Lippedepartement (pinke Umrandung), Ausschnitt aus der Karte 'Rechtsrheinische Territorien und Departements im Rheinland 1813', Bonn 2010. (LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte)

In der Spät­zeit der Herr­schaft Kai­ser Na­po­le­ons I. (1769-1821) er­folg­te im Ju­li 1810 die An­ne­xi­on Hol­lands und fünf Mo­na­te spä­ter die Ein­ver­lei­bung Nord­deutsch­lands. Frank­reich hielt da­mit die Küs­ten des Kon­ti­nents bis weit in den Nor­den fest in ei­ge­ner Hand, was ei­ne er­folg­rei­che Fort­set­zung der seit 1806 an­dau­ern­den Kon­ti­nen­tal­sper­re ge­gen Eng­land zu ver­spre­chen schien.

Im Zu­ge der Neu­or­ga­ni­sa­ti­on des ein­ge­glie­der­ten Ge­bie­tes ent­stand 1811 das Lip­pe­de­par­te­ment als ei­nes der letz­ten im kai­ser­li­chen Frank­reich. Mit Be­schluss des Pa­ri­ser Se­nats vom 27. April wur­de die Ein­rich­tung des Lip­pe­de­par­te­ments ver­ab­schie­det. Na­po­le­on ge­neh­mig­te die­sen Be­schluss ei­nen Tag spä­ter. Das De­par­te­ment war bis 1813 Teil des fran­zö­si­schen Staa­tes. Un­klar­heit herrsch­te über die Zu­ge­hö­rig­keit zu den be­nach­bar­ten hol­län­di­schen oder han­sea­ti­schen De­par­te­ments. So taucht das Lip­pe­de­par­te­ment teils zu­sam­men mit den ei­nen oder an­de­ren De­par­te­ments, teils un­ab­hän­gig auf.

Das nach dem Fluss Lip­pe be­nann­te De­par­te­ment wur­de aus vier seit dem 26.12.1810 zu Hol­land ge­hö­ren­den Ar­ron­dis­se­ments ge­bil­det: Müns­ter (Muns­ter) und Rees (Rées) aus dem Oberi­js­sel­de­par­te­ment (Dé­par­te­ment de l’Is­sel-Su­pé­ri­eur, un­ter­schied­li­che Schreib­wei­se für den hol­län­di­schen Fluss IJs­sel) so­wie den Ar­ron­dis­se­ments Neu­en­haus aus dem De­par­te­ment der Wes­tems (Dé­par­te­ment de l’Ems-Oc­ci­den­tal) und Stein­furt aus dem De­par­te­ment der Ijs­sel­mün­dung (Dé­par­te­ment des Bou­ches-de-l’Is­sel). Die Ver­wal­tungs­ein­tei­lung Hol­lands in ins­ge­samt neun De­par­te­ments war erst we­ni­ge Mo­na­te zu­vor zum 1.1.1811 ver­bind­lich ge­wor­den. Im Lip­pe­de­par­te­ment wur­de das fran­zö­si­sche Ad­mi­nis­tra­ti­ons­sys­tem mit Prä­fek­tur, Ar­ron­dis­se­ments, Kan­to­nen und Mai­ri­en ein­ge­führt. Haupt­stadt und Sitz der Prä­fek­tur war Müns­ter in der äu­ßers­ten süd­öst­li­chen Ecke des De­par­te­ments. Der lang ge­zo­ge­ne Ad­mi­nis­tra­ti­ons­be­zirk mit ei­ner schma­len Nord-Süd-Er­stre­ckung um­fass­te ei­ne Be­völ­ke­rung von 239.355 Ein­woh­nern und be­stand aus Tei­len des vor­ma­li­gen Bis­tums Müns­ter, Tei­len der al­ten Her­zog­tü­mer Kle­ve un­d Aren­berg (auch Arem­berg) so­wie aus den frü­he­ren Graf­schaf­ten Bent­heim und Stein­furt.

Die vier Ar­ron­dis­se­ments wa­ren in ins­ge­samt 22 Kan­to­ne ge­glie­dert; sie ver­teil­ten sich wie folgt:

Müns­ter: Dül­men, Hal­tern, Müns­ter, St. Mau­ritz (St. Mau­rice), Not­tuln.

Neu­en­haus: (Bad) Bent­heim, Hee­de, Neu­en­haus, Nord­horn, We­su­we.

Rees: Bo­cholt, Bor­ken, Em­me­rich, Rees, Rin­gen­berg, Stadt­lohn.

Stein­furt: Ahaus, Bil­ler­beck, Coes­feld, Och­trup, Rhei­ne, Stein­furt.

Im Ver­lauf des Jah­res 1811 wur­den aus zoll­po­li­ti­schen Grün­den die Ge­mein­den An­gel­mod­de und Wol­beck am 6.8.1811 vom Gro­ßher­zog­tum Berg ge­trennt und dem Lip­pe­de­par­te­ment an­ge­glie­dert (Ar­ron­dis­se­ment Müns­ter, Kan­ton Hal­tern).

Nach der Nie­der­la­ge Na­po­le­ons in der Völ­ker­schlacht bei Leip­zig (16.-19.10.1813) und der In­be­sitz­nah­me des Lip­pe­de­par­te­ments durch die ver­bün­de­ten Mäch­te wur­de am 7.11.1813 in Müns­ter ei­ne Ad­mi­nis­tra­ti­ons­kom­mis­si­on für das Lip­pe­de­par­te­ment er­rich­tet. We­nig spä­ter kam das Lip­pe­de­par­te­ment am 19. No­vem­ber mit Aus­schluss des Ar­ron­dis­se­ments Neu­en­haus an das preu­ßi­sche Ge­ne­ral­gou­ver­ne­ment der Pro­vin­zen zwi­schen We­ser und Rhein mit Sitz in Müns­ter.

