reichsgut eingezogen und somit Reichsburg, ließ König Heinrich IV. (Regierungszeit 1056-1106) 1071 die Anlage „mit höchstem Aufwand“ wiederaufbauen. Spätestens seit 1074 existierte bei Hammerstein eine Zollstätte, seit 1215 eine Münzstätte. 1105 hielt sich Kaiser Heinrich IV. für kurze Zeit auf dem Hammerstein auf, dem im 12. Jahrhundert als Lagerort der Reichsinsignien und Haftstätte hochrangiger Gefangener reichsweite Bedeutung zukam. Das den reichsministerialischen Burgmannen seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts vorgesetzte Burggrafengeschlecht bestand bis zum 15. Jahrhundert und gelangte über die Erblichkeit des Amts rasch zu einer begrenzten Selbstständigkeit. 1255 weilte mit König Wilhelm (von Holland) (Regierungszeit 1247-1256) letztmals ein römisch-deutscher König auf der Anlage. Mit der Übertragung der Burg durch Kaiser Karl IV. (Regierungszeit 1346-1378) auf das Erzstift Trier 1374 war ihre Zeit als Reichsburg faktisch beendet. 1576 letztmals ausgebessert, besetzten 1633 schwedische und 1646 lothringische Truppen den Hammerstein, der 1654 nach dem Rückfall an das Erzstift Trier auf Befehl des Erzbischofs umgehend geschleift wurde, um weiteren Fremdbesatzungen vorzubeugen.
Die heute kaum auffallende Ruine liegt über nierenähnlichem Grundriss mit einer Länge von etwa 120 Metern und einer Breite von 35 Metern auf einem schroff zum Rhein und zur anderen Seite hin sanft abfallenden Bergrücken. Bedeutendster Baurest der Burg ist der nordöstliche Ringmauerbereich (fälschlich „Barbarossamauer“ genannt) mit bis zu 4,2 Metern Mauerstärke und zwei innenliegenden Gängen, deren Buckelquader zu den ältesten bekannten im deutschen Sprachraum gehören.
3. Burgenbau am Mittelrhein im 12. Jahrhundert
Das 12. Jahrhundert lässt bereits eine vermehrte Burgenbautätigkeit erkennen. Mit Ausnahme des Erzstifts Mainz traten mit den Erzstiften Trier und Köln sowie den Pfalzgrafen bei Rhein erstmals jene geistlichen und weltlichen Fürsten als Burgengründer und -eigentümer neben dem römisch-deutschen Königtum in Erscheinung, die entscheidenden Anteil an der territorialen Aufgliederung des Mittelrheins haben sollten.
Dabei drängten die Kölner Erzbischöfe als Bauherren in den Vordergrund: Neben den kölnischen Gründungen Drachenfels (vor 1149) und Wolkenburg (zwischen 1099 und 1118) sowie – nicht ganz gesichert – Rolandseck (wohl zwischen 1099 und 1131) im Norden dürften auch die über und nahe Bacharach gelegenen Anlagen Stahleck (vor 1135) und Stahlberg (um 1156/1164) auf ihr Betreiben entstanden sein. Zudem gelang es nach Auseinandersetzungen mit Pfalzgraf Konrad (von Staufen) (1156-1195), das vor 1129 als pfalzgräfliche Gründung entstandene Rheineck zu erobern.
Unter den kölnischen Anlagen verdient Burg Drachenfels die größte Aufmerksamkeit. Vor 1149 unter Erzbischof Arnold I. von Köln begonnen, vollendete der Propst des Bonner Cassiusstifts, Gerhard von Are (Propst 1124-1169), den Burgbau. Im 13. Jahrhundert wurde die Burg von ursprünglich ministerialischen kölnischen Burggrafen verwaltet, denen durch die benachbarten Steinbrüche eine beachtliche Herrschaftsbildung gelang. Eindrucksvoll veranschaulichen die von 1395-1398 überlieferten Rechnungen der Burggrafen die Haushaltsführung auf einer spätmittelalterlichen Burg. Nach Erlöschen des Geschlechts 1530 wurde die Anlage 1632 von schwedischen Soldaten besetzt und war schon zwei Jahre später Ruine. Von fortdauernder Steinbruchtätigkeit im Baubestand dezimiert, kam die Ruine 1836 an den preußischen Fiskus. Mehrfach gesichert und saniert, zeigt die aus älterer Oberburg und erstmals 1345 genannter Niederburg bestehende Anlage bedeutende Bauteile, darunter den 1149 erwähnten Bergfried mit den frühesten sicher datierten Trachytbuckelquadern im deutschen Sprachraum.
Im Gegensatz zum Drachenfels haben sich von der zwischen 1099 und 1118 gegründeten Wolkenburg und dem heute als Rolandsbogen bekannten Rolandseck nur noch marginale Baureste erhalten. Ähnliches gilt auch für die gemäß Baubefund nach 1167 errichtete Wasserburg in Andernach, die ungeachtet ihrer als Ruine äußerst beeindruckenden Baugestalt nur mehr geringe Mauersubstanz des 12. Jahrhunderts aufweist. Burg Stahleck (gegründet vor 1135) gibt nach einem fast vollständigen Wiederaufbau lediglich den aus Abbildungen des 17. Jahrhunderts überlieferten Bauzustand wieder. Dagegen konnte die landeinwärts gelegene Nachbarburg Stahlberg mit noch bedeutenden Ruinen von zwei Türmen, der Toranlage und der kürzlich ergrabenen Kapelle nach Ergebnissen von dendrochronologischen Untersuchungen immerhin auf den Zeitraum um 1156/1164 rückdatiert werden. Beachtung verdient ebenfalls der imposante, teilweise aus großen Buckelquadern errichtete Bergfried von Burg Rheineck, der im Gegensatz zum Rest der von 1832-1836 errichteten Gebäude noch dem kölnischen Wiederaufbau der Zeit nach 1164 angehört.
