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Die Grafschaft - ab 1417 Herzogtum - Kleve war im Spätmittelalter kein ausgedehntes, aber ein stabiles und wohlhabendes Territorium. Außerdem war Kleve um 1360 das am fortschrittlichsten administrierte Territorium im Reich. Dieses wusste seine Selbständigkeit im Verbund mit anderen Territorien (Mark, Jülich-Berg) bis 1609 zu wahren. Das Kerngebiet des Herzogtums, das zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis gehörte, erstreckte sich auf beiden Seiten des Rheins von Duisburg bis Zyfflich. Exklaven befanden sich vor allem im Norden und Westen. Das Herzogtum wurde 1789 im Norden von der niederländischen Provinz Gelderland begrenzt, im Westen vom niederländischen Teil Brabants sowie vom damals preußischen Teil Gelderns. Im Süden grenzte es an das Kurfürstentum Köln, das Herzogtum Berg und das Stift Essen, im Osten an das Fürstbistum Münster. Wirtschaftlich war der Rhein, wo sich seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts verschiedene klevische Flusszölle nachweisen lassen, die bedeutendste Lebensader Kleves, aber es spielten auch die Maas und verschiedene Nebenflüsse des Rheins (Ruhr, Lippe, IJssel) eine Rolle.
Der Name Kleve ist verwandt mit neuhochdeutsch Klippe und bezieht sich auf die Lage der Stammburg der Grafen von Kleve über einer 40 Meter hohen Stauchmoräne. Archäologisch lässt die Burg sich bislang grob um 1100 datieren, der älteste schriftliche Namensbeleg findet sich in einer Urkunde von 1092, die einen Grafen Dietrich von Kleve nennt. Nach den Annalen von Klosterrath (Annales Rodenses, 12. Jahrhundert) hat der Adlige Rutger, der nach seiner Vertreibung aus Flandern gemeinsam mit seinem Bruder Gerhard in den Dienst des Kaisers getreten war, als Stammvater der Grafen von Kleve zu gelten. Sein Bruder gilt als Stammvater der Grafen von Geldern. Vermutlich waren die Brüder um 1020 mit der Verwaltung von Reichsforsten am Niederrhein beauftragt worden. Um 1100 war der Graf von Kleve Burgherr zu Kleve und Inhaber von Grafschaftsrechten, aber noch kein Graf einer Grafschaft Kleve im Sinne eines Territoriums.
Es lassen sich bis 1150 lediglich einzelne klevische Güter und Rechte ausmachen. Sie finden sich linksrheinisch im Gebiet von Birten bis Zyfflich und rechtsrheinisch zwischen Ruhr und Lippe. Eine wichtige Besitzung im Süden war die Tomburg (heute Stadt Rheinbach), nach der die Grafen sich bis 1134 ebenfalls nannten. Bis 1200 sind Besitzungen in den heutigen Niederlanden nachweisbar. Abgesehen von den Besitzungen, die vielleicht direkt vom Reich herrührten, stammten viele Güter und Rechte vom lothringischen Pfalzgrafen beziehungsweise vom Kölner Erzbischof als Herzog von Niederlotharingen sowie von Vogteien über Kirchengüter (etwa von Kölner Kirchen, des Stiftes Xanten, der Abteien Echternach und Prüm sowie des Klosters Arras). Die Klever Burg als alleinige Stammburg ab 1134 erhielt bis circa 1200 einen repräsentativen Palas.
