Die Bonner Burschenschaften in der Revolution 1848
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1. Einleitung
Die Revolution von 1848/1849 zählt zu den Schlüsselereignissen in der Geschichte der Demokratiebewegung in Deutschland. Mit ihr schien sich das politische Ziel jener Studentengenerationen zu erfüllen, die seit den Befreiungskriegen in den Burschenschaften für die Errichtung eines republikanischen deutschen Nationalstaates eingetreten waren. Während Burschenschafter wie Heinrich von Gagern (1799-1880) oder Robert Blum als Abgeordnete in der Frankfurter Nationalversammlung eine führende Rolle spielten, nahmen auch die Studenten an den Umbrüchen der Jahre 1848 und 1849 aktiven Anteil. In der Universitätsstadt Bonn wurden sie in den verschiedenen politischen Vereinen zu Trägern des revolutionären Geschehens. Unter ihnen nahmen Mitglieder der Burschenschaften eine zentrale Rolle ein.
Die Entstehung der Burschenschaften am Beginn des 19. Jahrhunderts ist mentalitätsgeschichtlich eng mit dem Verlauf der Napoleonischen Kriege verbunden. Studenten aus den verschiedenen Territorien des zwar als Kultur- und Sprachraum, nicht aber als Nationalstaat moderner Prägung existenten Deutschland hatten sich 1813 als Freiwillige zu den Waffen gemeldet, um die französische Hegemonie in Europa zu beenden. Es war nicht zuletzt die viel beschworene Einheit aller „deutschen Brüder“ gegen den äußeren Feind, die den Ausgang der Befreiungskriege maßgeblich beeinflusste. In den jungen Akademikern reifte die Überzeugung heran, sich auch in Friedenszeiten für die Überwindung des nationalen Partikularismus und die Errichtung eines geeinten deutschen Staates einzusetzen.
Die patriotische Aufbruchsstimmung unter der akademischen Jugend verband sich mit der von Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) und Friedrich Friesen (1784-1814) begründeten Turnbewegung und den durch Ernst Moritz Arndt initiierten Deutschen Gesellschaften nach 1813 zur ersten nationalen Bewegung der deutschen Geschichte. Die Konstituierung der Jenaischen Burschenschaft am 12.6.1815, das Wartburgfest am 18.10.1817 und die Gründung der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft am 18.10.1818 markieren die Eckdaten ihrer frühen Entwicklungsphase. Die später zum Symbol der deutschen Einheitsbestrebungen erhobenen burschenschaftlichen Farben Schwarz-Rot-Gold waren den mit roten Litzen und goldenen Knöpfen versehenen schwarzen Uniformen des Lützowschen Freikorps entlehnt, in dem zahlreiche Studenten während der Befreiungskriege gedient hatten.
Die patriotischen Visionen standen jedoch in einem unvereinbaren Widerspruch zu den realpolitischen Entscheidungen des Wiener Kongresses, auf dem Europa 1815 nicht neu gestaltet, sondern die Ordnung des Ancien Régime wiederhergestellt wurde. Erste staatliche Repressalien waren die Folge. Die Ermordung des Dichters August von Kotzebue (1761-1819) durch den Burschenschafter Karl Ludwig Sand (1795-1820) am 23.3.1819 und die im September desselben Jahres in Kraft tretenden Karlsbader Beschlüsse leiteten die Epoche der Demagogenverfolgungen im Deutschen Bund ein. In den 1820er und 1830er Jahren rangen die Burschenschaften zumeist im Konspirativen um die Verwirklichung ihrer Ziele.
2. Von der Entstehung bis zur Auflösung der Bonner Burschenschaft (1818-1833)
Mit Beginn des Wintersemesters 1818/1819 hatte die preußische Rheinuniversität in Bonn ihren Lehrbetrieb aufgenommen. Zeitgleich konstituierte sich die erste Burschenschaft, deren Gründer sich aber für den unverfänglichen Namen „Allgemeinheit“ entschieden. Auch die Wahl der politisch unverdächtigen Farben Grün-Weiß-Rot anstelle der burschenschaftliche Trikolore Schwarz-Rot-Gold zeugt von dem Bemühen, die politischen Ziele vor den preußischen Behörden zu verschleiern. Auf dem Zenit ihrer Bedeutung im Wintersemester 1819/1820 hatten sich der Allgemeinheit 280 von etwa 600 Bonner Studenten angeschlossen. Zu ihnen zählten der Dichter des „Liedes der Deutschen“ Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) und der Schriftsteller Heinrich Heine.
Die Blütezeit der Allgemeinheit war trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nur von kurzer Dauer, da die staatlichen Repressionen sie am 7.6.1820 zur Auflösung zwangen. Das vergleichsweise liberale Klima an der Bonner Universität begünstigte allerdings eine schnelle Neugründung unter der unverfänglichen Bezeichnung einer Gesellschaft „Cerevesia“, die sich am 4.11.1820 wieder förmlich zu einer Burschenschaft umwandelte und nun den Namen „Germania“ führte. Sie zählte im Sommersemester 1821 70 Mitglieder und führte die Farben Schwarz-Rot-Gold. Als auch gegen sie polizeilich ermittelt wurde, sank die Zahl ihrer Mitglieder bereits im Wintersemester 1821/1822 auf 25 herab. Am 5.2.1822 löste sie sich offiziell auf und bestand bis 1828 lediglich als ein formlos organisierter Geheimbund fort. Erst im Wintersemester 1827/1828 erlaubten die äußeren Umstände eine formelle Rekonstituierung. Die körperliche und geistige Ausbildung für das Leben im Volke und Staate durch sittlich begründetes Leben wurde in den neuen Statuten als Hauptzweck der Verbindung definiert. Aussagen über die politischen Ziele wurden darin hingegen bewusst vermieden.
In Konkurrenz zur Burschenschaft etablierten sich in Bonn seit dem Jahr 1820 mehrere studentische Landsmannschaften, die der nationalen Einheitsidee ebenso ablehnend gegenüberstanden wie den strengen moralischen Grundsätzen, denen sich die Mitglieder der Burschenschaft unterwarfen. Zwischen 1818 und 1820 war es der Allgemeinheit erfolgreich gelungen, die Gründung konkurrierender landsmannschaftlicher Verbindungen zu unterdrücken. Nach ihrer Auflösung konstituierten sich bis 1821 die Landsmannschaften „Rhenania“, „Guestphalia“ und „Borussia“. In den Jahren 1832 und 1838 wurden „Saxonia“ und „Palatia“ gegründet.