Zwischen den kölnischen Besitzungen im Norden und Süden versuchte das Erzstift Trier zu expandieren. Im Mittelpunkt stand dabei die vor 1137 und jedenfalls unter Erzbischof Hillin errichtete Burg Ehrenbreitstein. Heute vollständig von der 1816-1832 errichteten preußischen Festung überlagert, haben sich keinerlei oberirdische Reste der mittelalterlichen Anlage erhalten, die im 12. Jahrhundert einen mächtigen, wohl fünfeckigen Bergfried, einen – bei Umbauten vor kurzem angeschnittenen – Graben und eine Zisterne besaß. In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich zudem die von dem gleichnamigen trierischen Ministerialengeschlecht bewohnte und vor 1161 anzunehmende Burg Helfenstein, von der ebenfalls nichts mehr zu sehen ist. Von größerer Bedeutung für die Expansionsbestrebungen der Trierer Erzbischöfe war die Lehnsbindung der Grafen von Sayn deren erste gleichnamige Burg 1152 von Erzbischof Arnold II. von Köln zerstört worden war. Der Nachfolgebau an der Stelle der heutigen Burg Sayn entstand erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts und war wohl von Anfang an trierisches Lehen.
Gegenüber den beiden Erzstiften Köln und Trier lassen sich im 12. Jahrhundert neben dem Hammerstein lediglich zwei weitere Burgen nachweisen, die dem römisch-deutschen Königtum direkt unterstanden: Burg Sterrenberg dürfte originär eine Reichsburg gewesen sein, die sich nach Aussage des Lehnsbuchs des pfälzischen Reichsministerialen Werners II. von Bolanden (vor 1134 - um 1190) von 1189/1193 als Reichslehen in dessen Händen befand. Von den heute vorhandenen umfangreichen Bauresten mit (modern erhöhtem) quadratischem Bergfried und zwei Schildmauern kann allerdings nichts mit Sicherheit in das 12. Jahrhundert datiert werden. Die ursprünglich als Lehen des Erzbistums Magdeburg nachweisbare Schönburg über dem heutigen Oberwesel war spätestens 1166 Reichsburg und wurde von Reichsministerialen verwaltet. Im 14. Jahrhundert dürfte die Anlage von den verschiedenen Familienzweigen der Schönburger erweitert und zu einer Ganerbenburg geworden sein. Wie dendrochronologische Untersuchungen ergeben haben, stammt wenigstens noch der Torturm der Kernanlage aus der Zeit zwischen 1141 und 1161.
Neben den Reichsburgen und Anlagen der Erzstifte Köln und Trier existierten im 12. Jahrhundert lediglich Rheineck, Wied, Sayn und Schönburg als Gründungen anderer Provenienz. Davon gelang es lediglich den Grafen von Wied im Fall von Wied (heute Altwied), ihre Eigengründung über die Jahrhunderte hinweg bis heute in Familienbesitz zu halten. Jedenfalls die Kernburg mit ihrem monumentalen Wohnturm geht in Teilen bis in das 12. Jahrhundert zurück.
4. Burgenbau am Mittelrhein im 13. Jahrhundert
Nach heutigem Forschungsstand lässt sich feststellen, dass der Höhepunkt der Burgenbautätigkeit am Mittelrhein zweifellos im 13. und abgeschwächt auch noch im 14. Jahrhundert anzusetzen ist. Bedingt durch die insbesondere zu Zeiten des Interregnums unsicheren politischen Verhältnisse kam es zu zahlreichen Neubauten, die gleichsam die diversifizierten Zustände des 14. und 15. Jahrhunderts begründen sollten. Besonders ins Auge fallen im Süden die massiven Ambitionen des nun erstmals auch hier mit Burgen operierenden Erzstifts Mainz und der rheinischen Pfalzgrafen, die aber zu dieser Zeit lediglich bestehende Anlagen übernahmen.
Die Erzbischöfe von Mainz griffen dabei seit Beginn des 13. Jahrhunderts vom Südende des Mittelrheins nach Norden aus. Ausgangspunkt waren dabei Bingen mit der nicht vor 1276/1282 nachweisbaren Burg Klopp und die auf der anderen Rheinseite auf nahezu gleicher Höhe gelegene Burg Ehrenfels (errichtet zwischen 1208 und 1220). Hinzu kamen nach 1270 die von der Abtei Kornelimünster gegründeten Anlagen Reichenstein (vor 1213) und Sooneck (vor 1271), die sich als abteiliche beziehungsweise mainzische Lehen in der Hand des pfälzischen Reichsministerialen Philipps I. von (Bolanden-)Hohenfels (circa 1225/1227-1277) befanden. Gleichsam wie eine Exklave zwischen Reichsgut und trierischen Besitzungen gelegen, wurde das mainzische Oberlahnstein mit dem 1220 von König Friedrich II. (Regierungszeit 1211-1250) übertragenen Silberbergwerk Tiefental durch die beiden Anlagen Lahneck (um 1231/1244 errichtet) und Lahnstein (heute Martinsburg, nach 1298) gesichert.