Zwei kultische Zentren in der Umgebung waren das Stift Wissel, dessen Patronatsrecht beim Grafen lag und wo der heilige Luthard als sein Vorfahre verehrt wurde, und das vor 1138 von Graf Arnold I (gestorben 1148/1149) gegründete Prämonstratenserstift Bedburg (heute Gemeinde Bedburg-Hau), dessen Kirche als gräfliche Grablege diente. In der Regierungszeit von Graf Dietrich IV./VI. wurden weitere rechtsrheinische Besitzungen erworben, unter anderem Dinslaken und Ringenberg. Zu der Zeit wurden im Rahmen einer niederrheinischen Stadtgründungswelle auch die ersten klevischen Stadtrechtsprivilegien ausgefertigt: Wesel 1241, Kleve und Kalkar 1242, Grieth 1255. Gemeinsam mit den bescheidenen Anfängen einer Binnenkolonisation bildeten diese einen ersten Schritt in Richtung einer Verdichtung der Herrschaft in der nunmehr als Bezirk (districtus) bezeichneten Grafschaft. Ihre Verwaltung lag beim gräflichen Hof mit seinen Ministerialen. Eine flächendeckende Verwaltungsorganisation auf der lokalen Ebene fehlte noch weitgehend.
Bis zum Aussterben des ersten Grafenhauses (1368) wurden unter anderem Duisburg, Hamborn (heute Stadt Duisburg), Emmerich und die Liemers sowie Hulhuizen und Rindern (heute Stadt Kleve) erworben. Diesen Zugewinnen stand der Verlust der südlich von Duisburg gelegenen Besitzungen, die Graf Dietrich VI./VIII. seinem Bruder Dietrich Luf II. 1280 überließ, gegenüber. Doch dank der Teilung verblieb als Grafschaft ein relativ kompakter Besitzkomplex im Norden, der sich gut erschließen und organisieren ließ. Bereits unter Dietrich V./VII. hatten weitere Städte (Büderich, Orsoy, Dinslaken, Kranenburg) Stadtrecht erhalten und in der darauf folgenden Zeit bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts setzte eine landesherrlich gelenkte Rodungswelle ein, die verschiedene Bruchsiedlungen entstehen und die letzten Wälder in der Rheinniederung verschwinden ließ. Dietrich VI./VIII. führte parallel hierzu eine flächendeckende Gerichtsherrschaft in Form von landesherrlichen Ortsgerichten ein. König Albrecht I. (Regierungszeit 1298-1308) erkannte 1300 seine ausschließliche Gerichtshoheit innerhalb der Grafschaft an. Unter Dietrich VII./IX. und seinem Bruder Johann folgte die Einteilung der Grafschaft in Drostämter. Als Dietrich VII./IX. die Stadt Kleve mit der Burg um 1340 zur festen Residenz machte, ermöglichte er damit eine Weiterentwicklung der zentralen Verwaltung. In der Kanzlei wurde unter Graf Johann eine systematische Registrierung aller ausgefertigten Urkunden eingeführt. Ein 1351 erstmals genannter 'kleiner' Rat als Ausschuss des älteren gräflichen Rates entwickelte sich zur Verwaltungsbehörde und Gerichtsinstanz. Da der Graf das Stift Monterberg 1340 nach Kleve verlegte, wurde hier die alte Pfarrkirche von einer Stiftskirche ersetzt, die gleichsam als neue Grablege der Landesherren diente, im Prinzip bis 1521. König Karl IV. (Regierungszeit 1346-1376) belehnte Graf Johann 1349 mit der Grafschaft, die nun als unmittelbares Reichslehen galt und dadurch rechtlich gegen Ansprüche dritter geschützt war.