Ab 1831 verschärften sich die behördlichen Untersuchungen gegen die Burschenschaft entscheidend. Nach ihrer neuerlichen Auflösung am 9.12.1832 konstituierte sich eine burschenschaftliche Verbindung „Marcomannia“, die aber nur wenige Monate Bestand hatte. Nach dem missglückten, von süddeutschen Burschenschaften am 3.4.1833 initiierten Frankfurter Wachensturm löste sie sich im Juni 1833 auf. Damit kam die organisierte burschenschaftliche Bewegung in Bonn für mehrere Jahre vollständig zum Erliegen. Die uneingeschränkte Vorherrschaft über die Studenten fiel den Landsmannschaften zu.
3. Wiederbelebung der burschenschaftlichen Bewegung im Vormärz (1840-1848)
Am 7.6.1840 wurde Friedrich Wilhelm IV. (Regentschaft 1840-1858) König von Preußen. Mit seiner Inthronisierung endeten die Jahre der rigorosen Demagogenverfolgungen. Die offizielle Rehabilitierung des seit 1821 mit einem Lehrverbot belegten Ernst Moritz Arndt schien auch in Bonn den Beginn einer liberaleren Ära zu einzuleiten. Am 18.2.1843 wurde die Burschenschaft „Fridericia“ mit den Farben Schwarz-Rot-Gold als Zusammenschluss mehrerer formlos organisierter burschenschaftlicher Gruppierungen gestiftet. Den politisch unverfänglichen Wahlspruch „Sittlichkeit, Wissenschaftlichkeit, Ehrenhaftigkeit“ führend, zählte sie bei ihrer Gründung 28 Mitglieder. Auf dem Scheitelpunkt ihrer Bedeutung im Wintersemester 1843/1844 gehörten ihr 72 Studenten an. An ihrer Spitze stand zu diesem Zeitpunkt der spätere Kölner Oberbürgermeister Hermann Heinrich Becker.
In der Mitte der 1840er Jahre vollzog sich eine tiefe Spaltung der burschenschaftlichen Bewegung. Auf der einen Seite setzten sich die Anhänger des studentischen Progress für eine weitreichende Reform der Universitäten und des Studentenlebens ein. Sämtliche akademischen Sonderrechte sollten abgeschafft, die rechtliche Trennung zwischen Bürgern und Studenten beseitigt werden. In diesem Sinne forderten die Progressisten auch die Abschaffung des Duellwesens sowie das Aufgehen der Korporationen in studentischen „Allgemeinheiten“. Diesen parlamentarisch organisierten Zusammenschlüssen, sollte jeder Student als gleichberechtigtes Mitglied angehören. Gegenüber den Progressisten formierte sich das Lager der „Altburschenschaftlichen“, die an den traditionellen Ritualen, Hierarchien und Strukturen des Verbindungswesens festhielten und auf diese Weise auch zu einer stark abweichenden Interpretation der burschenschaftlichen Ziele gelangten.
Dieser Prinzipienstreit führte auch in der Fridericia zu unüberbrückbaren inneren Gegensätzen und zog bereits im Sommersemester 1844 eine erste Spaltung nach sich. Den unmittelbaren Anlass bildete die stark voneinander abweichende Haltung der progressistischen Mehrheit und der konservativen Opposition zum studentischen Duell. Auf dem Höhepunkt dieses Richtungsstreits trat die Fraktion der Altburschenschaftlichen geschlossen aus und konstituierte sich am 18.7.1844 als Burschenschaft „Alemannia“.
Auch in ihr rangen seit dem Wintersemester 1844/1845 eine progressistisch-reformorientierte und eine altburschenschaftlich-konservative Fraktion um die Vorherrschaft. Auf Seiten der Reformer tat sich vor allem der evangelische Theologiestudent Karl Jahn (1822-1846) hervor. 1845 verfasste er eine vielbeachtete Denkschrift, in der er einen radikalen Bruch mit den alten korporativen Organisationsformen forderte. Als er im November 1846 starb, verlor die progressistische Bewegung in Bonn einen ihrer führenden Köpfe. An seine Stelle trat der Philosophiestudent Franz Anton d’Avis (1825-1881) aus Frankfurt am Main, der ebenfalls Mitglied der Alemannia war.
Unterdessen verschärften neue innere Spannungen die Krise Fridericias. Sie führte zur Abspaltung einer dritten Burschenschaft unter dem Namen „Frankonia“ am 11.12.1845. Zu ihren Gründern zählte der Archäologe Johannes Adolf Overbeck (1826-1895) ebenso wie der Psychiater Bernhard Aloys von Gudden sowie der Lehrer und Romancier Friedrich Spielhagen (1829-1911). Dieser äußerte rückblickend, dass Frankonia „unter den studentischen Verbindungen jener Zeit zweifellos die vornehmste“ gewesen sei. Es waren vor allem Söhne aus dem Milieu des Bildungsbürgertums, die sich in dieser Burschenschaft zusammenfanden.
Frankonia vertrat gemäßigt progressistische Positionen. Das Duell wurde aus „sittlichen“ Motiven ebenso verworfen wie der rituelle Trinkzwang. An der traditionellen korporativen Organisationsstruktur hielt man jedoch fest. Die Bonner Franken verstanden sich vor allem als eine Gemeinschaft zur charakterlichen Erziehung ihrer Mitglieder. Verstöße gegen die akademische Disziplin konnten mit dem Ausschluss bestraft werden. Das politische Spektrum reichte von Anhängern der demokratischen Linken bis hin zu Befürwortern einer konstitutionellen Monarchie.
Ab 1846 verlor die Progressbewegung spürbar an Dynamik. Diese Entwicklung beschleunigte in Bonn den Niedergang Fridericias, die sich im Sommersemester 1847 endgültig auflöste. In der Alemannia endete die Vorherrschaft der progressistischen Partei im Wintersemester 1846/1847, nachdem die altburschenschaftliche Opposition durch die Unterstützung der jüngeren Verbindungsmitglieder mehrheitsfähig geworden war. Am 28.7.1847 verließen die letzten Progressisten unter der Führung von Franz d’Avis ihren Bund und gründeten die Burschenschaft „Arminia“, der sich auch einige ehemalige Fridericianer anschlossen. Arminia spielte im Verlauf der Revolution allerdings nur eine untergeordnete Rolle und löste sich 1849 ebenso auf, wie die seit 1843 bestehende burschenschaftliche Verbindung „Germania“, die aus einem 1841 gegründeten Verein evangelischer Theologen hervorgegangen war und zu deren bekanntesten Mitgliedern der Philologe Konrad Duden zählte. Auch Germania trat während der Revolution nicht nennenswert in Erscheinung.
