Zu den Kapiteln
Schlagworte
Das weltliche Herrschaftsgebiet der Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln gehörte zum Kurrheinischen Reichskreis. Beim Abschluss seiner territorialen Entwicklung gegen Ende des Mittelalters bestand das Erzstift aus seinen recht zersplitterten rheinischen Landen sowie den in Westfalen gelegenen, räumlich geschlossenen Nebenländern Vest Recklinghausen und Herzogtum Westfalen.
Der rheinische Teil des kurkölnischen Territoriums erstreckte sich im Wesentlichen auf dem linken Rheinufer von Andernach im Süden bis in das Amt Rheinberg im Norden. Die Gebiete nördlich der Stadt Köln bezeichnete man als Niederstift, die südlichen als Oberstift. Letzteres griff weit in die Eifel und auch in den Westerwald aus, war jedoch ebenfalls auf den Rhein und insbesondere auf die Gegend um Bonn hin zentriert. In diesem Gebiet, wo sich die Erzbischöfe gegen Ende des Mittelalters vornehmlich aufhielten, nahmen zwei bevorzugte Residenzorte den Charakter von Hauptresidenzen an: zunächst Brühl, allerdings nur ansatzweise als zeitweiliger Sitz eines erzbischöflichen Ratskollegiums und der Kanzlei, dann vor allem Bonn, das 1597 vom damaligen Koadjutor und späteren Erzbischof Ferdinand von Bayern dauerhaft zur kurkölnischen Residenzstadt bestimmt wurde.
Den territorialen Besitzstand vermochten noch im 14. Jahrhundert die Erzbischöfe Heinrich II. von Virneburg mit dem Erwerb des so genannten Landes Hülchrath zwischen Köln und Neuss und Friedrich III. von Saarwerden mit dem Erwerb des Landes Linn wesentlich zu erweitern. Friedrich musste jedoch im Gegenzug einige Außenposten des Erzstifts im Rheinland und in Westfalen den Grafen von Kleve und von der Mark überlassen. Beispielsweise hatten sich die Erzbischöfe seit 1392 mit den Grafen die Herrschaft über Xanten zu teilen. 1444, zu Beginn der Soester Fehde, gingen Xanten und das bereits seit dem 10. Jahrhundert kölnische Soest gänzlich in klevisch-märkischen Besitz über, während es Erzbischof Dietrich II. von Moers gelang, sich die märkische Besitzungen Fredeburg und Bilstein im Sauerland in seinen Besitz zu bringen. Auch den wichtigen Rheinzoll Kaiserswerth konnte Erzbischof Dietrich II. für Kurköln erwerben. Der Kaiserswerther Zoll bildete neben den älteren kurkölnischen Rheinzöllen in Rheinberg, Neuss beziehungsweise Zons, Bonn und Andernach beziehungsweise Linz dauerhaft das Rückgrat der kurkölnischen Staatseinkünfte.
Bei diesem territorialen Bestand des Kurfürstentums blieb es im Wesentlichen bis zum Ende des Ancien Régime. Nicht zuletzt die Schuldenlast aus den großen Kriegen Erzbischof Dietrichs II. verhinderte eine expansive Politik seiner Nachfolger.
Die Reichsstadt Köln hatte sich schon vor dieser Zeit in einem Jahrhunderte langen Prozess aus der weltlichen Stadtherrschaft des Erzbischofs gelöst. Das markanteste Ereignis war hierbei die Schlacht bei Worringen 1288: Erzbischof Siegfried von Westerburg erlitt eine katastrophale Niederlage gegen die Stadt und ihre Verbündeten. Der Ausgang dieser Schlacht schuf jedoch keine völlig neue Lage, sondern befestigte eher die bestehenden Verhältnisse zwischen der zuvor schon weitgehend unabhängigen Stadt und ihrem geistlichen Landesherrn.
Mehrere Nachfolger Siegfrieds scheiterten in den folgenden Jahrhunderten bei ihren Versuchen, etwas an diesem Zustand zu ändern, so insbesondere Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden im so genannten Schöffenkrieg der 1370er Jahre. Rechtsförmlich trat die Stadt Köln mit dem 1475 verliehenen Reichsstadtprivileg Kaiser Friedrichs III. (Regierungszeit 1440-1493) aus der weltlichen Herrschaft ihres Erzbischofs. Hierin vor allem zahlte sich die Parteinahme der Stadt im Burgundischen oder Neusser Krieg für Kaiser Friedrich III. und die kurkölnischen Landstände gegen Erzbischof Ruprecht von der Pfalz und dessen mächtigen Helfer Herzog Karl den Kühnen von Burgund (Regierungszeit 1465/1467-1477) aus.
