Zu den Kapiteln
Im Jahre 1909 schlossen die ehemalige nassauische Residenzstadt Saarbrücken, die Schwesterstadt St. Johann und die junge Industriestadt Malstatt-Burbach einen Vereinigungsvertrag, der zur Bildung der fünftgrößten linksrheinischen Großstadt mit 105.000 Einwohnern führte. Die neue Kommune wurde aus dem Landkreis Saarbrücken, der zum Regierungsbezirk Trier der preußischen Rheinprovinz gehörte, ausgegliedert. Den Status einer kreisfreien Stadt behielt sie bis zur Gebiets- und Verwaltungsreform von 1974.
Im Jahre 1919 wurde sie mit dem Saargebiet der Hoheit des Völkerbundes unterstellt. In der Volksabstimmung vom 13.1.1935 entschieden sich die Saarländer für die Rückkehr ins Deutsche Reich. Das Land an der Saar einschließlich der kreisfreien Stadt Saarbrücken wurde aber nicht wieder dem Regierungsbezirk Trier zugeordnet, sondern der Verwaltung eines „Reichskommissars für das Saarland“ unterstellt. Die direkte Unterordnung unter die Reichsregierung blieb bis zum Kriegsende bestehen.
Seit der Völkerbundsherrschaft besaß Saarbrücken eine zentralörtliche politisch-administrative Funktion, sei es als Sitz einer Regierungskommission (1920-1935), eines Regierungspräsidenten (1935-1945) oder eines Hohen Kommissars der Besatzungsmacht Frankreich beziehungsweise der Regierung des Saarlandes.
Der saarländische Gesetzgeber hob in der Verwaltungsreform von 1974 den kreisfreien Status Saarbrückens auf und bildete aus der gleichzeitig vergrößerten Landeshauptstadt und dem Landkreis Saarbrücken (mit vier weiteren Städten und fünf Gemeinden) den Stadtverband Saarbrücken, der 2008 in einen die Kooperation der Mitglieder stärkenden Regionalverband umgewandelt wurde. Durch die Gebietsreform von 1974 wurde die Landeshauptstadt selbst um elf Städte und Gemeinden vergrößert, ihre Fläche wuchs um 217 Prozent auf 167 Quadratkilometer, die Einwohnerzahl stieg um 70 Prozent und belief sich auf 209.104, ein Stand, den sie in der Folgezeit nicht mehr erreichte. Zum 31.12.2009 waren 178.362 Personen mit Hauptwohnsitz in der Saarmetropole angemeldet.
Ein Blick in die Vorgeschichte der kreisfreien Stadt Saarbrücken zeigt anders als das 20. Jahrhundert nur wenige Veränderungen in der territorialen Zugehörigkeit. Nach der Ersterwähnung im Jahre 999 begegnet das Bistum Metz als Lehnsherr der Kaiserburg sarabrucca. Seit Anfang des 12. Jahrhunderts residierten die Grafen von Saarbrücken (ab 1353 das Haus Nassau Walramische Linie) in der heutigen Altstadt links der Saar, bis das revolutionäre Frankreich von 1792 bis 1815 eine Interimsherrschaft errichtete und die Hohenzollern für mehr als ein Jahrhundert die Nachfolge antraten. Nachdem Saarbrücken und St. Johann im Jahre 1322 den Freiheitsbrief erhalten hatten, fand ein Wandel der Kommunalverfassung erst in der Revolutionsepoche statt. Mit dem Untergang des Fürstentums Nassau-Saarbrücken verlor Saarbrücken den Status der Residenzstadt. Als Hauptort des Arrondissements Saarbrücken besaß es aber noch eine Funktion als administratives Zentrum. Die im Jahre 1800 gebildete Mairie Saarbrücken, die als Bürgermeisterei in preußischer Zeit bis zum Jahre 1859 fortbestand, nahm hinsichtlich ihres Umfangs die spätere kreisfreie Stadt vorweg, da sie neben den Städten Saarbrücken und St. Johann die Dörfer Malstatt und Burbach – zeitweise noch weitere Umlandgemeinden – einbezog. Bis 1856 unterschied die rheinische Kommunalverfassung wie die französische Mairie nicht zwischen Stadt- und Landgemeinden, so dass diese eine Verwaltungsgemeinschaft bilden konnten. Saarbrücken und St. Johann waren im Provinziallandtag im Stand der Städte vertreten. Dadurch besaßen sie nach der Kommunalordnung von 1856 das Recht, die Einführung der Städteordnung zu beantragen. Infolge ihres Antrags löste sich die Bürgermeisterei auf, und es entstanden im Jahre 1859 drei kommunale Einheiten: die Städte Saarbrücken und St. Johann und die Bürgermeisterei Malstatt-Burbach.