Von diesen Wehranlagen beeindruckt noch heute die Ruine der auf halber Berghöhe gelegenen Burg Ehrenfels, die im Namen Erzbischof Siegfrieds II. von Mainz (Episkopat 1200-1230) durch den dem schon genannten Geschlecht der pfälzischen Reichsministerialen von Bolanden entstammenden Philipp III. (1199-1220) zwischen 1208 und 1220 errichtet worden ist. Seit spätestens 1308 Zollstelle für die Rheinschifffahrt, bezeugen zahlreiche Aufenthalte der Mainzer Erzbischöfe im 14. Jahrhundert die Bedeutung von Ehrenfels, das um 1350 ausgebaut wurde. Die im Dreißigjährigen Krieg mehrfach und auch erfolgreich belagerte Anlage befand sich in der Mitte des 17. Jahrhunderts im Gegensatz zu den darunter liegenden umfangreichen Zollgebäuden am Rheinufer noch in fast unversehrtem Zustand. 1689 von französischen Truppen zerstört, wurden die Ruinen nicht mehr aufgebaut und verfielen. Noch heute sind in der gegen den Berghang gerichteten, in zwei turmartigen Enden auslaufenden Schildmauer hochmittelalterliche Bauteile erkennbar.
Dagegen zeigen die benachbarten Burgen Reichenstein, Sooneck und Klopp nach durchgreifenden Wiederaufbaumaßnahmen des 19. Jahrhunderts nur noch wenig mittelalterliche Mauersubstanz und spiegeln lediglich die ursprünglichen Grundrisspläne wider. Dies gilt auch für die nördlicher gelegenen Lahneck und Lahnstein: Während Lahneck mit seinem bemerkenswerten fünfeckigen Bergfried nach Zerstörung durch schwedische Truppen 1636 nach 1852 ebenfalls, wenn auch vergleichsweise schonend, wiedererrichtet wurde, finden sich auf der heute Martinsburg genannten Burg Lahnstein neben dem aus dem 14. Jahrhundert stammenden prägenden sechseckigen Hauptturm mit vier Geschossen vordringlich jüngere schlossähnliche Gebäude.
Ein gespaltenes Bild hinterlassen die Bemühungen der Kölner Erzbischöfe um die Sicherung ihrer Besitzungen im 13. Jahrhundert. Am oberen Mittelrhein schlugen die Versuche einer Konsolidierung fehl, obwohl noch 1219 Burg Fürstenberg als völliger Neubau errichtet worden war. Ein 1243 zwischen dem Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden und Pfalzgraf Otto II. (1228-1253) geschlossener Vergleich bestimmte, dass neben Stahleck nun auch Fürstenberg und Stahlberg als kölnische Lehen an die Pfalzgrafen ausgegeben wurden – eine Lehnsvergabe, die sehr schnell dafür sorgte, dass alle drei Anlagen der kölnischen Kirche völlig entfremdet wurden. Anders stellte sich die Situation am unteren Mittelrhein dar, wo sämtliche bestehenden Burgen gehalten werden konnten und mit der Neugründung Godesburg (zwischen 1208 und 1212) sowie der Eingliederung des ursprünglich saynschen Rennenberg (1250) noch zwei weitere Anlagen hinzukamen.
Von diesen genannten Wehrbauten erlauben Fürstenberg und in Teilen auch die Godesburg noch bemerkenswerte Rückschlüsse auf ihre ursprüngliche Gestalt. Die Ruine von Fürstenberg zeigt mit ihrem 25 Meter hohen runden Bergfried hinter Halsgraben und Schildmauer und deutlichen Spuren des originalen Putzes noch zu großen Teilen mittelalterliches Mauerwerk. Auf der Godesburg geht der ebenfalls runde Bergfried mit Ausnahme des letzten, im 14. Jahrhundert aufgesattelten Geschosses auf den 1249 bezeugten Turmbau zurück.
Den Ambitionen der Erzstifte Mainz und Köln hatten die Erzbischöfe von Trier wenige erfolgreiche Bemühungen entgegenzusetzen. Zwar verblieben mit dem Ehrenbreitstein und dem Helfenstein sowie dem an die gleichnamigen Grafen verlehnten Sayn alle bisher schon vorhandenen Burgen weiterhin in trierischem Besitz, doch kamen mit der nach 1277 in Koblenz errichteten Burg (heute Alte Burg) und dem unweit entfernten Stolzenfels (zwischen 1242 und 1248/1259) nur zwei weitere Befestigungsanlagen hinzu.
Sowohl Stolzenfels als auch Koblenz gestatten in ihrem gegenwärtigen Zustand keinen direkten Einblick in die Bausubstanz des 13. Jahrhunderts. Das nach seinem Wiederaufbau von 1835-1842/1845 richtig als Schloss betitelte Stolzenfels präsentiert sich immerhin als ein Wohnbau, dessen fünfeckiger Bergfried und den Schlosshof umlagernde Wohngebäude hinter dem Halsgraben dem alten Burgplan folgen. Von Koblenz (heute Alte Burg Koblenz) hat sich das eigentliche Burghaus mit zwei zur Mosel gewandten Rundtürmen und einem Treppenturm (16. Jahrhundert) erhalten, dessen runder Ostturm mit achteckigem Kapellenaufsatz ebenso aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammt wie der ursprünglich frei stehende Westturm.