Auch nach 1475 bestanden jedoch zahlreiche Kontakte zwischen Stadt und Erzstift Köln, und dies nicht nur wegen verschiedener weltlicher Rechte, die den Erzbischöfen in der Stadt erhalten blieben: Die Stadt Köln überragte alle kurkölnischen Landstädte weit an Bedeutung, sowohl als kirchlicher Mittelpunkt des Erzbistums wie auch hinsichtlich ihres Bevölkerungsreichtums und ihrer wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Bedeutung. So bestand die auf Initiative der städtischen Obrigkeit gegründete Universität Köln mit ihrer auch überregionalen Ausstrahlung seit 1388. Das Erzstift erhielt dagegen erst kurz vor dem Ende des Ancien Régime eine eigene Akademie (seit 1774) beziehungsweise Universität (seit 1786) in Bonn (Schließung 1798).
Die rheinischen Städte, in der Regel 18, bildeten die letzte der vier Kurien des Landtags im rheinischen Erzstift – gemäß der Rheinischen Erblandesvereinigung von 1463, dem Grundgesetz der landständischen Verfassung Kurkölns. Die drei ersten Landstände waren das überwiegend mit hohen Adligen besetzte Kölner Domkapitel, das auch den jeweiligen Erzbischof und Kurfürsten aus seiner Mitte zu wählen hatte, die ungefähr zehn reichsunmittelbaren Grafen und Herren mit einem Rittersitz im erzstiftischen Gebiet sowie die landsässige Ritterschaft.
Unter den Städten des rheinischen Erzstifts traten Andernach, Ahrweiler, Bonn und Neuss als so genannte Hauptstädte hervor. Das rheinische Erzstift wies, wie das nördliche Rheinland überhaupt, ein recht hohes Maß an Urbanisierung auf, wenngleich der größte Teil der Bevölkerung Kurkölns von der Landwirtschaft lebte. Daran sollte sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wenig ändern.
Die mancherorts auch im Rheinland zu beobachtenden Prozesse gewerblicher Expansion, wie beispielsweise die Textilproduktion im Raum Krefeld oder im Herzogtum Berg, gingen nach derzeitigem Stand der Forschung vollständig am Erzstift Köln vorbei. Ursachen hierfür waren die in den Städten bestehenden strengen Zunftbestimmungen und das von den Herrschaftsträgern im Territorium aufrecht erhaltene Verbot des Zuzugs beziehungsweise Engagements protestantischer Gewerbetreibender.
Während die Erzbischöfe bis ins späte 16. Jahrhundert aus verschiedenen hochadligen Familien kamen, wurde Kurköln im Zuge des Truchsessischen oder Kölnischen Krieges (1583-1589) für fast 180 Jahre zu einer Art Sekundogenitur der bayerischen Wittelsbacher: Bayern engagierte sich nicht zuletzt finanziell, um in Zusammenarbeit mit der Römischen Kurie, Spanien und dem Kölner Domkapitel den Reformationsversuch des Erzbischofs Gebhard Truchseß abzuwehren. Neuer Erzbischof wurde daraufhin der bayerische Prinz Ernst. Ebenso wie er waren auch die nachfolgenden Kölner Kurfürsten bis zu Clemens August Wittelsbacher.
Damit war der Verbleib des kölnischen Kurstaates beim römisch-katholischen Bekenntnis endgültig entschieden, womit auch die katholische Mehrheit im Kurfürstenkollegium abgesichert und die eventuelle Wahl eines protestantischen Kaisers verhindert wurden.