Bis zum Vereinigungsvertrag von 1909 war Saarbrücken lediglich der Hauptort des gleichnamigen Landkreises, seine politisch-administrative Zentralitätsfunktion war demnach unter der Hohenzollernmonarchie vergleichsweise schwach ausgebildet. Vereinzelt besaßen in Saarbrücken angesiedelte Sonderbehörden einen über die Kreisgrenzen hinaus gehenden Wirkungsbereich, so das 1834 eingerichtete Königliche Landgericht – das zweite im Regierungsbezirk Trier –, das Bergamt, das nach seiner anfänglichen Unterbringung im Erbprinzenpalais am Schlossplatz 1880 einen Neubau in St. Johann beziehen konnte, sowie die 1864 ins Leben gerufene Handelskammer.
Die Landeshauptstadt Saarbrücken liegt in einer breiten Talaue der Saar und auf den anliegenden Höhen. Auf 19,1 Kilometer grenzt sie an Frankreich. Die Grenzlage hat Geschichte und Kultur stark geprägt. Schon Ludwig XIV. (Regierungszeit 1643-1715) suchte im Zuge der so genannten Reunionskriege das Land in Frankreich einzugliedern. Die Beziehungen zu Frankreich waren aber keineswegs nur von einem Antagonismus gekennzeichnet. Nassauische Fürsten traten mit ihren Regimentern wiederholt in den Dienst des mächtigen Nachbarn. In kultureller Hinsicht fand ein ständiger Austausch statt.
Saarbrücken gehörte im Mittelalter teils zum Bistum Metz, teils zum Erzbistum Trier. Die Grenze verlief zwischen Alt-Saarbrücken und St. Johann einerseits sowie Malstatt und Burbach andererseits. Im Jahre 1575 führte Graf Philipp III. die Reformation nach lutherischem Bekenntnis ein. Seit dem 17. Jahrhundert gab es neben den lutherischen auch eine reformierte Kirchengemeinde. Die lutherischen Gemeinden und die reformierte Gemeinde in Saarbrücken stellten 1802 vergeblich einen Antrag auf Vereinigung an die französische Verwaltung, ein zweites Gesuch von 1817 an die Berliner Regierung war von Erfolg gekrönt. Vor dem offiziellen Unionsdekret entstand die so genannte Saarbrücker Union.
Nach den Reunionskriegen Ludwigs XIV. wurde eine katholische Gemeinde in Saarbrücken zugelassen: Der erste katholische Gottesdienst im heutigen Stadtgebiet seit der Reformation wurde 1680 in einer Notkirche in St. Johann abgehalten. Anschließend erbauten die Katholiken mit französischen Zuschüssen die Basilika St. Johann. Die erste katholische Pfarrei wurde rechtskräftig erst 1803 in St. Johann errichtet. In Alt-Saarbrücken eröffnete im Jahre 1885 eine weitere katholische Kirche ihre Tore. Heute gehören die römisch-katholischen Bewohner der Landeshauptstadt zum Dekanat Saarbrücken des Bistums Trier und stellen mit einem Anteil von 44,4 Prozent (2009) der Gesamtbevölkerung die größte Konfessionsgruppe dar (der Anteil der Evangelischen beläuft sich auf 26,7 Prozent). Die Verschiebung der Proportionen setzte mit der Industrialisierung ein und resultiert aus Zuwanderung und unterschiedlicher Geburtenplanung.
Das Erwerbsleben der Stadtbürger beruhte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit auf Landwirtschaft und Handwerk. Mit dem Regierungsantritt des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken im Jahre 1741 (Regierungszeit bis 1768) gerieten die altüberkommenen statischen Lebensverhältnisse in Bewegung. Unter der Leitung seines Baumeisters Friedrich Joachim Stengel (1694-1787) entstanden bedeutende Barockbauten, darunter 1775 die Ludwigskirche, heute noch ein Wahrzeichen der Stadt. Wilhelm Heinrich förderte die lokale Wirtschaft durch die Ansiedlung zahlreicher Industrien und den Ausbau der staatlichen Kohleförderung. Einige Handelshäuser bezogen Kolonialwaren, Fische und Textilien aus Holland im Tausch gegen Kohle und Schiffsbauholz, das über die Saar nach Holland geflößt wurde. Sie bildeten den Kern eines florierenden Kaufmannsstandes.
In der Revolutionsepoche formte sich die altständische Gesellschaft zu einer bürgerlichen Gesellschaft um; die Eigentumsverhältnisse und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden liberalisiert. Kirchlicher und fürstlicher Besitz wurden zu Nationalgütern erklärt und an Privatleute veräußert. Wälder und Kohlengruben blieben im Staatsbesitz.