Auch das römisch-deutsche Königtum konnte sich im 13. Jahrhundert mit der Zahl seiner Wehranlagen am Mittelrhein kaum mehr als behaupten. Während Hammerstein, Sterrenberg und Schönburg weiterhin dem Reichsgut verblieben, ging Kaub 1277 in pfalzgräfliches Eigentum über. Gegen die Erzbischöfe von Köln ließ König Philipp (von Schwaben) (Regierungszeit 1198-1208) 1206 am Ende des Ahrtals Burg Landskron errichten und von den Reichsministerialen von Sinzig betreuen, die bald als Burggrafen amtierten. Größere Bedeutung kam auch der jedenfalls noch vor 1257 erbauten Burg in Boppard zu, die sich in den Wirren des Interregnums als Rückhalt des Königtums bewähren sollte.
Von beiden Anlagen sind aus unterschiedlichen Gründen nur geringe Reste der Gebäude des 13. Jahrhunderts erhalten. Das imposante, 100 Meter lange und 40 Meter breite Landskron gliedert sich in Ober- und Niederburg, weist jedoch nach gründlicher Zerstörung 1682 kaum noch aufgehendes Mauerwerk auf. Möglicherweise handelt es sich bei dem knapp unterhalb der Burg gelegenen kleinen Kirchengebäude noch um die 1212 von Kaiser Otto IV. (Regierungszeit 1198-1218) gestiftete Burgkapelle. Aus den Gebäuden der mit Wassergräben gegen Stadt und Umland gesicherten Anlage von Boppard ragt der dendrochronologisch auf 1265 datierte Hauptturm hervor, in dessen viertem Geschoss in neuerer Zeit eine Kapelle mit Altarnische und sehr bemerkenswerten Wandfresken aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts freigelegt werden konnten.
Aus den Reihen der Grafen und Edelfreien unternahmen im 13. Jahrhundert mehrere Geschlechter Versuche, ihre Besitzungen durch den Bau von Burgen zu sichern und zu erweitern. Dazu gehören die Grafen von Sayn (Löwenburg, errichtet vor 1247), die Herren von Breitbach (Untere Burg Rheinbreitbach, errichtet wohl noch im 13. Jahrhundert), die Herren von Rennenberg (Rennenberg, errichtet vor 1217), die Herren von Isenburg (Arenfels, errichtet kurz vor 1259), die Herren von Eppstein (Braubach, heute Marksburg, vor 1231/1239), die Grafen von Sponheim (Liebenstein, errichtet vor 1294) und die Herren von Waldeck (Waldeck, vor 1206). Größere Bedeutung für die Folgezeit sollten aber allein die Bemühungen der rheinischen Pfalzgrafen und der Grafen von Katzenelnbogen haben. Während die Pfalzgrafen ihre Burgen Stahleck, Stahlberg und Fürstenberg 1243 von den Erzbischöfen von Köln lehnsweise übernahmen und Kaub 1277 käuflich erwarben, gelang den Grafen von Katzenelnbogen neben dem Zugewinn von Braubach 1245/1246 mit Rheinfels immerhin die Gründung einer völlig neuen Wehranlage.
Eben diese beiden letztgenannten katzenelnbogischen Anlagen beeindrucken auf ganz unterschiedliche Weise. Rheinfels lässt in den großräumigen Ruinenfeldern seines 1796/1797 gesprengten Festungskomplexes immerhin noch deutlich das Terrain der ursprünglichen mittelalterlichen Kernburg erkennen. Braubach (heute Marksburg), inzwischen geradezu das Idealbild einer Ritterburg am Rhein, bewahrt im unteren Teil des Bergfrieds und im romanischen Palas der Kernburg Baubestand der Zeit um 1239.
5. Burgenbau am Mittelrhein im 14. Jahrhundert
Die verstärkte Burgenbautätigkeit des 13. Jahrhunderts fand in den nachfolgenden 100 Jahren eine fast ebenso starke Fortsetzung. Große Veränderungen blieben allerdings aus, vielmehr zeigen sowohl weltliche als auch geistliche Fürsten das Bestreben, die erworbenen territorialen Positionen durch eine Mehrzahl von Wehranlagen zu verstärken und nach Möglichkeit auszubauen. Zweifellos am erfolgreichsten waren die Erzbischöfe von Trier, während die römisch-deutschen Könige insbesondere am oberen Mittelrhein die letzten Reichsburgen einbüßten.
Die Zugewinne des Trierer Erzstifts, das keine einzige Burg verlor, resultierten dabei zunächst auf einer beachtlichen Zahl an Anlagen, die durch Lehnsauftragung oder auf anderen, zumeist friedlichen Wegen erworben werden konnten (Sporkenburg 1310, Boppard 1312, Brohleck 1325, eine Hälfte von Sterrenberg 1316/20, Arenfels 1371, Hammerstein und Schönburg 1374). Hinzu kamen mit der Deuernburg (errichtet 1356) und Kunostein (errichtet vor 1371) zwei völlige Neubauten, so dass sich der allmählich zu einem Territorium ausformende trierische Einflussbereich am Mittelrhein nun von Arenfels über Hönningen bis zur Schönburg über (Ober-)Wesel erstreckte.
Unter den genannten Anlagen muss die Deuernburg als originär trierisches Bauprojekt hervorgehoben werden. Im Sommer 1356 unter Erzbischof Boemund II. begonnen und zunächst als „Peterseck“ bezeichnet, richtete sie sich gegen die benachbarten katzenelnbogischen Anlagen Neukatzenelnbogen und Rheinfels, was ihr später den Spitznamen „Maus“ einbrachte. Primär als Wohnsitz genutzt, wurde die kleine Anlage nie zerstört, verfiel jedoch schon seit dem 16. Jahrhundert. Mit Ausnahme der bergseitig aufgeführten, jedoch wenig eindrucksvollen Schildmauer und des runden, darin eingestellten Turms finden sich kaum Bauelemente, die auf eine wehrtechnische Nutzung schließen lassen. Von der zweiten, kurz vor 1371 in Engers (heute Neuwied-Engers) unter Erzbischof Kuno II. begonnenen und gegen die Grafen von Wied gerichteten Anlage Kunostein (heute Engers), die einen mächtigen runden Bergfried aufwies, haben sich nach dem 1759-1762 darüber aufgeführten Schlossbau von Engers keinerlei Spuren erhalten. Erwähnung verdient außerdem noch das ausgefallene Bauensemble der kurz vor 1310 errichteten Sporkenburg, das möglicherweise schon unter Mitwirkung Erzbischof Balduins entstanden ist.