Zu einer festen Größe innerhalb der Bonner Studentenschaft avancierten die seit dem 4.7.1847 in der „Union“ vereinigten Verbindungen katholischer Studenten. Der erste dieser Bünde war die am 15.11.1844 durch den späteren Priester Johann Joseph von Burg (1822-1901) gegründete „Bavaria“. Am 11.6.1847 konstituierten sich die Verbindungen „Burgundia“, „Romania“, „Ruhrania“, „Salia“ und „Thuringia“. Am Ende der 1840er Jahre gehörten ihnen etwa 100 der 720 Bonner Studenten an. In erster Linie die Interessen des Katholizismus an der Universität vertretend, spielte die Union im Zuge der Revolutionsereignisse jedoch keine tragende Rolle.
Obwohl an der Bonner Universität mit Ernst Moritz Arndt und Friedrich Christoph Dahlmann zwei populäre Protagonisten der deutschen Nationalbewegung lehrten, befand sich die Stadt zu Beginn der Revolution in einem Zustand der „vollkommensten politischen Unschuld.“ Anders als Köln war Bonn im Vormärz kein Zentrum der demokratischen Bewegung. Stadt und Universität wurden in politischer Hinsicht von einem gemäßigt liberalen bis konservativen Klima beherrscht. Unter den Professoren tendierte allein der Dozent für Kunst- und Kulturgeschichte Gottfried Kinkel an der Seite seiner Frau Johanna Kinkel zur radikalen demokratischen Linken.
Dennoch waren auch im bürgerlich geprägten Bonn die negativen Auswirkungen der beginnenden Industriellen Revolution unmittelbar zu spüren. Nach einer Hungersnot im Winter 1845/1846 sowie den Missernten und Teuerungen in den Jahren 1846 und 1847 begann sich vor allem die Situation der Handwerker und Gewerbetreibenden erheblich zu verschlechtern. Gemeinsam mit den Studenten sollten sie zu den Hauptträgern der revolutionären Ereignisse in Bonn werden, wenngleich sich die Ziele beider Gruppen deutlich unterschieden. Während sich Handwerker und Gewerbetreibende in erster Linie einen Ausweg aus ihrer prekären ökonomischen Situation erhofften, verfolgten Teile des akademischen Nachwuchses höhere staatspolitische Ziele.
Im Sommersemester 1847 hatte sich der Lehrersohn Carl Schurz an der philosophischen Fakultät der Universität Bonn eingeschrieben und sich zeitgleich der Burschenschaft Frankonia angeschlossen. Dem späteren Innenminister der Vereinigten Staaten von Amerika blieb es vorbehalten, zu einer Schlüsselfigur der demokratisch-republikanischen Linken aufzusteigen. Der Ausbruch der Revolution traf ihn, wie die meisten seiner Kommilitonen, überraschend und unvermittelt. Rückblickend schrieb er 1850: „Das Jahr 1848 fand mich zwischen meinen Büchern eingeschlossen; ich studierte Geschichte und machte – Verse. Ich weiß nicht, was mich mit so unwiderstehlicher Gewalt in den Strudel der Ereignisse hineinzog.“
4. Die Bonner Burschenschaften als Träger der Revolution
Die Nachricht von der Beseitigung der französischen Julimonarchie erreichte Bonn am 25.2.1848 und rief in allen Schichten der Bevölkerung Besorgnis und lebhafte Diskussionen über die möglichen Folgen hervor. Die Sorge vor einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich forcierte die Gründung einer Bürgerwehr am 4.3.1848, der sich auch zahlreiche Studenten anschließen wollten. Die akademischen Behörden genehmigten ihnen allerdings nur die Mitgliedschaft in einem speziellen von der Universität kontrollierten Studentencorps.
Unter der Führung des Alemannen Hermann Wilhelm Tendering (1827-1863) und des Franken Friedrich Philipp Wessel (1824-1855) erwirkten 150 Studenten jedoch am 15.3.1848 eine Revision dieser Entscheidung. Das gesonderte Studentencorps der Universität erlangte keine nachhaltige Bedeutung. Es erreichte zunächst eine Stärke von 60 Mann, löste sich aber bereits im Verlauf des Sommersemesters 1848 wegen mangelnder Beteiligung wieder auf. Die studentischen Einheiten innerhalb der Bonner Bürgerwehr wurden hingegen erst nach dem Einmarsch preußischer Truppen im November 1848 entwaffnet und aufgelöst.
In der ersten Märzhälfte des Jahres 1848 erarbeiteten Stadtrat und Vertreter der Universität unter der Führung von Friedrich Dahlmann mehrere Petitionen an den preußischen König, in denen sie ihrem Wunsch nach Pressefreiheit und gemäßigten Reformen Ausdruck verliehen. Die Nachricht von den Berliner Beschlüssen vom 18.3.1848, mit denen Friedrich Wilhelm IV. einen großen Teil der Forderungen zu erfüllen schien und die Ausarbeitung einer gesamtdeutschen Verfassung ankündigte, rief in Bonn große Begeisterung hervor, die alle gesellschaftlichen Gruppierungen erfasste und am 20. März in einem Festzug mit anschließender Großkundgebung auf dem Marktplatz gipfelte. Carl Schurz vermerkte: „Im Nu war die Stadt mit schwarz-rot-goldenen Fahnen bedeckt, und nicht nur die Burschenschaften, sondern fast jedermann trug bald die schwarz-rot-goldene Kokarde an Mütze oder Hut.“
Die Vollendung der nationalstaatlichen Einigung Deutschlands schien greifbar nahe zu sein - eine Vorstellung, die das provinzielle Bonn kurzzeitig in einen Zustand kollektiver nationaler Hochstimmung versetzte. Diese mündete jedoch bald in eine Phase allgemeiner Ernüchterung. Der erhoffte politische Konsens erwies sich als Illusion und die Nachrichten von den blutigen Barrikadenkämpfen in Berlin beschleunigten die Herausbildung verschiedener politischer Fraktionen. Die Professoren Arndt und Dahlmann, die noch am 20. März einträchtig bejubelt worden waren, gerieten bald in die Kritik des sich herausbildenden preußenfeindlichen Lagers der demokratischen Linken, welche mit Nachdruck die Beseitigung der monarchistischen Staatsform einforderten. Ernst Moritz Arndt wiederum urteilte über die sich formierende demokratische Bewegung: „Selbst in dieser kleinen Stadt müssen wir fast täglich und stündlich gegen demokratisches Ungeziefer zu Felde liegen mit Reden, Streiten, Schreiben usw.“
Am 31.5.1848 wurde unter der Führung Gottfried Kinkels der Demokratische Verein gegründet, dem zahlreiche Studenten als Mitglieder beitraten. Als Redakteur der Bonner Zeitung stand Kinkel zugleich an der Spitze eines der wichtigsten demokratischen Blätter der Revolution. Auch die politisch gemäßigten Konstitutionellen, die eine nationale Einigung unter der Führung des preußischen Königs forderten, sowie die Konservativen, die auf eine Wiederherstellung der vorrevolutionären Ordnung drangen, gründeten in Bonn politische Vereine.