Im An­schluss an den Wie­ner Kon­gress (1814/1815) fie­len die drei Kan­to­ne Em­me­rich, Rees und Rin­gen­berg aus dem al­ten Ar­ron­dis­se­ment Rees an die preu­ßi­sche Rhein­pro­vinz (Re­gie­rungs­be­zirk Düs­sel­dorf). Durch Ver­trag vom 7.10.1816 zwi­schen der preu­ßi­schen Kro­ne und dem Kö­nig­reich der Nie­der­lan­de wur­de die deutsch-nie­der­län­di­sche Gren­ze neu ge­re­gelt. Da­durch wur­de das Ge­biet des Krei­ses Rees zum 1.3.1817 um bis da­hin nie­der­län­di­sches Ge­biet er­wei­tert.

Al­le an­de­ren vor­ma­li­gen Kan­tons­haupt­or­te des Lip­pe­de­par­te­ments ka­men mit Aus­nah­me des Ar­ron­dis­se­ments Neu­en­haus durch den Wie­ner Kon­gress gleich­falls an die preu­ßi­sche Kro­ne und wur­den der Pro­vinz West­fa­len zu­ge­ord­net (Re­gie­rungs­be­zirk Müns­ter).

Die der Rhein­pro­vinz und der Pro­vinz West­fa­len zu­ge­wie­se­nen frü­he­ren Kan­tons­haupt­or­te ge­hö­ren nach dem Zwei­ten Welt­krieg seit 1946 zum Bun­des­land Nord­rhein-West­fa­len.

Die Kan­tons­haupt­or­te des al­ten Ar­ron­dis­se­ments Neu­en­haus wur­den in­fol­ge des Wie­ner Kon­gres­ses dem Kö­nig­reich Han­no­ver zu­ge­wie­sen. Das Kö­nig­reich fiel durch den Preu­ßisch-Ös­ter­rei­chi­schen Krieg 1866 an Preu­ßen und wur­de zur Pro­vinz Han­no­ver. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg ka­men die­se vor­ma­li­gen Kan­tons­haupt­or­te 1946 an das Bun­des­land Nie­der­sach­sen.

Quellen

Con­seil d’Eì­ta­t (Hg.), Rap­port et pro­jet de deì­cret re­la­tifs à la fixa­ti­on des cont­ri­bu­ti­ons di­rec­tes, du deìpar­te­ment de la ­Lip­pe, pour l’an­neìe 1812, Pa­ris 1811.
Con­seil d’Eì­ta­t (Hg.), Rap­port et pro­jet de deì­cret re­la­tifs à la ­li­qui­da­ti­on ­de la det­te pu­bli­quPa­ris 1811.e du deìpar­te­ment de la ­Lip­pe, Pa­ris 1811.
Dé­par­te­men­t ­de la Lip­pe, Cais­se d’Amor­tis­se­ment, Ven­te de bi­ens na­tionaux: con­for­mé­ment aux lois des 15 et 16 flo­réal an 10, et 5 ven­tô­se an 12, Müns­ter 1 (1812)-47 (1813).
Fried­rich Wil­helm, Al­ler­hoechs­te Ka­bi­netts­or­der u­e­ber die guts­herr­lich-ba­eu­er­li­chen Ver­ha­elt­nis­se im ehe­ma­li­gen Ko­enig­reich West­fa­len, Gross­her­zog­tum Berg und fran­zoe­sisch-han­sea­ti­schen oder Lip­pe-De­par­te­ment, Ber­lin 1825.
Mé­mo­ri­al ad­mi­nis­tra­tif du Dé­par­te­men­t ­de la Lip­pe, Müns­ter 1811-1813.
Müns­ter­man, Jo­seph von: Al­ma­nach des Lip­pe-De­par­te­ments für das Jahr 1813, Müns­ter o.J. [1813] [Auch Fak­si­mi­le Vre­den 1996; Di­gi­ta­li­sier­te Aus­ga­be un­ter On­line auf­ruf­bar].
Samm­lung von 14 Bul­le­tins aus den Jah­ren 1810-13, die das Lip­pe-De­par­te­ment be­tref­fen, Pa­ris 1810-1813.

Literatur

Eis­er­mann, Sil­ke, Müns­ter in na­po­leo­ni­scher Zeit, Müns­ter 1994.
Lahr­kamp, Mo­ni­ka, Müns­ter in na­po­leo­ni­scher Zeit 1800-1815. Ad­mi­nis­tra­ti­on, Wirt­schaft und Ge­sell­schaft im Zei­chen von Sä­ku­la­ri­sa­ti­on und fran­zö­si­scher Herr­schaft, Müns­ter 1976.

Online

Müns­ter­man, Jo­seph von: Al­ma­nach des Lip­pe-De­par­te­ments für das Jahr 1813, Müns­ter o.J. [1813] (On­line­aus­ga­be bei mia­mi, Müns­ter­sches In­for­ma­ti­ons- und Ar­chiv­sys­tem mul­ti­me­dia­ler In­hal­te der West­fä­li­schen Wil­helms-Uni­ver­si­tät Müns­ter). [On­line]
Vie­bahn, Ge­org von (Hg.), Sta­tis­tik und To­po­gra­phie des Re­gie­rungs-Be­zirks Düs­sel­dorf, 2 Tei­le, Düs­sel­dorf 1836(Di­gi­ta­ler Text der Bi­blio­thek des Se­mi­nars für Wirt­schafts- und So­zi­al­ge­schich­te der Uni­ver­si­tät Köln). [On­line]

Zitationshinweis

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Graumann, Sabine, Lippedepartement, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/lippedepartement-/DE-2086/lido/57d119379852e4.34049775 (abgerufen am 06.10.2024)