Wie sich bereits im 13. Jahrhundert angekündigt hatte, konzentrierten sich die Burgen und Besitzungen des Erzstifts Köln im 14. Jahrhundert auf das Gebiet zwischen Bonn und Andernach, ohne dass Verluste zu verzeichnen gewesen wären. Mit der Übernahme der jeweils wohl nur kurz zuvor errichteten Anlagen Dattenberg durch Kauf (zwischen 1306 und 1331) und zur Leyen (heute Ockenfels) durch Lehnsauftragung (1341) sowie die Neugründungen Ahrenthal (Kernburg, vor 1331), Schweppenburg (vor 1364) und der Stadtburg in Linz (1365) konnten im angesprochenen Gebiet die kölnischen Ambitionen insbesondere gegen die trierischen Expansionsbestrebungen untermauert werden.
Die kleine Anlage der Schweppenburg besitzt ebenso wie das 1722/1890 zum Schloss umgebaute Ahrenthal (zunächst Bovenberg/Bovendorf genannt) heute nur noch sehr geringe spätmittelalterliche Baureste. Dagegen stammen der fünfgeschossige, von einem Zeltdach abgeschlossene Turm und der südseitige Haupteingang der Burg Linz noch aus ihrer Erbauungszeit nach 1365. Von den in der Mitte des 15. Jahrhunderts vor der Anlage noch vorhandenen Gräben, Gärten und einem Kelterhaus hat sich nichts mehr erhalten.
Geringfügige Verbesserungen zeigen die Bemühungen des Erzstifts Mainz um Erwerb und Errichtung neuer Burgen. In langjährigen Auseinandersetzungen mit den benachbarten Pfalzgrafen konnten die Erzbischöfe zwar, nachdem auch das kurzzeitig verlorene Reichenstein 1344 zurückgewonnen worden war, ihre Wehranlagen ohne Einbußen behalten, doch glückte mit Ausnahme des nun lehnsabhängigen Waldeck kein wesentlicher territorialer Zuerwerb. Die Neugründungen Fautsberg (heute Rheinstein, 1316/1317) und Heimburg (um 1320), die nach umfassenden Wiederaufbaumaßnahmen kaum noch Aufschluss über ihren mittelalterlichen Bauzustand geben, gehören in diesen Zusammenhang.
Das römisch-deutsche Königtum sollte im 14. Jahrhundert am oberen Mittelrhein seine letzten Reichsburgen verlieren. Boppard fiel bereits 1312 an Erzbischof Balduin von Trier, der 1316/1320 auch eine Hälfte von Sterrenberg als Eigentum besaß und die andere Hälfte als Lehen erhielt. Lediglich am unteren Mittelrhein verblieb Landskron mit seiner Burggrafenfamilie in ungestörtem Reichsbesitz. Das vor 1331 errichtete Ahrenthal, dessen Kernburg kölnisches Eigentum war, erhielt nach 1336 mit Erlaubnis Kaiser Ludwigs IV. (des Bayern) (Regierungszeit 1314-1347) eine reichslehnbare Vorburg und hatte damit zwei klar voneinander geschiedene Eigentümer. Einen interessanten und sonst kaum bekannten Sonderfall stellt Burg Sinzig dar, die nach 1337 mit Erlaubnis desselben Kaisers von Markgraf Wilhelm I. von Jülich errichtet worden ist. Wie spätere Belehnungsvorgänge verdeutlichen, besaß das Reich die Lehnshoheit und war also Eigentümer – Sinzig ist damit die zuletzt errichtete Reichsburg am Mittelrhein. Umso bedauerlicher bleibt es, dass von der wohl ursprünglich als Wasserburg anzusprechenden Anlage nach einem grundlegenden Umbau zu einer schlossartigen Villa (1854-1858) keinerlei mittelalterliche Reste überkommen sind.
Nicht unbedeutende, jedoch territorial kaum ins Gewicht fallende Zuwächse gelangen sowohl den Pfalzgrafen bei Rhein als auch den Grafen von Katzenelnbogen. Zu den pfalzgräflich gebliebenen Anlagen Stahleck, Stahlberg, Fürstenberg und Kaub kamen als Neubauten der Pfalzgrafenstein (1327), die gegen das mainzische Waldeck gerichtete Sauerburg (1355) und der bewusst nahe (Ober-)Wesel begonnene, jedoch nicht vollendete Herzogenstein (1360). Die Grafen von Katzenelnbogen, weiterhin im Besitz von Rheinfels und Braubach, ließen auf der rechten Rheinseite ab 1319 das großartige Reichenberg und vor 1371 Neukatzenelnbogen (heute Katz) errichten.