Die Grafschaft vererbte 1368 seitlich an das Haus Mark. Dabei erhielt Graf Adolf von Kleve (1368-1394) lediglich die linksrheinischen Teile der Grafschaft einschließlich Emmerich und musste die restlichen Teile mit dem halben Zoll zu Büderich seinen Brüdern überlassen. Er erwarb freilich 1392 das Amt Aspel-Rees mit dem Kondominium zu Xanten als kurkölnisches Pfand. Erst sein 1394 angetretener Sohn Adolf II. konnte ab 1404 über die ganze Grafschaft Kleve verfügen. Ihm war 1398 auch die Grafschaft Mark zugefallen. Sein Versuch, die beiden Territorien zu vereinen, gelang insofern es die Belehnung mit den beiden Grafschaften betraf, doch sein Bruder Gerhard (gestorben 1461) regierte bis 1456 selbständig als Graf zu der Mark. Adolf II. heiratete, nachdem ihm 1397 sein Sieg in der Schlacht im Kleverhamm viel Ruhm und Kapital eingebracht hatte, 1406 in zweiter Ehe Maria von Burgund (1394-1463). Er wurde 1417 zum Herzog und die Grafschaft Kleve zum Herzogtum und Reichsfürstentum erhoben. Abgesehen von Gennep erwarb er unter anderem einen Teil des Reichswaldes, Wachtendonk und die Düffel als Pfandgüter. Er erneuerte die Klever Burg, die jetzt ihren Schwanenturm erhielt, versah das Land mit Verteidigungsanlagen, verbesserte seine Verwaltungsstruktur und fertigte 'Polizei'-Gesetze aus. Sein Grab erhielt er 1448 im von ihm gegründeten Kartäuser-Kloster auf der Grav-Insel bei Wesel. Verschiedene seiner Kinder wurden am burgundischen Hof erzogen und fanden dort Ehepartner. Das Herzogtum erhielt 1473 einen letzte großen Gebietszuwachs als Karl der Kühne (Regierungszeit 1465-1477) Herzog Johann I. als Dank für seine Hilfe bei der burgundischen Eroberung Gelderns verschiedene Pfandgüter definitiv schenkte, sowie auch Lobith, Angerlo und die Vogtei des Reichsstifts Essen.
Durch die 1510 vollzogene Heirat des späteren Herzogs Johann III. von Kleve (Regierungszeit 1521-1539) mit Maria von Jülich-Berg (1491-1543) wurden Kleve und Mark mit den Herzogtümern Jülich und Berg sowie mit der Grafschaft Ravensberg vereint. Herzog Wilhelm regierte vorübergehend (1538-1543) auch über das Herzogtum Geldern mit der Grafschaft Zutphen. Düsseldorf wurde nun zur Hauptresidenz, aber Kleve blieb Nebenresidenz und die dortige Schlossanlage wurde ausgebaut. Außerdem nannten die Mitglieder des Herzogshauses sich weiterhin 'von Kleve' (beispielsweise Anna von Kleve).
Nachdem 1609 mit Johann Wilhelm (Regierungszeit 1592-1609) das Haus Kleve-Mark in männlicher Linie ausgestorben war, brach ein Erbfolgestreit aus. Im Vertrag von Xanten (1614) wurden der Kurfürst von Brandenburg und der Herzog von Pfalz-Neuburg als die 'possidierenden' Fürsten anerkannt, unter Garantie einer gewissen Religionsfreiheit der Länder. Beim Erbvergleich von 1666 erhielt der Kurfürst von Brandenburg Kleve und Mark mit Ravensberg. Das Herzogtum Kleve übernahm vorübergehend eine Rolle als Schaltstelle zwischen der Republik und Brandenburg, sank aber später in den Rang einer entfernten westlichen Randprovinz hinab. Reformversuche der Kurfürsten im 17. Jahrhundert scheiterten am Widerstand der Stände, die bereits seit dem 15. Jahrhundert sehr einflussreich gewesen waren. Sie hinderten den Kurfürsten auch am Bau eigener Festungen, bis zur Anlage der Landesfestung zu Kalkar (1654-1674), während andererseits befestigte Städte am Rhein (unter anderem Emmerich, Rees, Wesel, Orsoy) ab dem Ende des spanisch-niederländischen Achtzigjährigen Kriegs bis 1672 von niederländischen Garnisonen besetzt blieben, sowie auch die Festung Schenkenschanz, die sich später zur niederländischen Enklave entwickeln sollte (bis 1816).