Der Konstitutionelle Bürgerverein unter der Leitung der Professoren Hugo Hälschner (1817-1889) und Friedrich Wilhelm Ritschl (1806-1876) vertrat in seiner zunehmend preußenfreundlichen Linie die Meinung des größten Teils des Bildungs- und Besitzbürgertums, der Professoren und der Studentenschaft. Ein studentisches Engagement lässt sich hier vor allem im Sommer 1848 beobachten.
Die Studentenschaft war in politischer Hinsicht gespalten. Selbst innerhalb der einzelnen Korporationen kam es zur Herausbildung demokratischer, konstitutioneller oder konservativer Fraktionen und zu erbitterten Flügelkämpfen. Für Aufsehen sorgte die Auseinandersetzung zwischen den Franken Johannes Overbeck und Carl Schurz, der sich der Demokratiebewegung und einer Reform der Hochschulen im Sinne des Progress verpflichtet sah. In diesem Sinne forcierte er die Einigung der gesamten Bonner Studentenschaft unter dem Dach einer parlamentarisch organisierten Allgemeinheit. Overbeck stand dieser Initiative ablehnend gegenüber. In politischer Hinsicht verstand er sich als Konstitutioneller, fand für seine Ansichten aber weder in den Studentenversammlungen noch in seiner Burschenschaft eine Mehrheit.
Die angespannte Stimmung spiegelt sich in einem Brief wider, den Schurz an seinen Bundesbruder Theodor Petrasch (1825-1886) schrieb: „Was unsere studentischen Bestrebungen angeht, so leben wir in einem solchen Schwall von Geschäften, Versammlungen, Wahlen usw., dass uns fast Hören und Sehen vergeht, und nur sehr wenig Zeit bleibt, unsere Erfolge zu genießen. In unserer Partei herrscht der beste Geist, und wir Radikalen stehen unbedingt an der Spitze. Weise und ich genießen einer sehr ausgedehnten Popularität. Overbeck wird sich sehr in acht nehmen müssen, wenn er nicht sinken will.“
Der öffentlich ausgetragene Konflikt zwischen Overbeck und Schurz entwickelte sich zugleich zu einem Machtkampf in der Frankonia, in dem Schurz letztlich die Oberhand behielt. Er wurde im August 1848 zum Sprecher seines Bundes gewählt, während sich Overbeck nach der erfolgreichen Konstituierung der Allgemeinheit im Juli 1848 zurückzog. Er war jedoch entscheidend an der Gründung des Konstitutionellen Bürgervereins am 12.6.1848 beteiligt. Schurz vermerkte: „Overbeck hat sich gänzlich aus dem Studentenleben in seinen Doktor zurückgezogen – und er wird, wenn ich mich nicht sehr irre, sich dabei besser befinden.“ Im Jahr 1850 habilitierte sich Overbeck in Bonn und wirkte ab 1853 als Professor für Archäologie in Leipzig. Er war mit einer Tochter des Bonner Zoologen Georg August Goldfuß verheiratet.
Die Gründung der Allgemeinheit über politische und korporative Gegensätze hinweg bedeutete für Schurz nach mehrmonatigen Verhandlungen einen großen Erfolg, der letztlich aber nur im Einvernehmen mit den Corps möglich geworden war. Unterstützung hatte Schurz vor allem in dem Rhenanen Adolf Ernst von Ernsthausen (1827-1894) gefunden, der sich als unverzichtbarer Vermittler zwischen den verschiedenen politischen Gruppierungen erwies. Er verstand es auch, die fünf Corps von der Teilnahme an der Allgemeinheit zu überzeugen. Rückblickend schrieb er: „Die Corps hatten, ihrem exklusiven Charakter entsprechend, anfangs keine besondere Neigung, sich an diesen Zusammenkünften zu beteiligen. Eine starke Meinung unter den Corpsstudenten ging dahin, sich ganz davon zurückzuhalten. Ich war der entgegengesetzten Meinung. Die Corps mit ihrem Anhange […] umfassten zwar nur etwa ein starkes Sechstel der ganzen Studentenschaft, aber ihre straffe Organisation und das Ansehen, in dem sie standen, gaben ihnen eine verhältnismäßig weit größere Macht, die vorkommenden Falls leicht den Ausschlag geben konnte.“
An der Seite von Schurz profilierte sich der Jurastudent und spätere Aachener Oberbürgermeister Ludwig von Weise (1828-1915), der seit dem Wintersemester 1846/1847 der Frankonia angehörte, als ein führender Kopf der Demokraten. Dank seiner herausragenden rhetorischen Fähigkeiten spielte er vor allem in den Studentenversammlungen des Sommersemesters 1848 eine wichtige Rolle. Zu den Wortführern im Demokratischen Verein ist der Medizinstudent Heinrich Ludwig Klostermann (1825-1895) zu zählen. Er gehörte der Burschenschaft Teutonia an und fungierte später als Kreisphysikus in Bochum.