Aus dem Kreis dieser Neubauten ist vor allem auf den Pfalzgrafenstein und Reichenberg als markante Zeugen der Burgenbaukunst des 14. Jahrhunderts hinzuweisen. Pfalzgrafenstein wurde 1327 von König Ludwig dem Bayern auf einer schmalen Rheininsel zur Zollerhebung als frei stehender Turm errichtet, jedoch schon wenig später mit einer schützenden Ringmauer umgeben. In der Folgezeit ausgebaut und verstärkt, wurde die schließlich einem Schiff ähnelnde Anlage nie zerstört und erst 1803 von ihrer letzten Besatzung verlassen. Bei Burg Reichenberg handelt es sich trotz wesentlichen Bauverlusten um die zweifellos eindrucksvollste Burganlage am ganzen Rhein. Begonnen 1319 mit Erlaubnis Erzbischof Balduins von Trier von Graf Wilhelm I. von Katzenelnbogen (1276-1331), erfuhren die Planungen 1352 eine entscheidende Änderung, woraufhin die eigentliche „Vorburg“ ausgebaut wurde; zu einer Vollendung ist es nicht gekommen. 1647 beschädigt und wiederhergerichtet, stürzten 1813 der südliche und 1971 der nördliche Schildmauerturm zusammen. Heute beeindruckt insbesondere der dreigeschossige Saalbau mit seinen übereinander gestellten Säulenkonstruktionen.
Durch den Verkauf von Arenfels an das Erzstift Trier 1372 wurde die ohnehin vergleichsweise geringe Anzahl von Burgen anderer edelfreier und gräflicher Familien nochmals reduziert. Die Neugründungen Dattenberg (vor 1306/1331, Herren von Dattenberg), Sporkenburg (vor 1310, Herren von Helfenstein), Brohleck (vor 1325, Burggrafen von Rheineck) und zur Leyen (heute Ockenfels, vor 1341, Herren von der Leyen) wurden bezeichnenderweise jeweils bereits bei ihren Ersterwähnungen den Erzbischöfen von Köln beziehungsweise Trier zu Lehen aufgetragen oder waren bereits Lehnsbesitz. Von Fremdzugriffen unbelastet blieben damit nur die Löwenburg (Grafen von Sponheim), Rheinbreitbach (Herren von Breitbach), Wied (Grafen von Wied) und das gemäß Baubefund wohl erst um 1350 von den Grafen von Sponheim neu gegründete Osterspai.
6. Burgenbau am Mittelrhein im 15. Jahrhundert
Mit dem 15. Jahrhundert bricht der Bau von Wehranlagen am Mittelrhein aus verschiedenen Gründen geradezu ein. Insbesondere die Fortschritte in Baukunst und Technik bedingten es, dass bei Notwendigkeit verstärkt die bereits vorhandenen Anlagen um- und ausgebaut wurden, um den sich rasch fortentwickelnden Feuerwaffen standhalten zu können. An Neubauten sind lediglich die Anlagen Wernerseck (1401/1402), Felseck/Vilszelt (vor 1438), Obere Burg Rheinbreitbach (um 1450) und Trutz-Bingen (1493) nachzuweisen.
Bei relativ schlechtem Forschungsstand scheint es derzeit, dass keinerlei Veränderungen in den Besitzständen der einzelnen Burgeigentümer mehr eingetreten sind. Bezeichnenderweise handelte es sich bei der größten Veränderung um den – letztlich von äußeren Einflüssen relativ ungestörten – Übergang der Besitzungen und Burgen der 1479 ausgestorbenen Grafen von Katzenelnbogen auf die Landgrafen von Hessen.
Das eindrucksvollste Beispiel für den ausklingenden Burgenbau im 15. Jahrhundert bietet das unweit des Mittelrheins in der Eifel gelegene, leider zu wenig beachtete Wernerseck, das zu großen Teilen noch die unverfälschte Bausubstanz seiner Ursprungsgebäude präsentiert. Begonnen im letzten Viertel des Jahres 1401 unter Erzbischof Werner von Trier als völliger Neubau und schließlich gegen die wohl nicht ganz unberechtigten Eigentumsansprüche Erzbischof Friedrichs III. von Köln und Graf Ruprechts/Roberts IV. von Virneburg (1383-1444) durchgesetzt, wurde die Burg nach 1409 Sitz des kurtrierischen Amts Ochtendung (später Wernerseck). 1632/1636 bereits verfallen, unterblieben ungeachtet dafür vorgesehener Finanzmittel geplante Wiederherstellungsmaßnahmen. Die vergleichsweise gut erhaltenen Gebäude lassen den ursprünglichen, annähernd rechteckigen Grundriss der durch drei Ecktürme und Wohnturm im Zentrum gebildeten Kernburg deutlich erkennen, der westlich eine kaum noch erkennbare Vorburg vorgelagert war. Der imposante, 2004-2007 sanierte Bruchsteinbau des Wohnturms mit seinen drei Geschossen wird von vier polygonalen Ecktourellen auf einer auskragenden Wehrplatte bekrönt und besitzt auf der Ostseite einen leicht vortretenden Kapellenerker mit fragmentarischem Dreipassfenster.
Im Vergleich zu Wernerseck zeigen die drei in ihren Ursprüngen ebenfalls dem 15. Jahrhundert zuzuweisenden Anlagen Felseck/Vilszelt, Trutz-Bingen und Obere Burg Rheinbreitbach nur noch wenig Bausubstanz dieser Zeit. Während das möglicherweise ältere, aber erst damals sicher belegte Felseck/Vilszelt 1713-1716 völlig umgestaltet wurde, haben im Fall der Oberen Burg Rheinbreitbach neue Bauforschungen ergeben, dass hier ein Wohnturm aus der Zeit um 1450 mehrfach und zuletzt noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgebaut und mit anschließenden Gebäuden umgeben worden ist. Das mehr als Geschützturm denn als Burg anzusprechende Trutz-Bingen (errichtet 1493) zeigt als Ruine immerhin noch nahezu die Hälfte des ursprünglichen Rundturms mit liegenden Geschützscharten.