Im 18. Jahrhundert führten die preußischen Könige große Änderungen durch. Beispielhaft sind hier zu nennen die Abschaffung der freien Magistratswahl und die Verstaatlichung der städtischen Akzisen (1713), die Einrichtung einer Kriegs- und Domänenkammer (1723) sowie die Einführung von Landratsämtern parallel zu einer neuen Gerichtsorganisation (1753).
Für die im Herbst 1794 von den Franzosen eroberten Gebiete zwischen Maas und Rhein wurde eine Zentralverwaltung in Aachen eingerichtet. Daraus entstand 1798 das Roerdépartement mit einem Arrondissement Kleve. Der Frieden von Lunéville legalisierte 1801 die bereits vollzogene Eingliederung dieses Départements in Frankreich. Die rechtsrheinischen Teile kamen zum 1806 gebildeten Großherzogtum Berg, ausgenommen die Festungsstadt Wesel, die als rechtsrheinischer Brückenkopf 1808 dem Arrondissement Kleve hinzugefügt wurde. Nach dem Abzug der Franzosen Ende 1813 wurde rechtsrheinisch ein Generalgouvernement Berg und linksrheinisch ein Generalgouvernement Niederrhein eingerichtet. Eine 1815 an ihrer Stelle eingerichtete preußische Provinz Kleve-Jülich-Berg umfasste den Regierungsbezirk Kleve (1816), dem sowohl das gesamte ehemalige Herzogtum Kleve sowie Teile alter Nachbarterritorien angehörten. Er wurde 1821 in den Regierungsbezirk Düsseldorf eingegliedert.
Quellen (Auswahl)
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Kleve-Mark Urkunden 1368-1394. Regesten des Bestandes Kleve-Mark Urkunden im Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf, bearb. von Wolf-Rüdiger. Schleidgen, Siegburg 1986.
Kleve-Mark Urkunden 1394-1416. Regesten des Bestandes Kleve-Mark Urkunden im Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf, bearb. von Heike Preuss, Siegburg 2003.
Oediger, Friedrich Wilhelm (Hg.), Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen Territorien. Grafschaft Kleve. 2. Das Einkünfteverzeichnis des Grafen Dietrich IX. von 1319 und drei kleinere Verzeichnisse des rechtsrheinischen Bereichs, 2 Teile, Düsseldorf 1982.
Schleidgen, Wolf-Rüdiger (Bearb.), Das Kopiar der Grafen von Kleve, Kleve 1986.
Literatur (Auswahl)
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Janssen, Wilhelm, Die Entwicklung des Territoriums Kleve, Karte und Beiheft (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande V/11-12), Bonn 2007.
Kastner, Dieter, Die Grafen von Kleve und die Entstehung ihres Territoriums vom 11. bis 14. Jahrhundert, in: Land im Mittelpunkt der Mächte. Die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, Kleve 1984, S. 53-62.
Land im Mittelpunkt der Mächte. Die Herzogtümer Jülich, Kleve, Berg [Ausstellungskatalog], Redaktion Guido de Werd, Kleve 1984, 3. Auflage, Kleve 1986.
Lemmerz, Franz, Die Städte des Herzogtums Kleve und ihre Beziehungen zum ländlichen Raum im 18. Jahrhundert (1713-1806), Bonn 1994.
Lieven, Jens, Adel, Herrschaft und Memoria. Studien zur Erinnerungskultur der Grafen von Kleve und Geldern im Hochmittelalter (1020 bis 1250), Bielefeld 2008.
Schleidgen, Wolf-Rüdiger, Territorialisierung durch Verwaltung. Anmerkungen zur Geschichte des Herzogtums Kleve-Mark im 15. Jahrhundert, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 63 (1999), S. 152-186.
Online
Scotti, Johann Josef, Provinzial Gesetzte (Digitalisierung der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf). [Online]
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Thissen, Bert, Herzogtum Kleve, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/herzogtum-kleve/DE-2086/lido/57d118b2e01a18.97969392 (abgerufen am 12.12.2024)