Einen ersten Reformationsversuch hatte mit Hilfe Martin Bucers und Philipp Melanchthons (1497-1560) in den 1540er Jahren bereits Erzbischof Hermann V. von Wied unternommen, war jedoch am Widerstand insbesondere von Domkapitel, Papst und Kaiser gescheitert. Daraufhin waren die erzbischöfliche Wahlkapitulation im Jahre 1547 und ebenso die erneuerte Erblandesvereinigung im Jahre 1550 mit einer Klausel versehen worden, die jeden Kölner Kurfürsten auf das römisch-katholische Bekenntnis verpflichtete. Für Gegenreformation und katholische Konfessionalisierung in Kurköln war insbesondere die Regierungszeit des Erzbischofs Ferdinand von Bayern maßgeblich.
Die Herrschaft der Wittelsbacher in Kurköln wurde unterbrochen durch das Exil des Kurfürsten Joseph Clemens von Bayern, der nach seinem Bündnis mit dem französischen König Ludwig XIV. (Regierungszeit 1643-1715) ebenso wie sein Bruder, der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel (Regierungszeit 1679-1706 und 1714-1726), mit der Reichsacht belegt worden war. An seiner Stelle führte 1703-1715 das Kölner Domkapitel die kurkölnischen Regierungsgeschäfte. Auf Joseph Clemens folgten als letzter Wittelsbacher in Kurköln Clemens August und die Kurfürsten Maximilian Friedrich aus dem süddeutschen Grafenhaus Königsegg-Rothenfels sowie Maximilian Franz von Österreich, jüngster Sohn der Kaiserin Maria Theresia (Regierungszeit 1740-1780) und ähnlich wie sein Bruder, Kaiser Joseph II. (Regierungszeit als Kaiser 1765-1790), ein Verfechter der Aufklärung.
Die reformerischen Bemühungen dieses letzten amtierenden kölnischen Kurfürsten, etwa die Neuordnung der Justiz und Verbesserungen im Schulwesen, konnten das Erzstift nicht davor bewahren, beim Untergang des Alten Reiches das gleiche Schicksal wie die anderen geistlichen Territorien zu erleiden. 1794 besetzten französische Truppen unter anderem die linksrheinischen Gebiete Kurkölns, die mit dem Frieden von Lunéville 1801 französisches Staatsgebiet wurden. Als Maximilian Franz im selben Jahr starb, wählte das Domkapitel, das seinen Sitz seit 1794 im westfälischen Arnsberg hatte, zwar mit Anton Victor von Österreich (1779-1835) nochmals einen Erzbischof, doch gelangte dieser nicht mehr zur Ausübung seines Amtes. 1803 besiegelte der Reichsdeputationshauptschluss auch die Säkularisation.
Als der Wiener Kongress 1815 die Territorialstruktur Deutschlands neu ordnete, fielen die ehemals kurkölnischen Lande im Rheinland und in Westfalen an das Königreich Preußen. Die am deutlichsten sichtbaren Überreste des rheinischen Erzstiftes sind bis heute die Burgen und Schlösser, die den Erzbischöfen in Mittelalter und früher Neuzeit zur Herrschaftsausübung und als Residenz gedient haben, zum Beispiel die Zollfestung Zons beziehungsweise die dortige Burg Friedestrom im ehemaligen Niederstift und die Schlösser und Burgen in und um Bonn.
Quellen (Auswahl)
Regesten der Erzbischöfe von Köln 313-1414, 12 Bände, Bonn, Köln und Düsseldorf 1901-2001.
Literatur (Auswahl)
Geschichte des Erzbistums Köln, 5 Bände, Köln 1964-2008.
Janssen, Wilhelm, Die Entwicklung des Territoriums Kurköln: Rheinisches Erzstift (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande V/14-15), Bonn 2008.
Janssen, Wilhelm, Kleine rheinische Geschichte, Düsseldorf 1997.
Petri, Franz/Droege, Georg (Hg.), Rheinische Geschichte, Band 1 und 2, Düsseldorf 1976/1983.
Online
Herzogtum Westfalen (Internetportal Westfälische Geschichte des LWL). [Online]
Scotti-Kurköln (Herzogtum Westfalen, Vest Recklinghausen) (1461-1816) (Digitalisierung der von Scotti 1830/1831 publizierten Sammlung von Gesetzen und Verordnungen für das Kurfürstentum Köln im Rahmen des Internetportal Westfälische Geschichte des LWL). [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Engel, Frank, Kurfürstentum Köln, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/kurfuerstentum-koeln-/DE-2086/lido/57d118e0651e25.73195779 (abgerufen am 18.09.2024)