7. Zerstörungen und Nachleben
Als von ihren Bauherren zwar nicht nur, aber eben auch für militärische Zwecke angelegte Wehrbauten sahen sich die Burgen am Mittelrhein oftmals und zahlreichen Eroberungsversuchen ausgesetzt. Dieser militärische Aspekt – inzwischen in der Forschung im Vergleich zu wirtschaftlichen und/ oder symbolischen Belangen über Gebühr marginalisiert – sorgte dafür, dass es zu zahlreichen, schon seit dem 11. Jahrhundert nachweisbaren Auseinandersetzungen kam, die mit einer Zerstörung enden konnten, aber nicht nötigerweise mussten. Grob zu unterscheiden sind Konflikte zu Zeiten des Mittelalters, in denen Burgen als zeitgemäße Machtmittel verwendet wurden, von den nachmaligen neuzeitlichen Zerstörungswellen, in denen die veralteten, mehrenteils nicht mehr den modernen wehrtechnischen Erfordernissen angepassten Anlagen sich überholt hatten.
Die Spanne der in den Schriftquellen genannten mittelalterlichen Belagerungen, Eroberungen und Zerstörungen von Burgen umfasst die gesamte Zeit vom 11. bis zum 15. Jahrhundert, wobei es sich schon bei der Ersterwähnung der ältesten mittelrheinischen Anlage Hammerstein für das Jahr 1020 um die Nachricht über eine letztlich erfolgreiche Belagerung handelt. Die oftmals bedauerlicherweise sehr spärliche Quellenlage und ein gegenwärtig recht unbefriedigender, da selten wissenschaftlicher Quellenkritik genügender Forschungsstand lassen allerdings kaum mehr als allgemeine und nur punktuell verbindliche Aussagen zu. Demnach belegbar sind beispielsweise Konflikte um die Burgen Reichenstein (1253 erobert, Details unbekannt), Rheinfels (1256 durch den Rheinischen Bund erfolglos belagert), Sooneck und erneut Reichenstein (1282 durch König Rudolf I. belagert und zerstört), Klopp (1301 durch König Albrecht I. erfolgreich belagert), Rolandseck (1469 durch Pfalzgraf Friedrich I. erobert) und Linz (1475 von Kurfürst Albrecht III. Achilles von Brandenburg erfolgreich belagert). Bemerkenswerterweise existiert keine Nachricht über eine Anlage, die nach Eroberung und Zerstörung offen gelassen wurde, tatsächlich erfolgte stets ein Wiederaufbau.
In nachmittelalterlicher Zeit sorgten neben dem technischem Fortschritt oder Umbaumaßnahmen, die den Charakter der Wehranlage hin zur Festung (Rheinfels, Ehrenbreitstein) oder zum Schloss veränderten (Schweppenburg, Linz, Felseck/Vilszelt) mehrere kriegerische Auseinandersetzungen für den Niedergang der mittelrheinischen Burgen. Dem so genannten Truchsessischen Krieg fiel 1583 die Godesburg zum Opfer, dem Dreißigjährigen Krieg Burg Lahneck (1636). Von den Eigentümern beziehungsweise Besitzern geschleift wurden Hammerstein (1654), Landskron (1682) und Klopp (1713 nach Zerstörung 1689). Die bei fast jeder Anlage anzutreffende Annahme einer Zerstörung durch französische Truppen im Verlauf des Pfälzischen Erbfolgekriegs (vor allem 1688/1689) bedarf oftmals noch der Verifizierung. Unzerstört blieben wegen ihrer geringen Bedeutung allein die Marksburg und der Pfalzgrafenstein.
Das 19. Jahrhundert und die damit verbundene Rheinromantik als Ursache auch für die Entdeckung des vermeintlich schönen Mittelalters und seiner Burgen hatten überaus zahlreiche Wiederaufbaumaßnahmen zur Folge, an denen maßgeblich verschiedene Angehörige des preußischen Königshauses beteiligt waren. Beginnend mit der Neuerrichtung von Fautsberg (1825-1829, 1842, seitdem als „Rheinstein“ betitelt) erstanden unter unterschiedlichster Trägerschaft und Intention die Anlagen Rheineck (Kapelle, 1832-1836), Stolzenfels (1835-1842/1845), Sooneck (1843-1861), Lahneck (ab 1852), Klopp (1853, 1875-1879), Heimburg (1866-1868), Brohleck (nach 1888), Kaub/Gutenfels (1889-1892), Godesburg (1895/1896, 1960), Neukatzenelnbogen (1896-1899), Namedy (nach 1896), Reichenstein (1899-1902), Deuernburg (1900-1906, heute Maus), zur Leyen (heute Ockenfels, 1924-1927), Stahleck (1925-1931, 1965-1967) mit mehr oder minder großen Reminiszenzen an die ursprüngliche Burg neu. Weitere Wiederaufbauvorhaben (Fürstenberg, Rheinfels, Hammerstein) unterblieben.
Quellen
Die Archivquellen zu den Burgen am Mittelrhein sind aufgrund der vielen (mittelalterlichen) Besitzer und der generell vielfältigen rheinischen Archivlandschaft über zahlreiche Archive verteilt. Zu nennen sind dabei vor allem das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland in Düsseldorf, das Landeshauptarchiv in Koblenz, das Bayerische Hauptstaatsarchiv in München, das Hessische Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden, die Hessischen Staatsarchive in Darmstadt und Marburg, das Landesarchiv in Speyer, die Stadtarchive und private Adelsarchive.