Die führende Rolle der Burschenschaften innerhalb der Bonner Studentenschaft zeigte sich am zweiten Wartburgfest im Juni 1848. Unter der fünfköpfigen Delegation befanden sich mit Weise, Tendering und Klostermann drei Burschenschafter. Die Corps wurden durch Ernsthausen, die Union durch den Romanen Rudolf Gustav Wolter (1825-1890) vertreten. Bei dem im September 1848 in Eisenach zusammentretenden parlamentarischen Gesamtausschuss der deutschen Studenten wurde die Bonner Delegation von Schurz angeführt. Ihm zur Seite stand der Alemanne Eleazar Louis Lehmann (1824-1899). Dank ihrer Agitation wurde Bonn zum Vorort des Gesamtausschusses gewählt. Infolge der sich überschlagenden Ereignisse der folgenden Monate und des Niederganges der Allgemeinheit vermochten die Bonner das in sie gesetzte Vertrauen aber nicht zu rechtfertigen.
Während eine Mehrheit der Franken mit der demokratisch-republikanischen Bewegung sympathisierte, gingen die Alemannen im Sommer 1848 mit den maßvollen Zielen des Konstitutionellen Bürgervereins konform, der den „Bruch mit einem unheilvollen politischen System“ zwar befürwortete, als Staatsverfassung jedoch eine konstitutionelle Monarchie, „geschützt durch wesentlich demokratische Institutionen“ als „richtigste Staatsverfassung“ favorisierte. Einige Alemannen traten dem Konstitutionellen Bürgerverein als Mitglieder bei und bezogen öffentlich Stellung gegen die radikalen Forderungen des Demokratischen Vereins. Nur wenige lassen sich der demokratischen Linken zuordnen. Neben Tendering ist hier der bereits erwähnte Louis Lehmann (1824-1899) zu nennen. Er wurde Anfang Juli 1848 in den zwölfköpfigen Vorstand der Bonner Allgemeinheit gewählt, trat aber seit dem Wintersemester 1848/1849 nicht mehr in Erscheinung. Er praktizierte später als Arzt in Bad Oeynhausen. Tendering gehörte bis zu seiner Exmatrikulation im August 1848 zu den Hauptagitatoren der demokratischen Bewegung und war nach dem Studium als Arzt in Krefeld tätig.
Im Wintersemester 1848/1849 erwies sich der aus Moers stammende Jurastudent Arnold Knorsch (1828-1879) als führender Kopf der Alemannen. Später als Anwalt in Düsseldorf wirkend, war er in den 1850er Jahren Mitglied des liberalen Deutschen Nationalvereins und ab 1859 der Deutschen Fortschrittspartei. Den radikalen Forderungen der demokratischen Linken standen er und seine Burschenschaft im Herbst 1848 entschieden ablehnend gegenüber. Die Alemannen vertraten in den Versammlungen der Allgemeinheit an der Seite des Corps Borussia und der Burschenschaft Teutonia sogar verstärkt konservativ-reaktionäre Ansichten.
5. Die Verteidigung der Märzerrungenschaften
Nach Ende des Sommersemesters 1848 beendeten zahlreiche Führungspersönlichkeiten der demokratischen Bewegung ihre Studienzeit an der Universität Bonn. Am schwersten wog der Abgang Adolf von Ernsthausens, der den Konsens zwischen Burschenschaften und Corps herbeigeführt hatte. Er fungierte später als Oberpräsident der Provinz Westpreußen und gehörte seit 1864 als Vertreter der Konservativen dem Preußischen Abgeordnetenhaus an. Ebenso wie er verließ auch sein Corpsbruder Otto von Vacano (1827-1897) die Universität. Er hatte unter anderem als Delegierter an der Eisenacher Tagung des Gesamtausschusses teilgenommen. Als Präsident des Oberlandesgerichts Colmar und Mitglied des Staatsrats für Elsass-Lothringen erlangte auch er später überregionale Bedeutung.
Aus den Reihen der Burschenschaften nahmen Ludwig von Weise, Hermann Tendering und Franz d’Avis ihren Abschied. Der demokratische Nachwuchs rekrutierte sich nun vor allem aus jungen Mitgliedern Frankonias. Zu nennen sind dabei der Medizinstudent Ludwig Meyer (1827-1900) sowie der aufgrund seiner Teilnahme am Schleswig-Holsteinischen Krieg populär gewordene Geschichtsstudent und Schriftsteller Adolf Heinrich Strodtmann (1829-1879). Ludwig Meyer, ein „hochgewachsener Jüngling, der in schwarzem Samtrock und obligaten Kanonenstiefeln auf der Rednerbühne stand“, galt als herausragender Rhetoriker, wohingegen sich der schwerhörige Strodtmann als ein führender Autor der Bonner Zeitung erwies.
Nicht zur Frankonia gehörten der aus Köln stammende Medizinstudent Carl August Hartmann (1828-1863) sowie der Jurastudent Eduard Winkelmann (geboren 1828). Beide zählten zu den radikalsten Protagonisten der demokratischen Linken in Bonn. Winkelmann wirkte unter anderem als Geschäftsführer des im Dezember 1849 von Schurz gegründeten Demokratischen Studentenvereins. Hartmann emigrierte 1849 in die Vereinigten Staaten, wirkte dort als Arzt und fiel 1863 im Amerikanischen Bürgerkrieg in der Schlacht bei Chancellorsville.