Im Zeichen der Freisetzung aller natürlichen und menschlichen Ressourcen begann der Aufstieg einiger Unternehmerfamilien (zum Beispiel der Eisenhüttendynastie Stumm), der sich in der preußischen Zeit nahtlos fortsetzte. Über den Grubenbesitz war der Staat selbst der größte Unternehmer an der Saar. Weder in Saarbrücken noch in St. Johann gab es Gruben oder Hüttenwerke, jedoch befand sich hier das Management, der Kopf des sich entfaltenden Industriereviers. Die Eisenbahn wurde zum wichtigsten Entwicklungsfaktor der Region. Binnen weniger Jahrzehnte wurde Saarbrücken zum Knotenpunkt eines sich rasch verdichtenden Eisenbahnnetzes. Weitaus stärker als Saarbrücken und St. Johann wurde Burbach von der Industrialisierung erfasst. Handelte es sich in der ersten Jahrhunderthälfte noch um ein kleines Dorf der Bürgermeisterei Saarbrücken, so entwickelte es sich in der zweiten zu einem Zentrum der Schwerindustrie. Im Jahre 1856 errichteten belgische und luxemburgische Industrielle hier ein Eisenwerk. Die unmittelbare Nähe zum Wasser- und Schienenweg sowie zu den Saargruben begünstigte die Produktions- und Transportbedingungen. Mit den Produktionssteigerungen erhöhte sich die Belegschaft, aus den Dörfern Burbach und Malstatt wurde in kurzer Zeit eine Arbeiterstadt mit über 30.000 Einwohnern. Im Gefolge des industriellen Aufbruchs kam es zu einem stürmischen Bevölkerungswachstum, in dessen Verlauf Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach zu einer großen Agglomeration zusammenwuchsen. Die Bevölkerung in Malstatt-Burbach stieg von 2.395 im Jahr 1848 auf fast 40.000 im Jahr 1900, 1927 betrug die Zahl 55.392. Die höchsten Zuwachsraten verzeichneten die drei Saarstädte in der Zeit von 1885 bis 1910, als sich die Einwohnerzahlen jährlich um 4 Prozent erhöhten. Dabei profilierte sich Malstatt-Burbach als Industriestadt, St. Johann rechts der Saar als Verkehrs- und Handelszentrum, Saarbrücken auf der linken Saarseite als bevorzugte Wohn- und Verwaltungsstadt.
Der Versailler Vertrag von 1919 zerstörte durch die Unterstellung des Saargebietes unter die Hoheit des Völkerbundes nicht nur die seit 1871 mit dem Reichsland Elsass-Lothringen ausgebauten Wirtschaftsbeziehungen, sondern führte auch zur Abtrennung vom Deutschen Reich und machte Saarbrücken wieder zur Grenzstadt. 1935 kehrte das Saargebiet für zehn Jahre in das Deutsche Reich zurück. Die saarländische Schwerindustrie wurde zu einem bedeutenden Faktor der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft, dennoch konnte die Arbeitslosigkeit in der Region nicht gänzlich behoben werden, so dass viele Saarländer außerhalb der Grenzen auf Arbeitssuche gingen. Nach dem Kriegsende 1945 unterstand das Saarland zunächst der französischen Besatzungsherrschaft und war in das französische Wirtschafts- und Währungsgebiet integriert. Auf das Referendum von 1955, in dem die Saarländer mit deutlicher Mehrheit den Fortbestand eines eigenen Staates ablehnten, folgte der politische und wirtschaftliche Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland und das Ende der seit dem Versailler Vertrag von 1919 durchlebten instabilen Wechsellagen. Dafür mussten sich die saarländischen Produkte einer starken Konkurrenz stellen. Die Nachteile der geographischen Randlage wurden durch den Anschluss an das bundesdeutsche Autobahnnetz und die Saarkanalisierung zu mildern gesucht.
Noch unter französischem Protektorat erfolgte die Gründung der Universität des Saarlandes (1948), die es ermöglichte, Führungskräfte im Land auszubilden. Ferner profilierte sich Saarbrücken als Messestadt mit einer die Grenzen überschreitenden Leistungsschau. Mit dem Bau der Kongresshalle im Jahre 1965, einem Geschenk der Bundesrepublik für das Referendum von 1955, begann die Ära der Tagungen und Kongresse in der Stadt. Zusammen mit der Saarlandhalle und dem früheren Residenzschloss, das zum Bürgerschloss umgewidmet wurde, gibt es inzwischen ein großes Angebot an Einrichtungen, um Gäste aus dem In- und Ausland in Saarbrücken zu bewirten. So kann der starke Verlust von Arbeitsplätzen, den vor allem die Schwerindustrie in den letzten Jahrzehnten verzeichnete, durch ein Wachstum in den Dienstleistungsbetrieben teilweise aufgefangen werden. In allen Lebensbereichen präsentiert sich Saarbrücken als offene Stadt. Stand früher die Anbindung an Frankreich oft unter negativen Vorzeichen, so gilt jetzt die Nähe zum westlichen Nachbarn zunehmend als ein Vorzug der lokalen Wirtschaft. Saarbrücken entwickelt sich mehr und mehr von einer Grenzstadt zu einer Stadt mit einer europäischen Brückenfunktion.
Literatur
Burg, Peter, Saarbrücken 1789-1860. Von der Residenzstadt zum Industriezentrum, Saarbrücken 2000.
Wittenbrock, Rolf, unter Mitwirkung von Marcus Hahn (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, 2 Bände, Saarbrücken 1999.
Online
Rolf Wittenbrock, Stadtgeschichte Saarbrücken. [Online]
Landeshauptstadt Saarbrücken/Kultur/Stadtgeschichte. [Online]
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Burg, Peter, Stadt Saarbrücken, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/stadt-saarbruecken/DE-2086/lido/57d120cbb98c36.02522084 (abgerufen am 01.12.2024)