Eine spezielle Quellenedition zu den Burgen am Mittelrhein fehlt bisher. Neben den in besitzgeschichtlicher Hinsicht relevanten Quelleneditionen zu den Erzbischöfen von Trier (Regesten, 1861), den Erzbischöfen von Mainz (Regesten, 1877/1886 und 1913-1935 sowie 1958), den Erzbischöfen von Köln (Regesten, 1901-2001), den Pfalzgrafen bei Rhein (Regesten, 1894-1939), den Grafen von Wied (Regesten, 1911), den Grafen von Katzenelnbogen (Regesten, 1953-1957), den Grafen von Sponheim (Regesten, 1987-1991), den Burggrafen von Hammerstein (Regesten, 1891), den Burggrafen von Landskron (Regesten, 1966) sowie den Städten Worms (Urkundenbuch, 1886-1890, und Monumenta, 1893) und Mainz (Urkundenbuch, 1932-1971) sind vor allem zu berücksichtigen:
Codex diplomaticus Rheno-Mosellanus. Urkunden-Sammlung zur Geschichte der Rhein- und Mosellande, der Nahe und Ahrgegend, und des Hundsrückens, des Meinfeldes und der Eifel, bearb. und hg. von Wilhelm Günther, 5 Teile, Koblenz 1822-1826.
Mittelrheinische Regesten oder chronologische Zusammenstellung des Quellen-Materials für die Geschichte der Territorien der beiden Regierungsbezirke Coblenz und Trier in kurzen Auszügen, bearb. und hg. von Adam Goerz, 4 Teile, Koblenz 1876-1886.
Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins oder des Erzstifts Cöln, der Fürstenthümer Jülich und Berg, Geldern, Meurs, Cleve und Mark, und der Reichsstifte Elten, Essen und Werden, hg. von Theodor Joseph Lacomblet, 4 Bände, Düsseldorf 1840-1858, Nachdruck Aalen 1966. - Nachweis der Überlieferung, bearb. v. Wolf Rüdiger Schleidgen, Siegburg 1981.
Urkundenbuch zur Geschichte der, jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelheinischen Territorien, hg. u. bearb. von Heinrich Beyer, Leopold Eltester u. Adam Goerz, 3 Bände, Koblenz 1860-1874. – Band 4 u. 5: Hardt, Albert, Urkundenbuch zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien, 2 Bände, Wiesbaden 2007.
Literatur
Eine fundierte Gesamtübersicht über die Burgen am Mittelrhein fehlt bisher. Zu den Anlagen am unteren Mittelrhein zusammenfassend:
Thon, Alexander/Ulrich, Stefan, „… wie ein Monarch mitten in seinem Hofstaate thront“. Burgen am unteren Mittelrhein, Regensburg 2010.
Einzelne Burgen
Liessem, Udo, Das Interesse der preußischen Könige Friedrich Wilhelm III. und Friedrich Wilhelm IV. an der Ruine Hammerstein am Rhein, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 35 (2009), S. 387-417 [mit teilweise bisher unveröffentlichten Bildquellen des 19. Jahrhunderts].
Thon, Alexander, Burg Hammerstein und die Reichsinsignien. Zur Vorgeschichte des Transfers der Herrschaftszeichen des römisch-deutschen Königreichs auf den Trifels im Jahre 1125, in: Könige, Feste, Burgen, hg. im Auftrag des Trifels-Vereins e.V. Annweiler am Trifels von Franz Schmidt, Annweiler am Trifels 2010, S. 33-73.
Thon, Alexander, … daz man furbaz da kein borg laz gebowen. Anmerkungen zur Geschichte der Burg Rolandseck über (Remagen-)Rolandseck bis zu ihrem Untergang im 17. Jahrhundert, in: Analecta Coloniensia 9 (2009), S. 151-192.
Für den oberen Mittelrhein sind neben einer Vielzahl von nichtselbstständig publizierten Studien hinzuzuziehen:
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Coblenz (Die Bau- und Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 1), beschr. u. zus.gest. v. Paul Lehfeldt, Düsseldorf 1886.
Die Bau und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden, bearb. von Ferdinand Luthmer, 6 Bände, Frankfurt am Main 1902-1921.
Rauch, Christian, Die Kunstdenkmäler des Kreises Bingen. Geschichtliche Beiträge von Fritz Herrmann (Die Kunstdenkmäler im Volksstaat Hessen, Provinz Rheinhessen), Darmstadt 1934.
Der Rheingaukreis (Die Kunstdenkmäler des Landes Hessen 1), bearb. von Max Herchenröder, München 1965.
Die Kunstdenkmäler des Rhein-Hunsrück-Kreises, Teil 2.1: Stadt Boppard, 2 Bände (Die Kunstdenkmäler von Rheinland Pfalz, 8), bearb. von Alkmar von Ledebur unter Mitwirkung von Hans Caspary, München 1988; Teil 2.2: Stadt Oberwesel, 2 Bände (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 9), bearb. von Eduard Sebald unter Mitwirkung von Hans Caspary, München 1997.
Volk, Otto, Wirtschaft und Gesellschaft am Mittelrhein vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Wiesbaden 1998.
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Thon, Alexander, Burgen am Mittelrhein, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/burgen-am-mittelrhein/DE-2086/lido/57d11eca54e538.70270242 (abgerufen am 18.09.2024)