Insgesamt ließ das Interesse der Bonner Studentenschaft an einer aktiven politischen Betätigung spürbar nach, die Beteiligung an den Versammlungen der Allgemeinheit war stark rückläufig. Die Corps und die Verbindungen der katholischen Union kündigten ihre Mitarbeit ebenso auf wie die Burschenschaften Alemannia und Teutonia. Der demokratisch gesinnte Medizinstudent Nathan Pappenheim (geboren 1824) beklagte den Zustand zunehmender politischer Passivität öffentlich in einem Artikel der Bonner Zeitung: „Werden die Bedürfnisse unserer studentischen Jugend denn niemals über das Bierfaß hinausgehen? Ist Band und farbige Mütze immer noch die einzige Zierde und Auszeichnung der Studenten? Können sich die Älteren um die neu Ankommenden gar nicht anders verdient machen, als sie für ihre Farben und das Bierfaß zu werben? Wir verzweifeln.“
Auch die politischen Entwicklungen nahmen seit den Sommermonaten des Jahres 1848 einen anderen Verlauf, als ihn sich die Demokraten erhofft hatten. Dem unübersehbaren Macht- und Bedeutungsverfall der Frankfurter Nationalversammlung standen die Erfolge der gegenrevolutionären Kräfte unter preußischer Führung gegenüber. Um diesen Entwicklungen und der allgemeinen Entpolitisierung entgegenzuwirken, entschieden sich die Bonner Demokraten unter der Führung von Kinkel und Schurz im November 1848 zur Entmachtung der städtischen Behörden und zur Initiierung einer Steuerverweigerung, einer Maßnahme, die gemäß eines Beschlusses der Preußischen Nationalversammlung vom 15.11.1848 als legitimes Mittel des politischen Protests galt. Auf einer Volksversammlung wurde am 19. November ein zehnköpfiger Sicherheitsausschuss gewählt, dem mit Carl Schurz und Nathan Pappenheim zwei Studenten angehörten. Der Sicherheitsausschuss erlangte nach der Besetzung der Stadttore durch die Bürgerwehr noch am gleichen Tag die Kontrolle über die Stadt. Die Bürgerschaft hatte diesem Vorstoß zunächst keinen Widerstand entgegensetzen können. Die Stadt wurde jedoch bereits am 20.11.1848 kampflos durch preußische Truppen besetzt und die kurze Herrschaft des Sicherheitsausschusses auf unspektakuläre Weise beendet.
Aufgrund der unklaren Rechtsverhältnisse blieben die Initiatoren des Steuerboykotts unbehelligt, auch die Studenten wurden durch die akademischen Behörden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Bürgerwehr hingegen wurde entwaffnet und am 22.12.1848 offiziell aufgelöst. Dem Aufruf zur Auslieferung ihrer Waffen folgten die Studenten nur widerstrebend. Adolf Strodtmann wurde wegen des illegalen Besitzes einer Muskete zu einer zehntägigen Haft im Karzer der Universität verurteilt. Die Demokraten büßten mit der Zerschlagung der Bürgerwehr den bewaffneten Arm ihrer Bewegung ein. Auch wenn der militärische Wert dieser Organisation nur gering war, so sollte sich der fehlende Zugriff auf Waffen und Munition im Verlauf des Frühjahrs 1849 noch als nachteilig erweisen.
Eine rege Beteiligung von Mitgliedern der Burschenschaft Frankonia im Demokratischen Verein ist auch in den Monaten nach der missglückten Steuerverweigerung zu beobachten. Auf Betreiben von Schurz konstituierte sich am 1.12.1848 außerdem ein eigenständiger demokratischer Studentenverein als Bindeglied zwischen der zunehmend unpolitischer werdenden Studentenschaft und dem Demokratischen Verein. Schurz selbst übernahm den Vorsitz. Nachdem Gottfried Kinkel in die Preußische Nationalversammlung gewählt worden war, gingen auch die Führung des Demokratischen Vereins und die Leitung der Neuen Bonner Zeitung vom 23.2.-7.4.1849 auf Schurz über. Während er in diesen Funktionen unumstritten war, sah er sich innerhalb seiner Burschenschaft einer stärker werdenden Opposition gegenüber, die vor allem seine politische Agitation kritisch beobachtete.
Frankonia zerfiel in zwei Lager. Auf der einen Seite stand eine sich in der Minderheit befindende, jedoch einen großen Teil der sich politisch engagierenden Mitglieder umfassenden Fraktion um Philipp Wessel, auf der anderen Seite die politisch passive Mehrheit um den aus Stettin stammenden Jurastudenten Felix Giesebrecht (1829-1901). Strodtmann schrieb im Februar 1849: „Die Verbindung bietet jetzt ein trübes Bild, eine drückende Schwüle lastet auf allen Gemütern, zwei Parteien stehen sich gegenüber, die sich misstrauisch betrachten; hoffen wir, daß recht bald der erwartete Blitz herniederfahre, der die beklommene Luft reinigt.“
Der seit dem Wintersemester 1848/1849 schwelende Konflikt erreichte seinen Höhepunkt, als dem Jurastudenten Max Sack (1829-1875), später Stadtgerichtsrat in Berlin, die ehrenvolle Entlassung aus der Verbindung von der Gruppe um Giesebrecht und Strodtmann versagt wurde. Die gegen diese Entscheidung protestierende achtköpfige Opposition unter der Führung von Wessel und Meyer erklärte daraufhin geschlossen ihren Austritt und gründete am 9.3.1849 die Burschenschaft „Normannia“.
Schurz, der bei den entscheidenden Versammlungen abwesend war, schloss sich ihnen an. Dagegen blieb Strodtmann, der nicht nur ein überzeugter Demokrat, sondern auch ein entschiedener Gegner Wessels war, Mitglied der Frankonia. Politische Motive spielten bei der Spaltung demzufolge keine entscheidende Rolle. Von Strodtmann abgesehen spielte die Frankonia im weiteren Verlauf der revolutionären Ereignisse keine Rolle mehr. Normannia hingegen, der mit Schurz, Meyer und Wessel drei führende Agitatoren der demokratischen Bewegung angehörten, vertrat über den gescheiterten Sturm auf das Siegburger Zeughaus im Mai 1849 hinaus radikal-demokratische Positionen.
6. Zerschlagung der demokratischen Bewegung
Die politisch motivierten Aktivitäten Bonner Studenten sollten ihren Höhepunkt in der „Bankett-Affäre“ am 25.2.1849 und den darauf folgenden Auseinandersetzungen zwischen den verantwortlichen Studenten und den akademischen Behörden finden. Anlässlich des ersten Jahrestages der revolutionären Ereignisse in Frankreich hatten die Demokraten zu einem Festzug mit anschließendem Bankett in der Bonner Innenstadt aufgerufen. Der Senat der Universität versagte dieser Feier die Zustimmung und stellte Durchführung und Teilnahme unter Strafe. Trotz der Androhung schwerster Konsequenzen wurden Festzug und Bankett unter der Leitung von Wessel, Meyer und Pappenheim wie geplant durchgeführt. Aufgrund der unerwartet starken Frequentierung durch die Studentenschaft verzichtete die Universität zwar auf eine gewaltsame Auflösung der Veranstaltung, leitete allerdings gegen die Verantwortlichen ein Disziplinarverfahren ein.
Schurz gelang es, diesen Prozess öffentlichkeitswirksam in Szene und die akademischen Behörden gleichzeitig unter Druck zu setzen. Dessen ungeachtet wurden Pappenheim und Wessel dennoch als Hauptverantwortliche von der Universität verwiesen, während Meyer aus Beweismangel freigesprochen werden musste. Die Bestrafungen seiner Mitstreiter nahm Schurz offensichtlich billigend in Kauf, wohl auch darauf spekulierend, seinen verlorenen Einfluss auf die Studentenschaft zurückzuerlangen. Diese Hoffnung erfüllte sich allerdings nicht. Zudem verzeichnete die demokratische Bewegung mit der Ausweisung von Pappenheim und Wessel den Verlust zweier nur schwer zu ersetzender Führungspersönlichkeiten. Kurzfristig als Erfolg gefeiert, bedeutete die „Bankett-Affäre“ letztlich eine weitere erhebliche Schwächung der demokratischen Bewegung in Bonn.
Wessel kehrte bereits 1851 nach Bonn zurück, wo er promovierte und trotz seiner republikanischen Vergangenheit eine Anstellung als Privatdozent für physische und physikalische Geographie erhielt. Er starb nach schwerer Krankheit bereits im Jahr 1855. Nathan Pappenheim promovierte 1850 in Halle. Danach verliert sich seine Spur.
Die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. am 3.4.1849 leitete die Endphase der Revolution ein. Gottfried Kinkel war nach der Auflösung der Preußischen Nationalversammlung nach Bonn zurückgekehrt und hatte seine Tätigkeit an der Universität ebenso wieder aufgenommen wie sein Engagement an der Spitze der demokratischen Bewegung. Der Ausbruch der Aufstände in Elberfeld und Barmen (heute Stadt Wuppertal), vor allem aber die Einberufung der Landwehr am 8.5.1849, führte unter einigen Bonner Demokraten um Schurz zu der Ansicht, dass die Errungenschaften der Revolution nur noch durch Waffengewalt verteidigt werden konnten. Man plante daher, das Zeughaus im nahegelegenen Siegburg zu überfallen, sich der dort lagernden Waffen und Ausrüstung zu bemächtigen und sich den Aufständischen in Elberfeld anzuschließen. Gottfried Kinkel stand dem Unternehmen zwar skeptisch gegenüber, vermochte seine Zweifel aber nicht geltend zu machen.
Tatsächlich entwickelte sich die Aktion zu einem Fiasko. Bereits kurz nachdem die etwa 100 Mann zählende Truppe am 10.5.1849 rechtsrheinisches Gebiet erreicht hatte, wurde sie von nachsetzenden Dragonern überrascht und widerstandslos zersprengt. Über die Beteiligung von Studenten und Burschenschaftern am gescheiterten Sturm auf das Siegburger Zeughaus liegen keine verlässlichen Angaben vor. Belegt ist neben der Teilnahme von Schurz jedoch zumindest die von Ludwig Meyer und Eduard Winkelmann. Mit einer weitaus stärkeren Beteiligung von Studenten war zumindest von Seiten des zum Befehlshaber ernannten ehemaligen preußischen Leutnants Carl Friedrich Theodor Anneke (1818-1872), Ehemann der Feministin Mathilde Anneke, vor allem aber von Schurz selbst gerechnet worden. Kinkels Skepsis und Strodtmanns Fernbleiben lassen vermuten, dass der geplante Sturm auf das Zeughaus auch unter den Demokraten höchst umstritten war. Die Mehrheit der Teilnehmer entstammte der sozialen Unterschicht Bonns.
Kinkel und Schurz wandten sich nach dem missglückten Zeughaussturm dennoch nach Elberfeld, um die dortigen Aufständischen zu unterstützen. Später nahm Schurz am Badischen Aufstand teil, flüchtete unter abenteuerlichen Umständen aus der von preußischen Truppen belagerten Festung Rastatt und gelangte schließlich in die Schweiz. Nicht zuletzt durch die spektakuläre Befreiung seines Lehrers Gottfried Kinkel aus dem Spandauer Gefängnis im November 1850 avancierte er zu einer der populärsten Gestalten der Revolution.
Adolf Strodtmann wurde im Verlauf des Sommersemesters 1849 von den akademischen Behörden wegen eines von ihm verfassten Gedichtes über den in Rastatt inhaftierten Kinkel von der Universität verwiesen. Er verbrachte mehrere Jahre im Ausland, lebte in Paris, London und New York, ehe er 1856 nach Deutschland zurückkehrte, sich zunächst in Hamburg niederließ und zuletzt als Schriftsteller und Dichter in Berlin lebte.
Ludwig Meyer musste sich im Frühjahr 1850 in Köln gemeinsam mit Kinkel für seine Beteiligung am Siegburger Zeughaussturm verantworten. Der Prozess endete mit einem spektakulären Freispruch. Dennoch wurde Meyer am 30.7.1850 von der akademischen Gerichtsbehörde mit der Ausweisung aus Bonn bestraft. Er setzte sein Studium in Würzburg fort und stand 1850 im Verdacht, an der Befreiung Kinkels beteiligt gewesen zu sein. Trotz seiner vielfältigen politischen Aktivitäten als ebenso hochbegabt wie fleißig geltend, avancierte er in den folgenden Jahrzehnten zu einer der führenden Kapazitäten auf dem Gebiet der Psychiatrie und wirkte bis an sein Lebensende als Professor an der von ihm gegründeten psychiatrischen Klinik in Göttingen. Auf politischem Gebiet vollzog er hingegen eine vollständige Wendung, stand den Nationalliberalen nahe und erwies sich wie viele seiner Mitstreiter als entschiedener Anhänger der Politik des einstigen Göttinger Corpsstudenten Otto von Bismarck (1815-1898).
Nach der Flucht von Schurz und den Verweisen von Meyer und Strodtmann hatte die demokratische Studentenbewegung in Bonn ihre letzten Identifikationsfiguren verloren. Der Demokratische Verein löste sich bereits am 12.7.1849 auf, die „Neue Bonner Zeitung“ stellte am 30.6.1850 ihr Erscheinen ein. Im Sommersemester 1850 suspendierte die Burschenschaft Normannia, die verbliebenen Mitglieder kehrten zur Frankonia zurück. Ungeklärt bleibt die Rolle der am 14.11.1849 konstituierten Burschenschaft „Markomannia“. Möglicherweise handelte es sich bei ihr um eine späte radikal-demokratische Gruppierung, die aber nur einen geringen Zulauf verzeichnete. Sie bestand bis 1855 als Burschenschaft und danach bis zu ihrer Auflösung 1859 als Corps.
7. Bilanz
Die Bonner Burschenschaften traten im Verlauf der Revolution 1848/1849 nicht als eigenständig agierende politische Vereinigungen hervor. In ihren Reihen fanden sich Anhänger unterschiedlichster politischer Richtungen, wodurch ein geschlossenes Auftreten in keiner Phase ernsthaft in Erwägung gezogen werden konnte. Dennoch gehörten die meisten demokratisch gesinnten Bonner Studenten einer Burschenschaft an. So wurde die demokratische Bewegung zwar nicht durch die Burschenschaften, wohl aber entscheidend von Burschenschaftern getragen. Dies gilt für die demokratische Linke ebenso wie für die Konstitutionellen. Besonders während des Sommersemesters 1848 ist im Konstitutionellen Verein eine lebhafte Beteiligung von Burschenschaftern unter der Führung von Johannes Overbeck feststellbar. Die Bemühungen von Schurz um eine dauerhafte Instrumentalisierung der Studentenschaft für die Ziele der demokratischen Bewegung erwiesen sich über das Sommersemester 1848 hinaus als erfolglos. Die konservative Fraktion der Corps, der Union sowie der Burschenschaften Alemannia und Teutonia vereinte ab dem Wintersemester 1848/1849 die Mehrheit der Bonner Studenten.Die Bonner Burschenschaften traten im Verlauf der Revolution 1848/1849 nicht als eigenständig agierende politische Vereinigungen hervor. In ihren Reihen fanden sich Anhänger unterschiedlichster politischer Richtungen, wodurch ein geschlossenes Auftreten in keiner Phase ernsthaft in Erwägung gezogen werden konnte. Dennoch gehörten die meisten demokratisch gesinnten Bonner Studenten einer Burschenschaft an. So wurde die demokratische Bewegung zwar nicht durch die Burschenschaften, wohl aber entscheidend von Burschenschaftern getragen. Dies gilt für die demokratische Linke ebenso wie für die Konstitutionellen. Besonders während des Sommersemesters 1848 ist im Konstitutionellen Verein eine lebhafte Beteiligung von Burschenschaftern unter der Führung von Johannes Overbeck feststellbar. Die Bemühungen von Schurz um eine dauerhafte Instrumentalisierung der Studentenschaft für die Ziele der demokratischen Bewegung erwiesen sich über das Sommersemester 1848 hinaus als erfolglos. Die konservative Fraktion der Corps, der Union sowie der Burschenschaften Alemannia und Teutonia vereinte ab dem Wintersemester 1848/1849 die Mehrheit der Bonner Studenten.
Burschenschafter wie Schurz, Strodtmann oder Meyer avancierten in Wort und Schrift zu den Trägern der demokratischen Bewegung in Bonn. Von ihren Kritikern wurden sie als politische „Phantasten“ verspottet. Dennoch verstanden sie es, die Unzufriedenheit der sozial und ökonomisch benachteiligten Gesellschaftsschichten für ihre Zwecke zu nutzen und diese für ihre Ziele zu mobilisieren. Andererseits mangelte es ihnen aber an taktischem Kalkül und realpolitischer Nüchternheit, wodurch sie zu einem überstürzten Aktionismus neigten, der ihren Zielen letztlich weitaus mehr schadete als Nutzen brachte.
Literatur
Balder, Hans-Georg, Frankonia Bonn – Geschichte einer deutschen Burschenschaft 1845-1995, Hilden 2006.
Braubach, Max, Bonner Professoren und Studenten in den Revolutionsjahren 1848/49, Köln/Opladen 1967.
Gerhardt, Hans, Hundert Jahre Bonner Corps. Die korporationsgeschichtliche Entwicklung des Bonner S. C. von 1819 bis 1918, Frankfurt a.M. 1926.
Hessel, Karl, Geschichte der Burschenschaft Fridericia zu Bonn (1843-1847). Festgabe zur Feier des 50jährigen Stiftungsfestes der Burschenschaft Alemannia zu Bonn, Berlin 1895.
Kersken, Hans, Stadt und Universität Bonn in den Revolutionsjahren 1848-1849, Bonn 1931.
Koschera, Daniel, „Hat sich jüngst ein neuer Verein von katholischen Studenten gebildet“ – Bavaria und die Bonner Union 1844–1867. Ein Beitrag zur Frühzeit katholischer Studentenvereinigungen in Deutschland, Köln 2004.
Oppermann, Otto, Geschichte der Bonner Burschenschaft(1819-1839), Leipzig 1896.
Oppermann, Otto, Die Burschenschaft Alemannia zu Bonn und ihre Vorläufer, Band 1, Bonn 1925.
Schloßmacher, Norbert (Hg.), „Die Aufregung ist hier permanent und Bonn die unruhigste Stadt am Rhein.“ Bonn 1848/49. Beiträge zum 150. Jahrestag der deutschen Revolution, Bonn 1998.
Schnelling-Reinicke, Ingeborg/ Dascher, Ottfried (Hg.), Petitionen und Barrikaden. Rheinische Revolutionen 1848/49, Münster i.W. 1998.
Thomann, Björn, Die Rolle der Burschenschaften in Jena, Bonn und Breslau in der Revolution 1848/49, in: Cerwinka, Günter/Kaupp, Peter/Lönnecker, Harald /Oldenhage, Klaus (Hg.), 200 Jahre burschenschaftliche Geschichte. Von Friedrich Ludwig Jahn zum Linzer Burschenschafterturm. Ausgewählte Darstellungen und Quellen, Heidelberg 2008, S. 312–401.
Online
Burschenschaft Alemannia zu Bonn (Internetauftritt mit Informationen zur Geschichte, zu Prinzipien und Aktivitäten der Burschenschaft Alemannia). [Online]
Bonner Burschenschaft Frankonia (Internetauftritt mit Informationen zur Geschichte, zu Prinzipien und Aktivitäten der Burschenschaft Frankonia). [Online]
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Thomann, Björn, Die Bonner Burschenschaften in der Revolution 1848, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-bonner-burschenschaften-in-der-revolution-1848/DE-2086/lido/57d128e7e531a8.76703693 (abgerufen am 06.10.2024)